Freitag, 19. August 2016

MYSTische Welten

Der heutige Eintrag richtet sich an jemanden in Holzdorf. Dieser Jemand ist augenscheinlich hochbegabt und sucht Futter für sein Gehirn. Wie soll man sonst die Ferien überstehen? Mir geht es ja genauso - deswegen spiele ich gerade Resident Evil Zero. Allerdings sind diese Spiele eher no brainer im Gegensatz zu dem, was ich hier zur Disposition stelle; es geht um das Genre der "Grafik-Adventures".

Das muss in den Neunzigern gewesen sein, da hat ein Spiel die Welt im Sturm erobert und enorme Verkaufszahlen eingefahren. Damals waren CDs noch etwas ganz Neues - dieses Spiel war für Millionen Menschen Grund, sich ein CD-Laufwerk zuzulegen. "Hast du schon davon gehört?" - "Das solltest du unbedingt mal ausprobieren!"

Schnitt. Es tritt auf: Meine leicht verrückte Tante aus Berlin, die schon immer gewusst hat, dass ich ein bisschen anders bin. Eine kleine Leuchte. Die Tante schenkt mir eben jenes Spiel, ich solle das mal ausprobieren, das könnte mir gefallen. Habe ich gemacht und mich darin verliebt. Es war ein Volltreffer, Liebe auf den ersten Blick, das Spiel Myst.


Wie beschreibe ich dieses Spiel am besten? Am besten gar nicht! Das ist ein Spiel, dem man sich einfach unterwerfen sollte. Hineinstürzen, im wahrsten Sinne des Wortes. Der Spieler landet am Bootssteg einer kleinen, scheinbar verlassenen Insel. Keine Menschenseele, nur ein paar Notizen übrig. Intuitiv klickt man sich durch die Gegend, findet Hinweise, was passiert ist, wo man ist, es puzzelt sich ein kleines Universum zusammen.

Da ist Hirnarbeit gefragt: Es gibt eine Menge Rätsel zu lösen, manche leichter, manche echte Hirnzermarterer. Man braucht auf jeden Fall Stift und Papier, um sich wichtige Informationen zu notieren, die man auf der Reise verteilt immer mal wieder findet. Die Landschaften, die man durchstreift, sind ein Genuss, und es wird viel mit optischen und akustischen Inputs gearbeitet.

Das Geniale daran ist: Es gibt kaum Text in dem Spiel. Das Gehirn hat eine Menge damit zu tun, sich die Geschichte der Brüder Sirrus und Achenar zu erschließen. Man sucht nach Hinweisen an den unmöglichsten Stellen, und hier freut sich das hochbegabte Gehirn: Endlich knackige Rätsel, kombiniert mit schöner Grafik (heute veraltet, klar, schmälert die Qualität keinesfalls) und einem wunderbaren Ambient-Soundtrack. (daher NIEMALS in die Komplettlösung schauen, denn es geht ja gerade um das Lösen der Rätsel!)

Es gibt verschiedene Enden in dem Spiel, aber wer mitdenkt, wird den Weg zum besten Ende finden, das eine Art Cliffhanger darstellt. Ja, aus diesem Spiel hat sich eine fünfteilige Reihe entwickelt (plus Spin-Offs), dazu eine Roman-Trilogie, man hat den Grundgedanken ordentlich ausgeschlachtet. Was der Grundgedanke ist?

Bücher. Es geht um das Volk der D'ni, die die Fähigkeit besitzen, Bücher über phantastische Welten zu schreiben. Mithilfe dieser Bücher können sie dann in die selbst geschaffene Welt reisen. Es geht um die Verantwortung, die damit zusammenhängt: Darf man einfach so einen Volksstamm erschaffen? Und zwar so, dass man selbst vergöttert wird? Ich will gar nicht zuviel erzählen, sondern nur kurz anreißen. Mit Myst öffnen sich Welten.

Die Spiele sind qualitativ hochwertig, anspruchsvoll und sie sind von Teil zu Teil besser geworden (wobei ich den Abschluss der Reihe, End of Ages, noch nicht so ganz liebgewonnen habe). Es empfiehlt sich, mit dem Original zu starten und die Reihe nach folgender Chronologie zu erleben:

Myst: Das Buch Atrus' (ein Roman, der die Vorgeschichte des ersten Spiels zeichnet)
Myst
Riven
Myst III: Exile
Myst IV: Revelation
Myst V: End of Ages

Kann sein, dass die Technik auf neueren Geräten nicht mehr so rund läuft - hochbegabte neugierige Entdecker, findet Wege, dieses Spiel zu spielen! Es ist zeitlos, es lohnt sich! Ich finde übrigens die realtime 3D-Umsetzung mit dem Namen realMyst richtig gut. Im Spiel vergehen Tag und Nacht, während man forscht, das Wetter wechselt, großartig. Man merkt: Ich war eine Zeitlang richtig besessen davon.

Myst hat Nachahmer losgetreten. Es folgte eine gewaltige Welle dieser Grafikadventures, manche besser, manche schlechter, aber alle mit den für das Genre typischen anspruchsvollen Rätseln, fantastischen Landschaften und wunderbaren Melodien. Ein paar gute Spiele in der Ecke:


Schizm hat den Schwierigkeitsgrad deutlich raufgedreht - und Sequels hervorgebracht. Ich empfehle die DVD-Version, denn bei der 5CD-Version fehlen einige Rätsel und Animationen.


Auch Aura konnte einen Nachfolger hervorbringen - Zeichen dafür, dass von den Programmierern einiges richtig gemacht worden ist.


Und die Atlantis-Reihe habe ich richtig liebgewonnen, gerade wegen ihrer seltsamen Eigenheiten. Es war hübsch anzuschauen und ein Genuss, zu rätseln!

Liebe Hochbegabte, ja, auch Ihr Holzdörfler, lasst Euch nicht von der antiquiert wirkenden Technik abschrecken: In der Essenz haben wir hier hoch anspruchsvolle, ästhetische Spiele, die diesen Dr Hilarius auch nach über zwanzig Jahren noch begeistern.

post scriptum: Ich liebe meine verrückte Tante in Berlin!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen