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Samstag, 11. November 2023

Tag 103 - In Gedanken versunken

Sie hat auch sehr viel nachgedacht - Alexandra Drennan

Ich schreibe derzeit wenig, ich denke derzeit viel nach.

Vor gut einer Woche ist das Spiel The TALOS Principle II veröffentlicht worden. Wer den Vorgänger kennt, weiß, dass es ein Grafikadventure mit vielen Rätseln ist - diese Rätsel sind allerdings nicht reiner Selbstzweck, sondern tragen zu einem philosophischen SciFi-Narrativ bei. Der Mensch als Wesen wird hinterfragt - von seinen Nachfahren. Im ersten Teil - die große Buba erinnert sich noch gut daran - setzten wir den Grundstein für eine neue Zivilisation, nachdem die Menschheit durch eine unaufhaltbare Krankheit ausgerottet worden war (ein beliebter SciFi-Topos).

Der zweite Teil führt das Ganze weiter, denn er spielt in dieser neuen Zivilisation, und als Spieler wird man noch intensiver als im ersten Teil mit Fragen nach dem Sinn des Lebens, nach der Bedeutung des Selbst konfrontiert, das eigene Handeln hinterfragt, und das teils abstrakt, aber teils auch so konkret, dass ich manchmal nur in dieser fiktiven Welt stehenbleibe, den Anblick genieße, die New-Age-Musik höre und über mein eigenes Leben nachdenke, und die provokativen philosophischen Fragen, die das Spiel stellt, mit meiner derzeitigen Lebenssituation abgleiche.

Heavy stuff, und deswegen bin ich derzeit ganz in meiner eigenen Welt. Sorry, wenn ich nicht oder nur sporadisch antworte - der Aspi ist in seinem Element und es geht ihm da gut.

post scriptum: Jetzt beginnt die Phase, in der die neuen Planstellen ab Februar ausgeschrieben werden. Es tauchen immer mehr Stellen mit Englisch auf, aber entweder passt das zweite Fach nicht, oder die Schule ist auf Sylt oder in Geesthacht, oder es ist eine Grundschule. Noch nichts Passendes dabei, mal schauen, vielleicht taucht ja auch eine passende Schulanfrage für eine Vertretung dieser Tage auf. 

Abwarten, und Tee trinken. Und nachdenken, und gesund bleiben.

Fabi, Moss, Tom: Ich habe Euch nicht vergessen! I need time...

Montag, 9. Mai 2022

Einen Moment innehalten


Ellerbeker Markt
. Ich gehe den Weg von meinem Einkauf (Em Eukal-Bonbons mit Granatapfel-Honig-Geschmack) Richtung Parkplatz zurück. Vor dem Gymnasium Wellingdorf steht eine Horde Schüler an der Bushaltestelle, und ich überlege, ob ich einfach hindurchgehen soll, oder lieber etwas langsamer, bis ein Bus mich überholt und die Kinder vom Gehweg wegsammelt. Ich entscheide mich, langsamer zu gehen; die Sonne scheint, es ist draußen sehr angenehm, und ich gehe auf eine Drossel zu meiner Rechten zu, die auf dem Rasen am Fuß eines Baums herumhopst und irgendwas im Gras entdeckt zu haben scheint.

Sie pickt mehrfach in den Boden, und dann sehe ich, dass sie einen Regenwurm erwischt hat. Sie versucht ihn aus dem Boden zu ziehen, aber das ist gar nicht so einfach; sie kommt nur stückchenweise voran und braucht mehrere Versuche. Ich bleibe stehen, wende mich ihr zu und beobachte ihre Aufgabe gespannt. Ich muss schmunzeln und sage ihr, dass sie sich anstrengen soll, und sie kommt tatsächlich mit jedem Versuch etwas weiter, aber der Regenwurm ist lang und steckt zur Hälfte im Boden fest. Immer wieder hackt sie auf ihn ein und zerrt ihn etwas weiter aus dem Boden.

Ich freue mich für jeden kleinen Fortschritt, den dieser Vogel da unten macht. Irgendwie ist das ein schöner Moment, und plötzlich höre ich eine Frauenstimme irgendwo rechts neben mir: "Ich habe mir schon gedacht, dass sie anhalten und der Drossel zuschauen würden." Eine Fahrradfahrerin, vielleicht Mitte fünfzig, steigt ab und schiebt ihr Rad an mich heran. "So wie sie zum Vogel geschaut haben und dann langsamer gegangen sind. Ich hab' mir gedacht, der bleibt bestimmt stehen. Sie sind also einer dieser Menschen, die so einen schönen, kleinen, unauffälligen Moment zu genießen wissen. Ich finde das toll. Das kann nicht jeder Mensch."

Ich hasse es, von unbekannten Menschen angesprochen zu werden, weil ich Angst habe, dass irgendwas schief geht. Heute nicht - denn diese Frau hat Recht mit jedem Wort, das sie gesagt hat, also drehe ich mich lächeln zu ihr: "Ja, ich finde, wir leben in einer so hektischen Welt, und so viele Menschen suchen ihr Glück irgendwo anders und können nicht sehen, dass es so schöne Momente direkt vor ihrer Nase geben kann. Irgendwie sind alle in Eile, jeder muss irgendwo hin, so wenige Menschen können einfach mal da sein. Ich habe auch irgendwie das Gefühl, dass wir erst mit dem Älterwerden irgendwann lernen, das zu sehen, was um uns herum passiert."

"Sehen sie, und solche Momente wertschätzen, das können oft nur ganz besondere Menschen", sagt sie zu mir. "Menschen, die etwas in ihrem Leben durchgemacht haben, was sie bremst. Vor meiner Krebserkrankung bin ich an solchen Situationen auch zu schnell vorbeigegangen, und erst dadurch habe ich gelernt, mal anzuhalten."

Und so sprechen wir ein paar Minuten auf einer Wellenlänge - ich und diese Frau, die ich noch nie gesehen habe, deren Namen ich nicht kenne und die ich vielleicht auch nie wiedersehen werde. In dem Moment ist es mir plötzlich überhaupt nicht mehr wichtig, schnell zum Auto und zurück nach Hause zu kommen. Der Drossel-Moment hält eine Weile an, und schließlich bedanke ich mich bei der Frau für diesen tollen Moment und sage ihr, dass ich den jetzt mit nach Hause und in's Wochenende nehmen werde. Sie wird das auch tun, sagt sie, und tatsächlich sehe ich diesen Moment vor meinem geistigen Auge immer noch so, als wäre er gerade eben passiert.

Nicht nur im Buddhismus trainiert man die Fähigkeit, mal einen Moment innezuhalten, um die Welt um sich herum wahrzunehmen, und das ist eine tolle Fähigkeit: So oft suchen wir unser Glück in der Ferne und släsch oder in der Zukunft und übersehen, dass wir es jetzt und hier direkt bei uns haben können, auch wenn wir uns gerade vielleicht in einer schwierigen Situation befinden.

Unerwartet in Wellingdorf - ein kleiner Moment Ruhe.

Montag, 12. Oktober 2020

Geduld


Wer mich ein bisschen kennt, denkt sich wahrscheinlich, dass bei einer größeren Blogpause entweder ein neuer Film, eine neue Serie oder ein neues Videospiel dahintersteckt. Richtig gedacht: Da wäre zum einen The Haunting of Bly Manor (2020), die zweite Staffel nach der grandiosen Shirley Jackson-Verfilmung The Haunting of Hill House (2018) - mit einer Bewertung halte ich mich noch zurück. Bin mal gespannt, ob mein Eindruck sich mit dem Kritikerspiegel deckt. addendum: Ja, tut er.

Zum anderen wäre da Obduction - die Miller-Brüder, die kreativen Köpfe hinter der Myst-Reihe, die ich im Blog schon einmal kommentiert habe, haben vor einiger Zeit ein neues Spiel herausgebracht, das den Charakter von Myst behält, neue Technologie nutzt und eine high concept science fiction story erzählt. Mit allem, was ich an den anderen Spielen mochte: Viele Schalter zum Umlegen, viele Knöpfe, Gleise, Schwebebahn, knackige Rätsel, Atmosphäre pur. Und vor allem: Kein Stress. Kein Game Over. Ich kann das in aller Ruhe erleben.

Und genau um dieses "in aller Ruhe" geht es heute, denn früher hatte ich es nicht unbedingt mit der Ruhe. Einer der Nachteile, wenn man sehr intelligent ist: Der Kopf gewöhnt sich an die Grundhaltung, dass alles sehr schnell gehen muss. Aufgaben in der Schule, im Studium - sehr schnell erledigt. Und gerade wenn man noch davon ausgeht, der eigene Kopf ticke völlig normal, kommt man nicht auf die Idee, dass es auch anders ginge.

Man sitzt dann als Schüler im Unterricht, völlig unterfordert, und fragt sich, warum das nicht alles schneller voranginge. "Ich habe das doch alles schon verstanden, können wir nicht weitermachen?" Und auch, wenn man andere Menschen bei Aufgaben beobachtet, können einem schnell die Finger kribbeln. "Du brauchst so lange dafür... lass' mich das einfach machen, das geht schneller, dann können wir weitermachen." Vielleicht geht es anderen Hochbegabten da draußen nicht so - müsste ich aber erst noch kennen lernen, bisher konnte mir jeder Betroffene diesen Eindruck in unterschiedlichen Formen bestätigen.

