Donnerstag, 28. April 2016

Aber bitte mit Appretur!

Heutiger Post erinnert mich an "Liebe beim Weichspülen" aus dem Film Die Teufelin und bringt mich zum Schmunzeln.

Wir lernen ein neues Wort, und zwar appretieren, bzw. Appretur. Nun gut, vermutlich bin ich der Einzige, der das noch nicht kannte. Im Prinzip ist es das Gegenteil von Weichspülen. Also - Hartspülen, sozusagen. Stärken. Was ist das und warum mache ich das?

Es geht um Handtücher. Scheinbar drängt die Fernsehwerbung einen unerbittlich, den weichsten Weichspüler für die sanfteste Wäsche zu nutzen. Ich mag das auch, meine normalen Handtücher im Bad sind alle weichgespült, weil es sich auf der Haut besser anfühlt. Aber jetzt kommt wieder der Hochbegabten-Tick, der da sagt: Genau andersrum! Teste doch einfach mal, wie es sich anfühlt, wenn es möglichst rauh ist.

Ich habe seither einen zweiten Satz Hand- bzw. Badetücher in der Wohnung. Ich wasche sie genau wie die anderen, allerdings gebe ich keinen Weichspüler hinzu. Im Gegenteil, in den letzten Spülgang gebe ich Wäschesteife, so nennt sich das. Die Tücher, die ich nach dem Schleudern aus der Maschine hole, unterscheiden sich auf den ersten Blick nicht wesentlich von normalen Handtüchern, sie sehen genauso aus und sie fühlen sich genauso an, nämlich nass.

Wobei hier der erste Unterschied zum Tragen kommt: Sie sind noch sehr nass. Ich schleudere diese Handtücher niedrigtourig, damit möglichst viel Feuchtigkeit und Stärke in der Wäsche verbleibt. Natürlich dauert es sehr lange, bis die Stücke endlich getrocknet sind. Die Feuchtigkeit ist verdunstet, die Stärke ist zurückgeblieben, mit dem Effekt, dass ich die Handtücher wie Pappkarton vom Wäscheständer nehmen kann. Sie sind hart, fest appretiert. Das hat mit anschmiegsam nicht mal im Geringsten etwas zu tun.

Aber warum, Dr Hilarius (dessen Erklärung auch einmal Gegenstand eines Posts sein wird), warum nur wollen sie harte, unbequeme Handtücher, die pieksen, die kratzen, warum kann man das wollen?

Die Meditation.

Ich meditiere stets im Liegen auf meiner Schlafcouch, selbige mit einer Decke überdeckt und auf jene Decke lege ich jeweils ein Handtuch für den Kopf und den Körper. Und zwar nur die gestärkten Meditationshandtücher. Wenn ich mich dann nach dem Duschen - die Haut ist noch weich und warm, alles ganz wohlig - auf diese "Reibbretter" lege, dann geht ein Kribbeln durch meinen Körper. In der Meditation ist meine Haut hochempfindlich - genauer gesagt, mein Gehirn reagiert hochempfindlich auf Sinnesreizungen. Das Kribbeln ist angenehm, ich genieße es, ich merke, wie meine Haut sich an die Oberfläche des Handtuchs anpasst. Es piekst wohlig - wie gesagt, ein Genuss für jeden, der Sinneserfahrungen gern auskosten möchte. Die Durchblutung der Haut wird gefördert, man muss das Erlebnis nur zu schätzen wissen. Ich erlebe es sogar, dass dadurch meine Gedankengänge angeregt werden, es kommt mehr Bewegung in die Kopfwelt. Ich möchte dieses Erlebnis - im wahrsten Sinne des Wortes, diese Sensation - nicht mehr missen.

Tja, und das ist der Grund, warum ich einen Satz weich- und einen Satz hartgespülte Badetücher in der Wohnung habe. Komischer Typ.

post scriptum: Es muss auch mal was Alltägliches sein, nicht immer Grundlagendiskussionen oder so, ich glaub, ich sollte bald mal ein Bilderrätsel posten. Lasst Euch überraschen!

Mittwoch, 27. April 2016

Gemeinschaftsschule - eine Frage der Einstellung

Ich werde etwas unregelmäßig mit meinen Posts. Ich versuch mal, das wieder täglich hinzubekommen, aber nicht immer spuckt mein Gehirn eine brauchbare Idee aus. Heute allerdings doch, angefacht durch meinen heutigen Unterricht in Eckernförde und durch diese Dokumentation, eine Schulwoche an einer Gemeinschaftsschule (GemS) in Mettenhof:


Doch zunächst aus irgendeinem Gymnasium. Ich hatte das Vorurteil im Kopf, dass das alles unglaublich spießig dort ist. Und ja, ein paar Aspekte davon haben sich bewahrheitet. Wir haben dort bildungsnahe Schichten, wir haben hier vorbildlich ausgebildete Lehrer. Im Gespräch mit einem Kollegen meine ich fast eine arrogante Haltung herausgehört zu haben, dabei haben wir uns einfach nur über die Unterschiede unterhalten zwischen Unterricht am Gymnasium und an der GemS. Und seine Haltung "Den Erziehungsauftrag haben doch die Eltern, ich möchte mich auf die Fachvermittlung konzentrieren" kann ich zwar nicht teilen, aber respektieren. Da ich es mittlerweile anders sehe, möchte ich in Zukunft lieber an einer GemS unterrichten.

