Freitag, 30. September 2016

Das fhlt


Mir ist bim Korrkturlsn dr ltztn Biträg aufgfalln, dass ganz oft in    fhlt. Ich glaub, s ligt daran, dass di Tastatur von minn zartn Fingrchn so shr malträtirt wordn ist, dass di Tast kaputt ist. Ist ja auch nicht witr schlimm, mistns ght si. Abr hut gniß ich das so richtig und lb dn Vokalvrlust aus. Damit wir all mal in Bwusstsin dafür bkommn, wi häufig wir dn Buchstabn    bnutzn.

Das hält man ja nicht lang aus - also, ich zumindst mpfind s al anstrngnd, dis Schribwis zu lsn. Dahr mach ich s hut kurz. Ich wollt nur mal Nugir äußrn: Ich wüsst zu grn, was wohl Brnd Luck mittlrwil übr sin hmalig Parti dnkt. r hat di AfD aus dr Tauf ghobn - und sin Kollg (Nam vrgssn) hat vor nicht allzu langr Zit gsagt, r si rschrockn ob ds Monstrs, das si da rschaffn habn.

rinnrt mich an dn Zaubrlhrling - di Gistr, di ich rif, wrd ich nun nicht los. Auf inmal wirds zuvil. Auf inmal wird di AfD doch zu shr rchts. Zu intolrant. Zu ausländrfindlich. Was für in Unwsn habn si da losgtrtn! Jtzt zigt dr rcht Mob in Dutschland langsam sin wahrs Gsicht. Ich möcht nicht in Lucks Haut stckn. In was für Zitn lbn wir - in britischr, fischäugigr Vollidiot kickt sin Nation aus dr U, in schinbar toupirtr Aff (ich wiß, s ist cht) labrt di USA in dn drittn Wltkrig, jtzt schauklt sich Stück für Stück dr Nationalismus so richtig hoch. Und di Findlichkit ggnübr dm "Andrn", "Frmdn" wächst...

post scriptum: Jtzt ist s offizill - ich wrd für in Woch kin warms Wassr habn. Dr Durchlaufrhitzr springt nicht an, wil der Wassrdruck zu gring ist. Ich glaub, ich wrd bi dr Buba um Duschasyl bittn.

Donnerstag, 29. September 2016

Identität - Die Geschichte von Timo und Julian (part 11)




Disclaimer: Diese Geschichte ist Fiktion. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen und Ereignissen sind rein zufällig und nicht vom Autor beabsichtigt. Das wäre ja sonst ein roman à clef, und zu solchen literarischen Kunststückchen ist der Autor sicher nicht fähig.

Dieser Abschnitt der Geschichte enthält explizite Darstellungen von Drogenkonsum sowie seinen Auswirkungen und/oder Szenen körperlicher Nähe. Wer an solchen Bildern Anstoß nimmt, möge dieses Kapitel bitte überspringen. Darüber hinaus möchte der Autor immer zu einem verantwortungsbewussten Konsum psychoaktiver Substanzen mahnen: Das ist der sicherste Weg zur Drogenmündigkeit, dem Gegenstück zur Abhängigkeit.

Identität – die Geschichte von Timo und Julian



part 11

……. ….. …und dann wird alles schwarz. Nicht direkt komplett schwarz: Hinter meinen geschlossenen Augenlidern flackern Lichter auf, hell, blitzschnell, im Takt meines stark erhöhten Pulses. Es ist an der Zeit, runterzukommen. Ruhig zu werden. Ich kenne das, ich weiß, es dauert mindestens zehn Minuten. Ich fange an, indem ich meinen Körper in eine angenehme Position bringe, lege die Arme links und rechts auf die Matratze, damit möglichst nichts blockiert ist. Eine Position, die ich von nun an bis zum Ende der Playlist auf meinen Kopfhörern nicht mehr verändere. Nicht im Geringsten: Wie totenstill liege ich da. Die einzige Bewegung, die nun noch durch meinen Körper geht, ist das unregelmäßige Atmen.
Ich schotte mich von meiner Außenwelt ab. Die Musik wird zu meiner neu konstruierten Welt – ganz langsam fängt mein Gehirn an, aus den flackernden Lichtern regelmäßige Texturen zu formen. Langsam erkenne ich Wände, Winkel, Tore. Passagen, Korridore, und wieder nur schnelles Flackern. Die verborgene Welt hinter den geschlossenen Augenlidern ist noch instabil. Es dauert, hinabzusteigen.
Julian liegt neben mir. Das weiß ich, und ich kann sein Atmen in den ruhigen Momenten zwischen den Musikstücken hören, aber das Bewusstsein verblasst langsam zu nicht mehr als einer bloßen Erinnerung. Cut schneidet mich ab von allen äußeren Einflüssen, der pure Ego-Trip. Sekundenweise überlege ich, wie es ihm wohl gehen mag, ob alles gut für ihn läuft, aber das lässt nach, je deutlicher ich meine Traum-Architektur erkennen kann. Langsam verformt sie sich nicht mehr zum Rhythmus meines schlagenden Herzens, sondern zum Takt der Musik, die ich nicht mehr als Klang wahrnehme, sondern als visuelle Kreation. Pure Synästhetik.
Meine Welt wird dunkler. Langsam werden die Wände, die Decken und alle Muster schwarz auf schwarzem Hintergrund. Das ist meine Parallelwelt, so wie ich sie kenne, und mein Puls wird langsamer, meine Atmung regelmäßiger. Die Aufregung legt sich. Ju neben mir wird zu einem Teil der Umgebung, den ich kaum noch wahrnehme. Auch meinen Körper nehme ich nicht mehr wahr, nur noch die Atmung. Es fühlt sich an, als ob mein Geist meinen Körper verlässt und durch die künstliche Welt zu streifen beginnt. Für mich sieht es aus, als ob nur noch meine Augen durch diese Welt schweben und ich mit meiner Umwelt über Gedanken kommuniziere. Und wir alle verstehen uns auf magische Weise. Keine Widersprüche, nur Verständnis.
Jetzt höre ich Julian, er atmet einmal hörbar… oder ist es ein Seufzen? Oder sagt er etwas? Ich warte darauf, ob er meinen Arm berührt, das verabredete Zeichen für den Notfall, aber da kommt nichts. Ein Lächeln kommt auf mein Gesicht: Das muss alles gerade sehr aufregend für ihn sein, sehr neu und unerwartet. Lass ihn mal, Timo, der kommt schon heil wieder an. Und ich gehe wieder in meine Welt zurück, die mittlerweile unglaublich plastisch geworden ist. Die Musik formt immer wieder neue Räume und Umgebungen, ich kenne diesen Ort, und langsam fange ich an, zu denken.
Ich durchstreife diese Räume in aller Ruhe, sehe mich um, ob es Neues zu entdecken gibt. Diese mysteriöse Welt ist mittlerweile nicht nur vor mir – auch neben mir, hinter mir, über und unter mir. Ich bin in ihr angekommen. Dieser Effekt entsteht durch die Musik, die genau für diesen Zweck so komplex abgemischt wurde, dass ich manche Instrumente hinter mir zu hören meine, während eine Stimme von vorne rechts kommt und von links das Klingen feiner Glocken… alles ist im Wandel, ich fühle mich wohl und kann mich jetzt voll auf meine Gedanken einlassen. Die Phase der Meditation hat begonnen.
Ich erlebe viele Szenen der letzten Tage nochmals. Einzelne Szenen aus dem Unterricht: Es scheint mir, als ob links und rechts neben mir Schüler sitzen, die sich eifrig melden. Ich muss mich zusammenreißen, um sie nicht laut beim Namen aufzurufen. Zufälligerweise höre ich genau in diesem Moment wieder ein Geräusch von Julian; ich bin mit diesem Phänomen vertraut, dass die Visionen so real sind, dass man mit ihnen sprechen möchte. Ich weiß, dass ich dann einfach ruhig bleiben und es genießen sollte. Ich freue mich aber, dass es für ihn scheinbar richtig aufregend ist. Ich bin gespannt drauf, was er nachher zu berichten hat – und für einen ganz kurzen Moment wünschte ich mir, ich könnte gerade in seinem Kopf sein.
Aber der Moment verfliegt, und die Szenen aus meinem Schulalltag werden wieder klarer erkennbar. Und ich sehe die Fratze meiner Schulleiterin… und ich erlebe nochmals das Gespräch, in dem ich ihr die Falschaussagen in meinem Dienstgutachten ins Gesicht klatsche. Ich genieße diese Szene, lasse sie nochmal passieren… und noch einmal, bevor ich weitergehe. Wieder öffne ich im Geiste meine Wohnungstür und strahle Ju entgegen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er in meiner Gedankenwelt auftaucht. Ich erlebe verschiedene Szenen unserer Kennenlernzeit noch mal wieder, und in dem Bewusstsein, dass er neben mir liegt und dieses Wochenende nur uns beiden gehört, lasse ich mich weiter in diese geheimnisvolle Welt fallen…
…bis ich seine Hand an meinem Arm spüre, er stupst mich ein paar Mal an, und ich glaube, er sagt meinen Namen. Wie viel Zeit ist vergangen? Anhand der Playlist komme ich auf etwa eine Dreiviertelstunde. Okay, Zeit, einmal zu helfen. Ich kehre schlagartig zurück in die Realität, nehme meine Kopfhörer ab. Ich greife links neben mich, um das Schwarzlicht einzuschalten: Plötzlich erscheint der Raum in mysteriösen Blau- und Violetttönen. Die UV-aktiven Wandbehänge leuchten intensiv, und ein unheimliches, weißes Gebiss leuchtet mich an. Irre sieht das aus, wie diese fliegenden Geisterzähne in Cartoons, die ein paar Mal klappern oder kichern und dann ins Nichts verschwinden. Diese Zähne klappern auch, aber sie verschwinden nicht. Sie leuchten in einem Neonblau, sie grinsen mich an – Julian grinst mich an, sein Gesicht sieht ein bisschen unheimlich aus in diesem Licht, zu einem Grinsen verzogen, das von Ohr zu Ohr reicht, und dazwischen diese leuchtenden, klappernden Zähne.
Wir sitzen beide aufrecht und schauen uns an. Ich brauche einen kleinen Moment, um zu realisieren, wo ich gerade bin. Ich vermute, dass dieser Vorgang bei ihm deutlich länger dauert. Ich glaube, er möchte etwas sagen, denn er bewegt den Mund – aber seine Zähne klappern, und das war es, da kommt kein vernünftiger Ton heraus. Das scheint er selbst zu merken, hält sich beide Hände vor den Mund und bekommt einen Lachanfall – er krümmt sich zur Seite vor Lachen, und noch immer hat er kein sinnvolles Wort herausgebracht. Alles klar, ich greife mal behutsam ein. Es scheint alles in Ordnung zu sein.
Ich beuge mich ein wenig vor und lege meine Hände auf seine Schultern. Er ist ganz warm.
„Ssshhhhhht….“ sage ich beruhigend zu ihm und nehme ihn vorsichtig in den Arm. Er legt seine Arme um meine Schultern. Wenn ich die Situation richtig einschätze, kann er gerade überhaupt nichts erkennen. Diplopie: Doppelbilder, die Augen können sich nicht mehr zusammen auf eine Sache fixieren und somit sieht er alles zweimal. Und dann noch dieses blaue UV-Leuchten. Deswegen versuche ich ihm in dieser unwirklichen Atmosphäre etwas Halt zu geben, und vielleicht tut es ihm ganz gut.
„Shhhht…“ sage ich noch mal beruhigend. „Alles in Ordnung, warte erstmal ab. Alles in Ordnung.“
Wir wiegen unsere Körper in der Umarmung ein wenig hin und her. Ich kann nicht anders… ich streichele dabei über seinen Rücken. Als ich das realisiere, versuche ich, die Umarmung zu lösen. Wir nehmen eine andere Position ein: Wir sitzen einander im Schneidersitz gegenüber, strecken die Arme aus und fassen um den Hals des Anderen… und legen die Köpfe gegeneinander, um uns Halt zu geben. Und wieder beruhige ich ihn. Noch ahne ich nicht, dass diese Pose uns eine lange Zeit begleiten wird.
„Shhht…. ist alles okay bei dir, Julian?“ Er blickt auf – noch immer dieses irre Grinsen. Er kann es nicht loswerden: Das ist ganz normal und vollkommen in Ordnung.
„Iiiiiiiiiiii….iiii..ii.ii.iii….i.i.i….“ ist alles, was er gerade herausbekommt, und dazwischen klappern seine Zähne immer wieder. Wow, dass das Sprechen so schwer wird, damit hatte ich nicht gerechnet. Aber es ist ja auch noch zu früh, viel zu früh! Wir sind mitten auf dem Peak, die Hauptwirkung der Droge ist gerade angekommen. Das ist die Phase, in der man erst recht ganz ruhig daliegen und einfach nur genießen sollte. Ich versuche, ihm das klarzumachen.
„Bleib ganz ruhig, Julian. Es ist alles genau so, wie es sein soll. Halt erstmal den Mund. Du kannst im Moment noch nicht reden.“ All dies spreche ich möglichst langsam vor mich her, denn ich weiß, dass meine Stimme zu diesem Zeitpunkt bei ihm sehr blechern und verzerrt ankommen dürfte.
„Hör mir einfach zu. Denk dran, wir sind beide auf Droge. Und die Effekte sind vielleicht extrem, das ist vollkommen neu für dich. Aber es ist alles so, wie es sein soll. Und nachher wird alles wieder ganz normal, Stück für Stück.“
Dabei streichele ich seinen Nacken ein bisschen. Er ist immer noch ganz warm. Ich wahrscheinlich auch.
„Wir legen uns jetzt einfach wieder hin. Such dir Musik aus, die dich runter fährt. Atme ganz entspannt, komm runter. Ich mache das Licht wieder aus. In einer Stunde sprechen wir noch mal, dann wird es schon ganz anders sein. Hab keine Angst vor dem, was passiert, das ist alles normal, und neu, und positiv. Ein Abenteuer.“
Ju kann nicht antworten. Also kommuniziert er mit mir auf seine Weise: Er dreht sich herum, legt sich in meinen Arm. Ich lege ihn behutsam wieder in die Reiseposition auf die Matratze und decke ihn zu.
„Genieß die Reise, mein Großer“, ich lächele ihn an und er setzt sich seine Kopfhörer wieder auf. Ich schalte das Schwarzlicht ab und das unwirkliche Intermezzo ist beendet. Ich steige wieder hinab in meine schwarze Parallelwelt und fange an, diese seltsame und auf eine surrealistische Art wunderschöne Szene zu verarbeiten. Ihn im Arm zu halten. Und als er sich dann einfach sozusagen hat fallen lassen. Und mit ihm zusammen zu atmen. Ich fand das sehr, sehr schön, und das werde ich ihm ganz bestimmt nicht erzählen. Muss er auch nicht wissen, das behalte ich für mich. Das hat nichts in seinem Erlebnis zu suchen. Außerdem will er das bestimmt auch nicht wissen. Mein Puls wird wieder ruhiger, und die Wände und Korridore meiner Welt manifestieren sich wieder vor meinem geistigen Auge. Es geht weiter.