Genau so bin ich auch an Spiele herangegangen, besonders Rätseladventures. Diese Spiele sind auf Ruhe und Langsamkeit ausgelegt, nicht auf Hektik. Wenn ich so ein Spiel vor mir hatte, die meisten Rätsel zügig lösen konnte, dann aber bei einem Rätsel nicht schnell genug auf die Lösung gekommen bin, habe ich mich schnell hilfesuchend an den Herrn WWW gewandt. So konnte ich die Spiele zwar zügig beenden, aber es geht ja nicht darum, möglichst fix an das Ziel zu kommen. In Rätseladventures ist der Weg das Ziel.

Das Meditationstraining und die Auseinandersetzung mit dem Buddhismus haben mir einige Geduld beigebracht. Mittlerweile schaue ich nicht mehr nach Lösungen im Internet. Das kann dazu führen, dass ich ein Spiel beginne und dann mehrere Stunden lang an einem Rätsel festsitze, das Spiel dann erstmal wieder beende, ohne auch nur irgendeinen Fortschritt erreicht zu haben. Ich nehme das Rätsel dann mit in die Meditation, zerbreche mir weiterhin den Kopf, und wenn ich dann irgendwann die Lösung gefunden habe, ist das Gefühl einfach unbeschreiblich - zufrieden, erleichtert, glücklich, neu angespornt.

Klar, dass diese Geduld auch ihre Nachteile haben kann. In den unteren Klassenstufen, in denen die Schüler wuselig, laut und überall sind, hilft es nicht unbedingt, wenn man im Unterricht alle Klassengeräusche ganz geduldig hinnimmt, bis irgendwann die Schüler selbst sich beschweren, dass es zu laut im Raum ist und sie nichts lernen können. Trotzdem bin ich sehr glücklich darüber, dass ich etwas geduldiger geworden bin - wie ich auch damals schon im Blog in dem Artikel Entschleunigung geschrieben hatte.

In dem Sinne: Kommt entspannt und gelassen in die neue Woche!

(außer der Sannitanic, die wird Gelassenheit frühestens in siebzehn Jahren wieder erleben)

Samstag, 5. September 2020

Das Leben geht seinen Weg

Vertrocknete Blätter bleiben, wo sie sind.

Worüber schreibe ich denn heute mal? Darüber, dass ich vollkommen von der Kieler Woche überrascht worden bin? Dass ich das nur anhand der kleinen Fahnen auf den Bussen bemerkt habe? Dass ich letzte Nacht zufällig über einen beeindruckenden, sehr verstörenden Film über Kindesmissbrauch gestolpert bin, der mich noch nicht loslässt? Dass jetzt gerade vor dem offenen Fenster eine Krähe kräht?

Nein, nur ganz kurz über Melisse Etheridge. Sie hat das Bad für sich erobert, ist so stark gewuchert, könnte man sagen, dass sie Chuck der Pflanze das ganze Tageslicht genommen hat, mit ihren Blättern am Fenster. Deswegen wurde CdP jetzt erstmal in die Wohnung ausquartiert. Und meine Mutter hatte mir empfohlen, den Melissenwald ein wenig zurückzuschneiden, damit die Pflanze neu ausschlagen kann. Recht hat sie, aber genau das habe ich bisher nicht gemacht.

Ich habe ME einfach auf der Fensterbank wachsen lassen. Ich habe sie versorgt (die irre Tante säuft wie ein Loch!), und sie ist von kleinen Saatkörnern zu einem Biotop mutiert (ist es nicht toll, dass man jetzt mit Altgriechisch erklären kann, dass ein Biotop ein "Ort für das Leben" ist? Ich bereue mein Studium kein bisschen, auch wenn ich de facto kein Latein mehr unterrichte). Die Fensterfront lebt noch, aber einige der dem Bad zugewandten "Bäume" sind abgestorben, weil sie kein Sonnenlicht mehr bekommen. 

Ich finde das total faszinierend, weil ich jetzt mal live und in Farbe erleben kann, wie das Leben seinen Weg findet und geht. Würde ich die abgestorbenen Pflanzenteile abschneiden, wollte ich womöglich eine Perfektion erreichen - damit die Pflanze gut aussieht. 

Muss aber nicht perfekt sein. Ich finde natürlich an dieser Stelle irgendwie schöner. 

Samstag, 4. Juli 2020

Ein Philosoph macht Schule?


Ich bin neulich aus Versehen mal wieder über Richard David Precht im Fernsehen gestolpert. Die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr ihn kennt, kann hoch sein, denn er ist ein in den Medien omnipräsenter Populärphilosoph, dessen Thesen polarisieren. Das einzige Thema, bei dem ich in Ansätzen mitreden kann, ist Schule. Precht hat ein Buch dazu veröffentlicht, Anna, die Schule und der liebe Gott, das Zweitausenddreizehn Begeisterungsstürme und gnadenlose Verrisse inspiriert hat.

Ich gehöre zu zweiterer Gruppe. Was Precht in dem Buch macht: Er malt ein apokalyptisches Bild unseres Bildungssystems, das an allen Ecken erkrankt ist und komplett reformiert werden muss. Das ist alles nicht neu, diese Rufe gibt es schon seit Jahren, aber Precht stellt sich als eine Art Heilsbringer dar, der endlich mal sagt, was Sache ist. Drollig: Genau aus diesem Grund ist Donald Trump Präsident der USA geworden.

Ist ja schön und gut, wenn man den status quo ein weiteres Mal auf's Tapet bringt, aber Prechts Buch ist deswegen völlig überflüssig, weil es keinerlei konkrete Maßnahmen zur Umstrukturierung des Schulwesens nennt. Es bleibt alles schwammig, unklar, nur angedeutet, wie zum Beispiel das "Abenteuerprojektjahr" im achten Jahrgang, das anstelle des Unterrichts ein gemeinsames Arbeiten an selbstgewählten Projekten stellt, intrinsische Motivation und so. Das kennen wir bereits deswegen, weil Projektarbeiten längst an Schulen etabliert sind. Wenn man dann gern genauere Details zu diesem Jahr erhalten möchte - geht man leer aus. Konkretionen gibt es bei Precht nicht.

Und dann ist da auch noch dieser unsägliche Eindruck, den nicht nur das Buch erzeugt; wenn man Precht in Interviews über Schule sprechen hört, merkt man ziemlich schnell, dass er keine Ahnung davon hat, wie ein Schulalltag konkret aussieht. Keine Ahnung von Bewerbungsverfahren, von Schulrecht, auch hier wieder nur philosophische, ganz allgemein formulierte Ideen.

Eines muss man Precht aber lassen: Er heizt Diskussionen an. Sollte danach allerdings nicht in der Diskussion von Fachleuten mitreden.

Wer eine Dosis Precht erleben möchte, mag sich vielleicht sein Interview mit dem Handelsblatt durchlesen, in dem Precht konstatiert, dass wir in der Coronakrise vollkommen überreagiert haben. Einfach hier klicken.

post scriptum: Wahrscheinlich habe ich mir jetzt einige Feinde gemacht - aber Ihr seid herzlich eingeladen, zu kommentieren, warum Precht eben doch für das Schulwesen unverzichtbar ist.

Montag, 30. Dezember 2019

Wie verbringt Ihr Silvester?


Sorry für's Verlinken, aber mich interessiert wirklich, was Ihr an Silvester macht. So egal mir Weihnachten ist, so wichtig ist mir die Ausgestaltung des Jahreswechsels.

Früher war ich ein flammender Feuerwerk-Fan. Ich fand es immer unglaublich spannend zu erleben, was passiert, wenn man die Pyroartikel anzündet. Aber irgendwann kennt man die Effekte. Da fehlt das Neue, und irgendwie ist es dann nicht mehr aufregend. Dieser Umstand, kombiniert mit der Klimawandel-Feinstaub-Debatte, bedeutet für mich, dass ich kein Feuerwerk mehr zünde. Ich habe nur noch zwei Stück Kleinfeuerwerk in der Wohnung - Wilde Hummel - für Feieranlässe mit der großen Buba.

Ich verbringe Silvester allein. Ich möchte den Tag ruhig und ausgeglichen verbringen. Der Abend fühlt sich ein bisschen "magisch" an, oder zumindest irgendwie bedeutsam. Natürlich mache ich daraus einen Meditationstag; ich denke nach über alles, was im vergangenen Jahr passiert ist, und was mich stark bewegt hat, und da gab es in Zweitausendneunzehn wieder Einiges. Ich möchte das vergangene Jahr wertschätzen und mich seelisch vorbereiten auf das, was im neuen Jahr kommt, und das wird in Zwanzig Zwanzig Einiges Wichtiges sein. Vielleicht finde ich etwas über mich selbst heraus. Vielleicht finde ich ja einen neuen Job. Vielleicht nehme ich endlich wieder Kontakt mit ihm auf, damit Er nicht denkt, ich hätte ihn abgehakt.

