Montag, 31. Dezember 2018

Kung Fu Kaufing

So holt man Sachen aus dem Regal!

...aber bevor es zu diesem über alle Maßen trashigen Titel geht, muss ich eine Beobachtung tätigen: Während ich in den letzten Jahren so etwa zweihundertfünfzig Beiträge im Jahr veröffentlicht habe, sind es in diesem Jahr nicht einmal zweihundertzwanzig gewesen. Das muss einen Grund haben, und der ist vielleicht nicht nur negativ. Das ist eine schöne Abwechslung, wenn ich bedenke, dass meine persönlichen Jahresresümees bei den letzten Malen doch eher negativ schadensbegrenzend ausgefallen sind: "Naja, so schlimm war das Jahr Zweitausendsiebzehn jetzt nicht." Wie toll das klingt.

Und wie schaut es aus, wenn ich auf Zweitausendachtzehn zurückblicke? Ich muss ehrlich sein und feststellen, dass das ein ziemlich tolles Jahr gewesen sein könnte - auch wenn ich oftmals total durch den Wind war, geistig ausgelastet mit Frustrationen und Umstellungen, völlig überfordert mit der Umstellung auf ein neues Schulsystem und dass ich plötzlich mehrere verschiedene Bildungsgänge gleichzeitig unterrichten soll. Das hat, glaube ich, in der Hauptsache dazu geführt, dass in diesem Jahr ein paar Beiträge weniger auf's digitale Blatt gekommen sind.

Und dennoch habe ich das seit August fast durchgehend als gutes Zeichen gedeutet, weil es mich an die Umstellung auf St.Peter-Ording erinnert hat: Anstrengend, überfordernd, aber erfüllend, und diesmal vielleicht mit dem Zeichen, dass ich endlich einen Grundstein für mein weiteres Leben legen kann. Endlich, nach achtzehn Arbeitsverträgen, einmal verbindlich, verlässlich, sicher. Und dass es sich gar nicht so schlecht anfühlt, wenn man einmal die anfänglichen Reservierungen aller nachsichtig betrachtet.

Ich glaube, dass ich mit diesem Jahr sehr glücklich sein kann, und dass ich heute Abend die (geistigen) Tassen hoch heben kann, anstoßen auf das, was da im neuen Jahr so kommen mag. New Year's Resolutions? Nein, keine. Fast alles, was ich im neuen Jahr anders machen möchte, habe ich schon vor Tagen oder Wochen begonnen. Dazu braucht es nicht einen bestimmten Tag, an dem man anfangen kann, sondern ein bestimmtes Mindset - glaube ich. Und das heute zu beschließen, einfach weil Silvester ist, halte ich für keine sehr beschlussfeste Grundlage.

Ich weiß, dass auch bei Euch im neuen Jahr wichtige Punkte anstehen werden. Sei es ein weiteres Kind, eine neue Wohnung, oder langsam to grips kommen mit dem Schulleben, oder mit der eigenen Persönlichkeit, alle diese Dinge brauchen Zeit und ich wünsche Euch, dass Ihr Euch diese ernsthaft nehmen könnt. Das Wichtigste dabei, das habe ich von meiner Mutter gelernt, und dem kann ich mich auch heute vollkommen anschließen, ist Gesundheit, und die wünsche ich Euch allen für das gesamte kommende Jahr, auch wenn Ihr vielleicht als schniefend-kotzende rumpeltittige Träsch-Trüller startet.

Und Kung Fu Kaufing? Naja. ich war heute einkaufen, wie jeder Vollidiot. Spülmaschinensalz und Eier. In einem Sky, der solche Menschenmassen nur vor und nach Feiertagen erlebt. So viele genervte Kunden, dass man wie bei'm Kung Fu mit blitzschnellen Bewegungen in das Regal greifen musste, um das Brot zu snatchen. Weil man sonst den Arm abgerollt bekommt von einem kleinen einkaufswagenfahrenden Kind. Und mit ebenso schneller Bewegung den Fuß in die Schlange am Kassenband drängeln, um einen Platz zu bekommen. Und mit filmreifer Geschicklichkeit das Kleingeld aus dem Portemonnaie angeln und der Kassiererin entgegenschleudern: "Ha! Ha! Ha! Frohes neues Jahr!" und wie der Blitz aus dem Laden verschwinden. Kung Fu Kaufing für Profis - und weil ich keiner bin, habe ich mich natürlich wieder an der längsten Schlange angestellt.

So, und nun noch einmal obligatorisch, aber deswegen kein bisschen weniger ernst gemeint: Ich habe mich über jede Eurer Rückmeldungen zu meinen Blogeinträgen gefreut. Es ist unglaublich wichtig, dass ich regelmäßig auch mal Gegenwind bekomme, von Menschen, auf die ich mich verlassen kann, bevor ich mich selbst mal wieder für unfehlbar halte. Ist das eigentlich so ein HB-Ding? Oder auch VHB? Also, in jedem Fall danke für Eure Erdung, das hilft mir sehr weiter, und führt dazu, dass ich mich auf ein weiteres Jahr kontroverser Beiträge und erleuchtender Diskussionen freue!

Sonntag, 30. Dezember 2018

Ich hör' nur Bahnhof!

Diesen Bahnhof werde ich mein Leben lang nicht vergessen, und auch nicht das Gefühl, als ich zum allerersten Mal hineingefahren bin...

Synästhesie.

Herr Leinhos weiß natürlich sofort, was das ist, denn er kann Griechisch. Es geht um das Zusammenwirken von Sinneseindrücken, dass man zum Beipiel Töne sehen kann, oder Farben schmeckt. Das klingt nach abgefahrenem Scheiß, ist aber nicht unüblich. So sehe ich manchmal ganz konkrete Dinge, wenn ich Musik höre, und ich spreche gerade nicht von Ambient, das mit seinen Natursounds bestimmte Assoziationen weckt. Und ich habe nicht die geringste Ahnung, ob das irgendwie mit Hochbegabung zusammenhängen kann.

Ich führe als Beispiel einen Song aus dem Genre Downtempo/IDM an: Martin Nonstatic - Granite. Meistens höre ich diese Musik mit geschlossenen Augen beim Meditieren, um meine Fantasie spielen zu lassen, und manchmal entstehen da wunderbare Bilder. Dieser Song ist mir von Anfang an aufgefallen unter den anderen Liedern auf dem Album Nebulae - Live at the Planetarium. (Das war damals eine Nummer im Carl-Zeiss-Planetarium, in Bochum, glaube ich; irgendwann möchte ich so etwas auch einmal erleben, weil die Vorstellung toll ist)

Es ist sehr schwer, genau festzumachen, woran es liegt, aber bei Granite formt sich vor meinem geistigen Auge ein Bild eines unterirdischen Bahnhofs. So wie die Haltestelle Rathaus Spandau der U7 in Berlin: Groß, majestätisch, menschenleer. Ob es an den hallenden Sounds liegt? An dem Echo? An dem Rauschen im Hintergrund? An der Wahl der Synthesizersounds? Irgendwann habe ich zum ersten Mal diesen Bahnhof "gehört", und das Bild erschien mir so passend, dass es sich in den Folgemonaten immer weiter verfestigt hat.

Immer deutlicher konnte ich in die Tunnel hineinsehen, in denen nur einzelne Leuchtstoffröhren die Dunkelheit erhellen. Immer klarer wurde mir, dass an diesem Bahnhof wirklich keine Menschen sind - groß, leer, hallend, und immer mal wieder fährt ein Zug durch. Und weil ich das Gefühl sehr gut kenne (denn ich liebe es seit Jahren, U-Bahn zu fahren), kamen auch die anderen Sinne hinzu, nach und nach, und mit jedem Anhören immer detaillierter, ich konnte die muffige Luft des Bahnhofs riechen, und er fühlte sich kalt an, nach Marmorwänden (nicht umsonst heißt der Song Granite - was ich damals aber noch nicht wusste, als meine Bilder entstanden sind). Hier freut es mich wieder sehr, eine Anlage mit Surroundsound zu haben, denn viele Alben aus dem Downtempo, IDM, Ambient, Psybient (etc.) sind extrem sorgfältig auf alle Kanäle abgemischt. Dort links fährt der Zug vorbei. Rechts kann ich spüren, wie die Luft vor einem heranfahrenden Zug, die sogenannte ghost train an mir vorbeizieht.

Diese Detailliertheit, kombiniert mit dem Umstand, dass ich mich in U-Bahnhöfen wohlfühle, hat einen wunderbaren Effekt: Wenn ich Nebulae höre und realisiere, dass Granite gerade begonnen hat, entspanne ich mich sofort. Alle Anspannungen der Muskeln fallen ab, ich sinke noch tiefer in meine Couch hinein und freue mich, dass ich jetzt einige Minuten lang den Bahnhof hören kann.

Vielleicht steigt ja heute jemand aus dem Zug aus ;-)

post scriptum: Deswegen habe ich den Roman "Lowboy" von John Wray gern gelesen, über einen Autisten in der U-Bahn. Ach so, und hier hätten wir noch den Song "Granite" von Martin Nonstatic, in der Live-Version aus dem Planetarium, bei 12:01:

 

Samstag, 29. Dezember 2018

STOP

Den mag ich ja nun überhaupt nicht...

Hochbegabung meets Autismus

Ich habe in diesem Blog mehrmals über meine Leidenschaft für das S-Bahn-Fahren geschrieben. Auch darüber, wie sorgfältig ich mir den Sitzplatz aussuche, wenn ich die Fahrt richtig genießen möchte; es gibt allerdings auch rein zweckdienliche Fahrten, oftmals kurz, und da verhält sich das mit dem Sitzplatz anders - in der U-Bahn noch deutlicher als in der S-Bahn: Ich stelle mich, während ich auf den Zug warte, an die Stelle des Bahnsteigs, an der am Zielbahnhof der Ausstieg ist. Das war anfangs eine lustige Knobelei: Ist der Ausstieg vorn oder hinten? Kommt der Zug von vorne? Wie sieht noch gleich der nächste Bahnhof aus? Aber es hat nicht allzu lange gedauert, da kannte ich neben dem Liniennetz auch "meine" Bahnhöfe auswendig. Fantasie FTW!

Etwas anders ist es, wenn ich in Kiel mit dem Bus fahre. Früher im Studium habe ich mich gern an einer Endhaltestelle in den Bus gesetzt und bin die ganze Strecke entlang gegondelt, was sich besonders bei Linien wie der Einhundert oder der Fünfhunderteins lohnt. Aber auch in Kiel gibt es kurze Strecken, zum Beispiel zum Bahnhof, wenn ich zu faul zum Laufen bin oder nicht genügend Zeit habe. Seit einigen Jahren soll der Einstieg in den Bussen ja (mit einigen Ausnahmen) nur noch vorne stattfinden, halte ich für nachvollziehbar, aber ich kann mir aussuchen, wo ich aussteige.

Nun ist ein Bus wesentlich kürzer als eine U-Bahn, da macht es hinsichtlich der Zielhaltestelle nicht so viel aus, ob ich vorn oder hinten aussteige. Also brauche ich ein anderes Auswahlkriterium, und da kommt wieder ein leichter Anflug von Autismus in's Spiel: Ich steige an der Tür aus, die den "schönsten" STOP-Knopf hat.

