Freitag, 28. Dezember 2018

Der siebenundzwanzigste Dezember

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Jedes Jahr wieder gibt es eine Gruppe von Menschen, die nach den Weihnachtstagen in die Stadt aufbricht, den CITTI-Park unsicher macht, oder den Sophienhof, die Holtenauer Straße usw.; Menschen wie ich. Ich nenne sie "verzweifelte Idioten", Idioten wie mich. Und ich nenne sie verzweifelt, weil sie alle ihre Gründe haben, warum sie gerade am Siebenundzwanzigsten in die Stadt müssen: Dämliche Weihnachtsgeschenke umtauschen, Gutscheine einlösen, Geldgeschenke einzahlen (lange Schlangen vor den Einzahlgeräten, die "normalen" Geldautomaten sind in der Regel frei), Klopapier einkaufen und offensichtlich auch Medikamente gegen Übelkeit: Die Standardsubstanzen aus der Klasse sind kaum noch zu bekommen. Vielleicht war es dann doch etwas viel Weihnachtsfutter. Oder sie machen es wie ich: Sie brauchen Druckerpapier und sehen nicht, dass sie das auch eine Woche später wesentlich entspannter einkaufen könnten.

Ich nenne allerdings nur diejenigen Einkäufer Idioten, die am Siebenundzwanzigsten losfahren und dann vollkommen überrascht sind, dass auch noch andere Menschen auf diese Idee gekommen sind. Sie stehen dann im Stau, regen sich auf, hupen, blinken, überholen, überfahren Fußgänger, bleiben mitten auf der Straße stehen und haben von der SVO noch nie etwas gehört. Ihr Blutdruck schießt in die Höhe, sie laufen rot an, und sie könnten auch einfach ausgeglichen bleiben, aber diese Idioten regen sich dann auch noch über die Anderen auf, anstatt die eigene Fehlbarkeit einzusehen. Ich nenne sie Idioten - Idioten wie mich.

Und an dieser Stelle muss ich noch eine Reaktion loswerden: Vor einigen Tagen hatte ich mich in einem Beitrag darüber aufgeregt, dass ich Menschenmengen hasse, die von allen Seiten auf mich eindrängen, direkt vor mir fünf Meter breit stehen bleiben, ihr Kind zum Kotzen abstellen (während das Kind fröhlich spielt) und so weiter. Die große Buba hat daraufhin mit dem Dalai Lama gekontert, der völlig richtig sagt: Nichts ist entspannender, als das anzunehmen was kommt. Irgendwann habe ich DGB diesen Satz entgegen geschleudert, seither erinnert sie mich daran, wenn ich mal wieder selbst auszurasten drohe. Vollkommen zu Recht, mit einer Ausnahme: Was der Dalai Lama beschreibt, ist eine Einstellungssache. Wenn ich inmitten einer Menschenmenge eine solche Panikattacke bekomme, dass ich mich auf den Boden setzen muss, dann hat das nichts mit Einstellung zu tun, bzw. ich kann nicht mit "annehmen, was kommt" entgegenarbeiten, denn hier geht es um Chemie: Mein Gehirn suhlt sich in solchen Situationen in anxiogenen Substanzen, Chemikalien, die Angst auslösen und / oder verstärken. Und gegen diese chemische Panikwelle komme ich mit einer ausgeglichenen Einstelung leider nicht so gut an; deswegen verstehe ich die Daseinsberechtigung anxiolytischer Substanzen - jener, die genau das Gegenteil im Gehirn bewirken.

Naja, irgendwie habe ich gestern ja überlebt, und das Aufregen ging hauptsächlich gegen meine eigene Dummheit, weil es doch vollkommen klar war, dass ein Einkaufszentrum am siebenundzwanzigsten Dezember einem Kriegsgebiet gleicht: Schlagen, rempeln, nur noch weg hier, alles loswerden, was man nicht braucht, das Leben erträglicher machen und sich selbst der Nächste sein.

post scriptum: Brause im Auge. Daraufhin krabbelt meine Nase so sehr, dass ich in's Glas niesen muss. Küchenpapier.

p.p.s.: "Meine Nase krabbelt" - ruft Ellen Ripley! 

i.p.p.s.: Ich habe gestern "Edge of Tomorrow" (2016) geschaut und war sehr positiv überrascht; was sich als "Tom Cruise und Emily Blunt ballern Aliens um" verkauft, ist in Wahrheit pure Science Fiction, denn es geht um Ideen - was wäre, wenn... Und wer es schafft, im ersten Akt (Groundhog Day trifft auf Starship Troopers) nicht abzuschalten, wird mit einer sehr spannenden Geschichte belohnt.

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