Schöne Musik, die Wohnung dunkel, um Mitternacht aus dem Fenster schauen. Leckeres Essen, Berliner, tolle Filme. Ich genieße es, dass ich den Jahreswechsel allein verbringen kann und nicht auf irgendjemanden Rücksicht nehmen muss, bzw. mein Abendprogramm an irgendjemanden anpassen muss.

Und was macht Ihr?

Samstag, 19. Oktober 2019

Patriotismuss ich das verstehen?


Ein Freizeitpark in den USA, Kings Island, Zweitausendelf. Kurz vor zehn Uhr morgens, viele Besucher sind bereits auf der Main Street verteilt, obwohl die meisten Bereiche des Parks und die Attraktionen erst ab zehn Uhr zugänglich sind. Unter diesen Menschen befinde ich mich, habe meine Parkkarte in die Hosentasche gesteckt, Diamondback-Cap auf, Sonnencreme verteilt, bereit für Adrenalin. Und dann, zwei Minuten vor zehn Uhr passiert das Unvermeidliche: Die amerikanische Nationalhymne dröhnt aus allen Parklautsprechern bis in die hinterletzten Winkel, und alle Amerikaner stellen sich aufrecht hin, nehmen ihre Mützen ab, halten ihre Hand auf das Herz und singen ihre Zeilen mit. Nicht euer Ernst, ist mein erster Gedanke. Der zweite: Das hier sind die USA. Und aus Rücksicht nehme ich zumindest mein Cap für die Dauer der Hymne ab.

Die Anekdote habe ich hier im Blog schon häufiger verteilt, und es geht mir eigentlich auch gar nicht um die Vereinigten Staaten, sondern um die dahinter steckende Denkweise, die sich in wesentlich mehr Ländern dieser Erde wiederfindet. Vielleicht in allen. Und ich kann bis heute nicht nachvollziehen, was es mit diesem Patriotismus auf sich hat.

Lassen wir die sprachlichen Überlegungen beiseite. Warum es nicht Matriotismus heißt. Was eigentlich mein Vaterland ist, wenn mein Vater im Ausland geboren wurde. Und ich verstehe noch nicht einmal, warum man überhaupt stolz auf sein Vaterland sein soll. Immer wieder, bei Aufmärschen bestimmter politischer Richtungen, die in den Nachrichten übertragen werden, sehe ich stolze, aufrecht marschierende Deutsche, Deutschland über alles, und alles Nicht-Deutsche hat hier nichts zu suchen. Lassen wir auch die rechten Denkweisen beiseite; warum sollte ich mich mit Deutschlandflagge zeigen wollen, was ist so toll an Deutschland? Und lässt Patriotismus mich denken, dass andere Länder nicht so toll sind?

Sind diese Denkweisen nicht austauschbar? Wenn ich in Spanien leben würde, wäre ich dann stolz auf Spanien? Oder in Japan? Und wie verhält sich das mit dem Patriotismus, wenn ich auswandere?
Geht es einfach nur um's Prinzip, oder hat Deutschland irgendwas besonders Tolles? Sicher, das Sozialversicherungsystem. Gesetzliche Krankenversicherung. Gleichzeitig lässt es mich nicht in einem dramatisch unterbesetzten Beruf zu (Grundschullehrer), weil ich vor sechzehn Jahren ein unpassendes Schulfach studiert habe.

Muss ich Patriot sein? Wenn ich nicht stolz darauf bin, in meinem Heimatland zu leben, werde ich dann schief angeschaut? Ehrlich gesagt bin ich ganz froh darüber, dass ich zum Beispiel nicht zu den Patriotischen Europäern gegen die Islamisierung des Abendlandes gehöre. Wird Patriotismus von manchen Menschen als Ausrede dafür benutzt, Ausländer zu hassen? Gegen Minderheiten zu sein?

Ich verstehe nicht, was Patriotismus ist, worauf er sich begründet und wie er sich in meinem Verhalten niederschlagen könnte? sollte? müsste? Whatever.

Dienstag, 27. August 2019

Sichtweisen eines Aspis


Es wird wieder einmal Zeit zum Aufräumen; diesmal möchte ich alle Thema...-Beiträge in einem Sammelthread zusammenfassen, weil die Linkliste links zu lang geworden ist. Sie beschreiben meinen Standpunkt zu diversen Themen. Mir ist bewusst, dass einige dieser Artikel ein paar Jahre alt sind, und vielleicht hat sich mein Blickwinkel hier und da verändert - aber gerade das finde ich interessant: Dass es sich um Momentaufnahmen handelt, und dass es zeigt, dass mein Kopf rund ist, damit das Denken die Richtung ändern kann.

Ich habe ursprünglich mit den Themenbeiträgen angefangen, um mich selbst immer wieder daran erinnern zu können, was ich zu einem bestimmten Zeitpunkt gedacht habe, und um den Lesern dieses Blogs einen Eindruck davon zu geben, ob ich jene Themen ähnlich sehe wie sie - oder vielleicht vollkommen anders, weil ich eben "anders gestrickt und anders getaktet" bin (sagte meine Studienleiterin). Das Fragezeichen im Titel rührt daher, dass ich keine Ahnung habe, ob bei mir irgendeine Form von Autismus vorliegt. Sobald die Untersuchungen zu einem Ergebnis gelangt sind, werde ich das aktualisieren (wenn ich denn daran denke -.-).

(Wer gründlich schaut, wird viele Widersprüche finden ^^)

Die Sortierung der Beiträge erfolgt alphabetisch. Hier ist nun also, was ich denke über das


Thema...


...Abhängigkeit

...Altersunterschied

...Asperger-Probleme

Mittwoch, 2. Januar 2019

Ich könnte platzen!

Da geht in mir eine Bombe hoch!

MediaMarkt - Ich bin doch nicht blöd!

So lautet der Werbeslogan einer Ketten von Elektronikläden. Ich zögere ein bisschen, von Fachmärkten zu sprechen, denn wenn man eine fachliche und kompetente Beratung sucht, geht man besser woanders hin. Das ist zumindest meine Erfahrung.

Eine Anekdote: Ich bin auf der Suche nach einer bestimmten Glühbirne, vier Watt, warmes Licht, A-Vierzehn-Gewinde. Ich finde auf Anhieb das richtige Produkt, Kostenpunkt Vier Neunundneunzig, super, her dam... warte mal... und ich entdecke zwei Reihen tiefer dasselbe Produkt, gleicher Hersteller, gleiches Gewinde, gleiche technischen Daten, gleiche Artikelnummer, für Drei Neunundneunzig. Habe ich mich verguckt?

Ich suche einen Mitarbeiter und frage ihn nach dem Preis der Glühbirne. Die erste Antwort: "Der Preis steht am Regal, wo sie die Birne gefunden haben." Na danke. Ich bin doch nicht blöd, werde aber für blöd verkauft. Also erläutere ich ihm meine Entdeckung, und die zweite Antwort ist noch sinniger: "Das kann eigentlich nicht sein, haben sie auch richtig geschaut?" Und ich laufe innerlich auf Hochtouren, hätte Lust, ihm die Glühbirne per Schwenkeinlauf einzuführen und bitte ihn, kurz mit zum Regal zu kommen, es ist ja nur fünf Meter entfernt. "Nein, ich kann hier gerade nicht weg, geben sie mir doch mal die Artikelnummer." Dann sucht er mir den korrekten Preis raus, Drei Neunundneunzig. Ich bedanke mich und frage, ob sie nicht das Preisschild ändern wollen. Letzte Antwort, die ich mir geben lasse: "Das macht nachher irgendjemand, und an der Kasse hätten sie ja eh' den niedrigeren Preis bezahlt."

Ich könnte immer mal wieder platzen (die kranke Buba sagt "peh-WATzedäh"), wenn ich für dumm verkauft werde und ich das auch noch merke. Das hat auch meine erste Schulleiterin auf sehr kreative Weise versucht, mittels eines unwahren Gutachtens, und das treibt meinen Blutdruck in die Höhe. Da könnte ich explodieren wie die herrliche Polizistin in diesem Video (gestellt, aber witzig).

Und das tut hin und wieder auch gut. Manchmal muss ich einfach den ganzen Druck und Frust und Ärger, der sich in mir angesammelt hat, rauslassen. Weil ich eben so gut wie nie den Mund aufmache, um mich über sowas zu beschweren. Dann einmal zuhause richtig platzen, rumschreien, und dann ist es auch wieder ruhig und reicht für eine Weile...

...

...dachte ich mal. Ist jetzt ein paar Jahre her. Und ich weiß, dass auch einige von meinen Lesern so denken oder dachten, und das ist ja auch in Ordnung. Ich habe es mir aber zur Aufgabe gemacht, es nicht dazu kommen zu lassen, aus zwei schönen Weisheiten heraus. Die eine lautet Humor ist der Knopf, der verhindert, dass uns der Kragen platzt. Das ist die Methode für den akuten Bedarf, anstatt laut zu werden, einfach mal einen Scherz draus machen und gut is'. Und dann? Gerade weil ich sowas mit mir herumtrage, platze ich doch irgendwann, oder?