fortsetzung folgt...

Mittwoch, 28. September 2016

Das Ding mit Glück und Verstand und Kleingeld


"Ich habe direkt ein bisschen gethummt" war mein Lieblingssatz der letzten Tage, das einmal vorweg. Mit Buba, ohne Klospülung, einfach mal so.

Kleingeld. Ich habe es in Unmengen. Denn: Wenn es mir gut geht, wenn ich gut drauf bin und alle alltäglichen schulischen und privaten Abläufe funktionieren, zahle ich im Supermarkt stets genau passend. Ich habe immer so viel Kleingeld dabei, dass ich jeden Betrag von ,01 bis ,99 bezahlen kann, da reichen schon acht Münzen aus.

Momentan funktioniert das alles nicht so. Ich soll acht Euro eins bezahlen und gebe einen Zehn-Euro-Schein hin. Und bekomme tonnenweise Kleingeld zurück, das ich nicht wieder ausgebe, sondern horte. So haben sich also gefühlt siebenunddreißig Kilo Kleingeld angesammelt.

Dann haben meine lieben Schüler ihre Englisch-Workbooks bezahlt. Passend. Macht insgesamt zweiundsechzig Kilo Kleingeld. Okay, ich bin auf das Geld angewiesen, und wie praktisch, bei plaza steht ein Münzzählautomat. Und bevor die Klugscheißer jetzt schon loslegen: Weiterlesen! Ich habe das schon zweimal gemacht, mega praktisch: Ich bekomme dann einen Einkaufsgutschein für den Laden, kaufe irgendwas und den restlichen Betrag haben die netten Damen an der Kasse mir in bar ausgezahlt, das waren einmal achtzig und einmal vierzig Euro. Klasse, mache ich wieder. Nicht ahnend, dass in beiden Fällen die netten Damen an der Kasse einen Fehler (Fehwer!) gemacht haben. Denn sie dürfen kein Bargeld auszahlen, sondern das Restguthaben wieder nur als Gutscheinkarte ausgeben. Heute, als es um einen dreistelligen Betrag ging, wurde davon mit steinerner Miene Gebrauch gemacht. Leider auch unhöflich und kurz angebunden, man hätte mir auch nett erklären können, dass ich das Großgedruckte nicht gelesen habe und bei den letzten Malen ein Fehler seitens des Personals gemacht wurde. Leider kein Fall von Kulanz - vielleicht sehe ich nicht vertrauenerweckend genug aus.

Naja, dann kaufe ich eben in der nächsten Zeit für Hunderte von Euro Klopapier. Und Ringsalami. Und dennoch hatte ich heute mehr Glück als Verstand, denn ich hatte das Geld auf dem Konto zur Verfügung, das hat mich zwar überrascht, aber diese Situation gerettet. Warum muss so Vieles den Alltag so kompliziert machen? Und der Wasserdruck ist immer noch zu niedrig und mit Glück habe ich morgen einen Klempner im Haus.

Jemand möge mir Geduld geben - UND ZWAR DALLI!!!

post scriptum: Ich finde es GEIL, dass alle Sechstklässler mir was zu den Problemen von Hochbegabung sagen konnten. Warum? In der Schule haben sie "Rico & Oscar und die Tieferschatten" als Film gesehen. Let's call this "pädagogisch wertvoll"! Und ich finde es UNGEIL, dass derzeit ernsthaft Sechstklässler mit Handyattrappen rumlaufen. Einfach nur, damit sie einen auf dicke Hose machen können. Total unlogisch, hab ich denen auch mit miner Lieblingsantwort bewusst gemacht: "Das verstehe ich nicht. Könnt ihr mir das erklären?"

Dienstag, 27. September 2016

Das System stürzt ab


Dieser Beitrag bezieht sich auf den gestrigen Tag und ist ein schönes Beispiel hochbegabter Denkblockaden. Genau genommen bezieht er sich auf diese ganze Woche. Auf die momentane Situation, wie auch immer.

Nehmen wir eine Analogie, das hilft zur Veranschaulichung. Ein Computer kann unglaublich schnell rechnen, Befehle ausführen, kann Dinge ordnen, die Technik geht immer weiter voran. Es gibt aber Momente, da wird's zuviel: Ich will ein hochauflösendes Video abspielen, nebenbei lasse ich noch eine Animation erstellen, habe einen Chat und eine Videokonferenz geöffnet und lasse das Windows-Update laufen - eine bekannte Situation, immer mehr Fenster öffnen sich, dann noch Spam dazu, noch mehr Fenster, der Rechner packt das alles, geht, noch mehr Fenster, noch eine Virenwarnung und - ZACK - hat man irgendwann den Bluescreen. Oder es bleibt einfach alles stehen.

Das System stürzt ab. Der Computer hängt sich auf. Leute, das haben wir alle schonmal erlebt, oder? So á la "Stecker rausziehen, wieder reinstecken, dann geht es wieder". So ging es mir gestern. Das hat sich über drei Wochen aufgestaut, immer mehr Dinge sammeln sich in meinem Gehirn an, immer mehr unlogisches Verhalten, Regelbrüche, nicht gehaltene Absprachen. Ich kann sehr viel in meinem Gehirn verarbeiten. Aber manchmal gerate ich schon ins Stocken - wenn es eben zu viel wird. Das erkenne ich daran, dass ich Sachen nicht richtig mache oder vertausche: Sei es der Termin eines Elternabends oder der kopierte Stapel Arbeitsblätter für die falsche Lerngruppe. Das passiert mir eigentlich nicht - deswegen gehen alle Alarmlampen an, wenn es doch passiert.

Und dann kann eine Kleinigkeit reichen, um mich endgültig zu überfordern. Dann fühlt es sich im Kopf an wie beim Computer oben. Und das ist einer der Gründe, warum ich Hochbegabung oft als geistige Behinderung erlebe. Und jetzt muss ich Strategien finden, wie ich mit all diesen Sachen umgehe. In erster Linie konfrontativ: Nach und nach setze ich mich jetzt mit all meinen Lerngruppen zusammen und erkläre ihnen die Situation. Zum Beispiel bitte ich sie, mich in der Schule nicht mehr zu grüßen. Nett lächeln, zunicken, das ist okay, aber bitte nichts mehr, was meinen Gedankenzug zum Entgleisen bringt.

Und ich habe hier im Blog schon einmal von meiner Angst vor den unteren Klassenstufen geschrieben. Jetzt manifestiert sich das alles. Ich kann es nicht mehr unauffällig unter den Teppich kehren. Ich muss offen damit umgehen. Und das ist verdammt schwer, denn ich möchte mit meiner Behinderung niemandem auf die Nerven gehen. Ich fühle mich dann schlecht, ich will nicht, dass jemand Rücksicht auf mich nehmen muss.