Ich liebe es seit meiner Kindheit, auf Knöpfe zu drücken, Schalter umzulegen und damit irgendwas in Gang zu setzen. Ich glaube, das ist ganz normal, nicht hochbegabt, sondern einfach nur kindlich-neugierig. Allerdings macht es mir etwas aus, wie der Schalter ausieht - rot? Gelb? Metallic? Quadratisch? Länglich? Rund? Mit oder ohne Beschriftung in Braille? Und es beeinflusst meine Entscheidung auch, wie der Schalter sich bei'm Drücken anfühlt. Klickt es? Quietscht es? Rastet es irgendwie ein? Lässt der sich nur schwer reindrücken? Habe ich dabei das Gefühl, auch richtig gedrückt zu haben, oder muss ich noch einmal nach der Wagen hält-Anzeige schielen?

Da schlagen andere Menschen wieder die Hände über dem Kopf zusammen, "Warum machst du es dir so kompliziert, ist doch vollkommen egal, welchen Knopf du drückst!" - Nein, es ist mir eben nicht egal, genauso wie es mir nicht egal ist, mit welchem der diversen Esslöffel ich meine Suppe esse. Das macht etwas aus, auch wenn es nur eingebildet ist; ein gewaltiger Teil unserer Wahrnehmung der Welt ist eben nur das: Wahrnehmung. Und sie beeinflusst unser Leben. Und wenn ich niemandem damit schade, kann ich mir doch auch aussuchen, den schönen runden, metallischen, klickenden Knopf am Hinterausgang zu drücken, nicht wahr?

post scriptum: Nostalgieflash für heute - gibt es irgendein Kind der Neunziger, das diesen Song nicht mehr kennt? Schweden, die den amerikanischen Westen auf's Korn nehmen; denkt daran, falls Ihr über die Musik der heutigen Jugendlichen lästern wollt. Nicht falsch verstehen: Ich liebe den Song (wobei mir "Old Pop In An Oak" noch besser gefallen hat) noch immer ;-) Ach so, und was mich an der heutigen Musik stört, sind frauenverachtende, homophobe und überhaupt irgendwie herabwertende Tendenzen. Rednex, das war einfach nur Fun:




paulo post scriptum: Ich bin heute am Südfriedhof vorbeigefahren und der Anblick hat mich an eine Phase im Grundstudium erinnert. Ich hatte gerade Gothic und Doom Metal neu für mich entdeckt, und es war wunderschön, mit Tristanias Widow's Weeds über den Friedhof zu gehen, grauer Himmel, nasskalt, und zu sehen, wie die Bäume ihre kahlen Äste tief über Gräber, Gruften und Seen beugten. Irgendwie melancholisch, malerisch, und sehr schön. Talk about Ambiente...

Freitag, 28. Dezember 2018

Der siebenundzwanzigste Dezember

Finde kein passenderes Bild...

Jedes Jahr wieder gibt es eine Gruppe von Menschen, die nach den Weihnachtstagen in die Stadt aufbricht, den CITTI-Park unsicher macht, oder den Sophienhof, die Holtenauer Straße usw.; Menschen wie ich. Ich nenne sie "verzweifelte Idioten", Idioten wie mich. Und ich nenne sie verzweifelt, weil sie alle ihre Gründe haben, warum sie gerade am Siebenundzwanzigsten in die Stadt müssen: Dämliche Weihnachtsgeschenke umtauschen, Gutscheine einlösen, Geldgeschenke einzahlen (lange Schlangen vor den Einzahlgeräten, die "normalen" Geldautomaten sind in der Regel frei), Klopapier einkaufen und offensichtlich auch Medikamente gegen Übelkeit: Die Standardsubstanzen aus der Klasse sind kaum noch zu bekommen. Vielleicht war es dann doch etwas viel Weihnachtsfutter. Oder sie machen es wie ich: Sie brauchen Druckerpapier und sehen nicht, dass sie das auch eine Woche später wesentlich entspannter einkaufen könnten.

Ich nenne allerdings nur diejenigen Einkäufer Idioten, die am Siebenundzwanzigsten losfahren und dann vollkommen überrascht sind, dass auch noch andere Menschen auf diese Idee gekommen sind. Sie stehen dann im Stau, regen sich auf, hupen, blinken, überholen, überfahren Fußgänger, bleiben mitten auf der Straße stehen und haben von der SVO noch nie etwas gehört. Ihr Blutdruck schießt in die Höhe, sie laufen rot an, und sie könnten auch einfach ausgeglichen bleiben, aber diese Idioten regen sich dann auch noch über die Anderen auf, anstatt die eigene Fehlbarkeit einzusehen. Ich nenne sie Idioten - Idioten wie mich.

Und an dieser Stelle muss ich noch eine Reaktion loswerden: Vor einigen Tagen hatte ich mich in einem Beitrag darüber aufgeregt, dass ich Menschenmengen hasse, die von allen Seiten auf mich eindrängen, direkt vor mir fünf Meter breit stehen bleiben, ihr Kind zum Kotzen abstellen (während das Kind fröhlich spielt) und so weiter. Die große Buba hat daraufhin mit dem Dalai Lama gekontert, der völlig richtig sagt: Nichts ist entspannender, als das anzunehmen was kommt. Irgendwann habe ich DGB diesen Satz entgegen geschleudert, seither erinnert sie mich daran, wenn ich mal wieder selbst auszurasten drohe. Vollkommen zu Recht, mit einer Ausnahme: Was der Dalai Lama beschreibt, ist eine Einstellungssache. Wenn ich inmitten einer Menschenmenge eine solche Panikattacke bekomme, dass ich mich auf den Boden setzen muss, dann hat das nichts mit Einstellung zu tun, bzw. ich kann nicht mit "annehmen, was kommt" entgegenarbeiten, denn hier geht es um Chemie: Mein Gehirn suhlt sich in solchen Situationen in anxiogenen Substanzen, Chemikalien, die Angst auslösen und / oder verstärken. Und gegen diese chemische Panikwelle komme ich mit einer ausgeglichenen Einstelung leider nicht so gut an; deswegen verstehe ich die Daseinsberechtigung anxiolytischer Substanzen - jener, die genau das Gegenteil im Gehirn bewirken.

Naja, irgendwie habe ich gestern ja überlebt, und das Aufregen ging hauptsächlich gegen meine eigene Dummheit, weil es doch vollkommen klar war, dass ein Einkaufszentrum am siebenundzwanzigsten Dezember einem Kriegsgebiet gleicht: Schlagen, rempeln, nur noch weg hier, alles loswerden, was man nicht braucht, das Leben erträglicher machen und sich selbst der Nächste sein.

post scriptum: Brause im Auge. Daraufhin krabbelt meine Nase so sehr, dass ich in's Glas niesen muss. Küchenpapier.

p.p.s.: "Meine Nase krabbelt" - ruft Ellen Ripley! 

i.p.p.s.: Ich habe gestern "Edge of Tomorrow" (2016) geschaut und war sehr positiv überrascht; was sich als "Tom Cruise und Emily Blunt ballern Aliens um" verkauft, ist in Wahrheit pure Science Fiction, denn es geht um Ideen - was wäre, wenn... Und wer es schafft, im ersten Akt (Groundhog Day trifft auf Starship Troopers) nicht abzuschalten, wird mit einer sehr spannenden Geschichte belohnt.

Donnerstag, 27. Dezember 2018

Von hinten schräg durch die Brust in's Auge


Es ist immer wieder herzerwärmend, zu erleben, wie es gemobbte, ausgegrenzte Schüler sind, die sich an ihrer Schule weit über das übliche Maß hinaus engagieren, und zwar an weit mehr als nur einer Theater-AG. Sie bringen sich in der Schülervertretung ein, sie wagen es, der Schulleitung zu widersprechen, sie regen einen Diskurs an, sie werfen Sand in das Getriebe des schulischen Apparats. Sie versuchen, die Lage für ihre Hunderte von Mitschülern zu verbessern, indem sie aktiv Vorschläge für die Gestaltung des Schullebens einbringen oder einfach ganz "harmlos" schulische Konzepte wie Bildungsministerium oder Lehrplan für ihre Mitschüler anschaulich und nachvollziehbar erläutern. Um ihnen zu zeigen, wie seitens des Ministeriums oder jeglicher höheren Instanz mit ihnen umgegangen wird.

Ich war nie einer dieser Schüler; bei mir kam das erst im Studium, Studierendenparlament und dieser Kladderapatsch. Aber es gab sie, und an unserem Werner-Heisenberg-Gymnasium haben sie sich ein Bein ausgerissen, um eine Schülerzeitung zu gestalten und am Leben zu halten, was sehr schwierig war, denn - wie sie zu erzählen nicht müde wurden - während mehrere hundert Exemplare immer innerhalb der großen Pause ausverkauft waren, so fand sich phasenweise kaum jemand, um für die Zeitung zu schreiben. Man möge an dieser Stelle ahnen, in welche Richtung das geht: Ja, ich habe auch mal für die Zeitung geschrieben. Ja, irgendwann werde ich das auch mal hier im Blog posten, so als siebzehn Jahre alten Nostalgieschub, aber heute geht es um etwas ganz Anderes.

Man merkt, ich lese gerade meine alten SZ-Ausgaben quer und schaue, ob ich etwas davon in diesem Blog veröffentlichen möchte, und das scheint insgesamt wohl mehr als nur ein Artikel zu werden, und deswegen habe ich den Tag Schülerzeitung neu hinzugefügt. Dabei geht es seltsamerweise gar nicht mit Schülergedanken los. Zumindest nicht direkt.

Es hat nämlich auch einmal ein Lehrer geschrieben, unter der Rubrik PS: Paukers Standpunkt. Da meldete sich dann ein oller Seebär zu Wort, der nie verlegen um fiese Kommentare in Klausuren und im Unterricht war, den es immer biestig zu freuen schien, wenn er Hoffnungen auf gute Noten zunichte machen konnte, und der leider erst in der Oberstufe ansatzweise verstanden wurde in seinem Denken. Und er hat einen kleinen Aufschrei in der Hermes veröffentlicht, der vom heutigen Standpunkt aus "visionär" genannt werden muss.

Deutsche Sprache - Schwere Sprache
Sprache als Kulturtechnik betrachtet

von Klaus Brunkert



Wären Lehrer Stilblütensammler, könnten Korrekturen mehr Lust als Frust bereiten. Da erkältet sich warme Luft, wenn sie aufsteigt; es vermehren sich die Binnenschiffe auf der Wolga oder Sonne falle in Rom steiler auf die Erde als in Kiel. Solche verbalen Glanzpunkte verleiten natürlich zu launigen Randbemerkungen, die betroffene Schüler meistens gar nicht gut finden, weil sie sich nicht ernst genommen fühlen.

Nehmen wir es also ernst. Faktum ist, dass immer mehr Schüler nicht in der Lage sind, komplexe Sachverhalte und zunehmend auch einfache sprachlich exakt wiederzugeben. Dies mag ein beispielhafter Dialog verdeutlichen:
- Lehrer erläutert nach der Rückgabe der Klausur, welche Inhalte er erwartet habe.
- Schüler beschwert sich, weil er für eine Passage keine Punkte erhalten habe, obwohl er genau das geschrieben hätte, was der Lehrer als Erwartungshorizont formuliert habe.
- Lehrer verweist auf seine Randbemerkungen.
- Schüler bezweifelt Korrekturkompetenz des Lehrers.
- Lehrer weist nach, dass der Absatz nicht das beinhaltet, was der Schüler behauptet, während sich der Rest des Kurses langweilt.
- Schüler: "Aber Sie wissen doch genau, dass ich damit das gemeint habe, was Sie hören wollten."