Der Dalai Lama sagt Nichts ist entspannender, als das anzunehmen was kommt. Der Satz sagt sich so leicht, und mag auch schnell einleuchten - manchen zumindest - aber er bedeutet eben auch, dass keine Wut mehr aufkommen soll. Kein Rummeckern, kein Rummotzen, sondern dass ich mich mit meinem Frust in die Meditation begebe und den Ärger durchdenke. Von verschiedenen Blickpunkten betrachtet, und dann immer das Gute in der Situation zu sehen, eine Aufgabe, an der ich wachsen kann.

Natürlich werde ich auch heute noch wütend. Und dann lege ich mich hin, schließe die Augen, nehme mir eine Stunde am Tag, um nachzudenken. Bisher bin ich noch nie aus einer Meditation "erwacht", ohne dass ich ausgeglichener gewesen wäre. Der einzige Kampf, den man führen sollte, ist der gegen die eigene Wut - so habe ich es zumindest bisher verstanden, und es lebt sich seither deutlich besser - auch wenn ich immer noch eine Menge Entwicklungspotential habe.

Montag, 31. Dezember 2018

Kung Fu Kaufing

So holt man Sachen aus dem Regal!

...aber bevor es zu diesem über alle Maßen trashigen Titel geht, muss ich eine Beobachtung tätigen: Während ich in den letzten Jahren so etwa zweihundertfünfzig Beiträge im Jahr veröffentlicht habe, sind es in diesem Jahr nicht einmal zweihundertzwanzig gewesen. Das muss einen Grund haben, und der ist vielleicht nicht nur negativ. Das ist eine schöne Abwechslung, wenn ich bedenke, dass meine persönlichen Jahresresümees bei den letzten Malen doch eher negativ schadensbegrenzend ausgefallen sind: "Naja, so schlimm war das Jahr Zweitausendsiebzehn jetzt nicht." Wie toll das klingt.

Und wie schaut es aus, wenn ich auf Zweitausendachtzehn zurückblicke? Ich muss ehrlich sein und feststellen, dass das ein ziemlich tolles Jahr gewesen sein könnte - auch wenn ich oftmals total durch den Wind war, geistig ausgelastet mit Frustrationen und Umstellungen, völlig überfordert mit der Umstellung auf ein neues Schulsystem und dass ich plötzlich mehrere verschiedene Bildungsgänge gleichzeitig unterrichten soll. Das hat, glaube ich, in der Hauptsache dazu geführt, dass in diesem Jahr ein paar Beiträge weniger auf's digitale Blatt gekommen sind.

Und dennoch habe ich das seit August fast durchgehend als gutes Zeichen gedeutet, weil es mich an die Umstellung auf St.Peter-Ording erinnert hat: Anstrengend, überfordernd, aber erfüllend, und diesmal vielleicht mit dem Zeichen, dass ich endlich einen Grundstein für mein weiteres Leben legen kann. Endlich, nach achtzehn Arbeitsverträgen, einmal verbindlich, verlässlich, sicher. Und dass es sich gar nicht so schlecht anfühlt, wenn man einmal die anfänglichen Reservierungen aller nachsichtig betrachtet.

Ich glaube, dass ich mit diesem Jahr sehr glücklich sein kann, und dass ich heute Abend die (geistigen) Tassen hoch heben kann, anstoßen auf das, was da im neuen Jahr so kommen mag. New Year's Resolutions? Nein, keine. Fast alles, was ich im neuen Jahr anders machen möchte, habe ich schon vor Tagen oder Wochen begonnen. Dazu braucht es nicht einen bestimmten Tag, an dem man anfangen kann, sondern ein bestimmtes Mindset - glaube ich. Und das heute zu beschließen, einfach weil Silvester ist, halte ich für keine sehr beschlussfeste Grundlage.

Ich weiß, dass auch bei Euch im neuen Jahr wichtige Punkte anstehen werden. Sei es ein weiteres Kind, eine neue Wohnung, oder langsam to grips kommen mit dem Schulleben, oder mit der eigenen Persönlichkeit, alle diese Dinge brauchen Zeit und ich wünsche Euch, dass Ihr Euch diese ernsthaft nehmen könnt. Das Wichtigste dabei, das habe ich von meiner Mutter gelernt, und dem kann ich mich auch heute vollkommen anschließen, ist Gesundheit, und die wünsche ich Euch allen für das gesamte kommende Jahr, auch wenn Ihr vielleicht als schniefend-kotzende rumpeltittige Träsch-Trüller startet.

Und Kung Fu Kaufing? Naja. ich war heute einkaufen, wie jeder Vollidiot. Spülmaschinensalz und Eier. In einem Sky, der solche Menschenmassen nur vor und nach Feiertagen erlebt. So viele genervte Kunden, dass man wie bei'm Kung Fu mit blitzschnellen Bewegungen in das Regal greifen musste, um das Brot zu snatchen. Weil man sonst den Arm abgerollt bekommt von einem kleinen einkaufswagenfahrenden Kind. Und mit ebenso schneller Bewegung den Fuß in die Schlange am Kassenband drängeln, um einen Platz zu bekommen. Und mit filmreifer Geschicklichkeit das Kleingeld aus dem Portemonnaie angeln und der Kassiererin entgegenschleudern: "Ha! Ha! Ha! Frohes neues Jahr!" und wie der Blitz aus dem Laden verschwinden. Kung Fu Kaufing für Profis - und weil ich keiner bin, habe ich mich natürlich wieder an der längsten Schlange angestellt.

So, und nun noch einmal obligatorisch, aber deswegen kein bisschen weniger ernst gemeint: Ich habe mich über jede Eurer Rückmeldungen zu meinen Blogeinträgen gefreut. Es ist unglaublich wichtig, dass ich regelmäßig auch mal Gegenwind bekomme, von Menschen, auf die ich mich verlassen kann, bevor ich mich selbst mal wieder für unfehlbar halte. Ist das eigentlich so ein HB-Ding? Oder auch VHB? Also, in jedem Fall danke für Eure Erdung, das hilft mir sehr weiter, und führt dazu, dass ich mich auf ein weiteres Jahr kontroverser Beiträge und erleuchtender Diskussionen freue!

Samstag, 15. Dezember 2018

Schauspieler

Wieder einmal Psychologie...

Heute geht es mir um die Art und Weise, wie wir oft mit unseren Mitmenschen umgehen.

Wir machen uns eine Vorstellung davon, wie unser Leben aussehen soll. Wir überlegen uns, ob wir eine Familie gründen wollen, welchen Job wir haben wollen, wie unsere Wohnung wohl aussehen sollte. Die Transaktionsanalyse nennt diese Vorstellung Lebensskript, aber zu diesem Skript gehört noch viel mehr dazu als nur Kulissen für unser Leben. In dem Skript stehen auch Verhaltensweisen - wie wir unsere Mitmenschen behandeln wollen, welche Gesetze wir einhalten wollen, welche wir brechen wollen. Das tun wir nun einmal, nicht wahr, liebe Raser?

Wir machen uns ein Bild von uns selbst: Wie stelle ich mir mich selbst vor? Welche Ansichten habe ich, welche moralischen Werte, welchen Glauben? Das Lebensskript ist fast wie ein Drehbuch für einen Film, es stehen Charaktereigenschaften drin, nicht nur mich betreffend, sondern auch für die Menschen, mit denen ich zu tun haben werde.

Denn meistens haben wir ja Mitmenschen als Teil unseres Lebens. Und so fülle ich mein Lebensskript / Drehbuch mit Rollen: Ich habe eine Freundin, mit der ich extrem albern sein kann, und ich habe eine Freundin, die mich auf den Erdboden zurückholt - ach warte mal, die Rollen sind schon besetzt. Gibt es freie Rollen? Tatsächlich: Es gibt da einen Mann, mit dem ich befreundet sein kann, einen, der das mit der sexuellen Orientierung nicht so genau nimmt. Und er sollte irgendwie auch alles mitmachen, was ich vorschlage. Am besten widerspricht er mir auch nicht so viel, denn dafür habe ich ja schon die Freundinnen.

Wer diesen Blog länger verfolgt hat, wird natürlich wissen, dass das eine Rolle ist, die Er eingenommen hat. Er hat da perfekt hineingepasst, klasse, nun ist auch diese Rolle besetzt. Und so entwickelt sich mein Drehbuch ganz nach meiner Regie. Planbar, übersichtlich.

Sagt mal, Dr Hilarius, hackt es?! Glaubst Du ernsthaft, dass Du Menschen in Dein Leben lassen kannst, und dass diese sich dann auch bitteschön immer nach Deinen Vorstellungen richten - und wenn sie das vielleicht mal nicht tun, dann schaust Du dich halt um, ob Du eine neue Besetzung für die Rolle findest? So funktioniert es nicht. Du kannst nicht von Menschen erwarten, Schauspieler in Deinem Drehbuch des Lebens zu sein, über das Du durchgehend Kontrolle ausübst! Denn Menschen haben ihren eigenen Kopf, und es wird nie so sein, dass jemand vollkommen authentisch ist und gleichzeitig hundertprozentig Deine geplante Rolle erfüllt. Das wird nie klappen!

Und trotzdem ist das etwas, was wir immer wieder machen. Nicht nur ich. Wir legen in unserem Leben für unsere Mitmenschen Rollen an, quasi festgelegt ohne Improvisationsspielraum, und sind enttäuscht, wenn diese Schauspieler sich dann nicht an die Vorgaben halten. Damit machen wir uns und unseren Mitmenschen das Leben schwer, denn dann ist es kein echt gelebtes Leben mehr.