Soviel zum Thema "Du bist hochbegabt? Das ist ja toll!" - meine Lerngruppen denken ab sofort anders, weil sie jetzt wissen und erleben, wie das ist.

Montag, 26. September 2016

Bienen


Ein Montag wie jeder Andere, ich trete ins Bad, werde langsam menschlich - die kalte Badluft hilft dabei, deswegen lasse ich die Fenster permanent geöffnet. Muss noch eben schauen, ob die Schulsachen komplett eingepackt sind, donner' die Tür zum Bad ins Schloss, lasse aber das Licht an - keine gute Woche kommt ohne ein bisschen Stromverschwendung aus.

Eine halbe Stunde später, einmal muss ich noch ins Bad, französisch duschen mit Billigduft von Rossmann, öffne die Tür, gehe drei Schritte vorwärts, schaue nach links und rechts und gehe drei Schritte wieder rückwärts, schalte das Licht aus und knall' die Tür wieder ins Schloss.

Bienen. Ich dachte, es wären zwei oder drei, aber als ich bei sechs angekommen bin, habe ich die Flucht ergriffen. Irgendwo muss da draußen ein Bienennest sein, es hat sich auch einmal eine Biene in die Küche verirrt. Morgens werden sie durch das Licht im Bad angelockt - ich habe das Fenster offen gelassen. Am Nachmittag waren alle Bienen wieder verschwunden - das Sonnenlicht scheint sie am Vormittag rauszulocken.

Ich merke mir schon mal - wenn es draußen dunkel ist und ich Licht im Bad mache - dass ich das Fenster dabei geschlossen halte. Und vielleicht sollte ich die Hausverwaltung über die Situation informieren; ich weiß ja noch nichtmal, ob da wirklich ein Nest ist.

Es wäre auch zu langweilig sonst, gerade jetzt, wo das Kühlschrankproblem gelöst ist. Irgendwas ist halt immer - so bleibt das Leben spannend (erinnert mich an Coraline, die im gleichnamigen Film zu dem Schluss kommt, dass es gar nicht so toll ist, wenn man alles bekommt, was man möchte - wenn alles perfekt ist).

post scriptum: Großes Lob für jeden, der erklären kann, was das heutige Bild mit dem Beitrag zu tun hat.

Sonntag, 25. September 2016

Bei mir anders

 

Hin und wieder frage ich mich, wonach sich unser Verhalten in der Gegenwart anderer Menschen bestimmt. Ich vermute, beim Großteil der Menschheit macht es zumindest einen kleinen Unterschied, ob sie allein sind oder in Gesellschaft, genauso wie es einen Unterschied machen kann, ob sie nüchtern sind oder nicht. Timo und Julian werden in der Hinsicht noch einige Erfahrungen sammeln. So wird Julian merken, dass er sich in Timos Gegenwart anders verhält - ungezwungener, wie die beiden später feststellen. Da mir das ein wenig bekannt vorkommt, habe ich es in die Geschichte eingebaut.

Ich bekomme mitunter die Rückmeldung, dass Menschen sich bei mir anders verhalten als bei Anderen. Das kommt zum Beispiel in der Schule vor: "Bei dir ist die Klasse ganz anders drauf, es ist lauter, aber die Kinder sind viel positiver bei der Sache." (Gerade wegen solcher Beobachtungen finde ich es spannend, mich mit einer Schulbegleitung auszutauschen, die den gesamten Unterricht eines Tages sieht.) Aber auch Flo, die verrückte Buba und Linnea von unten sind der Meinung, wenn man meine Wohnung betrete, fühle es sich an wie eine bubble, eine Blase, in der die Einflüsse der Außenwelt nicht wirken. In der sie sich ungezwungen geben können, unabhängig von gesellschaftlichen oder materiellen Zwängen. In der sie nicht auf die Sprechweise achten müssen oder darauf, dass sie sich möglichst männlich oder weiblich geben.

Immer, wenn ich so etwas zu hören bekomme, frage ich mich dann, woran das liegt. Warum ticken Menschen so? Liegt es an der Umgebung? Meine Wohnung ist durchwoben mit Esoterik, an der Zimmerdecke steht eine Mahnung zur Authentizität, am Bettende ein Zitat Buddhas. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass es etwas damit zu tun hat: Warum würden sich sonst meine Lerngruppen anders verhalten, die doch meistens im gleichen Raum unterichtet werden, unabhängig vom Lehrer.

Von meiner SPO-Sozialpädagogin habe ich ein Kästner-Zitat gelernt: "Es nützt gar nichts, unsere Kinder erziehen zu wollen. Sie machen uns sowieso alles nach." Und das Prinzip "Wie man in den Wald ruft, so schallt es heraus". Mein eigenes Verhalten würde demnach in den Verhaltensweisen meines Gegenübers gespiegelt - reflektiert - quittiert. Wenn ich viel von mir gebe, quasi Offenheit vorlebe, fällt es dem Gegenüber leichter, ebenfalls offener zu sein.

Flo, Du erinnerst dich: Auch wenn wir es zeitweilen holprig erleben, so hast Du mir mehrfach gesagt, dass Du dich bei mir "sicherer" fühlst. Dass Du keine Erwartungen erfüllen musst (auch wenn ich diesen Effekt leider stark abgenutzt zu haben scheine). Buba, für Dich gilt das ebenso, Du kannst über fast alle möglichen Themen mit mir reden, ohne dass da Hemmungen sein müssen. Okay, sie abzubauen, das ist ein längerer Prozess, aber es funktioniert.

Sollten diese Erklärungen stimmen, so bin ich froh, dass ich mit meiner Art und Weise etwas Positives ausstrahle - denn oft genug denke ich mir, dass ich immer alles falsch mache. Besonders, wenn Leute mir reinreden - so wie das zum Beispiel im Referendariat der Fall war. Manchmal tut es gut, zu hören, dass man auch mal etwas richtig gemacht hat.

Und, Ihr zwei Besten: Bei Euch bin ich sicher, dass es ebenso funktioniert, weil die gute Art, mit der Ihr Kommunikation gestaltet, sich darin beweist, dass man gern Zeit mit Euch verbringt (und alle Anderen: Bei Euch fehlt mir die Expertise, um eine Aussage zu treffen).

post scriptum: Dieser Beitrag ist für Lehrer wirklich relevant, denn wie die Schüler sich in einer Klasse geben, hängt tatsächlich mit dem Verhalten der Lehrkraft zusammen. Wenn man also mit einer Lerngruppe überhaupt nicht klarkommt, sollte man auch einmal sein eigenes Verhalten einer kritischen Prüfung unterziehen. Es gibt viele Lehrer, die das nicht wollen oder können, die jedes Feedback panisch vermeiden - schade um einen möglicherweise guten Unterricht. 

Mehr Esoterik: "Look within. Find your own divinity. Detach yourself from the social and material struggles." Dank Goa verstehe ich solche Prinzipien ein bisschen besser.

Samstag, 24. September 2016

Kläuschen


Disclaimer: Kläuschen ist ein fiktiver Schüler, den ich mir für diesen Beitrag ausgedacht habe. Dass es tatsächlich viele Kläuschens da draußen gibt, hängt damit zusammen, dass ich das Bewusstsein schärfen möchte für diesen Schülertyp, und ihn deswegen an ganz realen Merkmalen "modelliert" habe. Ich bitte zu entschuldigen, dass dieser Beitrag hin und wieder wie eine Dokumentation gewisser privater Fernsehsender klingt.

Kläuschen ist immer als Erster in der Klasse. Die anderen Schüler warten vor der ersten Stunde draußen in der Halle, denn der Klassenraum ist abgeschlossen und sie dürfen den Klassenflur noch nicht betreten, weil sie zu laut sind. Kläuschen wartet trotzdem brav und ruhig an der Klassentür und strahlt mich an. Ich kann gar nicht anders, als zurückzulächeln; Kläuschen freut sich ehrlich, mich zu sehen. Wir gehen in den Klassenraum und er holt die anderen Schüler. Zuerst aber räumt er in aller Ruhe seine Schulsachen auf seinen Platz, das dauert eine Weile. Und das ist auch in Ordnung, ich hetze ihn da nicht. Ich möchte ihn nicht aus seiner "Taktung" bringen.

Irgendwie lächelt Kläuschen immer. Manchmal wirkt es, als sei er in seiner eigenen Welt. Da kann ich die Klasse gerade angeschrien haben oder auch nur neue Aufgaben verteilt haben - Kläuschen ist friedlich und zufrieden auf seinem Platz. Seine Aufgaben bearbeitet er in aller Seelenruhe. In der Zeit, in der die Anderen zehn Sätze bearbeiten, schafft er zwei davon und freut sich über jedes richtige Ergebnis. Und ich freue mich mit ihm, denn jedes Ergebnis ist hart erkämpft. Und dass er nicht so schnell ist wie seine Mitschüler, das ist auch völlig in Ordnung: Kläuschen ist ein Schüler mit einem festgestellten Förderbedarf "Lernen".

Früher gab es spezielle Schulen, die Förder- oder Sonderschulen, in denen Kinder mit Förderbedarf speziell auf ihre Bedarfe zugeschnitten beschult wurden, in kleinen Klassen von vielleicht vier bis acht Schülern, unterrichtet von pädagogisch speziell ausgebildeten Lehrkräften. Das ist nicht mehr state of the art, spätestens seit Wara Wende nicht mehr: Die Kinder würden dadurch ja ausgegrenzt und ihr Platz in der Gesellschaft als spezielles Individuum negativ markiert. Den Kindern würde gezeigt, dass sie anders sind und nicht dazugehören. Deswegen sollen wir Lehrkräfte Inklusion leben, auf allen Ebenen. Und somit werden diese Kinder nun bürokratisch als "inklusive Maßnahme" bezeichnet. Das klingt schon viel menschlicher.

In der statistischen Verteilung der Intelligenz hat man festgelegt, dass der durchschnittliche Intelligenzquotient in der Bevölkerung bei einhundert liegt. Die einfache Standardabweichung reicht von fünfundachtzig bis einhundertfünfzehn. Wer oberhalb der doppelten Standardabweichung liegt, also über einundertdreißig, gilt als hochbegabt - und wer unterhalb von siebzig liegt, gilt als geistig behindert - wobei man immer irgendwelche Euphemismen sucht. Weiß nicht, ob das zielführend ist.

Aber das macht gar nichts - okay, Kläuschen braucht sehr lange, um nur wenige Aufgaben im Unterricht zu erfüllen. Oft schafft er sie nur mit intensiver Einhilfe der mit viel zu wenigen Stunden für ihn zusätzlich im Unterricht eingeteilten Förderlehrkraft. Und ich muss davon ausgehen, dass nach dem Wochenende alle Lernerfolge wieder verloren sind. Die Schulzeit kann für ein Kind mit dem Förderbedarf L wie pure Zeitverschwendung wirken. Und manch einer schaut vielleicht mitleidig auf Kläuschen: Was soll denn nach der Schule mal aus ihm werden? Er macht seinen Förderschulabschluss, und dann? Und es gibt - was ich sehr grausig finde - Stimmen, die dann sagen "Er kann doch nichts!".