1. Die Ursachen für die stark eingeschränkte Sprachkompetenz sind vielschichtig, lassen sich aber mit Einschränkungen auf zwei Grundphänomene zurückführen: Während früher die meisten Schüler relativ viel gelesen haben und so mit der Schriftsprache vertraut wurden, dominieren heute (2001) audiovisuelle Medien, wobei besonders die kommerziellen eine comichafte Stichwortsprache präsentieren, die differenzierte Darstellungen nicht erlaubt. Sachverhalte werden auf das Niveau und Zeitlimit von einprägsamen Werbeslogans verkürzt, vereinfacht und zwangsläufig oft auch verfälscht.

2. Lehrer lassen sich immer weniger Zeit und/oder haben nicht die Geduld, Schüler zu zwingen, zumindest im Unterricht Sprache als präzises Instrument der Verständigung zu erlernen, sondern reduzieren Schüler zu Stichwortgebern, weil a) sonst der im Lehrplan vorgegebene Stoff nicht mehr bewältigt werden kann und b) Schüler sich nicht mehr über einen längeren Zeitraum auf einen Gegenstand konzentrieren können. Dies ist ein Verhalten, das den Hör- und Sehgewohnheiten heutiger Medienkonsumenten entspricht, die optische und akustische Highlights fast im Sekundentakt fordern als Preis für ihre Aufmerksamkeit. Als Beleg mag man die Länge von Filmsequenzen in alten und neuen Filmen vergleichen. Schüler werden also unkonzentriert und folglich abgelenkt, unruhig bis störend, wenn sie entgegen ihren Gewohnheiten gefordert werden. Pädagogisch richtig, im Ergebnis aber falsch wird ein häufiger Methodenwechsel angewendet.

Es scheint bedenklich, dass gerade in einer Zeit, in der Sachverhalte zunehmend komplizierter werden, die Fähigkeit, diese rein sprachlich zu verstehen oder gar darzulegen, bei einer wachsenden Zahl von Menschen abnimmt. Denn Nichtverstehen erzeugt irrationale Ängste und Reaktionen mit den entsprechenden gesellschaftspolitischen Implikationen, die vom Drogenmissbrauch bis zum politischen Radikalismus reichen.

Was also tun unter der Prämisse, dass Schule nur sehr begrenzt gegen allgemeine Entwicklungstendenzen steuern kann. Im Sinne von exemplarischem Lernen bleibt wahrscheinlich nur der Ausweg, den Lehrplanstoff erheblich zu reduzieren und an wenigen Inhalten das einzuüben, was man gemeinhin als Kulturfertigkeiten bezeichnet. Bei der heutigen Halbwertzeit von fachspezifischem Wissen scheint es zukunftsträchtiger, wenn die Schule sich von einem Institut der Wissensvermittlung zu einem Lernort von Arbeits- und Lernmethoden wandelt, wobei die Beherrschung der Sprache unentbehrlich ist. Dass dabei das Wissen um die geisteswissenschaftliche Vergangenheit unserer Kultur weitgehend verloren geht, scheint ein hoher, aber notwendiger Preis zu sein. Aber warum sollen heutige Schüler mehr über Goethe und Lessing wissen als über Aristoteles und Seneca?

Dienstag, 25. Dezember 2018

Das Ding mit Weihnachten


Das Fest der Liebe, oder so ähnlich, wird es in der Werbung genannt, sicherlich als Teil des AIDA-Konzepts, wie ich jetzt in der kaufmännischen Abteilung gelernt habe. Ich fand Weihnachten immer toll. Die ganze Familie beisammen, Schnee, kalt und dunkel, Gottesdienst, leckeres Essen, Karten spielen. Geschenke fressen, Essen auspacken, oder so ähnlich, meinte die große Buba. Vielleicht auch ein wenig Autorenlizenz.

Dann kam irgendwann das Zeitalter des Hinterfragens. Die Geschenke wurden flacher, wie meine Mutter ganz treffend gesagt hatte, und ich bin auch nicht mehr jedesmal zum Gottesdienst mitgegangen. Das Essen war immer noch lecker, aber irgendwann begann ich dann auch zu fragen, warum ich eigentlich Weihnachten feierte. Und stellte fest, dass etwas gefeiert wird, was ich für eine nette Fantasie halte, mit der ich persönlich nichts anfangen kann. Ich habe es nicht mit der evangelischen Religion, auch wenn ich nach meinem Kirchenaustritt immer noch vierzehn Monate Kirchensteuer an den Staat abgetreten habe. Ich hoffe, dass sich das geändert hat, die nächste Abrechnung wird es hoffentlich zeigen, inklusive einer Rückzahlung.

Ostern. Weihnachten. So viele Feiertage, gefeiert von so vielen Menschen, die mit der Religion überhaupt nichts am Hut haben, das konnte ich dann nicht mehr so ganz nachvollziehen, und seither bin ich jedes Jahr froh, wenn die Feiertage vorbei sind und endlich wieder Leben in die Stadt zurückkehrt, und Kommerz, und Falschheit (die eigentlich nie verschwunden war). Trotzdem fahre ich jedes Jahr zu Heiligabend nach Dithmarschen. Meine Brüder, meine Eltern und ich verbringen einen netten Abend, und wenngleich ich gern am ersten Feiertag wieder zurückkehre, bleibe ich diesmal noch einen Tag länger, damit ich am zweiten Feiertag meine Oma treffen kann, die in diesem Jahr Weihnachten zum ersten Mal in ihrer betreuten Wohnanlage verbringt.

Und irgendwie ist es dann doch ganz witzig, sie alle wiederzusehen. Ich fühle mich außerhalb meiner Wohnung nicht so wohl, das stimmt wohl, aber oft ist es auch mein eigener Kopf, der es mir so "unangenehm" macht. Und nun sitze ich kurz nach Mitternacht am Rechner in meinem alten Zimmer, schreibe diese Zeilen und finde es gar nicht so schlimm, dass ich den morgigen Tag hier verbringe.

Ändert alles nichts daran, dass ich froh bin, wenn die Feiertage um sind. Ich kann mit Weihnachten nichts anfangen, zumindest nicht mit dem religiösen Hintergrund. Seit sieben Jahren warte ich auf den Moment, auf das Weihnachten, an denen ich meinen Eltern endlich meine berufliche Sicherheit schenken kann, denn ich weiß, wie sehr sie um mich besorgt sind. So sind Eltern nun mal, ganz oft zumindest. Nun ja, vielleicht klappt es beim nächsten Fest. Mal schauen, ob das Ministerium meine potentielle Planstelle zusammenstreicht.

Ich hoffe, dass Ihr die Tage mit Euren Lieben verbringen könnt - wenn Ihr das denn wollt - und zwar stressfrei und tatsächlich mit etwas Liebe.

Sonntag, 23. Dezember 2018

Nächster Halt: Kongresshalle


Gestern beim Einkaufen war es mir zwischendurch dann doch wieder zu voll und eine leichte Panik hat sich eingestellt. Kennt Ihr vielleicht, und dann brauche ich irgendeine Hilfe, um mein Gehirn wieder runterzufahren (...in den Keller...). Wenn es ganz schlimm ist, suche ich mir irgendwo eine Regalecke und tue so, als ob ich etwas aus dem untersten Regal holen muss. Das ist eine Möglichkeit, mich auf den Boden zu setzen und in das Regal zu starren. Ich habe keine Ahnung, wie das funktioniert, aber es beruhigt. Am besten dabei noch Inhaltsstoffe von Produkten durchlesen und Anteile ausrechnen. Zum Glück kommt das in diesem Ausmaß nicht so oft vor; leichtere Anflüge von Panik kann ich wegwischen, indem ich die Fibonaccireihe im Kopf durchgehe (0,1,1,2,3,5,8,13,21,34 und so weiter).

Wenn ich mit dem Auto unterwegs bin, habe ich noch einen ganz anderen Kniff, um wieder ausgeglichen zu werden, und die Wurzeln dieser Methode reichen zurück in die Kindheit. Ich hatte hier im Blog schon einmal berichtet, dass ich total in die Berliner S- und U-Bahnen vernarrt bin. Immer durch die Stadt fahren, und drumrum, oberirdisch, unterirdisch, und natürlich den Netzplan auswendig gelernt. Allerdings wohnte ich nicht in Berlin, sondern in Weddingstedt, und da gab es keine S-Bahn. Nur für jeweils ein paar Tage konnte ich in den Ferien nach Berlin fahren, Die Tante besuchen und den lieben langen Tag herumfahren.

Ich wollte aber nicht auf den Spaß verzichten, und deswegen habe ich mir mein eigenes Liniennetz für Weddingstedt und Umgebung entworfen. Dann habe ich mich auf's Fahrrad geschwungen und bin quer durch den Ort gefahren, von "Haltestelle" zu Haltestelle, Fantasie pur - oder einfach nur ganz normaler Wahnsinn. Natürlich habe ich mein Liniennetz stetig erweitert, bis ich am Ende auch die benachbarten Ortschaften "erobert" hatte.

Einzelne "Bahnhöfe" hatten besondere Aufmerksamkeit verdient, spezielle Namen, und in meiner Fantasie waren das ausschweifende architektonische Meisterwerke, ganz klar ein Nachklang der U-Bahnhöfe Rainer G. Rümmlers in Berlin. Und sogar die Namen der Haltestellen habe ich aus Berlin übernommen, nur in wenigen Ausnahmefällen habe ich mir eigene Namen ausgedacht oder welche aus Filmen, Videospielen etc. übernommen.

Ausgangspunkt für alle Linien war natürlich mein Elternhaus. Nur, welchen Namen gibt man dem wichtigsten Bahnhof im ganzen Netz? Hauptbahnhof? Wie unkreativ. Nein, das musste was Originelles sein, was, das interessant klingt. Geheimnisvoll, wichtig. Politisch, nach Großstadt - und so hieß es dann am Ende fast jeder Fahrradfahrt: Nächster Halt: Kongresshalle. Übergang zu allen S- und U-Bahn-Linien, sowie zum Regional- und Fernverkehr. Diese Zugfahrt endet dort, bitte alle aussteigen!

Irgendwie war das eine echt schöne Zeit. Ich bin an die frische Luft gekommen, hatte ausreichend Bewegung und konnte "anders" sein, ohne, dass ich jemandem damit auf die Nerven falle. Eine Alternative zur Waschmaschine, sozusagen. Und nun ist es zwanzig Jahre später, und noch immer mache ich mir den Spaß, zum Beispiel, wenn ich mit dem Auto zu meinem Arbeitsplatz fahre. Da habe ich natürlich die Fahrstrecke in Teilstücke aufgeteilt, und da gibt es dann unterschiedlichste Haltestellen, "Waldwiese", "Ostring", "Elmschenhagen", "Klinkenberg" und so weiter, bis ich das Auto am Ende bei meiner Schule parken kann.