Warum schreibe ich hier darüber? Charlie Kaufmans Synecdoche, New York (2008) beschäftigt mich seit dem Ansehen vor einigen Tagen noch immer, denn der Film stellt genau diesen Sachverhalt verständlich dar. Philip Seymor Hoffman spielt einen Theaterregisseur, der einen hoch dotierten Preis erhält und mit dem Geld ein Mammutprojekt startet: Ein Theaterstück über das Leben an sich. Dazu baut er in einer gewaltigen Halle eine Stadt nach und bevölkert sie mit Charakteren - natürlich auch mit jemandem, der ihn selbst spielt und so weiter.

Im Lauf des Films verschwimmt die Grenze zwischen Theaterstück und realem Leben immer weiter (siebzehn Jahre lang proben sie ohne Publikum), und es wird uns deutlich, dass es genau das ist, was wir immer wieder tun. Das Festlegen von Rollen, in die wir dann unsere Freunde, Familie und Mitmenschen hineindrängen.

Der Film ist wirklich toll, literarisch wertvoll, und hat mich in's Nachdenken gebracht. Und dann realisiere ich, dass Er von mir in eine Rolle gedrängt wurde, die aber nicht seinem realen Ich entspricht. Und ich schäme mich fast ein bisschen dafür, dass mir das alles immer so einleuchtend erschien damals. Es muss andersherum gehen: Er sollte von sich aus in mein Leben kommen, und ich habe ihn dann nicht als Rolle im Stück, sondern als die reale Person, die Er nun mal ist. So ist es damals nicht gelaufen und die Zeit wird zeigen müssen, ob dieses zwischenmenschliche Verhältnis aus den Schuhen der Theaterrollen hinaus springen kann und das Leben so lebt, wie es wirklich ist.

Donnerstag, 13. Dezember 2018

Manchmal ist Glück...

Anders.


Manchmal ist Glück ein Mensch, der Dich spüren lässt, dass Du OK bist.

post scriptum: Ich habe heute "The Jungle Book" (2016) gesehen, das ist Disneys "Real"verfilmung der Geschichte von Rudyard Kipling. Mir ist dabei bewusst geworden, dass ich den Film noch nie gesehen hatte, auch keine der anderen Verfilmungen, und auch das Buch nie gelesen hatte, aber trotzdem die Namen "Shere Khan", "King Louie", "Baloo the Bear" und noch weitere kannte, als wäre ich bestens mit ihnen vertraut. Liegt zum einen daran, wie weit verbreitet das Dschungelbuch ist - und ich finde, es ist ein schöner Kinderfilm, die heutige Version ist atemberaubend; toll, was mit der heutigen Technik alles möglich ist. Zum anderen liegt es an einer Animationsserie, die ich in meiner Kindheit und Jugend geliebt habe, "TaleSpin", ebenfalls von Disney, die ein paar Charaktere aus dem Dschungelbuch zu ihren Protagonisten gemacht hat. In Deutschland hieß das Ganze damals "Käpt'n Balu und seine tollkühne Crew", und ich bin froh, dass ich die Serie in meiner Videothek habe.

Mittwoch, 12. Dezember 2018

"Voll Schluss Digger!"

"Schluss ist erst, wenn ich das sage!"

Es wäre sehr einfach, jetzt einen Artikel zu schreiben über die Sprache der Jugendlichen heute. So wie das immer wieder ein beliebtes Thema ist für Ältere, die sich darüber aufregen wollen. Und für Lehrer, denen der Jugendsprech teilweise nur noch peinlich ist. Heute aber war es andersrum, ich war ziemlich froh, als ich den Satz am Ende meines Schultages gehört habe, denn auch ich hatte in dem Moment Schluss. Bzw., ich hatte "voll Schluss", wie der Schüler meinte. Voll gut? Voll peinlich? Voll Schluss Digger!

Haben wir damals auch so gesprochen? Klar, Bro und Sachen wie !!!!eins!!elf drölf hatten wir nicht, aber wir hatten Alter! und fett! und Boah Ey! - und natürlich fanden die meisten von uns das damals geil. Ich finde es faszinierend, jetzt, da ich mit älteren Schülern arbeite, zu sehen, für wie cool sie sich halten. Ein echter Mann, eine echte Frau, jetzt mit Führerschein und Nebenjob... dreht sich die Welt meistens immer noch nur um mich selbst. Ich finde diese Menschen viel spannender als Kinder in der Orientierungsstufe. Jetzt kommt Sex, Führerschein, Drogen, und das stellt was mit den Leuten an. Meine Zielgruppe, könnte ich mir vorstellen.

Und weil ich heute einen Zeitreise-Film gesehen habe (Predestination, 2014, kostenlos auf Amazon prime), frage ich mich, ob ich - wenn ich die Möglichkeit hätte - für eine Woche wieder jugendlich würde sein wollen. Und ich habe mich dagegen entschieden, denn ich frage mich, was es nützt, in Nostalgie zu schwelgen. Das habe ich oft genug gemacht, ich möchte lieber in die Zukunft schauen und mir ein tolles Leben im Hier und Jetzt gestalten.

Wir hatten heute die Vokabel the elderly - "ältere Menschen", und die Schüler meinten, dass Menschen ab dreißig als alt gelten. Ich bin also quasi tot. Und fand es faszinierend, wie wenig manche Schüler älter werden wollen. Wie sehr sie davor Angst haben - lieber cool sein, "Voll Schluss Digger!" durch den Schulflur grölen, ewig jung und unbesiegbar sein.

Hattet Ihr einmal Angst vor dem Älterwerden?

Mittwoch, 24. Oktober 2018

Wir sind ja so tolerant!



Lieber nicht hinsehen

"Ich habe nichts gegen Schwule. Solange sie sich nicht schwul benehmen."

Okay, das mag jetzt wenig originell sein - aber leider noch genauso aktuell wie vor Jahren. Nehmen wir doch mal Mensch A. A war ein sehr offener Mensch, gab sich zumindest Mühe. Und sicherlich hat A das auch alles ernst gemeint: "Ich habe nichts gegen dicke Menschen, soll jeder mit sich zufrieden sein."

Ich habe viel Zeit mit A verbracht, so dass ich nach einigen Monaten dann mal zu A sagen konnte: "Ist dir eigentlich mal aufgefallen, wie oft du dich über dicke Menschen lustig machst?" - Das hat gesessen, hat A einigermaßen getroffen und für ein Nachdenken gesorgt. A hat das sicherlich nie böse gemeint, die Scherze wirkten eher wie unbedachte Automatismen, und A "konnte sich das ja erlauben, weil A sehr sportlich war".

Von A kam auch der eingangs erwähnte Satz - A habe nichts gegen Schwule, solange sie sich nicht tuckig benehmen. Und ebenso, dass A nichts gegen Lesben habe, solange sie keine butch sind. Und Lesbensex in Filmen ist sowieso noch einmal etwas ganz Anderes. Und ich habe A auch in der Hinsicht klargemacht, dass A eben doch etwas gegen Schwule hat. Das ist wie "Ich habe ja nichts gegen Ausländer, aber..."

Und auch diese Erkenntnis hat gesessen, und wieder war ich überzeugt, dass A es nicht böse meinte. Immerhin ist A auch mit mir als sexuell ungebundenem Menschen klargekommen. Weil ich meistens nur rumtucke, wenn eine gewisse Die Große Buba anwesend ist.

Es hat mich gefreut, wie A mit diesem neuen Bewusstsein umgegangen ist. Dass A mir das alles geglaubt hat, und dass A sich seither Mühe gegeben hat, mehr auf Toleranz zu achten - denn A wollte definitiv tolerant sein, musste nur erstmal verstehen, was das eigentlich bedeutet.

Es gibt unglaublich viele Menschen wie A. Jene, die sich ihrer Intoleranz nicht bewusst sind, und denen es gut tun würde, wenn ein guter Freund sie einmal auf ihr Verhalten hinweisen würde. Aber aus Höflichkeit tun wir das ja oftmals nicht. Im Buddhismus heißt es, ein wahrer Freund sei einer, der Dich herausfordert. Nicht so wie die Antwortmaschinen...

Ich liebe A, und ich bedauere es wirklich, dass ich zur Zeit nicht miterleben darf, wie A sich entwickelt. Aber vielleicht tut es A auch ganz gut, wenn da mal keiner ist, der oft so verletzend ehrlich ist, wie ich es war. Rücksichtslos. Überfordernd.

Nun denn. Und mit diesem Denkimpuls könnt Ihr euch ja einmal selbst fragen, wie tolerant Ihr denn seid. Auch Schülern gegenüber. Also mal ganz ohne "Die B ist eh' zu dumm für diese Schule!" Davon habe ich jetzt genug.

Mittwoch, 17. Oktober 2018

The Evil Within Me. And You.

Mancher muss sehr gründlich in die eigene Seele schauen, um das Böse zu finden...