Aber wenn ich mit Kläuschen in die Schulgärtnerei gehe, dann zeigt sich mir ein ganz anderes Kind. Das Dauerlächeln auf seinem Gesicht wird zu einem intensiven Leuchten: Hier gibt es Pflanzen, Blumen, Kräuter, hier fühlt er sich wohl. Kläuschen hat ein unglaubliches Talent für die Gärtnerei. Ich habe noch nie jemanden gesehen, der eine Blume so liebevoll umtopft, der sie wie einen kostbaren Schatz behandelt, dabei mit ihr redet und sie wie einen Mitmenschen wertschätzt. Kläuschen möchte später in einer Gärtnerei arbeiten. Er hat schon mehrere Praktika absolviert und seinen Chef beeindruckt. Er mag nicht der schnellste Arbeiter in dem Betrieb sein, aber sicherlich einer der gewissenhaftesten. Und wenn ich dann noch einmal hören muss "Der kann doch nichts", oder irgendwelche mitleidigen Kommentare, dann denke ich mir, dass ich wesentlich lieber ein immer fröhliches Kind unterrichte, das einfach kein Gespür hat für die Widrigkeiten des Lebens, das aber auch niemandem etwas zuleide tut. Viel lieber als einen hochintelligenten, arroganten, distanzierten Menschen, der auf seine nicht so hochbegabten Menschen herabblickt und sich für wertvoller hält.

Ich muss sagen, es ist für mich eine Herausforderung, Kläuschen zu unterrichten, aber es gibt mir eben auch sehr viel dadurch, dass ich mein eigenes Verhalten in einer gewissen Weise in ihm reflektiert sehe und viel über das Menschsein an sich nachdenke.

Danke, Kläuschen!

post scriptum: Der letzte Tipp in Sachen Kühlschrankrätsel - sie ist eine fiktive Gestalt ;)

Freitag, 23. September 2016

Englisch in der Grundschule


"I spy with my little eye... something... blue!" Diese englische Variante des "Ich sehe was, das du nicht siehst", haben meine Fünftklässler heute mit Leidenschaft gespielt - auf Englisch. "Is it this?" - "No." - "That there?" - "Yes right!" Und ich muss sagen, ich fand das toll.

Ich habe immer gern gegen Englisch in der Grundschule gewettert. "Die Kinder sollen lieber erstmal richtiges Deutsch lernen, bevor es mit Englisch losgeht!" - Das war meine Standard-Kampfansage. Und sie klang eigentlich auch ganz logisch. Und erst jetzt fange ich an, sie zu überdenken, angesichts dessen, was mir da in der Klasse entgegenstrahlt.

Die Kiddies, die wir unterrichten, wachsen in einer Welt auf, in der Globalisierung das Normalste der Welt ist. Sie haben Kontakt mit Flüchtlingskindern, und es wird für sie nichts Besonderes sein. Sie wachsen in eine Welt hinein, die Englisch einfach braucht. Weltsprache und so. Das war eine ganze Zeit anders, aber man kann die Augen vor den Tatsachen nicht verschließen.

Was mich immer gestört hat, war der unverbindliche Lehrplan für Englisch an Grundschulen in Schleswig-Holstein. Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, sieht er Singen, Spiele, Reime und ähnliches vor. Das Mündliche hat erstmal Vorrang vor dem Schriftlichen. Über Spaß sollen die Kinder an die Fremdsprache herangeführt werden. Das klingt ganz nett (und als Fan der Suggestopädie kann ich das nur befürworten) - das Problem zeigt sich dann aber an den weiterführenden Schulen.

Da werden die kleinen Monster neu zusammengewürfelt, und in der fünften Klasse einer Gemeinschaftsschule finden sich Kinder in einer Vielfalt, die größer nicht sein könnte. Ein Panoptikum der Menschlichkeit. Manche Kinder haben an ihrer Grundschule schon richtige Vokabeltests geschrieben. Manche können auf Englisch schon bis dreißig zählen (ich habe echt gestaunt). Sie können Farben und Tiere benennen. Und, was mich besonders fasziniert: Sehr viele von ihnen haben überhaupt kein Problem mehr mit dem th-Laut (ich hab' ne gute Anleitung gefunden: Die Zunge an die oberen Zähne drücken und dann wie eine Biene summen - das bekommen die Kleinen super hin!).

Andere haben wirklich unverbindlich in die Sprache hineingeschnuppert und bringen kaum Kenntnisse mit. Ein Umstand, der in I-Klassen noch stärker zum Tragen kommen kann - wenn ein Kind einen festgestellten Förderbedarf "Lernen" hat, muss man davon ausgehen, dass alles an der Grundschule Gelernte nach den Sommerferien wieder verloren ist. Wir haben also in der fünften Klasse eine enorme Leistungsheterogenität, und das erste Ziel sollte es sein, die Kiddies bis zum Ende des fünften Schuljahres auf einen Stand zu bringen.

Und ich glaube, das werden meine kleinen Racker auch schaffen. Ich hatte heute sehr viel Spaß in der Stunde und dafür, dass es mal wieder eine Randstunde war, haben sie tolle Leistungen gezeigt. Also... vielleicht ist Englisch in der Grundschule doch keine so schlechte Idee!

post scriptum: Der nächste Kühlschranktipp - sie ist kalt, das hatten wir schon, und wie Stahl (kein Wunder, wenn man bedenkt, wie viele Metallteile ummontiert werden mussten, damit der Schrank in die Einbauküche passte).

Donnerstag, 22. September 2016

Wartezeit


Dritter Kühlschrankhinweis: Sie ist kühl. Kalt. Fast schon emotionslos.

Heute geht es darum, mit welch unterschiedlichen Blickwinkeln man Wartezeit betrachten und vielleicht sogar wertschätzen kann. Anlass sind einige unqualifizierte Beiträge in einem Fanforum des Hansa-Parks zur neuen Achterbahn, die mich zum Schmunzeln bringen und gleichzeitig zur Reflektion über eben jene Wartezeit anregen. Das habe ich vor ein paar Monaten schon einmal gemacht. Aber es scheint mir keine Ruhe zu lassen.

Es bleibt auch mit fast fertiger Thematisierung dabei: Der Kärnan hat eine Kapazität von etwa 384 Fahrgästen pro Stunde. Das ist für eine Attraktion dieser Größenordnung unglaublich wenig. Von anderen Parks kennt man Zahlen, die sich zwischen 1600 und 2400 Fahrgästen bewegen, was bei einem jährlichen Besuchervolumen von knapp fünf Millionen - wie z.B. im Europa Park - auch absolut nötig ist.

Der HaPa hat etwa eins komma vier Millionen Besucher im Jahr zu versorgen - das ist zwar weniger, dennoch ist die Kapazität der neuen Achterbahn horrend gering. Das führt zu Wartezeiten, die in der Hauptsaison bei etwa fünfundvierzig Minuten liegen. Wenn man die Originalintention der Macher kennt, ist das eine vollkommen akzeptable Wartezeit. Leider kennen viele der User, die sich im Forum äußern, diese nicht und gehen davon aus, dass nur sie die Weisheit mit Löffeln gefressen hätten.

So sprechen manche dort von einer "Fehlplanung". Das halte ich für eine sehr wagemutige Äußerung bei einem Investitionsvolumen im zweistelligen Millionenbereich und fünf Jahren reiner Planungszeit. Da ist nichts zufällig, da ist nichts "aus Versehen falsch geplant", das hat alles Methode. Die Bahn kann keine schnelle Abfertigung ermöglichen. Im achtzig Meter hohen Hauptturm der Kärnan-Festung gibt es einen Effekt, der die Bahn zu einer Abfahrt alle hundertfünfzig Sekunden bringt (ich verrate weiterhin nicht, worum es sich handelt).

Mehr geht nicht. Das sagen fünf Jahre Planung, das sagt eine mehrmonatige TÜV-Abnahme, das ist einfach so. Also hat man die Warteschlange genau darauf ausgerichtet. Im 2:30-min-Takt werden Besuchergruppen á sechzehn in die letzten Räume geschleust - Museumsgewölbe, Gepäckraum, Bannraum, Bahnhof. Überall erwarten sie Videos und Effekte, um sie für jeweils zwei Minuten dreißig zu unterhalten, und das tun sie recht überzeugend. Meiner Auffassung nach wird die Absicht der Macher effektiv umgesetzt.

Und diese Absicht war es nicht - und wird es niemals sein (auch wenn eben viele Parkjunkies so denken, vermutlich weil es in vielen Vergnügungsparks so läuft), möglichst viele Besucher diesen Thrill erleben zu lassen. Die Wartezeit - außerhalb der Festung, unterhalb des furchteinflößenden Turms, innerhalb der Festungsanlage, in den düsteren Gewölben - ist ein integraler Bestandteil des Gesamterlebnisses. Das hier ist mehr als ein Thrillride. Wie schon beim Fluch von Novgorod haben wir hier eine Kombination aus Achterbahn und Dark Ride. Das ist nicht üblich, kommt aber ab und an auf der ganzen Welt vor (Revenge of the Mummy, Expedition Everest, Space Mountain 2, Arthur, Winjas etc.), und sollte auch als genau solches respektiert werden.

Der Zweck der Bahn ist es nicht, dem Thrill-Publikum zu dienen. Und ich muss immer wieder schmunzeln, wenn manche Achterbahnjunkies davon ausgehen und sich daher das Maul darüber zerreißen, wie schlecht der HaPa hier anscheinend geplant habe.

Bis zur Nasenspitze gedacht. Weiter könnte ja wehtun, oder gar anstrengend sein.

post scriptum: Faszinierend. Ich lasse mich über "nicht bis zu Ende gedacht" aus der Ruhe bringen, dabei komme ich selbst beim Nachdenken oftmals nicht über die Nasenspitze hinaus...

Mittwoch, 21. September 2016

Neun Euro Neunundneunzig


Zweiter Hinweis für das Kühlschrankrätsel: Ihr Name hat irgendwie irgendwas mit der Antike zu tun.

Mitte der dritten Schulwoche. Für mein HB-Gehirn (und das gilt auch für autistische Denktresore), das gern gedankliche Klarheit hat, Sicherheiten, Verlässlichkeiten, war die Zeit bisher sehr problematisch. Man trifft Absprachen, hält sich dann nicht daran, ich weiß nicht, woran ich bin. Ich gebe die Organisation der Lernmaterialien aus der Hand - ein Fehler, das war zwar ein sehr nettes Angebot, aber ich merke, dass mich die fehlende Kontrolle extrem verstört. Und dann geht es los mit dem Reinreden in den Unterricht.