Und dieses Durchgehen der Haltestellen (Ausstieg rechts? Ausstieg links?), das beruhigt mich, wenn mal wieder leichte Panik aufkommen sollte. Das ist quasi mein Auto-Fibonacci, und einer der Handgriffe, die ich wohl mein Leben lang nicht mehr vergessen werde.

post scriptum: Liebe Sonnenanbeter, es darf gefeiert werden, seit gestern werden die Tage wieder länger!

Freitag, 21. Dezember 2018

Klaatu Barada Nikto

Deprimierend, dass ausgerechnet der Roboter friedlich ist und die Menschen sich gegenseitig an den Hals gehen...

Ich finde es faszinierend, wie viele Menschen die Wendung Klaatu Barada Nikto kennen, und zwar aus unterschiedlichsten Quellen. Ich habe sie damals zuerst gehört im Videospiel Lost Vikings 2, vor vielen Jahren. Dann habe ich mir vor nicht allzu langer Zeit endlich die Evil Dead-Filme angeschaut, und im dritten Teil musste Ash Williams das Ganze als Zauberformel aufsagen - was er natürlich versaut hat, weil ihm der letzte Begriff entfallen ist. Necktie? Noodle? Und genau diese Versprecher haben es dann in das Videospiel geschafft.

Heute habe ich endlich mal den Ursprung kennengelernt, indem ich The Day The Earth Stood Still (1951, das Remake von 2008 soll bei Weitem nicht so gut sein) angeschaut habe. Science Fiction, allerdings geht es um ein zutiefst menschliches Thema. In der Antike gab es da den Spruch homo homini lupus, und wenn ich noch Latein unterrichtete, wüsste ich vielleicht sogar, was das heißt. Ich habe mich beim Ansehen des Films ein bisschen dafür geschämt, ein Mensch zu sein: Rücksichtslos, auf Unbekanntes immer mit Argwohn zugehen und Gewalt als einzige Sprache, die jeder versteht. Dass sich daran auch bis heute nichts geändert hat, zeigt der Film Arrival (2016).

Ich fand es allerdings gut, dass der Film nicht zu didaktisierend wirkt. Ich überlege glatt, den in meinen Schulkanon aufzunehmen. Warum ist es so, dass wir Menschen auf Unbekanntes immer misstrauisch zugehen? Dass wir alles Unbekannte gleich als Gefahr sehen? Ist das immer noch das Verhalten der Jäger und Sammler damals? Ich wünschte, man könnte das ändern. Aber es kann ja jeder nur bei sich selbst anfangen.

Wie passend, dass James Mattis aus Trumps Kreis ausgestiegen ist, seinen Kündigungsbrief werde ich in meine Schulmaterialien aufnehmen. Er beklagt sich darin auf äußerst höfliche Art über Trumps Isolationspolitik. Ich glaube, Trump hat den Film nicht gesehen. Und ich bezweifele, dass er sich diese Worte würde merken können. Klaatu Barada Nikto.

Und irgendwann wird es friedlich sein...

Donnerstag, 20. Dezember 2018

Wo sitze ich?

Mitte? Bloß nicht!

Mein sechstes Lehrerzimmer, meine sechste Suche nach einem Sitzplatz in der neuen Schule. Zum sechsten Mal frage ich "Habt ihr hier eine bestimmte Sitzordnung?", zum sechsten Mal bekomme ich die Antwort "Nein, wir machen das hier ganz locker, setz' dich einfach irgendwo hin." und zum sechsten Mal realisiere ich während der ersten Schulwochen, dass es eben doch eine Sitzordnung gibt, zwar nicht verbindlich, aber jeder Kollege scheint seinen Lieblingsplatz zu haben. Und damit beginnt der Terror für diesen Hochbegabten - denn ich mag mich auf gar keinen Stuhl setzen, aus Angst, dass ich ihn jemandem wegnehme. Deswegen suche ich mir anfangs meistens einen Sitzplatz irgendwo am Rand.

"Vielleicht würde es deiner Eingliederung in's Kollegium weiterhelfen, wenn du dich mit zu uns rübersetzt, einfach in die Mitte. Denn wenn du da hinten sitzt, dann entsteht bei den anderen ja erst recht der Eindruck, dass du dich abkapseln willst. Und da hinten bekommst du ja auch nichts mit - wenn wir zum Beispiel über eine Klasse reden. Ich glaube, es wäre wirklich gut, wenn du dich hierhin setzt."

Das hatte ich vor fünf Jahren in St.Peter-Ording, am damaligen Regionalschulteil (das waren noch weniger Kollegen als jetzt, etwa um die vierzehn, jetzt sind wir etwas über zwanzig, aber es sind selten alle Lehrkräfte im Raum), und jüngst wieder an der Berufsschule. Das war wirklich sehr nett gemeint - aber einer dieser Fälle, in denen ich freundlich lächele und gar nichts mehr sage. Weil ich parallel überlege, ob ich folgende Antwort bringen soll:

"Ich finde es nett, dass du dir Sorgen um mich machst, und ich habe dich ja auch um Hilfestellungen gebeten, es gibt hier so viel, in das ich mich erst einarbeiten muss. Aber in dieser Sache hilft es vielleicht, meine Kameraperspektive derselben Situation - DrH kapselt sich ab - zu schildern. Ich brauche nämlich einen Sitzplatz, von dem aus ich das gesamte Lehrerzimmer im Blick haben kann. Ich werde sehr unruhig, wenn hinter meinem Rücken etwas stattfindet. Ich bekomme dann Angst, dass ich etwas verpassen könnte (aus ebendiesem Grund habe ich eine Ein-Zimmer-Wohnung Släsch Loft); es ist nämlich genau andersherum: Als HSP bekomme ich alles mit, was in meinem Blickfeld ist, und ich höre jedes einzelne Gespräch im Raum. Auch wenn ich nebenbei Rätsel löse - ich bekomme das alles mit. Und wenn ich ein Gespräch höre, das ich nicht zuordnen kann, weil es zum Beispiel hinter mir stattfindet, bekomme ich Angst. Hier, auf diesem Sitzplatz ganz am Rand, fühle ich mich sicher. Ich kann alle beobachten, ich kann allen zuhören, und wenn ich merke, dass irgendwo ein "relevantes" Gespräch stattfindet, kann ich mich von hinten dazuschalten (wenn es gerade keine andere Unterhaltung stören würde). Darüber hinaus fühle ich mich ruhiger und sicherer, wenn ich einen festen Platz haben kann. Da weiß ich, dass ich niemandem den Sitz wegnehme, und die Autisten und Asperger wissen, wie wichtig Sicherheit und Verlässlichkeit sind."

Überlege ich also... und halte dann doch wieder meinen Mund, weil ich niemanden mit meinen Problemen nerven will, und die Erklärung ist eh' viel zu umständlich.

Wie war das noch mit der Offenheit?

Mittwoch, 19. Dezember 2018

1 auf dem Silbertablett

Physische Anwesenheit allein reicht nicht aus.

Ich hasse das pädagogische Zähneziehen. Ist aber nötig, wenn folgender Schülertyp mir begegnet:

"Klaus" ist der Meinung, es reicht zum Erlangen der Allgemeinen Hochschulreife, wenn er fünf Unterrichtsstunden je Woche anwesend ist. Vor- und Nachbereitung der Stunden ist nicht nötig. Hausaufgaben, in denen es um's Lernen geht, macht er nicht, denn es reicht ja, wenn man am Wochenende vor der Klausur lernt. Dementsprechend sind Unterrichtsinhalte in nachfolgenden Stunden nicht abrufbar, sondern nur vorlesbar.

Klaus nimmt den Unterricht insgesamt nicht so ernst. Berufsschule, ist ja alles irgendwie ein Selbstläufer. Hausaufgaben abgeben, damit der Lehrer mal drüberschaut, ist auch nicht so sein Ding. Das wird schon alles irgendwie klappen, wenn er im Unterricht immer gut zuhört. Wenn er zuhört. Denn er lässt sich sehr gern ablenken, albert dann mit Mitschülern herum, die es sich definitiv nicht leisten können, abgelenkt zu werden.

In der Klausur dann gibt es Probleme, wenn Klaus die Aufgabenstellung nicht schon einmal vorher im genauen Wortlaut erlebt hat. Selbst denken, was mit der Aufgabenstellung gemeint ist? Ne, lass' mal. "Selber denken macht fett", hat Herr Kries immer gesagt. Und nach der Klausur wird es erst richtig interessant, denn dann kommt Klaus und beschwert sich, dass man das alles gar nicht schaffen konnte. Dann kommen Sätze wie "Vielleicht wäre es gut gewesen, wenn wir das mal im Unterricht geübt hätten", und dann habe ich zum Glück Buddha bei mir.

Sonst würde ich platzen, würde Klaus intensiv zusammenfalten, ihm sein Unterrichtsverhalten vor Augen führen, ich würde ihm erklären, dass Hör- und Leseverstehensaufgaben zu den grundlegenden Kompetenzen gehören, festgelegt in den Bildungsstandards, und dass ein Schüler durch den Erwerb des Mittleren Bildungsabschlusses nachweist, dass er diese Kompetenzen erworben hat.

Und bis auf das Platzen mache ich das auch. Ich erkläre ihm, dass Schule Vor- und Nachbereitung braucht, und dass er an einer Hochschule genau damit konfrontiert werden wird. Ich erkläre ihm, was das bedeutet, Verantwortung für den eigenen Lernprozess zu übernehmen. Dass er nämlich selbst seinen Erfolg in der Hand hat, denn aus dem Alter der Orientierungsstufe, in der viele Lehrkräfte den Lernenden alles hinterhertragen, ist er mittlerweile hinaus.

Hoffentlich sieht er es ein, und erwartet von mir nicht die 1 auf dem Silbertablett ohne eigenen Einsatz, und fängt dann direkt an, Gründe für sein schlechtes Abschneiden überall zu suchen, nur nicht bei sich selbst. Mal schauen. Das ist mein erstes Jahr an einer Berufsschule, und vielleicht finde ich für die Zukunft noch gute Kniffe.

post scriptum: Ich habe mir heute "Los Cronocrimenes" (Timecrimes, 2007) angeschaut, und ich stelle fest, dass ich Filme liebe, die sich mit Zeitreisen und den damit verbundenen Paradoxa auseinandersetzen. Das kitzelt mein Gehirn, das ist ein echter Genuss, und deswegen habe ich auch "Predestination", "Looper" und "Back To The Future II" geliebt. Und ich freue mich jetzt schon drauf, mir endlich einmal "Primer" anzuschauen - ist leider nicht bei Amazon prime verfügbar, kommt aber sicher noch.

Sonntag, 16. Dezember 2018

Dönerteller Versace

Von ​German-speaking Benutzer Wollschaf, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=180122

Von dem Döner ist nichts mehr übrig, verspachtelt, und ich fühle mich wie ein schlachtreifes Mutterschwein. Das war nicht immer so. Also, zum einen war ich nicht immer so platzfett wie jetzt, und zum anderen hätte ich mir nicht immer einen Döner geholt. Denn früher war ich in dieser Hinsicht sehr meinem "Hochbegabter steht sich selbst im Weg"-Prinzip treu. Wenn mich jemand gefragt hat, ob wir einen Döner essen gehen wollen, habe ich ziemlich schnell und selbstsicher geantwortet, dass ich keinen Döner mag. War ja auch so - mochte ich noch nie; früher mochte ich noch nicht einmal Fleisch.