Mir ist bei der Auswahl der tags eben aufgefallen, dass dieser Beitrag eigentlich so viele Themen anschneidet. Und Schuld daran trägt der Zufall, der ein paar Ereignisse zeitlich nah beieinander hat geschehen lassen: Gestern der Film My Dinner With André, heute hat Er mir dann auf eine Videobotschaft von mir geantwortet und ich überlege, was in das nächste Video soll, und dann habe ich heute auch noch einen Film von Michael Haneke gesehen. Ausgerechnet.

Haneke ist ein verdammt unbequemer Regisseur, weil seine Filme sich überhaupt nicht den Bedürfnissen von Hollywood hingeben, sondern extrem authentisch die Unmenschlichkeit des Menschen portraitieren. Vor einer Weile hatte ich seinen Film Caché (2005) gesehen; einer von Euch hatte ihn mir empfohlen, und so habe ich angefangen, mich mit Haneke auseinanderzusetzen. Heute gab es Das Weiße Band (2009; bei Amazon prime frei verfügbar), eine "deutsche Kindergeschichte", wie es im Vorspann heißt. Wir sehen dann zweieinhalb Stunden lang das Leben in einem deutschen Dorf vor dem Ersten Weltkrieg. Bei Haneke darf man sich sicher sein, dass alles, was da läuft, authentisch und bis in's Detail durchdacht ist; er ist ein recht kompromissloser Regisseur, und seine Filme mögen gerade für jüngere Zuschauer langweilig wirken, aber irgendwann kommt der Moment im Leben, dass man realisiert, dass die Bösen nicht immer die Anderen sind.

Das Potential, Böses zu tun, schlummert in jedem von uns. Und es muss nicht immer gleich ein Mord oder ein Weltkrieg sein; dass Haneke den Film zur Zeit des Attentats enden lässt, ist eine konsequente Weiterentwicklung aus dem, was er uns vorher gezeigt hat: Ein Pferd und Reiter stürzen über einen gespannten Draht, ein Gebäude wird angezündet, einem Jungen werden die Augen ausgestochen. Grausige Ereignisse, die in der Dorfgemeinde bewirken, dass jeder jeden mit anderen Augen anschaut. Hanekes Geniestreich - wie auch schon bei Caché: Er liefert uns keinen Täter. Das Whodunit bleibt offen, und damit wird uns bewusst, dass es Haneke gar nicht um die Frage des Täters ging, sondern um die Erkenntnis, dass es jeder hätte gewesen sein können.

Unschuld gibt es nicht. Können wir uns davon frei machen? Wann bist Du zum letzten Mal schneller gefahren als erlaubt? Wann hast Du jemandem ein Kompliment zum Outfit gemacht, das in Wirklichkeit grauenvoll aussieht? Wann hast Du zum letzten Mal Deine Freundin belogen und ihr verheimlicht, dass Du mit jemand Anderem Kontakt hast? Wann hast Du verheimlicht, dass Dir der Sex mit ihm eigentlich überhaupt keinen Spaß gemacht hat? Diese Liste ließe sich ad infinitum fortführen. Es geht um die Erkenntnis, dass jeder von uns das Potential hat, "Böses" zu tun.

By the way, natürlich hat Haneke damit keine großen, neuartigen Erkenntnisse auf Zelluloid gebannt - David Lynch hat das zum Beispiel auf seine ganze eigene Weise in der jüngsten Staffel Twin Peaks gemacht. Aber Haneke schafft das ganz ohne Effekte, ohne komplexes Sounddesign. Er gibt uns das Gefühl, dass das, was wir da auf dem Bildschirm sehen, wirklich so geschehen ist. Dadurch baut der Regisseur die Vierte Wand ab - was er zum Beispiel bei Funny Games etwas plakativer gemacht hat.

Ich finde es scheiße, wie oft in unserer Welt Menschen die Schuld immer woanders suchen und sich selbst für den Ursprung aller Unschuld halten. Und weil der Film mich inspiriert hat, möchte ich ein kleines bisschen dieser Ehrlichkeit in die nächste Videobotschaft einbauen, mal schauen, ob Er etwas merkt.

Samstag, 13. Oktober 2018

Meditation - ein Genuss

Lächle - und die Welt verändert sich (Buddha)

Ist eine kleine Anspielung auf meinen Studienleiter, der am Examenstag zu mir meinte: "Dr Hilarius, die Lateinstunde - ein Genuss." Und keine Sorge, es geht nicht um Selbstbeweihräucherung, denn mein Portfoliogespräch und die PFDS-Aufgabe habe ich glänzend versaut. Bzw. einer hat eine Eins dafür gegeben, jemand Anderes eine Fünf und dann haben sie sich die Köpfe eingeschlagen, was es denn nun werden sollte.

Naja, es freut mich ja, dass er die Stunde genießen konnte. Ich lerne auch immer mehr, die Welt um mich herum zu genießen, und deswegen möchte ich die Meditation unbedingt als festen Bestandteil in meinen Alltag integrieren. Erst wird geduscht, und da geht es schon los. Kennt Ihr das nicht? Das Gefühl, dass der Körper rein ist? Irgendwie schon ein bisschen befreit. Und dann gehe ich aus dem vollgedampften Badreich in meine Wohnung und ein angenehm erfrischender Luftzug ist am ganzen Körper zu spüren.

Der schönste Moment ist allerdings der Einstieg in die Meditation. Wenn ich mich mit weicher Haut langsam auf das gestärkte, pieksige Handtuch lege - wirklich ganz langsam, um das Gefühl zu genießen - und dann schließe ich die Augen, so dass ich mich intensiver auf meine anderen Sinne konzentrieren kann. Ich weiß, dass ich jetzt eine Stunde in kompletter gedanklicher Freiheit vor mir habe, und das Gefühl ist berauschend. Und langsam kommen Sinneswahrnehmungen hinzu.

So merke ich nach ein paar Minuten den Duft nach Nag Champa, der sich in der Wohnung verbreitet, denn ich habe dabei immer Räucherware an - zur Abwechslung momentan gerne dhoop cones, Räucherkegel. Ich genieße diesen Duft für ein paar tiefe, langsame Atemzüge, und dann merke ich, wie mein Körper von innen heraus warm wird; ich trinke immer einen heißen Tee direkt vor dem Hinlegen.

Der weiche Körper, die Signale, die meine Haut Richtung Gehirn abgibt (wegen der pieksigen Handtücher), die Wärme von innen und der Duft werden zudem um Musik bereichert. Durch die Meditationen habe ich die Musikrichtung downtempo überhaupt erst kennengelernt, und dank des Surroundsounds passiert überall um mich herum etwas. Hier fegt ein Wind durch Blätter, dort fallen Regentropfen und da drüben knacken Äste, alles zu einer Musik, die Emotionen wecken kann und keine Songtexte hat, auf die man sich konzentrieren müsste. Und da meine Augen geschlossen sind, fabriziert mein Gehirn die Klangwelt um mich herum, quasi behind closed eyelids.

Und nachdem ich mich so etwa zehn bis zwanzig Minuten eingelebt habe in dieser Atmosphäre, lasse ich meine Gedanken frei. In alle Richtungen, ich möchte alles abarbeiten, was in meinem Gehirn gerade aktuell ist. Und ich sperre keine Gedanken aus: Geh' an die Orte, die Du fürchtest, hat Pema Chödrön geschrieben, und ich verstehe, warum.

Dann bemerke ich meinen musikalischen Fingerzeig; das ist die Stelle im Musikalbum, an der Aufwachen angesagt ist. In der Regel habe ich das Album bis dahin fast komplett durchgehört. Und nur gaaaanz langsam fange ich an, meine Zehen zu bewegen. Die Füße zu drehen. Nach einer Stunde völliger Regungslosigkeit fühlt sich das fantastisch an, und ich mache ganz langsam weiter, um das Gefühl zu verlängern.

Im Studium hätte ich mir niemals die Zeit eingeräumt, um bewusst zu meditieren, das kam erst ganz spät, weil ich immer dachte, dass ich die Zeit sinnvoller nutzen könnte. Aber meine Erfahrung ist, dass es einem hochbegabten Gehirn ganz gut tut, wenn man es regelmäßig frei lässt.

Mittlerweile meditiere ich seit fünf Jahren, und es wird immer noch besser mit jedem Mal.

post scriptum: "Oops." - das ist der Moment, in dem man realisiert, dass man richtig Scheiße gebaut hat. Das kennt Ihr vielleicht. Ich weiß es noch von damals, als ich meine linke Hand betrachtet habe und ganz fasziniert davon war, dass mein Zeigefinger am Mittelgelenk um neunzig Grad nach links abgebrochen war. Daran musste ich denken, als ich mir heute Danny Boyle's "127 Hours" (2010) angeschaut habe. Dort rutscht ein Extremsportler beim Kaminklettern ab, und ein Fels quetscht seine Hand so gegen die Wand ein, dass er nicht mehr herauskommen kann. Wahre Begebenheit, toller Film, und der Moment kommt dort, als der Kletterer realisiert hat, dass er niemandem Bescheid gesagt hat, wo er gerade ist - und ihn somit niemand retten kann. Oops.