Ich habe ein Konzept von Unterricht im Kopf. Das ist nicht aus der Uni, das ist nicht aus Fachbüchern, das ist einfach da. Ich habe eine Vorstellung davon, wie ich meinen Unterricht gestalte. Das mag dann gern mal ungewöhnlich sein. Wir schauen Gruselserien, wir machen Hampelmann-Spiele, ich werfe die Einsprachigkeit über Bord. Klingt, als wäre das kein guter, zielführender Unterricht. Oder, muss scheinbar so klingen, denn sonst würden nicht so viele Tipps kommen, was ich vielleicht anders machen sollte.

Das Problem dabei: Ich kann das nicht. Mein Unterricht funktioniert am besten, wenn ich ihn einfach so machen darf, wie ich will, ohne dass mir da jemand reinredet. Das war in SPO gar kein Problem: In einer ein- bis zweizügigen Schule haben die Klassen nicht viele Vergleichswerte. Aber wenn in einer sechszügigen Schule ein Lehrer alternativen Unterricht macht, fällt das natürlich auf und wird zum Gesprächsthema.

Ist ja auch in Ordnung. Ich habe in den vergangenen Jahren als Rückmeldung seitens derer an Schule Beteiligten erhalten, dass meine Methode funktioniert. Sie ist schräg, und sie würde vermutlich bei sonst niemandem klappen, weils Pädagogik aus dem Herzen ist, nicht aus dem Fachbuch. Hier soll keine Wertung stehen! Es gibt wirklich fantastische Handreichungen für Lehrer, es gibt so viele Hilfestellungen, man wird wirklich nicht allein gelassen.

Aber genau das würde ich mir wünschen - mal allein gelassen zu werden. Bitte, liebe Kollegen, gebt mir einen kleinen Vertrauensvorschuss, lasst mich einfach meinen Unterricht machen, so wie ich denke, dass er klappt. Denn es ist für mich nur schwer zu ertragen, wenn mir immer wieder reingeredet wird. Deswegen war das Referendariat für mich eine Tortur besonderer Güte.

Vielleicht ist es wie mit Erziehung, ich kann mir vorstellen, dass man auch in dem Bereich dazu neigt, anderen reinzureden. Aber wenn es keine Probleme gibt - dann lasst die Leute doch machen, oder? Ich muss das hier schreiben, weil die geliebte gedankliche Klarheit, die meinen Puls ruhig hält, immer noch nicht eingekehrt ist. Es ist chaotisch und wühlig, und ich habe damit zu kämpfen.

Und warum dann dieser selten dämliche Titel? Die verrückte Buba ahnt es vielleicht schon, und auch die Andere wird es nachvollziehen können: Ich war gerade einkaufen und bin mit mehreren Produkten genau auf die Summe 9,99 Euro gekommen. Und das hat auf mich eine beruhigende Wirkung ausgeübt. Klingt komisch, ist aber so. Das hat mir auf dem Heimweg etwas Ausgleich verschafft.

Und ich erwähne jetzt mal nicht die mit Kreide spielenden Kinder, die mich angesprochen haben und den Zug fast wieder zum Entgleisen gebracht hätten, wenn ich sie nicht ignoriert hätte.

Hoffentlich kehrt bald etwas Ruhe ein.

Dienstag, 20. September 2016

Kühlschranknamen-Ratequiz


Wer den richtigen Namen meines Kühlschranks errät und bei Facebook in den Kommentaren postet, dem schenke ich eine Schachtel Pralinen - gilt bis Freitag!

Erster Tipp: Mein Kühlschrank ist weiblich.

Zweiter Tipp: Es hat irgendwie irgendwas mit Antike zu tun.

Dritter Tipp: Sie ist kühl. Kalt. Fast schon emotionslos.

Vierter Tipp: Eine Frau mit Stahl.

Letzter Tipp: Eine fiktive Gestalt, Heldin geradezu.

Samstag, 17. September 2016

Graf Maibusch ist tot!


Das war eigentlich nur eine Frage der Zeit, dass nach dem Mensa-Nostalgie-Flash auch der "Nachts im Institut"-Gedanke noch einmal kommt.

Es ist doch nicht zu glauben, was Schlüsselgewalt mit Studenten anstellen kann. Kann man sich vorstellen, dass es Studenten gegeben hat, die sich nachts in der Uni aufgehalten haben? Und zwar nicht, um zu lernen, zumindest nicht im klassischen Sinne.

Am frühen Abend haben sie sich versammelt, nachdem das gesamte Personal das Institut verlassen hatte (wobei es da auch mal die eine oder andere witzige Ausnahme gegeben hat). Total verrückt: Sie hatten sich zu diesem Abend verabredet. Jemand sei ermordet worden, so hieß es. Und wer an der Mörderjagd teilnehmen wollte, musste als Eintritts"geld" zwei Tafeln Schokolade für das gemeinsame "Gehirn-Zermarter-Büffet" mitbringen, das dann in etwa so ausgesehen haben soll:


Unglaublich. Sie alle verschanzten sich in der Kommandozentrale, während einer von ihnen durch die Flure und Büros schlich, um die Hinweise auf den Tathergang zu verteilen, mal mehr, mal weniger gut versteckt. Kleine weiße oder wahlweise rote Zettelchen mit einem großen Fragezeichen auf der einen und der Hinweisbeschreibung auf der anderen Seite. Und in dem einen oder anderen Raum hielt sich auch mal ein Verdächtiger auf - sei es nun Frau Schmidt, die hinterhältige Hausfrau, Herr Hansen, der gutgläubige Gärtner, Frau Sauerlich, die besonders feiste beste Freundin, Herr Flip, der eitle Erbe, Fraulein Maria, die nuttige Nichte, oder Herr Fröhlich, der korrupte Anwalt des Grafen Henry Maibusch.


Gerüchte, der Graf sei an einem Schokoladeschock gestorben, wurden nie bestätigt. Auch die Frage, warum Graf Maibusch alle paar Monate dann wieder von den Toten auferstanden war, nur um sich erneut ermorden zu lassen, hat sich niemand ernsthaft gestellt - im Gegenteil, alle waren froh, wenn endlich mal wieder ein Mord passiert war. Nachdem man sich also mit Nervennahrung gestärkt hatte und die Abenddämmerung den nächtlichen Schatten gewichen war, bewaffneten die Detektive sich mit Schreibblock, Stift und Kerzen.


Jawohl, Kerzen. Schließlich sollte es alles stilecht sein. Und eine stilechte Kerze verteilt beim Umhergehen ihr stilechtes Wachs auf dem Plastikteppich - was dazu führte, dass die Detektive sich ab und an am Morgen nach der Tat noch einmal trafen, um zu bügeln. Teppiche. Am Wochenende im Institut. Noch Fragen?


Und dann gingen die Lichter aus, eine unheimliche Musik schallte von irgendwoher und eine geheimnisvolle Atmosphäre hüllte das Anwesen Graf Maibuschs ein, vormals angeblich Institut für klassische Altertumskunde. Und sie schafften es - jedes Mal! Immer gelang nach reichlich Grübelei und teils stundenlangen Befragungen einem Detektiv die Klärung des Falls. Es muss sich unglaublich gut angefühlt haben, den Fall endlich gelöst zu haben - ich kann das nicht beurteilen, denn... das sind ja alles nur Gerüchte. Und ich habe nie Detektiv gespielt.


Das muss auch eine tolle Zeit gewesen sein, für alle Beteiligten. Unter dem Decknamen Cluedo trieben sie es immer mal wieder, mal mit Experimenten mit Leichen, mal in unterirdischen Partylocations, mal in einem ägyptischen Museum, mal mit explodierenden Gummistiefeln - ein krankes Gehirn, das sich so etwas ausdenkt. Aber sie hatten es sich ehrlich verdient. Sie kämpften alle im Lateinstudium um ihren Abschluss, und sie brauchten einen kleinen Ausgleich, da reicht einmal pro Jahr intelligenter Trash im Dezember nicht aus. Und, liebe Detektive, solltet Ihr dieses lesen: Es liegt immer noch ein jungfräulicher Fall irgendwo herum, keine Sorge, das ist nicht vergessen!

Nachts im Museum war gestern! Ein alter Hut! Allerdings... Nachts im Institut war auch gestern. Denn ich glaube, solche Unternehmungen entsprechen nicht mehr dem Zeitgeist, der derzeit in manchen Büros der klassischen Altertumskunde in Kiel herrscht...

Klack! Zisch!!!

post scriptum: Na, wer entdeckt die Inkonsequenz in diesem Beitrag?

Freitag, 16. September 2016

Tütensuppen-Intermezzo



Ich habe endlich einen Liefertermin für den neuen Kühlschrank. Zeit, ein kleines Resümee zu ziehen.

Während der Phase ohne Kühlschrank habe ich mich in erster Linie von Fertigprodukten, Tüttensuppen und derlei Gerumse ernährt. Ich kann ja keine Waren frisch halten in der Wohnung, keinen Brotbelag, keine Zutaten, wenn ich etwas kochen wollte und Reste blieben. Das hat mir einen Hauch von Nostalgie verpasst und ich habe mich ans Studium erinnert.

Typisch Student - Tiefkühlpizza, Dosensuppen, Hauptsache schnell und billig. Gegen die Mensa habe ich mich gesträubt, volle acht Semester lang, und im Nachhinein kann ich gar nicht mehr verstehen, wieso. Mensa II in der Leibnizstraße, das ist kein Ort, pardon, keine Location, sondern ein Feeling. Nach den ersten beiden Seminaren des Tages treffen mit Kommilitonen am Mensakartenautomat, der Geldscheine futtert und in Kartenguthaben umwandelt. Manchmal zickig, manche Scheine waren ihm wohl nicht *bling* genug. Dann ratzfatz die Auslage anschauen, was gibt's heute, ah ja, Nudeln Bolognese, Käsesuppe mit Brötchen, Milchreis. Tablett schnappen, kleinen Salat drauf und die netten Mensadamen um das Essen bitten. Und dann die Anstellschlange an der Kasse. Sie war zu meinen Studienzeiten schon mitunter enorm lang, wie soll das bloß mit dem Doppeljahrgang funktionieren?

Wobei, das mit der Kasse ist ja so eine Sache... ich habe nicht immer das (mal mehr, mal weniger) schmackhafte Essen in der Mensa gegessen. Ziemlich oft ging es runter in die Cafeteria. Und warum? Schnitzel mit Pommes, geil, richtig schön fettig frittiert, oder Currywurst mit Pommes und zwei Pseudo-Salatblättern, damit man sich einreden kann, man ernähre sich gesund. Und in der Cafeteria kamen immer die lustigeren Sprüche der Ladies hinter der Theke. Ach Puschel, weißt Du noch, wie die eine hieß, die uns mal das Essen verweigern wollte? Ich fand sie toll!