Dachte ich. Ohne das je probiert zu haben, ich konnte nicht einmal genau sagen, was überhaupt ein Döner ist. Ich wollte das nur einfach nicht probieren - könnte ja sein, dass ich es wirklich nicht mag. Oder noch schlimmer: Dass ich es eben doch mag. Denn in jener Phase war der Döner in Deutschland auf einem Vormarsch, jeder aß Döner, ein riesiger Trend. Damit stand für mich fest, dass ich das auf gar keinen Fall essen wollte, denn ich war immer gegen Dinge, die gerade in sind. Ein Gemisch aus Voreingenommenheit, Vorverurteilungen und einfach völlig falscher Vorstellungen davon, was ein Döner ist.

Ich glaube, viele von uns kennen das. Vielleicht irgendwie menschlich, so wie unser human placement, um das es gestern ging? Ich bin mittlerweile immerhin ein winzig kleines bisschen offener geworden, Neues auch einmal auszuprobieren. Und ich hoffe, dass ich das nicht mit den Jahren wieder aufgebe; Die Tante hat mir vorgelebt, offen für Veränderungen zu sein.

Let's go!

post scriptum: Wer den Titel nicht versteht - es handelt sich hierbei um eine (zugegeben schlechte) Verballhornung des Namens "Donatella Versace".

Samstag, 15. Dezember 2018

Schauspieler

Wieder einmal Psychologie...

Heute geht es mir um die Art und Weise, wie wir oft mit unseren Mitmenschen umgehen.

Wir machen uns eine Vorstellung davon, wie unser Leben aussehen soll. Wir überlegen uns, ob wir eine Familie gründen wollen, welchen Job wir haben wollen, wie unsere Wohnung wohl aussehen sollte. Die Transaktionsanalyse nennt diese Vorstellung Lebensskript, aber zu diesem Skript gehört noch viel mehr dazu als nur Kulissen für unser Leben. In dem Skript stehen auch Verhaltensweisen - wie wir unsere Mitmenschen behandeln wollen, welche Gesetze wir einhalten wollen, welche wir brechen wollen. Das tun wir nun einmal, nicht wahr, liebe Raser?

Wir machen uns ein Bild von uns selbst: Wie stelle ich mir mich selbst vor? Welche Ansichten habe ich, welche moralischen Werte, welchen Glauben? Das Lebensskript ist fast wie ein Drehbuch für einen Film, es stehen Charaktereigenschaften drin, nicht nur mich betreffend, sondern auch für die Menschen, mit denen ich zu tun haben werde.

Denn meistens haben wir ja Mitmenschen als Teil unseres Lebens. Und so fülle ich mein Lebensskript / Drehbuch mit Rollen: Ich habe eine Freundin, mit der ich extrem albern sein kann, und ich habe eine Freundin, die mich auf den Erdboden zurückholt - ach warte mal, die Rollen sind schon besetzt. Gibt es freie Rollen? Tatsächlich: Es gibt da einen Mann, mit dem ich befreundet sein kann, einen, der das mit der sexuellen Orientierung nicht so genau nimmt. Und er sollte irgendwie auch alles mitmachen, was ich vorschlage. Am besten widerspricht er mir auch nicht so viel, denn dafür habe ich ja schon die Freundinnen.

Wer diesen Blog länger verfolgt hat, wird natürlich wissen, dass das eine Rolle ist, die Er eingenommen hat. Er hat da perfekt hineingepasst, klasse, nun ist auch diese Rolle besetzt. Und so entwickelt sich mein Drehbuch ganz nach meiner Regie. Planbar, übersichtlich.

Sagt mal, Dr Hilarius, hackt es?! Glaubst Du ernsthaft, dass Du Menschen in Dein Leben lassen kannst, und dass diese sich dann auch bitteschön immer nach Deinen Vorstellungen richten - und wenn sie das vielleicht mal nicht tun, dann schaust Du dich halt um, ob Du eine neue Besetzung für die Rolle findest? So funktioniert es nicht. Du kannst nicht von Menschen erwarten, Schauspieler in Deinem Drehbuch des Lebens zu sein, über das Du durchgehend Kontrolle ausübst! Denn Menschen haben ihren eigenen Kopf, und es wird nie so sein, dass jemand vollkommen authentisch ist und gleichzeitig hundertprozentig Deine geplante Rolle erfüllt. Das wird nie klappen!

Und trotzdem ist das etwas, was wir immer wieder machen. Nicht nur ich. Wir legen in unserem Leben für unsere Mitmenschen Rollen an, quasi festgelegt ohne Improvisationsspielraum, und sind enttäuscht, wenn diese Schauspieler sich dann nicht an die Vorgaben halten. Damit machen wir uns und unseren Mitmenschen das Leben schwer, denn dann ist es kein echt gelebtes Leben mehr.

Warum schreibe ich hier darüber? Charlie Kaufmans Synecdoche, New York (2008) beschäftigt mich seit dem Ansehen vor einigen Tagen noch immer, denn der Film stellt genau diesen Sachverhalt verständlich dar. Philip Seymor Hoffman spielt einen Theaterregisseur, der einen hoch dotierten Preis erhält und mit dem Geld ein Mammutprojekt startet: Ein Theaterstück über das Leben an sich. Dazu baut er in einer gewaltigen Halle eine Stadt nach und bevölkert sie mit Charakteren - natürlich auch mit jemandem, der ihn selbst spielt und so weiter.

Im Lauf des Films verschwimmt die Grenze zwischen Theaterstück und realem Leben immer weiter (siebzehn Jahre lang proben sie ohne Publikum), und es wird uns deutlich, dass es genau das ist, was wir immer wieder tun. Das Festlegen von Rollen, in die wir dann unsere Freunde, Familie und Mitmenschen hineindrängen.

Der Film ist wirklich toll, literarisch wertvoll, und hat mich in's Nachdenken gebracht. Und dann realisiere ich, dass Er von mir in eine Rolle gedrängt wurde, die aber nicht seinem realen Ich entspricht. Und ich schäme mich fast ein bisschen dafür, dass mir das alles immer so einleuchtend erschien damals. Es muss andersherum gehen: Er sollte von sich aus in mein Leben kommen, und ich habe ihn dann nicht als Rolle im Stück, sondern als die reale Person, die Er nun mal ist. So ist es damals nicht gelaufen und die Zeit wird zeigen müssen, ob dieses zwischenmenschliche Verhältnis aus den Schuhen der Theaterrollen hinaus springen kann und das Leben so lebt, wie es wirklich ist.

Freitag, 14. Dezember 2018

UFO über Plön


Theoretisch könnte das heute ein Beitrag über Hochbegabte werden, aber ich wette, jede "stinknormale" HSP kann das nachvollziehen. Und eigentlich überhaupt jeder Autofahrer.

Denn es geht um das Autofahren. Das ist ein Teil meines Lebens geworden, spätestens seit meiner Anstellung an der Nordseeschule in St.Peter-Ording. Jeden Morgen ging es ganz früh los, Tasche in den Kofferraum geworfen - bzw. damals noch auf den Beifahrersitz, der jetzt mit meinem MusicMan besetzt ist - je nach Jahreszeit erstmal die nötigen Einstellungen gegen die Kälte treffen, und los ging es.

Ich finde es toll, eine Fahrstrecke zu meinem Arbeitsplatz zu haben. Ich habe gemerkt, dass die perfekte Fahrzeit so um die dreißig Minuten liegt, eher ein bisschen mehr. Ich nutze diese Zeit, um nach dem drömeligen Aufstehen klarer im Kopf zu werden, was im Winter durch die Kälte besonders gut klappt. Ich gehe meinen geplanten Unterricht im Kopf durch, ich habe genug Zeit, um meinen Schultag nochmal durchzuüben. So steige ich nun in Plön aus meinem Auto aus und fühle mich bereit für die Schule, für die Kollegen, für meine Schüler. So fällt es mir viel leichter, das Lächeln aufzusetzen, für den Gang durch die Schulflure (auch wenn manchen diese scheiß Fröhlichkeit auf den Geist gehen kann, und damit meine ich diesmal ausnahmsweise nicht die Sannitanic).

Und nach dem Unterricht? Wunderbar, das ist quasi eine Mini-Meditation, ich fahre zurück und kann alles, was ich am Vormittag erlebt habe, noch einmal durchgehen, verarbeiten, auswerten. "Aber du musst doch auf die Straße achten!" Ist richtig, aber das klappt. Das Erlebte fährt sozusagen als Film im Hintergrund in meinem Kopf mit. Geht gar nicht anders: Ich kann nicht nicht denken. Und auf diese Weise habe ich die abendliche Meditation schon einmal vorentlastet (witzig, bevor ich in's Referendariat gegangen bin, hatte ich noch die den Ausdruck Vorentlastung gehört, und nun kann ich ihn mir nicht mehr wegdenken. Das ist fast wie Die Schüler da abholen, wo sie stehen).

In der SPO-Phase hatte ich meistens das Radio an, wenn ich im Auto unterwegs war. DrH war ein treuer R.SH-Hörer, und das hatte zwei Vorteile: Zum einen wurde ich mit Mainstream-Musik versorgt. Das war hilfreich, um bei den Schülern mal ein bisschen mitreden zu können, denn das ist gar nicht so leicht, wenn man fast nur noch Downtempo hört. Zum anderen war es toll, von den Sprechern begrüßt zu werden. Die Stimmen wurden mir schnell vertraut, der Humor auch, und auch die Zeiten der einzelnen Radioprogramme hatte ich schnell im Kopf. Wenn ich in's Auto gestiegen bin und das Radio eingeschaltet habe, hat es sich angefühlt, als würde ich gute Freunde neben mir in der Karre haben - als wäre ich ein Teil ihrer Gesprächsrunde, und das hat sich toll angefühlt. Das hat alles zur Entspannung beigetragen. Aber warum ist mir Entspannung bei der Autofahrt so wichtig?

Ich bin in diesem Schuljahr immer erst zur dritten Stunde in der Schule. So kann ich etwas länger schlafen, und wenn ich auf die B-Sechsundsiebzig einbiege (eine Straße, die bald ihren eigenen Eintrag verdient, und zwar etwas ausführlicher als meine damalige Raserei), ist es bereits hell draußen und der Berufsverkehr hat seine Hauptzeit beendet. Herrlich entspannend, das kenne ich irgendwie so gar nicht. Es geht nämlich auch unentspannt - zum Beispiel, wenn es so läuft, wie in dieser Woche.

Haufenweise Stundenplanänderungen - was angesichts der Jahreszeit nicht verwundert - verlangen, dass ich zur ersten Stunde in Plön sein soll. Kein Problem, Wecker früher gestellt, Tagesrhythmus lässt sich allerdings nicht so schnell umstellen, und so steige ich noch recht dösig in's Auto. Draußen alles dunkel. Schwarz. Sonne? Nosirree! Und auf einmal ist der Blick durch die Windschutzscheibe völlig anders. Etwas, das ich lange nicht mehr gesehen habe: Es ist stockfinster, und die Straße ist nicht gerade hell beleuchtet, wenn man Schwentinental erst einmal verlassen hat. Hinzu kommt, dass jetzt der Berufsverkehr auf vollen Touren trötet: Unzählige Pendler fahren nach Kiel zu ihrer Arbeit, fast pausenlos blicke ich ihre Frontscheinwerfer an, ein Auto nach dem anderen. Draußen alles schwarz, nur die Scheinwerfer knallen mir entgegen.