Immerhin hat er aus dem Ereignis gelernt - der Film zeigt seine Tortur bis hin zu dem Moment, an dem er sich entschließt, sich den Arm abzuschneiden, mit einem Billig-Multifunktionswerkzeug. Und weiter: Der Film hat in der ungekürzten Fassung völlig zu Recht eine Freigabe ab achtzehn erhalten, denn die Szene, in der er sich seine Sehnen durchschneiden muss, geht in Mark und Bein. Wer sowas nicht abkann, aber trotzdem gern sehen würde, was diese Situation mit ihm angestellt hat, der kann gern die geschnittene Fassung anschauen, bei der wirklich nur die explizitesten Szenen entfernt wurden. Es lohnt sich! Typisch Danny Boyle, flashy, tolle Musik, ein echtes Abenteuer.

Donnerstag, 2. August 2018

Glück

Dieses Bild in meiner Wohnung erinnert mich immer wieder daran, dass ich zu meinem Glücklichsein beitragen kann.

Sorry, aber das muss jetzt sein.

Ich ärgerte mich über mich selbst, wenn ich mir Pläne machte und sie dann nicht umsetzte. Ich regte mich auf, wenn mir keine guten Ideen für den Blog einfielen. Es belastete mich, keine sichere Jobzukunft zu haben. Ich lachte über mich selbst, wenn ich mal wieder das Essen vergessen hate und mir in der Wohnung schwindelig wurde. Ich platzte innerlich, wenn es im Videospiel nicht so lief, wie ich es wollte. Ich war traurig, wenn ich mir einen schönen Film nicht leisten konnte. Ich war genervt, wenn ich wegen der Hitze nicht schlafen konnte.

Ich finde immer Gründe, zu jammern. Immer wieder erfinde ich Ausreden, zu meckern, mich aufzuregen, da fällt mir reichlich ein. Ich bin ein Meister im Kleinreden. Und irgendwie ist der Tag ja nicht so dolle, und irgendwie ist er nicht so, wie ich eigentlich wollte, und ich hatte mir das anders vorgestellt, und vor dem Zubettgehen ziehe ich die Bilanz, dass heute ein "verschwendeter" Tag war. Wobei... heute nicht.

Heute bin ich glücklich.

Ich fühle mich heute glücklich, und ich lasse mir das von niemandem nehmen, am allerwenigsten von mir selbst. Mir geht es gut, und ich gönne mir endlich einmal die gedankliche Freiheit, das wertzuschätzen und zu genießen. Ich habe einen Job, hey, vielleicht habe ich endlich eine Zukunftsperspektive gefunden. Vielleich hat die Suche nach sieben Jahren endlich ein Ende. Vielleicht kann ich jetzt endlich meine Lebensprojekte beginnen.

Ich freue mich, weil ich in den Nachrichten Bilder vom Wacken Open Air sehe - ich bin nicht dabei und werde das wohl auch nie machen, aber es bereitet mir Freude, zu wissen, dass Er jetzt dort ist und High Life in Tüten genießt. Ich freue mich, dass Er gerade eine tolle Zeit erlebt. Auch wenn wir uns selbst Barrikaden in den Weg gelegt haben - wenn ich mich weit zurücklehne und das Große Ganze betrachte, bin ich glücklich, weil ich feststelle, dass ich mit der Situation klarkomme. Und die Zeit läuft uns nicht weg.

Ich bin froh, bei Star Ocean endlich einen entscheidenden Schritt vorangekommen zu sein. Ich habe stundenlang geackert, gebüffelt, war genervt, unruhig, aber endlich habe ich diesen wichtigen Schritt geschafft und kann nun in die letzte Phase des Videospiels eintreten.

Ich bin richtig erleichtert, mitzuerleben, dass meine Mutter umdenken kann. Ich bin stolz, zu sehen, wie sie in Entscheiungsfragen mit sich hadert und "auf ihre alten Tage" jahrzehntelange Verhaltensmuster doch noch abschüttelt, das hätte ich nicht gedacht und ich strahle wie die Sonne.

Es macht mich glücklich, dass ich vor mir so viele offene Türen sehe, Vieles ist so einladend. Und ich habe eine ganze Menge Dinge, die getan werden müssen - aber endlich fühle ich die gedankliche Freiheit, dass es jetzt losgehen kann, ich schaffe das. Ein tolles Gefühl!

Wann warst Du zuletzt glücklich?

Mittwoch, 1. August 2018

Schlag in's Gesicht

Eine Situation - zwei Blickwinkel.

Telse

"Ich bin wirklich aufgeregt. Erst war ich nur Nulltsemester an dieser Schule, eine Vertretung für eine Kollegin, die sich das Bein gebrochen hat. Nur für ein paar Monate - aber es hat einfach gepasst: Die Schüler kommen gut mit mir klar, die Eltern sind hochzufrieden, die Schulleitung hat mich direkt in das Referendariat übernommen. Die Ausbildung hat echt toll geklappt, ich habe eine Theater-AG gegründet und ich fühle mich sauwohl. Und nun besteht tatsächlich die Möglichkeit, mich unbefristet zu übernehmen - das wäre toll! Die Schulleitung hat mir signalisiert, dass sie mich behalten möchte, aber natürlich muss die Planstelle ausgeschrieben werden. Und natürlich wird es mehrere Bewerber geben, und die Note meines zweiten Staatsexamens ist auch nicht soooooo toll. Aber die Schulleitung hat mir gesagt, ich solle ganz ruhig bleiben, denn es gibt Mittel und Wege, mich auf die Stelle zu bekommen. Sie würden die Ausschreibung genau auf meine Kompetenzen zuschneiden und das Auswahlgespräch so leiten, dass es vollkommen nachvollziehbar erscheint, warum sie mich den Mitbewerbern vorgezogen haben würden. Es kann nichts mehr schiefgehen - ich bin so glücklich!"

Klaus

"Ich bin wirklich aufgeregt. Da ist doch tatsächlich eine Planstelle ausgeschrieben mit meiner Fächerkombination, und gar nicht weit entfernt. Das wäre so toll, dann muss ich nicht umziehen, denn wie das Leben nun mal läuft, muss ich meine Familie versorgen, und es wäre doof, wenn ich jedesmal hundert Kilometer zur Schule fahren muss. Dann bekäme mein Lütter mich gar nicht mehr zu sehen. Ich kenne die Schule noch nicht, aber bin sehr neugierig. Und es passt wirklich vollkommen, sie suchen jemanden, der eine Theater-AG leiten  würde - als hätten sie gewusst, dass ich mich mein ganzes Studium über mit dem Theater auseinandergesetzt habe. Es ist wirklich so, diese Ausschreibung beschreibt mich bis in das kleinste Detail, und ich habe eine sehr gute Note in meinem zweiten Staatsexamen vor sieben Jahren bekommen. Und sie haben mich zum Auswahlgespräch eingeladen. Es kann nichts mehr schiefgehen - ich bin so glücklich!"

...klingt vertraut?

Sonntag, 1. Juli 2018

Kresch Buhm Beng!


Seit Sonntag dürfen Frauen in Saudi-Arabien ein Auto fahren. Ist es rückständig, wenn Frauen das Fahrverbot einhalten müssen? Ich denke schon. Und, wenngleich es ein großer Schritt vorwärts ist für die dortigen Frauenrechte, so muss es weitergehen, wie in den Nachrichten vermerkt wurde; zum Beispiel muss die männliche Vormundschaft für Frauen abgeschafft werden.

"Ja, also wirklich, die Menschenrechte müssen eingehalten werden" hört man es dann öfters tönen - also seien nur die Saudis "schlecht". Ich mag diesen Begriff nicht, weil ich versuche, mich an der Humanistischen Pädagogik zu orientieren, und die sieht zuallererst, dass jeder Mensch an sich gut ist. Manchmal mögen uns die Verhaltensweisen der Anderen missfallen, doch hat jedes Verhalten seine Gründe und ich denke nicht, dass es "das Böse" gibt. Nur ein Potential des Menschen, "Böses" zu tun (das Leitthema der TV-Serie Twin Peaks).

Und leider zeigen mir die Nachrichten Tag für Tag, was die Menschen Negatives zu tun imstande sind, und um eine solche Situation geht es mir heute. Wenn ich mit Schülern spreche, sind es ihrer Meinung nach immer ganz schlimme Menschen, die Schlimmes tun. Zum Glück sind es nur die Anderen, man selbst natürlich nicht. Okay, hin und wieder ist man frech, man macht die Hausaufgaben nicht, man stört im Unterricht, aber was richtig Schlimmes würde man nie tun. Okay, ja, man hat vielleicht mal einen Mitschüler gemobbt, geschubst, in's Wasser geworfen, mit Müll beworfen, aber das ist ja alles nur Spaß. Ja okay, der Mitschüler hat dann Selbstmord begangen, oder hat einen Amoklauf gemacht, aber der war ja sowieso ein Spasti, der war nie richtig im Kopf, total behindert, der Typ.

Dass auch in ihnen selbst das Potential zu Negativem ruht, merken viele zu diesem Zeitpunkt noch nicht, und viele merken es ihr Leben lang nicht. Wir sind Menschen, und deswegen sollte uns nichts Menschliches fremd sein, wie Terenz einst geschrieben hat. Wir alle können Schlechtes tun, und oft geschieht das mit den ursprünglich besten Absichten.