Und dann ist die Cafeteria richtig schön für einen Rundgang aufgebaut - an der ersten Station gibt es das fette Essen, gleich daneben verschiedene Nachtische, Kuchen (diese geilen Donauwellen!) und noch bevor man zum Getränkeautomat kommt, rutscht man am Lindt-Regal vorbei. Alles, was bei der Pralinenproduktion eher nicht so doll ausfällt, schief und krumm, brüchig oder was auch immer, wird hier in 500-1000-Gramm-Tüten zu einem Spottpreis verkauft! Na klasse, das gesparte Geld gebe ich dann wieder aus, wenn ich mir größere Klamotten hole, weil ich mal wieder zu fett geworden bin.

Getränke - unspektakulär - und dann: Die Kasse! Puschel, Caro, Sanni, YazzTazz, Tini - sie alle würden (läsen sie diesen Beitrag) grinsen und/oder mit dem Kopf schütteln. Ich weiß ja nicht, was der Dr Hilarius an sich hat, aber er plauscht ein kleines Ründchen mit der Kassiererin, wie nett, und sie lächelt und sagt "der Nächste!", ohne auch nur einen Cent von meiner Mensakarte abgebucht zu haben. Und das nicht nur einmal, sondern mit hübscher Regelmäßigkeit, so dass ich aus dem Munde der verrückten Buba einmal verblüfft zu hören bekam: "Wie - musstest du etwa bezahlen?"

Also, ich weiß ja nicht... das Essen war manchmal lecker (die Chickenteile gingen einigermaßen), manchmal geschmacksneutral, aber ich habe die Essenspausen lieben gelernt, scheiß auf die Kalorien. Das war ein Event, Socializing erster Güte. Das war eine sehr geile Zeit, nicht zuletzt dank meiner lieben Freunde und Freundinnen, und jetzt hab' ich so sehr davon rumgeschwärmt... demnächst geh' ich mal wieder hin und esse da, der alten Zeiten wegen.

Buba, Sanni, kommt Ihr mit?

post scriptum: Toll, vom Kühlschrank in die Mensa abgedriftet, ich liebe dieses Gedankengewaber. Eigentlich hatte ich nur schreiben wollen, dass in ein paar Tagen endlich die Zeit der Fertiggerichte vorbei ist. Eigentlich wollte ich betonen, wie sehr ich "authentisches" Essen zu schätzen gelernt habe. Aber das interessiert eh' keinen, wohingegen diese Mensa-Erinnerungen ein Schmunzeln auf die Lippen des einen oder anderen Lesers zaubern dürften.

Donnerstag, 15. September 2016

Identität - Die Geschichte von Timo und Julian (part 10)




Disclaimer: Diese Geschichte ist Fiktion. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen und Ereignissen sind rein zufällig und nicht vom Autor beabsichtigt. Das wäre ja sonst ein roman à clef, und zu solchen literarischen Kunststückchen ist der Autor sicher nicht fähig.

Dieser Abschnitt der Geschichte enthält explizite Darstellungen von Drogenkonsum sowie seinen Auswirkungen und/oder Szenen körperlicher Nähe. Wer an solchen Bildern Anstoß nimmt, möge dieses Kapitel bitte überspringen. Darüber hinaus möchte der Autor immer zu einem verantwortungsbewussten Konsum psychoaktiver Substanzen mahnen: Das ist der sicherste Weg zur Drogenmündigkeit, dem Gegenstück zur Abhängigkeit.