Und wenn man dann halt ein bisschen HSP mit sich trägt, dann ist das verdammt anstrengend für die Augen. Den Rückspiegel habe ich bereits umgeklappt, damit es von dort nicht auch noch blendet, aber das Dauerfeuer der entgegenkommenden Lampen verunsichert mich, und ich kann in der Dunkelheit leider nicht ein einziges dieser Lichter aus meiner Wahrnehmung ausblenden. Die Nacht wirkt noch schwärzer als sowieso schon, ich sehe außer den Frontlampen der Autos nichts mehr. Mit Müh' und Not noch die Straßenmarkierun... ach ne, ist ja die B-Sechsundsiebzig, da sind Fahrbahnmarkierungen ein echter Luxus.

Und dann kommt ein Anblick, der mich vollkommen verwirrt, und ich überlege fast, an die Bushaltestelle zu fahren und kurz zu pausieren. Für eine Weile kommen mir gerade keine Autos mehr entgegen, es ist also alles schwarz draußen, wohin ich nur sehe. Nur ein leuchtendes Objekt schwebt höher, als es das eigentlich sollte. Wie kann das sein? Alles schwarz, nur ein beleuchtetes UFO so weit oben? Habe ich irgendeine Abfahrt verpasst und fahre gerade in die Twilight Zone?

Nein, natürlich nicht. Es ist das Schloss Plön, das im Dunklen immer beleuchtet wird. Es steht hoch auf einem Hügel; kombiniert mit dem Umstand, dass man gerade in weiter Entfernung bergab fährt, wenn man es sieht, wirkt es für einen kurzen Moment tatsächlich wie ein UFO. Seit Dienstag bekomme ich das Bild nicht mehr aus meinem Kopf, und irgendwie muss ich mir immer vorstellen, dass da tatsächlich ein UFO über dem Gymnasium Schloss Plön schwebt und Außerirdische die Schulleiterin Anne Paulsen entführen wollen. Ich habe keine Ahnung, wie ich auf diese Idee (bzw. gerade diese Person) komme. Aber es ist ein echtes Erlebnis, das UFO über Plön morgens im Dunklen zu erleben.

post scriptum: Ich HASSE Menschen in der Weihnachtszeit. Wie sie den Weihnachtsmarkt überfluten und ich nicht mehr durch die Nase atmen kann wegen der unzähligen, viel zu intensiven Gerüche. Wie sie zu zweit den halben Sophienhof blockieren, so dass man nicht mehr vorbeikommt, und im Schneckentempo wandern, ohne Vorwarnung stehenbleiben und plötzlich wirklich den gesamten Weg blockieren. Wie sie tonnenweise Sachen einkaufen müssen, denn nach Weihnachten wird es nie wieder was geben, und deswegen Kassenmarathonwarten angesagt ist. Wie sie nur auf sich bedacht sind, oder vielleicht noch auf die Stimmen in ihren Kopf a.k.a. Handy, auf das sie ununterbrochen schauen, während sie in mich hineinrennen, usw...

Donnerstag, 13. Dezember 2018

Manchmal ist Glück...

Anders.


Manchmal ist Glück ein Mensch, der Dich spüren lässt, dass Du OK bist.

post scriptum: Ich habe heute "The Jungle Book" (2016) gesehen, das ist Disneys "Real"verfilmung der Geschichte von Rudyard Kipling. Mir ist dabei bewusst geworden, dass ich den Film noch nie gesehen hatte, auch keine der anderen Verfilmungen, und auch das Buch nie gelesen hatte, aber trotzdem die Namen "Shere Khan", "King Louie", "Baloo the Bear" und noch weitere kannte, als wäre ich bestens mit ihnen vertraut. Liegt zum einen daran, wie weit verbreitet das Dschungelbuch ist - und ich finde, es ist ein schöner Kinderfilm, die heutige Version ist atemberaubend; toll, was mit der heutigen Technik alles möglich ist. Zum anderen liegt es an einer Animationsserie, die ich in meiner Kindheit und Jugend geliebt habe, "TaleSpin", ebenfalls von Disney, die ein paar Charaktere aus dem Dschungelbuch zu ihren Protagonisten gemacht hat. In Deutschland hieß das Ganze damals "Käpt'n Balu und seine tollkühne Crew", und ich bin froh, dass ich die Serie in meiner Videothek habe.

Mittwoch, 12. Dezember 2018

"Voll Schluss Digger!"

"Schluss ist erst, wenn ich das sage!"

Es wäre sehr einfach, jetzt einen Artikel zu schreiben über die Sprache der Jugendlichen heute. So wie das immer wieder ein beliebtes Thema ist für Ältere, die sich darüber aufregen wollen. Und für Lehrer, denen der Jugendsprech teilweise nur noch peinlich ist. Heute aber war es andersrum, ich war ziemlich froh, als ich den Satz am Ende meines Schultages gehört habe, denn auch ich hatte in dem Moment Schluss. Bzw., ich hatte "voll Schluss", wie der Schüler meinte. Voll gut? Voll peinlich? Voll Schluss Digger!

Haben wir damals auch so gesprochen? Klar, Bro und Sachen wie !!!!eins!!elf drölf hatten wir nicht, aber wir hatten Alter! und fett! und Boah Ey! - und natürlich fanden die meisten von uns das damals geil. Ich finde es faszinierend, jetzt, da ich mit älteren Schülern arbeite, zu sehen, für wie cool sie sich halten. Ein echter Mann, eine echte Frau, jetzt mit Führerschein und Nebenjob... dreht sich die Welt meistens immer noch nur um mich selbst. Ich finde diese Menschen viel spannender als Kinder in der Orientierungsstufe. Jetzt kommt Sex, Führerschein, Drogen, und das stellt was mit den Leuten an. Meine Zielgruppe, könnte ich mir vorstellen.

Und weil ich heute einen Zeitreise-Film gesehen habe (Predestination, 2014, kostenlos auf Amazon prime), frage ich mich, ob ich - wenn ich die Möglichkeit hätte - für eine Woche wieder jugendlich würde sein wollen. Und ich habe mich dagegen entschieden, denn ich frage mich, was es nützt, in Nostalgie zu schwelgen. Das habe ich oft genug gemacht, ich möchte lieber in die Zukunft schauen und mir ein tolles Leben im Hier und Jetzt gestalten.

Wir hatten heute die Vokabel the elderly - "ältere Menschen", und die Schüler meinten, dass Menschen ab dreißig als alt gelten. Ich bin also quasi tot. Und fand es faszinierend, wie wenig manche Schüler älter werden wollen. Wie sehr sie davor Angst haben - lieber cool sein, "Voll Schluss Digger!" durch den Schulflur grölen, ewig jung und unbesiegbar sein.

Hattet Ihr einmal Angst vor dem Älterwerden?

Samstag, 8. Dezember 2018

Damals, im Studium...

Ein bisschen Unkonventionalität aus dem Studium habe ich mir behalten.

Gestern habe ich mir endlich Charlie Kaufmans Synecdoche, New York (2008) angeschaut. "Endlich", weil Roger Ebert in den allerhöchsten Tönen darüber geschrieben hat und weil mir die Wikipedia erklärt, dass der Film polarisiert. Das ist eine interessante Kombination, so wie zum Beispiel auch bei Cloud Atlas (2012). Der Titel deutet schon ein gewisses literarisches Niveau an, und Kaufman scheint ein Händchen für anspruchsvolle Filmskripte zu haben - für Eternal Sunshine Of The Spotless Mind (2004) hat er damals den Academy Award bekommen.

Es geht mir heute gar nicht so sehr um den Film - der sollte zu einem anderen Zeitpunkt die verdiente Aufmerksamkeit bekommen - sondern um einen der Gedankenzüge, die er gestartet hat. Es hat ein kleines bisschen gedauert, bis ich realisiert hatte, dass es sich dabei um einen postmodernen Film handelt. Spätestens, als ein ununterbrochen brennendes Haus einen neuen Mieter gefunden hat, war das aber klar. Postmoderne kann frustrierend sein, unverständlich, skurril, absurd. Ich verstehe, dass es Kritiker gibt, die den Film deprimierend und unverständlich genannt haben. Ich habe mich köstlich amüsiert, und das hat mich erinnert...

...an damals, im Studium, als ich mein Interesse an postmoderner amerikanischer Literatur entdeckte. Das kam erst im Hauptstudium, davor fand ich diese Bücher unverständlich, komisch, konnte mich nicht damit arrangieren, dass ich nicht sofort alles verstanden habe. Dann habe ich gelernt, dass man nicht alles verstehen muss, konnte loslassen, und habe irgendwann Thomas Pynchons Roman The Crying Of Lot 49 zu einem meiner Lieblingsromane gekürt. Muss wohl so gewesen sein, denn daher hat dieser Blog seinen Namen.

Und ich habe mich erinnert an diese tolle Zeit, in der ich abgefahrene Literatur kennenlernen wollte, nicht der ganze normale Kram, es musste schon etwas spezieller sein. Dr Jens-Peter Becker und Prof Dr Konrad Groß haben in ihren Vorlesungen und Seminaren mein Interesse für das Ungewöhnliche angefeuert. Das war die Zeit, in der ich ernsthaft überlegt habe, an der Universität zu bleiben, und mich weiter mit postmoderner Literatur auseinanderzusetzen. Ich hatte mich gefühlt, als sei ich in literarische Höhen aufgestiegen, Paul Auster war kein Fremder mehr, auch Kathy Acker hat es in mein Regal geschafft, zusammen mit Tom Robbins und Philip Roth (dessen Portnoy's Complaint ich immens unterhaltsam fand).

Und mit all' diesem Wissen, mit all' diesem literarischen Anspruch - kam ich dann in eine neunte Klasse eines Gymnasiums. Jeder, der studiert hat und dann an die Schule gegangen ist, weiß, worauf ich damit anspiele. Postmoderne Literatur mit Schülern? Never! Okay, damit hatte ich schon ein bisschen gerechnet (ich wusste damals noch nicht, was die intellektuelle Norm ist), aber es ging noch viel weiter runter. Bis ganz nach unten - in den Abiturjahrgang, in dem man noch immer erklären musste he, she, it, the -s must fit.

Das ist jetzt ungefähr sieben Jahre her. Ich mache an den Schulen so gut wie nichts von dem, was ich damals an der Uni so faszinierend fand. Aber das Schöne: Ich bin darüber nicht unglücklich, die Arbeit macht Spaß, ich liebe es, Pädagoge zu sein. Aber Synecdoche, New York hat mir für zwei Stunden eine Phase in Erinnerung gerufen, die ich sehr genossen habe, und das war ein tolles Erlebnis.

post scriptum: Wenn die noch relativ junge Kollegin in der Schule, Pädagogin?, mich sorgfältig distanziert aufgrund meines Erscheinungsbildes wie einen asozialen Vollidioten behandelt, die ältere Dame bei LIDL mit ihrem Rollator und sechs Teilen mich aber an der Kasse freundlich lächelnd fragt, ob ich vorgehen möchte, dann stimmt mich das...

Freitag, 7. Dezember 2018

Do you like ESSEN?

a a a a a a a a a a a a a a a

Berufsfachschule III, Wirtschaft
Schwerpunkt Informatik, Oberstufe, Englisch
Task: Create an advertisement for a German city of your choice, following the AIDA-principle (attract Attention, create Interest, create Desire, call to Action).