So bin ich mir sicher, dass auch Donald Trump eigentlich nur das Richtige machen wollte - und dennoch gelangen immer wieder Skandale aus seinem Stab in die News, aus dem Weißen Haus - oder von ihm selbst, schnell und praktisch via Twitter. Dass dabei die Grenze guten Geschmacks oft überschritten wird, wissen wir. Doch vielleicht ist gerade das der Grund, weshalb ihn knapp die Hälfte der amerikanischen Bevölkerung zum Präsidenten gewählt hat.

Eine der Skandalnudeln in Trumps Mitarbeiterriege ist Corey Lewandowski, und ich möchte mich nur auf eine winzige Aussage von ihm beziehen. Eines der aktuellen Probleme der USA liegt in der Trennung von Familien, die in die USA zu fliehen versuchen. Kinder werden von Müttern isoliert, Ihr kennt die ganze Story. In einem Interview wird Lewandowski mit diesem Umstand konfrontiert, es geht um ein kleines Mädchen mit special needs, das ohne seine Mutter klarkommen muss. Ohne den Interviewer ausreden zu lassen, wirft Lewandowski ein "Womp womp!" ein.

Das entspricht so etwa dem Sound, der mit dem Spielshow-Zonk verbunden ist. "Reingefallen!" oder "Pech gehabt!" oder "Mehr Glück beim nächsten Mal!" - was in dieser Situation einfach schrecklich ist, das lässt sich nicht wegdiskutieren. "How dare you!" antwortet der Interviewer entrüstet, und vollkommen zu Recht. Wie kann man nur so wenig Respekt vor einem menschlichen Leben haben, es widert mich an. Und trotzdem muss ich mir bewusst sein, dass ich auch Dinge tue, die aus diversen Blickwinkeln negativ erscheinen.

Um zum Start zurückzukehren: Aus irgendeinem dieser Blickwinkel mag es richtig gewesen sein, Frauen kein Auto fahren zu lassen. Aus allen anderen Winkeln nicht. Frauen verursachen mehr Unfälle? Whatever - Männer sind diejenigen, die drängeln, rechts überholen und vieles mehr.

Wir sollten alle von unseren Voreingenommenheiten ablassen, damit wir nicht aus Versehen auch unser Potential zu Schlechtem ausreizen. Manchmal bekommen wir es nicht mit, dass das, was wir gerade getan haben, negativ gewirkt haben kann. Vielleicht wäre es gut, besonnener zu handeln. Mir würde es jedenfalls gut tun, wenn ich manchmal etwas mehr nachdächte, bevor ich handele.

post scriptum.: Hier das Interview:


Sonntag, 17. Juni 2018

Wer bin ich?


So eine einfache Frage mit so unendlich vielen Facetten. Nicht ohne Grund spielt der Ausdruck Identität in diesem Blog immer wieder eine sehr wichtige Rolle. Nosce te ipsum haben die ollen Römer gesagt, "erkenne dich selbst". Aber das ist gar nicht so einfach.

Ich suche seit Jahren nach meiner Identität, und von Jahr zu Jahr kann ich meinem Persönlichkeits-Puzzle Teile hinzufügen. Ich frage mich "Was macht mich aus?" - "Wie definiere ich mich?" - und stelle fest, dass ich da sehr labil bin. Wann immer ich etwas Neues über mich herausfinde, definiere ich mich darüber.

Als ich mich endlich geoutet hatte, war ich irgendwie "nur noch" schwul. Ich bin auf Szeneparties gegangen, ich habe Toleranz und Akzeptanz von meinen Mitmenschen eingefordert, ich war Dauergast bei Gayromeo, ich habe viele der Entscheidungen meines Alltags unter der Schwulenperspektive getroffen. Das war mir wichtig, endlich konnte ich das ausleben, also wollte ich diesen Umstand an meinem Lebensalltag teilhaben lassen. Ich habe diesen Faktor in meinen wissenschaftlichen Hausarbeiten auftauchen lassen, ich habe Referate über schwule Schriftsteller gehalten (Tennessee Williams, Chuck Palahniuk, Douglas Coupland anyone?). Ich habe mit Freunden ununterbrochen über Homosexualität gesprochen.

Irgendwann, Monate, Jahre später hatte ich mich daran gewöhnt. Mit einem Mal wurde ich zum Gothic. Ich hatte nur ganz vorsichtig angefangen, ganz zögerlich mein erstes Gothic-Album gehört (Tristania - Widow's Weeds). Nach und nach mehr schwarz getragen... und dann ist auch der Knoten geplatzt, ich bin auf Szeneparties gegangen, ich bin mit Kayal in die Uni gegangen, ich trug fast nur noch schwarz. Mein kompletter Musikgeschmack hat sich gewandelt. Was interessierte es mich überhaupt noch, dass ich schwul war? Gothic zu sein, das war mir viel wichtiger. Ich habe Freunde mit zur Lost Souls geschleppt, ich habe mein Profil im StudiVZ überarbeitet, so dass es keinen Zweifel mehr an meiner Ausrichtung gab, ich habe zuhause düstere, alberne Rituale durchgeführt (die mir damals aber wichtig waren).

Wurde alles normal, alles Alltag. Dann kam in großen Schritten meine Examensarbeit, die viel mit mir angestellt hat (ich werde irgendwann einmal darüber schreiben, denn das war tatsächlich ein Wendepunkt in meinem Leben). Erst nur Recherche, dann als richtige Aufgabe habe ich mich mit psychoaktiven Substanzen auseinandergesetzt und bin in die Suchtprävention gegangen. Gegenüber meinen Mitmenschen habe ich mich nicht darüber definiert (die besten Freundinnen mal ausgenommen), weil das Thema einen stigmatisiert und man damit nicht hausieren gehen sollte. Auch nicht, wenn man einfach nur aufklären möchte. Also nicht definiert, aber ich habe viel Freizeit damit verbracht, mich über diese Substanzen zu informieren, und habe Gundula Barschs Thesen zum Thema Drogenmündigkeit geradezu inhaliert. Im Netz hat damals ein User für mich ein bisschen Bildbearbeitung gemacht - siehe oben. Das war alles neu für mich - für eine Weile.

Und auch das ließ irgendwann nach. Okay, ich bin schwul. Okay, ich bin Gothic. Okay, ich kenne mich mit Drogen aus. Alles kein Mainstream, aber für mich dann letztlich doch normal geworden. Und dann kam das Referendariat, dann kam dieses eine Modul über besondere Lernausgangslagen, in dem über diverse Förderstatus gesprochen wurde, aber eben auch über Hochbegabung. Und ich saß da, die anderen wollten nachmittags nur noch nach Hause, und ich klebte mit meinem Blick seit zwei Stunden an der Symptomliste Hochbegabung fest. Und unendlich viele Teile meiner Jugend fielen endlich an ihren richtigen Platz. Auf einmal wusste ich, was mit mir immer "verkehrt" war, auf einmal konnte ich mir das alles erklären. Und sorry, liebe Mitmenschen, aber wenn dreißig Jahre Komischsein endlich erklärt werden, dann nimmt mich das mit.

Auf einmal war ich hochbegabt - und schien bzw. scheine mich nur noch über die Hochbegabung zu definieren, seit mittlerweile vier Jahren. Ich versuche, mein komisches Verhalten damit zu erläutern, ich versuche, mit meinen Problemen als Hochbegabter umzugehen, denn nun weiß ich mehr darüber, nun kenne ich Strategien. Aus Angst, dass Menschen mich auch weiterhin komisch finden würden, begrüßte ich sie quasi immer mit "...und ich bin hochbegabt." - was ein großer Fehler ist, gerade gegenüber Menschen, die mich gar nicht kennen, denn auf einmal bin ich wieder arrogant und überheblich und "...warum muss er eigentlich immer wieder mit seiner Hochbegabung anfangen?" - Letzterer Satz ist ja wahrscheinlich berechtigt. Deswegen höre ich ihn in den letzten Jahren immer und immer wieder. Nicht direkt, aber hinter meinem Rücken. Und ich schäme mich dafür und lerne "Sei hochbegabt, aber rede nicht drüber", mal schauen, wann ich das endlich verinnerlicht habe.

Ich bin ein Exot - zehn Prozent der Bevölkerung sind homosexuell. Gothics dürften nicht mehr als fünf Prozent sein, eher noch weniger. Und hochbegabt sind zwei bis drei Prozent. Alles zusammen macht mich zu einem Exoten, und genau darauf beziehe ich mich, wenn ich zu anderen Menschen sage "Ich bin ein bisschen komisch". Und dann sagen sie ganz nett, ach, das sind wir doch alle, und wenn sie dann irgendwann merken, was ich meine, kommt so etwas wie "Das hättest du auch gleich sagen können."

All' das war ich. All' das bin ich.

Und wer bist Du?

post scriptum: Ich will mein Verhalten hier gar nicht rechtfertigen. Sondern nur einmal vom Herzen schreiben, weil die große Buba mich in zwei Fällen darauf hingewiesen hat, dass ich mich - in der jeweiligen Phase - fast nur noch über meine neue Eigenheit zu definieren schien. Und ich bin dankbar, dass sie das gesagt hat, denn ich selbst habe das überhaupt nicht mitbekommen und andere Menschen, wie gesagt, haben nur hinter meinem Rücken darüber geredet.