Identität – die Geschichte von Timo und Julian

part 10


Berlin kann mir jetzt gerade mal scheißegal sein, was kümmert mich diese dämliche Tussi a.k.a. Schulleiterin, die ihre eigene Schule konsequent runterwirtschaftet – ist das nicht geil, in diesem Schuljahr gab es nur halb so viele Neuanmeldungen wie sonst. Woran das nur liegen mag… aber ist die blöde Kuh imstande, mal eigene Fehler zuzugeben? Nein, „da wird man drüber nachdenken müssen, woran das gelegen haben könnte, und wir sollten uns da jetzt keinen großen Kopf drum machen.“ Loser. Und die Erinnerung an diese Szene zieht das Grinsen auf meinem Gesicht noch breiter. Ich bin jetzt gerade so glücklich, so voller Vorfreude, so aufgeregt, so… Ju tapst etwas unbeholfen über die Türschwelle, och nö, sollen wir uns jetzt wieder höflich die Hand schütteln? Fuck you, Knigge – und ich mache einen beherzten Schritt nach vorn und nehme Ju in den Arm. Er fühlt sich so gut an, endlich kann ich mal wieder einen Menschen im Arm halten, der nicht mindestens um einen Kopf kleiner ist als ich. Und er hat so einen breiten Rücken… Wir haben noch nichts gesagt, und ich halte ihn eine Sekunde länger fest als nötig.  Hat ihn vielleicht überrumpelt, aber das ist mir jetzt egal, irgendwie muss ich das Eis brechen. Dann lösen wir die Umarmung, strahlen uns gegenseitig an.
„Hey Ju, immer herein in die gute Stube.“
„Ja, ich muss gleich noch mal zum Auto, da sind noch ein paar Taschen…“
„Soll ich dir helfen? Das bekommen wir fix geregelt.“
Wir gehen zusammen zu seinem Wagen, er holt aus dem Kofferraum eine große Tasche mit Bettzeug und einen Rucksack; beides stellen wir in einer Zimmerecke ab.
„So, lass uns das hier mal ein bisschen gemütlicher machen, schließlich werden wir hier einige Zeit verbringen. Magst du einmal die Decken aus dem kleinen Raum holen?“
Gesagt, getan, und wir decken alle Partien des Raumes ab, in denen noch der Fußboden zu erkennen ist. Jetzt wirkt es tatsächlich fast gemütlich, sagt auch Ju.
„Timo, ich bin echt aufgeregt, das ist aber wahrscheinlich ganz normal, oder?
„Na klar, mach dir nicht zu viele Gedanken, das legt sich bald wieder. Komm, wir setzen uns erstmal auf die Liegewiese, ich muss dir noch ein paar Dinge sagen. Sind das deine bequemen Sachen?“
„Ja, moment, noch nicht ganz“, mit den Worten zieht er eine lockere Trainingshose aus der Tasche und tauscht sein Poloshirt gegen ein schwarzes Tanktop aus, das seinen trainierten Oberkörper mit den Tattoos sehr vorteilhaft betont. Ich schaue krampfhaft weg. Nicht jetzt, nicht hier, nein.
Ich mache im Hintergrund etwas Musik an und hole aus einem Schränkchen meine Digitalkamera.
„Ich würd gern immer zwischendurch mal Deine Gedanken festhalten, ich könnte mir vorstellen, dass das ein ganz schönes Erinnerungsstück für später ist. Ist das okay für dich?“
„Klar, das können wir gerne machen.“ Und ich schalte die Kamera auf Aufnahme.
„So, wir befinden uns jetzt auf der Weltraumbasis, etwa eine Stunde, bevor es losgeht…“
„…Weltraumbasis, irgendwie finde ich den Namen witzig. Und passt ja auch“, wobei Ju auf die Wandbehänge deutet, auf denen unter Anderem UFOs und Weltall-Landschaften abgebildet sind.
„Ja, das find ich auch. Früher in der WG war das meine erste Assoziation, als ich angefangen habe mit den Trips. Das wirst du auch merken, wenn wir uns ein bisschen mit psychedelischer Kunst auseinandersetzen, das Space-Element ist fast immer mit von der Partie. Genau wie kleine Kobolde, Pilze, nackte Frauen und einiges mehr. Und natürlich alles in Leuchtfarben.“
„Nackte Frauen, dein Ernst?“
„Schau doch mal hinter dich“, und Julian dreht sich um und schaut eine nur mit Chakrensymbolen „bekleidete“ Frau in UV-aktiven Neonfarben an.
„Ich bin ja mal gespannt, ob ich auf dem Trip nachher auch solche Bilder sehe.“
„Erklär der Kamera doch mal, wie dein Tagesablauf heute war. Schwerpunkt darauf, wie du dich fühlst.“
„Hmm, wo fange ich da an? Ich hab tierischen Hunger, ich hab zuletzt heute am frühen Morgen etwas gegessen, aber ich sollte ja ansonsten nüchtern bleiben.“
„Ist richtig, zum einen kann der Stoff sonst eine starke Übelkeit auslösen – zum anderen kann es ewig dauern, bis die Wirkung kommt.“
„Ich könnte grad zweieinalb Schweine verdrücken, aber okay, ich fang dann mal an. Frühstück hatte ich ja grad erwähnt. Wobei, das hat schon früher angefangen, das Experiment. Eigentlich ging die Spannung ja schon los, als du mir das Päckchen geschickt hast. Warte mal, ich such das eben raus, das werden wir ja sicherlich brauchen.“ Er wühlt in seinem Rucksack herum und bringt schließlich die noch unversehrte Post zum Vorschein.
„Ach, hast du noch gar nicht reingeschaut?“
„Nein, ich hab gedacht, das machen wir zusammen, war das falsch?“
„Keine Sorge, alles vollkommen gut so. Dann mach es doch jetzt einfach mal auf.“
Nach und nach befördert Ju den Inhalt des Pakets auf die Fläche zwischen uns – ich erläutere ihm dabei die Funktion der einzelnen Sachen, nicht ohne ihn immer erstmal raten zu lassen, ob er weiß, worum es sich dabei handelt. Schließlich sind alle Sachen in Reih und Glied angeordnet, süß, Ju scheint ja doch Wert auf Ordnung zu legen. Ist für mich ein spezielles Thema, und deswegen schiebe ich die Gedanken erstmal beiseite.
„Okay, Ju, ich mach jetzt mal die Kamera aus und erkläre dir die medizinischen Details zu unserer Droge, damit du weißt, was passieren kann.“
Stück für Stück erläutere ich das Wirkprofil von Cut, danach die Nebenwirkungen. Dabei schaut Julian immer wieder auf die Schachtel mit der Substanz.
„Mir ist ganz wichtig, wenn du irgendwo unsicher bist oder Probleme hast, dass du mir das ohne irgendwelche Hemmungen erzählst. Dir muss nichts peinlich sein, schließlich wollen wir beide doch ein positives Erlebnis haben.“
„Och, ich hab eigentlich keine Probleme damit, offen mit Menschen zu reden, das wird schon. Und ich fühle mich bei Dir auch recht sicher, ich weiß auch nicht, das ist, als ob ich in ne ganz andere Welt komme. Da fällt mir das leichter, über alles zu reden.“
„Dann ist ja gut, ich vertraue einfach mal darauf, dass du dich gut genug kennst.“ Ich lege eine kleine theatralische Pause ein. Wir setzen uns auf der Liegewiese im Schneidersitz einander gegenüber, reichen uns die Hände über Kreuz. Ich sage Julian, dass er seine Augen schließen soll, ich mache das auch. Seine Hände fühlen sich warm an, ich spüre, wie aufgeregt er ist. Aber ich lasse mich jetzt nicht hetzen, ganz in Ruhe, wir haben alle Zeit der Welt. Ich bin, so denke ich, raus aus der Phase, in der ich nichts abwarten kann und alles sofort und so schnell wie möglich passieren muss. Ich lasse Ju ein bisschen zappeln. Ich möchte, dass er zur Ruhe kommt. Er soll alle gedanklichen Verbindungen zu der Welt da draußen so locker wie möglich lassen. Ich möchte, dass er das Zeitgefühl verliert, und auch das Gefühl für den Raum, ich möchte, dass es nur noch ihn und mich und das „Hier“ gibt. Wir atmen ein paar Mal tief durch, dann öffnen wir die Augen wieder. „Sollen wir loslegen?“
„Ja“, antwortet er und seine Augen leuchten auf. Wie ein Kind zu Weihnachten. Dann wollen wir doch mal schauen, wie das für ihn wird. Mir geht es jetzt schon super, ich genieße es total, seine ganze Aufmerksamkeit zu bekommen.
„Ich glaub, vor zwei Monaten hätten wir noch nicht gedacht, dass wir so was einmal machen würden, oder?“
„Definitiv nicht. Sag mal, Timo“, wobei er auf die Kapseln deutet, die er ebenfalls in Reih und Glied angeordnet hatte, „wie viel soll ich denn jetzt eigentlich nehmen?“
Ich frage nach seinem Körpergewicht, rechne schnell im Kopf die benötigte Menge aus und teile sie ihm mit, mit einem süffisanten „Und jetzt schluck, du Sau!“
Eine Kapsel nach der anderen. Ich schaue ihm ein bisschen zu. So war das bei mir früher auch, wurde mir dann zu umständlich. Ich schaufel mir meine Dosis in den Mund, verschlucke mich fast am Glas Wasser danach, zack, ich bin bereit, Ju ist etwa bei der Hälfte angekommen. Und irgendwie denk ich immer dieses „süß…“, wenn er ein bisschen unbeholfen wirkt, oder unerfahren – und mir wird bewusst, das ich ihn in diesem „Zustand“ noch nicht oft erlebt habe. Wenn wir uns irgendwo mit Freunden getroffen haben, versucht er immer möglichst abgeklärt zu wirken, Imagedenken oder so… und langsam realisiere ich, dass dieser Trip für ihn wirklich offenbarend sein könnte, auch wenn er das vielleicht erst sehr viel später erkennt. Zu diesem Zeitpunkt des Trips möchte ich ihm nicht reinreden. Er soll das ausprobieren, er soll sich wohlfühlen und mal alles so machen, wie er es für richtig hält. Und wenn er dabei Fehler macht, dann soll er sie ruhig machen, das gehört dazu. Solange er nichts Gefährliches macht, lasse ich ihn in die kleinen Fallgruben laufen. Ich glaube, er wird nur so daraus lernen. Er wirkt sehr überzeugt von sich und von dem, was er tut, da kann ich nicht einfach reinreden.
So, alles intus, ich zücke die Kamera.
„Ju, was erwartest du?“ Er lehnt sich zurück, stützt sich auf seinen Ellbogen ab und grinst etwas unsicher in die Kamera.
„Also… ich erwarte mir tatsächlich auch, Bilder zu sehen, weil ich mir überhaupt nicht vorstellen kann, wie das Ganze läuft und außerdem…“, ich kann förmlich sehen, wie das Chaos durch seine Gedanken tanzt, „joah, bin ich gespannt, nach dem ganzen Gerede, was wir gemacht haben, bin ich jetzt richtig gespannt darauf, und hoffe, dass es cool wird. Und ich hab eigentlich schon seit Wochen keine Zweifel, dass es cool wird“, wirkt ein bisschen geschauspielert, aber egal, ich lächel ihm aufmunternd zu, keine Bremsklötze in den Weg stellen! „Und ich lass mich einfach mal überraschen, was passiert.“
„Eben“, ich grinse breit in die Kamera, halte sie zu dicht vor mein Gesicht und filme nur mein Kinn, like I care, „man soll sich ja auch ein bisschen überraschen lassen, und im schlimmsten Fall bist du am Ende derselbe wie zuvor, schauen wir einfach mal.“
Wunderbar. Es scheint gerade alles genau richtig zu sein, dann packe ich doch mal eine kleine Überraschung für ihn aus.
„Okay, Ju, du wartest jetzt ne Sekunde, ich hab da was vorbereitet“, ich fühl mich wie ein Fernsehkoch, während ich in die Küche gehe. Ich wette, er ist jetzt richtig unsicher, was noch kommt. Perfekt, so soll es sein. Ich liebe es, mit den Gedanken und Erwartungen meiner Gäste zu spielen – war schon immer so. Damals, in meiner Jugend, dann bei unseren Spieleabenden in der Uni oder auch bei den Theateraufführungen. Wie hat Alfred Hitchcock einst gesagt? „I like to play the audience like a piano“, er hat auf seinem Publikum wie auf einem Klavier gespielt. Er wusste genau, welche Tasten er zu drücken hatte, um Freude, Überraschung und Horror auszulösen, und das machte seine Filme so einzigartig. Und das habe ich immer bewundert. Ebenso versuche ich jetzt also auch, mit Julian ein bisschen zu spielen. Ich hoffe, er merkt das nicht ganz so sehr.
„Alles klar bei dir?“ tönt es von der Liegewiese. Wups, ich hänge schon wieder in Gedanken fest.
„Jep, Sekunde noch!“ rufe ich zurück.
Ju hat sich erwartungsvoll Richtung Tür gedreht, als ich mit zwei Gläsern in der Hand zurückkomme.
„Das ist doch nicht…“
„…Tee. Doch, genau. Keine Angst, nicht sehr stark. Nur, damit wir ein bisschen entspannter auf die Reise gehen können, damit der Start nicht ganz so ruppig wird. Ist das okay für dich?“
„Klar! Ah, wie praktisch, dass du auch wieder die Kaugummis in das Carepaket gepackt hast, die können wir dann ja jetzt gebrauchen.“
Und wie damals bei ihm in Frohnau, vor dem Weg in den Gemeindepark, kippen wir den extrem bitteren Tee hinunter, verziehen wie auf Kommando unsere Gesichter und stopfen uns danach die Kaugummis in den Mund, um den Geschmack loszuwerden. Es dauert nicht lange, bis sich das erste Wohlgefühl breit macht und das Grinsen auf Jus Gesicht noch breiter wird als vorher. Ich hätte es nicht für möglich gehalten und zücke noch mal die Kamera.
„So, Julian, wie fühlst du dich jetzt?“
„Ich fühle mich auf jeden Fall bereiter, das Ganze durchzuziehen“, spannend aber, dass sein Blick in die Kamera immer noch sehr unsicher wirkt – er realisiert wohl  langsam, dass das Große, Unbekannte immer näher kommt und dass es kein Zurück mehr gibt…
„Lustig, ich hab *breiter* verstanden“, kichere ich dazwischen.
„Nein nein, be-reiter. Ich hab davor schon richtig Lust drauf gehabt und jetzt, durch den Tee, fühl ich mich total entspannt, mir geht’s richtig gut. Ich bin mal auf meine Playlist gespannt, ich hab mir ganz bewusst positive Musik draufgezogen, sind n paar schnellere Sachen dabei und ein paar langsamere Lieder“, und an dieser Stelle fällt es mir schwer, die Kamera noch gerade zu halten, weil ich ne Ahnung habe, dass er auf seiner Musikliste auch einige Sachen aus dem Metal-Bereich dabei haben dürfte, der olle Metal-Junkie, und das könnte sich als ziemlich übel auf dem Trip erweisen. Aber nein, Timo, halt deinen Mund, lass ihn machen, er soll das alles selbst erleben. Hör auf, ihn zu bevormunden, lass das Ganze zu seinem Erlebnis werden. Nicht zu deinem.
„Das klingt sehr abwechslungsreich, das wird genau zu der Reise passen“, stelle ich ihm versichernd in Aussicht. Ich lege die Kamera beiseite, wir haben noch etwa eine halbe Stunde zu überbrücken, bis es richtig losgeht. Um die Zeit zu vertreiben, habe ich auf meiner externen Festplatte noch eine amerikanische TV-Serie bereit gelegt – ein bisschen trashige Unterhaltung dürfte jetzt ideal sein, und so schauen wir uns Insane Coaster Wars an, jaja, der US-Reisekanal lässt in einem Wettkampf Achterbahnen gegeneinander antreten und typisch amerikanische, braungebrannte Teenager mit entweder dicken Titten oder dicken Muskeln – oder beidem – die Bahnen bewerten. Ein kleiner No Brainer, das dürfte genau das Richtige sein.
„So als kleiner Hinweis, Ju – ich hab mir die Videos in hoher Qualität auf den Rechner gezogen. Die laufen komplett flüssig. Wenn du irgendwann das Gefühl hast, dass die Videos ruckeln, sag gern bescheid – das liegt dann an dir, die Wirkung vom Cut setzt dann ein. Dein Gehirn ist nicht mehr in der Lage, den ganzen visuellen Input so schnell zu verarbeiten und deswegen können dann einige Hänger im Video vorkommen. Das ist ein gutes Zeichen dafür, dass man in die Waagerechte gehen sollte, weil der Trip losgeht.“
„Okay, das klingt richtig weird, ich bin mal gespannt!“
Und so schauen wir also, wie in verschiedenen Parks die Achterbahnen gegeneinander kämpfen und machen uns über die pubertierenden Jugendlichen lustig. Ganz besonders gefällt uns ein blondiertes Nuttentoaster-Produkt, das seine Schutzbrille während der Fahrt verliert, aber nichts Anderes auf die Reihe bekommt, als sich vor Schreck an die Brüste zu fassen. Sie wird kurzerhand „Tittenheidi“ von uns getauft und wird als Meilenstein unserer Freundschaft in die Geschichte eingehen. In diesem Moment ist uns das allerdings noch nicht bewusst. Während der Serie werden wir immer schweigsamer und es fällt uns immer schwerer, uns zu konzentrieren auf das, was da abgeht. Die Episode neigt sich dem Ende zu, und ich kann kaum noch etwas mitbekommen, weil meine Gedanken schon längst nichts mehr mit der Handlung auf dem Bildschirm zu tun haben. Es geht los, das Cut setzt seine Wirkung frei, und auch Ju reibt sich in diesem Moment die Augen.
„Also, du hast Recht, jetzt wird das irgendwie ruckelig“, kommentiert er wortkarg und seine Sprache klingt ein bisschen belegt. Er scheint auch bereits abzudriften, ich wüsste zu gern, ob ihm das bewusst ist.
„Okay, ich würde dann vorschlagen, wir schauen uns noch die letzten Minuten der Coasterschlacht an und dann geht’s ab ins Traumland.“
„Ja, machen wir so“, stimmt Ju zu. Es sind tatsächlich nur noch wenige Minuten, an deren Ende wir uns im Schneckentempo aufrichten und unser Equipment heraussuchen: Kopfhörer, MP3-Player, Kissen, Ju deckt sich dabei mit einer Decke zu – würd ich ja nie machen, das wird viel zu warm, da schwitzt man sich halbtot, aber okay, Timo, lass ihn mal machen und überhaupt, konzentrier dich auf deinen eigenen Kram, wo ist überhaupt dein MP3-Player, und mach doch einfach mal das Licht an, man kann kaum noch etwas im Raum erkennen, weil die Sonne langsam untergeht, wir haben immerhin Frühherbst, auch auch wenn in Lichtenberg eh nur selten die Sonne scheint, irgendwann geht sie auch mal unter, also stolper ich zur anderen Seite des Raumes, falle fast über Jus Beine und mache das Licht an, oh, er liegt schon bereit da, bin scheinbar nur ich noch nicht zu Potte gekommen, maaaaaaan, is mir schwindelig, „Bist du bereit?“ raune ich ihm entgegen und er lallt ein leicht lispelndes „Ich bin vollkommen breit“ zurück, so dass ich das Licht direkt wieder ausschalte und mich umdrehe, ach scheißßße, ich knall mit dem Schienbein gegen den Nachttissch, der da irgendwo rumsteh, fuck, aber es tutthh nichhh lange weh und ich kann eh nicht lannng drüber nachdengen, also geh ich aufffe Knie, denn stehenisssszzu anstrengend, scheiißßßhhhtimo, KONZENTRATION, und auf der Liegewiese taste ich nach Jus Beinen, um drüberzusteigen auf meine Seite, ich kann grad echt nicht mehr, vom Schienbein merk ich schon gar nichts mehr, ziehe all meine Verbindungskabel auf meine Seite rüber, greife einmal kurz nach Jus Kopfhörern und ziehe sie zur Seite und sage ihm, „Alles klar, Ju, ich wünsche dir eine gute Reise, und wenn irgendwas sein sollte, egal was, fass an meinen Arm, okay?“ und er murmelt irgendwas Unverständliches zurück, was ich aber kaum noch mitbekomme, weil ich erschöpft auf die Matratze falle und mich endlich in den Rausch der Musik begebe und tief durchatme… und spüre, wie mein rasender Puls endlich langsamer wird… … und das Klopfen in meinem Kopf auch… … … und die knisternden Lichter vor meinen geschlossenen Augen und dann………….. ……. ……. … .. .