I love creative tasks, and these two results almost had me die of laughter - I love them! However, this is just proof of my sick humor - das sagt nichts über die endgültige Bewertung aus. Ich bin mir bewusst, dass manche Menschen diese Anzeigen nicht besonders geglückt finden - but these are really original and deserve some attention.

This one nearly killed me (besonders der "Wir sind das Volk"-Typ): 

Donnerstag, 6. Dezember 2018

12/06

HB-Gehirn sagt: Geistergeschichten sind interessanter als Korrekturen, Rechnungen, Briefe, Essen, Aufräumen...

12/06

Ich schreibe das heutige Datum in die obere rechte Ecke des Whiteboards, und mir wird bewusst, dass ich die Zeit der Tafeln und Kreiden hinter mir gelassen habe. Und ich finde das gar nicht schlecht, weniger Staub, magnetische Wisch-Schwämme, trocknet die Hände nicht aus. Natürlich schreibe ich das Datum im amerikanischen Format - erst der Monat, dann der Tag, und ein Schüler erkennt das und ruft: "Hey Dr H, heute ist Nikolaus!" Ach, da war ja was.

Nikolaus ist vollkommen aus meinem Bewusstsein verschwunden. Das liegt zum einen daran, dass ich mit der Kirche wirklich nichts mehr zu tun habe (nie hatte), zum anderen aber auch an der gedanklichen Überforderung seit einigen Tagen. Ich glaube, das ist ein Problem der Hochbegabten: So viel zu tun, womit soll ich nur anfangen? Home Improvement ist angesagt, ich habe eine neue Tischlampe, die Wohnungstür mit einem neuen Cover versehen (Aufkleber), die Klassenarbeiten, die in zwei Wochen anstehen, erstellen, Projektmappen der Schüler durchsehen, ach herrje, und da kommt Post, Nikolausbrief von meinen Eltern, und ich kann mich gerade noch nichtmal freuen, weil es immer mehr wird: Auf dem Tisch wartet endlich der Film Synecdoche, New York auf mich, ist morgen dran, und dann könnte ich auch mal das Bad putzen und überhaupt.

Der Nikolausbrief liegt immer noch ungeöffnet neben mir. Weil ich ja auf den richtigen Moment dazu warten muss. Weil ich Angst habe, dass doch etwas Anderes drin ist. Muss alles stimmen, bevor ich meine Post öffne - das ist behindert. Und dann esse ich etwas, und anstatt das Geschirr wegzuräumen, lasse ich es an Ort und Stelle stehen. Ich bekomme das noch nicht einmal mit, weil mein Gehirn schon im Wochenende ist, auf das neue Videospiel wartet - drei, vier Schritte weiter. Hochbegabte kennen das. Ich merke das mit dem Geschirr erst, als ein Schatten über meine Wand huscht: Eine Fliege krabbelt über die Lampe, angelockt durch Essensreste (erinnert mich an Aronofskys Film Pi).

Es ist immer wieder faszinierend, wie sehr ich mich selbst lähmen kann. Anstatt einfach mit etwas anzufangen, überlege ich, welche Reihenfolge optimal ist. Und ich komme zu keinem Schluss. Geschirr bleibt stehen, Türaufkleber ist erst zu einem Drittel angebracht, Projektmappen liegen unbesehen herum. Briefe bleiben geschlossen, Freunde müssen auf Antworten in den sozialen Netzwerken warten, weil Dr H mal wieder in geistiger Quarantäne verweilt. Ich wusste, dass die neue Schule ein Einschnitt im Leben wird, war bei jeder Schule so, aber das mit der Schulart - es ist, als ob ich eine neue, andere Welt entdecke. Input ohne Ende, Meditationen waren noch nie so hilfreich und angenehm.

Ich glaube, ich möchte mir endlich einen Alltag einrichten - weil endlich die Chance besteht. Aber in diesen sieben Jahren Schulwechsel bin ich so weit von der Bahn abgekommen, dass es eine anstrengende Arbeit wird. Und Norman Bates zu beobachten, gibt mir etwas Sicherheit und Ruhe, ausgerechnet.

Alles so aufregend...

Sonntag, 2. Dezember 2018

Im Blog verlaufen


Nun ist es fast drei Jahre her, dass ich angefangen habe, diesen Blog zu schreiben. Ich war damals arbeitslos und brauchte irgendeine Beschäftigung, etwas, was mir Regelmäßigkeit im Alltag geben würde. Und so habe ich angefangen, meine Gedanken in Worte zu fassen und in die weite Welt zu schicken, als würden sie wirklich jemanden interessieren.

In dieser Zeit sind mehrere Hundert Beiträge zusammengekommen, und hin und wieder nehme ich mir mein Tablet zur Hand, gehe in die Sitzecke und stöbere ein bisschen durch die Archive. Ausgangspunkt sind oft die Thema-Beiträge links, und dann oftmals die tags am Ende der Beiträge. Das ist fast wie Gedankenassoziationen, ich drifte dabei von einem Thema zum anderen, immer wieder zwischen Zwosechzehn und heute hin und her.

Ich kann mich dabei richtig verlaufen, die Zeit verlieren, nostalgisch werden. Unschöne Punkte wiedererleben - Vertragsende, Liebeskummer - schöne Erlebnisse - Reisen, neue Schulen - und auch skurrile Momente, und irgendwie findet man diese Mischung auch auf diesen Seiten wieder. Und ratzfatz waren zwei Stunden um.

Das ist wirklich mal eine Alternative zum klassischen Tagebuch und ich hätte tatsächlich nicht gedacht, dass ich selbst so viel Spaß beim Stöbern hätte - von den Geschichten-Beiträgen mal abgesehen, die haben ja in der Regel ein Rad ab. Und Euer Feedback gibt mir immer wieder neue Denkimpulse zum Weiterschreiben - vielen Dank dafür.

Auf weitere Jahre verrückter Zeiten - Hilarius Times!

post scriptum: "A watched pot of milk..." - vielleicht sollte ich mich nicht dem Schreiben zuwenden, währen im Hintergrund der Milchtopf auf der Kochplatte dampft. Mal wieder sehr talentfrei, Dr Hilarius!

Samstag, 1. Dezember 2018

Ich bin die Hildegard!

Zeit zum Bingen!

Zu meiner Anfangszeit bei den Saturnalien war Hildegard von Bingen im Fach der Mittel- und Neulateinischen Philologie gern als Schutzheilige des Fernsehens veralbert worden. Ich fand das wohl grandios, sonst würde ich mir das nicht bis heute gemerkt haben.

Die große Buba und ich vergleichen gern unser TV-Verhalten. Was schauen wir uns bevorzugt an? Ich Filme, sie TV-Serien. Ich Horror, SciFi, psychological drama, sie RomCom, Satire, Positives. Besonders die Unterscheidung mit Serien und Filmen finde ich spannend, und ich habe in einem vorangegangenen Beitrag ja schon etwas über mein Serienverhalten geschrieben - dass ich eher Filme bevorzuge, aber wenn ich erst einmal mit einer Serie angefangen habe, die mich interessiert, dann werde ich tatsächlich zur Hildegard von Bingen.

Und zwar nicht von Bingen, sondern eher englisch von bingen, denn dann ziehe ich die Folgen ratzfatz durch, kann nachts um zwei Uhr nicht abschalten, kann keine Cliffhanger ungelöst lassen. Ist ja nunmal so bei diesen düsteren suspense-Sachen - die halten mich bei der Stange. Und so habe ich nun an drei Tagen die erste Staffel Bates Motel durchgeschaut, knapp siebeneinhalb Stunden "Spaß", und kann gar nicht genug von dieser Beziehung zwischen Norman Bates und seiner Mutter bekommen. Das sind die beiden aus Hitchcocks Psycho (1960). Die Serie hat genau den rabenschwarzen Humor, den ich liebe, und ich glaube, ich werde die restlichen vier Staffeln auch noch recht zügig durchbingen, denn ich bin die Hildegard!

post scriptum: Warum interessiere ich mich eigentlich immer für so kranke Charaktere? Menschen, deren Verhalten sich mir nicht auf Anhieb erschließt? Oder deren Verhalten so verdorben ist, dass ich einfach nicht wegschauen kann? Meilenweit ab vom Mainstream, in einer kleinen Nische, in der ich zufrieden grinsend zuschaue, wie Norman Bates und seine Mutter... Ihr kennt die Story.

Normal scheint echt zu langweilig geworden zu sein. Hat ja auch einen Grund, dass die Hauptfiguren Norman und Norma Bates heißen. Und vielleicht ist es schön, hin und wieder Menschen zu beobachten, die auch so schräg und durchgeknallt sind wie ich. 

paulo post scriptum: Verpasst nicht den Beitrag von gestern, den ich erst nachts gepostet habe - tut mir Leid, das ging nicht früher!

Freitag, 30. November 2018

Zweiundzwanzig zweiundzwanzig

Manchmal herrscht Sturm im Kopf und ich kann mich auch nach fast zwei Stunden durchgehender Meditation nicht auf ein Thema festlegen...

Wenn ich mich auf die meditative Gedankenreise begebe, ist es komplett dunkel in der Wohnung. Nachdem meine Augen dann etwa eine Stunde kein Licht mehr gesehen haben, ist es spannend, am Ende die Augen zu öffnen und zu erleben, was ich im Dunklen alles sehen kann. Heute habe ich groß und rot 22:22 gesehen: Mittlerweile ist meine Wohnung so konfiguriert, dass ich bei der Meditation jederzeit, falls nötig, die Uhrzeit sehen kann, ohne meinen Kopf dafür bewegen zu müssen (Projektorlampen sind toll).

Normalerweise steht dann da etwa 19:30. Dass es heute deutlich später war, hat diverse Gründe, und ich würde am liebsten alles hier in einem Gedankengulasch erklären. Und weil das hier mein Blog ist, mache ich das auch. Ich werde aber die einzelnen Blöcke mit Überschriften versehen, falls jemand skippen möchte.

Schule in Preetz???

Ich fange bei der Schule an, denn die heutige Dienstversammlung ist der Grund für zwei der drei Stunden Verspätung - die dritte Stunde erklärt sich durch die Filmauswahl. Ich hatte natürlich wieder Panik, denn ich musste an einen unbekannten Ort fahren. Während ich derzeit meine Schulzeit in der Hauptstelle der Schule in Plön verbringe, sollte es heute zur Außenfiliale in Preetz gehen. Wie komme ich dahin? Wie viel Zeit brauche ich? Blockiere ich irgendwelche Autofahrer, weil ich dann so langsam durch Preetz fahre? Ach herrje, in Preetz war ja das Friedrich-Schiller-Gymnasium, das mir damals die kreative Absage geschickt hatte, dass man offen für frischen Wind sei, er müsse nur in einer für sie erträglichen Windstärke pusten. Heute, Jahre später, bin ich froh über diese Antwort, denn ich wäre wirklich keine geeignete Lehrkraft für das FSG gewesen.