fortsetzung folgt...

Mittwoch, 14. September 2016

Made my day!

Nein, das ist nicht der Kollege, aber er wird den Wink verstehen.
Manches kommt unverhofft, aber unverhofft positiv. So hat mein Gehirn sich auf hitzefrei geschaltet - also fast aus. Fast. Denn viele Hochbegabte können nicht nicht denken. Aber ich war heute kurz davor. Tippe einen Blogeintrag, in dem ich einfach nur mitteile, dass ich verdurste - bzw., dass ich genug trinke, denn Ihr lieben Eltern habt mir immer gesagt "Viel trinken!" und damit hattet Ihr Recht. Und dann hatte ich den Beitrag auch schon online gestellt - wie blöd! Ich möchte in meinem Blog gern Tageseindrücke schildern - und dazu sollte ich vielleicht warten, bis der Tag um ist.

Denn so erreichte mich nach dem "Überhitzt"-Eintrag eine Mail. Namen lassen wir mal außen vor - in SPO sitzt ein Kollege, bei dem ich immer an Raumschiffe denken muss (jaja, Thommy lassen wir die Verschlüsselung - und nebenbei: Unbedingt Cloud Atlas anschauen, falls nicht schon geschehen. Anspruchsvoller, genialer, wiedersehenswerter Film!) - ein großartiger Kollege. Wir hatten kaum miteinander zu tun, aber manchmal fühlt es sich so an... da muss man gar nicht viel reden und merkt, dass man auf einer Wellenlänge ist. Man versteht sich ohne Worte, herrlich.

Es geht wieder um das Thema "Fußspuren in jemandes Leben hinterlassen". Er erweitert seinen Horizont und schnuppert Gemeinschaftsschulluft. Ich hatte bei meiner Verabschiedung damals gesagt, dass es für jeden Gymnasiallehrer eine wahre Bereicherung sein kann, Unterrichtserfahrungen an der Gemeinschaftsschule zu sammeln. Da herrscht ein anderes Klima - darüber hab ich schon mal berichtet, letzterer Link führt dorthin.

Ich bekomme diese Mail und sehe, er wird das machen. Und ich freue mich riesig für ihn! Interessant wird es in jedem Fall werden - ob es eine positive oder negative Erfahrung wird, hängt sehr davon ab, was man selbst als Lehrer daraus macht. Für mich war es immer eine Bereicherung - deswegen habe ich mittlerweile ja auch bewusst die Schulart gewechselt.

Diese eine Mail war klasse - ich habe sie vor der Meditation gelesen, und es war ein echt geiler Denkimpuls. So großartig! Hat meinen Tag perfekt gemacht, und deswegen steht in der Überschrift auch das englische Idiom "Made my day!" - das trifft es!

post scriptum: Jaaaaahaaaaaa, ich trinke reichlich...! Macht Euch keine Sorgen :-)

Dienstag, 13. September 2016

Einfelder Irrfahrt


Das Ziel in Sicht - ich verlasse Neumünster, beschleunige, nur noch zwei Kilometer, dann bin ich auf der A7, ab in die Heimat. Doch nein! Auffahrt A7 NMS-Nord gesperrt! Und direkt bremse ich wieder runter, sehe noch den Hinweis, dass ich doch bitte der Umleitung zur A 215 folgen soll. Es führt auch eine zur A7, aber letztlich möchte ich ja auf die A215 nach Kiel, also biege ich ab und fahre wieder nach Neumünster rein, willkommen in Einfeld.

Ich hasse "spontane" Umleitungen. Ich weiß nicht, wo ich bin, wo ich hin soll, wo die Umleitungsschilder stehen, vor allem, wenn gleichzeitig vier verschiedene Umleitungen die Strecke mit Schildern bepflastern. Okay, dann fahre ich erstmal durch Einfeld. Warum biegen die ganzen Autos mit RD-Kennzeichen da vorne links ab? Da ist doch gar kein Umleitungsschild! Nein, ich fahre weiter geradeaus, Ihr könnt mich alle mal!

Ihr könnt mich alle mal... mitleidig belächeln, denn irgendwie lande ich nach kurzer Zeit auf einem Schotterweg und denke mir, okay, vielleicht hätte ich doch der Straße mit dem Ziel "Kiel" folgen sollen, auch wenn da kein Umleitungsschild war. Also wieder zurück und einfach den anderen Autos hinterher fahren - einmal komplett durch Einfeld.

Nun, so weiß ich jetzt wenigstens, wo in Einfeld die Waldorfschule ist (die Buba-Brüste platzen, Konfetti zum B-Day, und: Klospülung mit Kalkteig verstopft - Darling, sieh' es ein, Du bist ALT!), und dann hübsch um den Einfelder Bahnhof herumgefahren, und ab auf die Landstraße. Ich habe schon seit zwei Kilometern kein Umleitungsschuld mehr gesehen, ich werde misstrauisch. Dann erreiche ich Bordesholm.

Ach ja, das sagt mir was, am Bordesholmer Dreieck müsste ich ja auf die Autobahn kommen, super, bin genau richtig! Und sehe die Abfahrt: Zur Autobahn rechts abbiegen, endlich wieder Autobahn, jetzt bin ich so gut wie zuhause! Und biege nach rechts ab, fahre ein bisschen über irgendeine Landstraße, KEINE Ahnung, wo ich bin. Dann sehe ich das Schild: A7 Flensburg rechts abbiegen, super, yippie! Warte mal... Flensburg? A7??? Und *genau* in diesem Moment fahre ich über die A215 hinweg, zu der hier definitiv keine Auffahrt ist, und schaue kurz, aber sehnsüchtig den Autos hinterher, die es richtig gemacht haben.

Och nö Leute, wisst Ihr was, mir ist jetzt alles wurscht. Ab auf die A7, an den ganzen LKWs vorbei Richtung Kreuz Rendsburg, auf die A210, staunen, wie manche BMW- und Benzfahrer trotz Polizei auf der Strecke, wo hundertzwanzig erlaubt sind, mit mindestens hundertfünfzig Sachen vorbeikesseln und auch mal rechts überholen. Herrlich, die Quittung, die da kommen wird. Sorry, aber die Fahrer der dicken Autos werden mal wieder allen Klischees gerecht.

Irgendwann biege ich in die Hamburger Chaussee ein. Fahrzeit NMS-Hassee heute fünfundfünfzig Minuten. Danke, Schluss für heute, abschalten. Und wo ist meine dämliche Penelope???

Montag, 12. September 2016

Die Oberflächlichkeit


Ich bin ein sehr oberflächlicher Mensch - davon bin ich überzeugt.

Das heißt nicht, dass ich nicht die inneren Werte eines Menschen würde schätzen können. Ich finde es toll, die Vielschichtigkeit eines Freundes zu entdecken und bin auch mal ernüchtert, wenn ein Mensch sich vielleicht doch als recht... einfach (normal?) entpuppt.

Viele Menschen bekommen bei mir allerdings gar nicht erst eine Chance, sich als tiefgründig zu erweisen, da ich nur dann eigeninitiativ auf Andere zugehe, wenn ich sie optisch interessant finde. Es zählen zunächst nur die Äußerlichkeiten. Das kann ein hübscher Körper sein, oder schöne Augen oder ein interessantes Outfit. Alle Männer, in die ich mich über kurz oder lang verliebt habe, entsprachen einem "Beuteschema", zu dem zwar auch eine psychologische Komponente gehört, das aber in erster Linie vom Aussehen bestimmt wird.

Woran kann das liegen? Hängt es mit meiner ästhetischen Ader zusammen? Dass ich zum Beispiel visuelle Reize recht intensiv wahrnehme? Oder steckt da die Einbildung dahinter, dass ich einen Menschen nicht mögen könnte, nur weil mir das Äußere nicht zusagt?

Auch lasse ich mich von Budenzauber beeindrucken. Schöne Grafik, tolle Effekte, all sowas lockt mich zumindest an. Es dauert recht lange, bis ich hinter die Fassaden schaue. Dabei bin ich eigentlich der Meinung "not to judge a book by its cover".

Es dauert bei mir also lange, bis ich hinter die Fassaden schaue. Bis ich mich für die inneren Werte eines Menschen interessiere. Das macht mich zu einem oberflächlichen Menschen, oder? Oder wäre ich das nur, wenn ich auch auf lange Sicht nicht hinter die Kulissen schaute, wenn ich den Wert einer Sache oder eines Menschen überhaupt nicht von seinem Erscheinungsbild würde differenzieren können?

Und: Macht mich das zu einem schlechten Menschen?