Naja, jedenfalls war es meine erste Dienstversammlung an einer neuen Schulform, und das war für mich durchaus ziemlich aufregend. Worüber spricht man wohl an der Berufsschule bei so einer Konferenz? Ganz viel Input und Reaktionen gesammelt, und dann musste ich auch noch den Weg zur B76 zurück finden und hatte Angst, mich vollkommen zu verfahren. "Fahr' doch einfach hinter einem Kollegen her", sagt Klaus, die Laus. Das mag ich aber nicht, denn: Ich halte mich an die Höchstgeschwindigkeiten, und ich habe keine Lust, mir dann Vorwürfe machen zu lassen, ich sei ja so langsam gefahren. Alles schon gehabt, danke, Bedarf gedeckt.

Aber es war wirklich spannend, den Altersdurchschnitt zu sehen, die Kollegen aus den anderen Zweigstellen, die "Sitzordnung", sowas alles. Ich habe mich neben den Kollegen aus unserer Abteilung gesetzt, der bisher immer die "Ich bin OK, du bist OK"-Ausstrahlung hatte. (Transaktionsanalytiker an die Front!) Das hat mir die Angst vor diesem völlig unbekannten Ort, an dem so viele unbekannte Menschen waren, etwas genommen. War insgesamt ein echtes Erlebnis!


 "Ich habe sie gerochen!"

Und ich war zu dem Zeitpunkt auch schon ein wenig durch eine Stunde in einer großartigen Klasse beruhigt, denn in jener Stunde fiel zum ersten Mal ein Thema, das früher oder später jeder einmal anmerkt.

Dr H: "Ach, ich hätte den Rechner ja auch schon eingeschaltet lassen können, ich war vorhin schon mit einer anderen Klasse hier im Raum."
S: "Das habe ich mir schon gedacht!"
Dr H: "Hast du auf meinen Stundenplan geschaut, oder wie?"
S: "Nein, ich habe sie gerochen!"

Und ich war gleichzeitig total stolz, dass ein Schüler die Chuzpe hat, sowas auszusprechen, und total happy, dass meine "Duftmarke" an der Schule angekommen ist. Ich mache das ja nicht, um jemanden zu ärgern. Es ist nur einfach so, dass es in meiner Wohnung immer nach Räucherstäbchen riecht, meistens Adlerholz, gern aber auch Variationen. Und nach den Erfahrungen, die ich bisher gesammelt habe, scheint das kein sehr unangenehmer Duft zu sein, also schäme ich mich dafür mittlerweile auch nicht mehr (ja, war tatsächlich mal so).


Altered States 

Eine kleine Anmerkung zum gestrigen Film muss noch sein, der scheint mich tatsächlich nicht so einfach loszulassen. Er hat wirklich gute Kritiken bekommen; besonders überrascht war ich vom Lexikon des internationalen Films, das ich für sehr konservative Standpunkte kennengelernt habe. Hätte nicht gedacht, dass ein Film über psychedelische Substanzen ausgerechnet von jener Seite als intelligenter Horrorfilm bezeichnet wurde. Und, so ehrlich muss man sein, seine beiden Oscarnominierungen (Sounddesign) hat er sich redlich verdient.

Wer vielleicht bei den kommenden Academy Awards im März Berücksichtigung finden wird, ist der Film Mandy, ganz frisch im September herausgebracht worden: Der Plot mag banal sein, nichts Originelles und so, aber das ist wirklich mal ein Fall von slash with panache, der hat Stil: Das Sounddesign ist sensationell, und die visuelle Gestaltung ist so gewagt, dass ich mich direkt an Dario Argentos Suspiria (1977) erinnert gefühlt habe - einen Film, den ich als Kunstwerk immer wieder gern genieße. Laut Wikipedia wird Mandy als psychedelic horror kategorisiert - aber egal, wie man es versucht, man kann diesen Film nicht beschreiben, man muss ihn erleben. WENN man sich denn für bewusstseinserweiternde Substanzen interessiert. War also heute eher durch Zufall ein echter Volltreffer! Und auch wieder: Bei den Kritikern sehr gut angekommen, Mainstream war nicht so begeistert.

Was bleibt?

Die Feststellung, dass der heutige Tag sehr viele Gedanknzüge in Bewegung gebracht hat - und nicht nur positive; so langsam bekomme ich die Reservierungen manch' einer kollegialen Lehrkraft zu spüren. Aber egal, das war an jeder Schule so. Es erfordert wesentlich weniger Denkarbeit, Dr Hilarius in die Schublade Unerfahrener Rowdy, direkt von der Uni, hat keine Ahnung, wie Schule funktioniert, ist in ein paar Wochen eh' wieder weg zu stecken. Ist ja auch alles in Ordnung, ich provoziere das ja auch (immer mit dem Ziel eines Erkenntnisgewinns). Das Einzige, womit ich wirklich Probleme habe, ist, wenn Menschen mich behandeln, als wäre ich dumm. Damit kann ich bisher noch nicht so gut umgehen - aber interessanterweise wird mir ausgerechnet der Buddhismus da raushelfen, da bin ich mir sicher.

Kommt gut in's Wochenende, Leute! Wobei, der Artikel erscheint spät, der wird wohl frühestens am Samstag gelesen werden, also hoffe ich, dass Ihr gut im Wochenende gelandet seid ;-)

Donnerstag, 29. November 2018

bewusstseinsverändernd


Das könnte wieder so ein Artikel werden, mit dem ich mich aus dem Fenster lehne. Vom Typ "Darüber kannst du doch nicht öffentlich schreiben!" - einer dieser Beiträge, die gerne mal wohlmeinende Ratschläge von Kollegen nach sich ziehen.

Ich bin sehr neugierig. Das wird mir zur Zeit besonders dadurch bewusst, dass ich Videospiele meistens nur noch ein Mal spiele. Früher war das anders, und ich weiß nicht, wie oft ich Secret of Mana schon gespielt habe. Mittlerweile brauche ich Neues. Ich möchte neue Welten entdecken, neue Monster plattmachen, neue Gruselgeschichten erleben.

Einen vorläufigen Höhepunkt hatte meine Neugier im Studium, als ich mich dafür interessiert habe, die verborgenen Ecken meines Geistes kennenzulernen. Über psychedelische Substanzen habe ich schon einmal geschrieben. Ich wollte im Studium mehr kennenlernen... die Neugier hat sich nicht davon abhalten lassen, mich mit Psychedelika flirten zu lassen. Natürlich immer nach dem Konzept der Drogenmündigkeit.

Ich habe viele Türen in meinem Kopf geöffnet und viele bereichernde Erfahrungen gesammelt. Irgendwann kam dann allerdings der Wunsch, wieder in geraden Linien zu denken, einen Alltag zu haben, bei den gewohnten Denkmustern zu bleiben. Dazu kommt dann die berufliche Situation, von einer Schule zur anderen, da war ich einfach nicht mehr bereit für so ein Abenteuer. Das Mindset muss stimmen.

Ich wurde heute daran erinnert, durch einen Film, der sich um einen Wissenschaftler dreht, der nicht nur bewusstseinsveränderte Zustände im Kopf erleben möchte, sondern einen Hinweis darauf bekommt, dass diese Veränderungen auch außerhalb des Gehirns auftauchen können. Wenngleich ich diese "Externalisierung" der Gedanken recht albern fand, so hat der Film doch einen recht authentischen Blick geworfen auf eine Zeit nach den Sechzigern - man war offen für alles, Sex, Drogen, Liebe, naja, Ihr kennt das ja.

Abgesehen von meinen kleinen Meckereien fand ich den Film wirklich gut, ich habe mich intensiv an diese Phase im Studium erinnert gefühlt. Es handelt sich um Altered States (1981), der in Deutschland den völlig bescheuerten Titel Der Höllentrip bekommen hat, muss wohl der Versuch gewesen sein, möglichst viele Jugendliche an die Kinokassen zu locken. Es ist schwierig, den Film in einem einzelnen Gernre zu verorten - ich würde sagen, dass Science Fiction am besten passt.

Wer also eine Idee bekommen möchte, was man mit Psychedelika erleben kann, sollte sich das einmal anschauen. Idealerweise mit Surroundsound, das lohnt sich bei dem Effekt-Feuerwerk. Und ich? Ich muss zugeben, dass der Film die Neugier in mir wieder ein bisschen weckt. Allerdings habe ich nicht vor, Illegales zu tun - und da viele psychedelischen Substanzen dem BtmG unterstellt sind, ist das außer Reichweite.

Aber ich bleibe neugierig!

Mittwoch, 28. November 2018

Bürokratiergehege 5: Du niemals Teig

So ein charmanter junger Mann... in der unteren Hälfte. Des Textes!

Ich habe mich in diesem Blog schon mehrfach über den deutschen Wahn nach Bürokratie ausgelassen, zum Beispiel im Beitrag über das Bürokratiergehege. Es ging dabei in der Regel um meine Erlebnisse mit dem Arbeitsamt, Arbeitgeber, Vermieter, Kirchenbüro, Finanzamt, alles, was mit Papierkram zu tun hat, den ich hasse; kein Wunder also, dass ich immer auf der unbürokratischen Seite stand.

Bis heute, und deswegen steht da auch du niemals teig, was die große Buba sofort entschlüsseln kann. Ja, es scheint tatsächlich anders zu kommen, als man denkt, denn jetzt stehe ich auf der Seite der Bürokratie und muss Schüler darin ausbilden, vernünftige, formal richtige Geschäftsbriefe zu schreiben. Sie lernen, dass sie ihren Namen im Absenderfeld nicht schreiben dürfen, sondern nur unter dem Brieftext, und andere Kleinigkeiten, die eine Wirtschaft eben so einfordert, die auf Aussehen, Wirkung und Effizienz bedacht ist.

Das ist nicht ganz vereinbar mit dem Lehrer, der ich einst war, der sich über jede Schülerleistung gefreut hat - und deswegen vermutlich hier und da auch zu gute Noten gegeben hat. Wird Zeit, dass ich etwas härter durchgreife - ausgerechnet bei Schülern, von denen man denkt, dass man sie nicht mehr wie Kleinkinder behandeln muss.

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Norman Bates fand ich schon neunzehnhundertsechzig süß, als er seinen großen Auftritt in Alfred Hitchcocks Psycho hatte. Bisschen verpeilt, schüchtern, quirky, irgendwie einfach niedlich. Scheinbar so sehr, dass ich mich zur Zeit einer "neuen" Fernsehserie zuwende - Bates Motel.

Dabei bin ich doch eigentlich gar nicht der Typ für Serien. Bingewatching? Nie von gehört! Okay, vielleicht habe ich sechs Staffeln Xena - Warrior Princess gebingt. Und elf Staffeln The X-Files, und meinetwegen auch noch drei Staffeln Twin Peaks. Und drei Staffeln Ash vs. Evil Dead. Und diverse Zeichentrickserien. Und... ach, scheiß drauf, ja okay, wenn ich mich erst einmal für eine Serie begeistern kann, kann ich damit gar nicht aufhören.

Und so habe ich nun angefangen, mich durch fünf Staffeln Bates Motel zu arbeiten, um einen Blick auf Norman Bates' Jugend zu werfen, und das... faszinierende Verhältnis zu seiner Mutter.

Irgendwas muss es sein, was mich an schrägen Charakteren fesselt. Vielleicht ja auch der "Trost", dass ich mich dann damit nicht so allein fühle.

Oh, und wer die Serie kennt: Bloß nichts spoilern! Erst wenn ich komplett durch bin, also ein, zwei Tage könnte das noch dauern ;-)