Sicher, die Kinder sind wesentlich lauter dort. Der Umgang ist lockerer. Das Niveau ist deutlich niedriger. Man schafft nicht viel Stoff. Man verbringt den Großteil der Stunde mit pädagogischem Wirken. Aber das Alles hat Gründe.

Die Kinder sind laut, haben oft keine Manieren, pöbeln sich an, prügeln sich. Sie gehen unter Umständen kriminellen Aktivitäten nach, sie interessieren sich nicht für Schule. Aber mal ehrlich: Vieles davon ist einfach nur menschlich. Ich fand Schule zum Großteil todlangweilig, ich war verhaltensauffällig. Mein Verhalten hat den meisten Lehrern nicht gefallen und oft musste ich die Klasse verlassen und/oder nachsitzen. Mir mag das Verhalten dieser Schüler nicht gefallen, aber das ändert nichts an meiner Grundhaltung: Jeder Mensch ist gut. Das Verhalten, mit dem ich in der GemS konfrontiert werde, hat teilweise sehr ernsthafte Gründe.

Kaum einer der Schüler sucht sich aus, so zu sein. Glaubt etwa irgend jemand, sie seien glücklich mit ihrem Auftreten? Leider ist das eine Einstellung, die ich öfters aus gymnasialer Richtung höre. Aber viele dieser Kinder haben ein zerrüttetes Elternhaus. Manche waren "Unfälle", manche sind sich dessen bewusst. Einige wurden körperlich bis sexuell misshandelt, teilweise schwer und schwerst. Einige werden zuhause vernachlässigt, manche eingesperrt. Haben denn so wenige Kollegen eine Ahnung, was das mit einem Kind anstellen kann? Oder denken sie "Naja, das müssen die Eltern wieder gerade biegen, oder das Jugendamt, aber das ist nicht meine Aufgabe"? Na dann danke, ich denke, dass ich als Lehrer neben dem Bildungsauftrag immer einen Erziehungsauftrag habe. Ob ich das nun will oder nicht: Die Erfahrung lehrt, dass Schüler mir gern folgen. Ich übernehme eine Vorbildfunktion (obwohl ich das überhaupt nicht möchte und denke, dass ich kein gutes Vorbild bin). Wie sagte Erich Kästner:

"Es hat gar keinen Sinn, unsere Kinder erziehen zu wollen. Sie machen uns sowieso alles nach."

Mit den Kindern einer GemS muss ich arbeiten, und zwar wesentlich intensiver als am Gymnasium. Deswegen finde ich es auch immer ein wenig zum Schmunzeln, wenn so viele Gymnasialkollegen sich als Pädagogen bezeichnen. Denn Fachvermittlung nach dem Trichter-in-den-Kopf-Modell hat nichts mit Pädagogik zu tun, ebenso wenig die Anwendung unterschiedlicher Unterrichtsmethoden. Und auch Manieren, höfliches Begrüßen und Türen aufzuhalten sind für mich keine besonderen pädagogischen Leistungen.

Der Begriff Pädagogik kommt aus dem Altgriechischen und bedeutet wortwörtlich "Arbeit mit Kindern". Oder, etwas unschöner formuliert, "Arbeit an Kindern". Und wenn ich erreichen kann, dass ein GemS-Kind gern in meinen Unterricht geht und etwas daraus mitnimmt, wenn es mir sagt "Bei ihnen verstehe ich das wenigstens", dann bin ich sehr stolz. Es gibt mir ein wesentlich stärkeres Gefühl der Genugtuung, einen solchen Erfolg erzielt zu haben, als mit dem Lehrbuch durchgekommen zu sein oder einen methodisch abwechslungsreichen Unterricht zu gestalten. "Herr Homann, sie tun unseren Kindern so gut", dieses Kompliment werde ich mein Leben lang nicht vergessen. Es zeigt mir, dass ich an einer GemS so viel mehr erreichen kann als an einem Gymnasium.

Deswegen möchte ich dort hin. Die Kinder sind authentischer, manche einfach, weil sie nicht die kognitive Kapazität besitzen, um sich zu verstellen. Das ist mir lieber als die teils gespielte Friedfertigkeit der Gymnasiasten. Was kann ich da schon bewirken? Ich möchte im Brennpunkt sein, so wie Marie-Therese Exler in oben verlinkter Doku - ich kann ihre Haltung so gut verstehen. Wenn 45 Minuten meines Unterrichts das Kind aus einem gewalttätigen häuslichen Umfeld entführen können, in dem sie nicht einmal als Lebewesen, als Individuum wertgeschätzt werden, dann macht mich das stolz.

Doch damit es nicht scheint, als würde ich meine Arbeit am Gymnasium lieblos dahinpfeffern - heute hatte ich ein sehr schönes Erlebnis. "Herr Homann, können sie nicht Herrn XY (den ich vertrete) von ihren Unterrichtsmethoden überzeugen?" Ich bin froh, dass ich niemals mich selbst vertreten werde. Und Schüler aus anderen Kursen stecken misstrauisch ihren Kopf in die Klasse und fragen: "Was macht ihr denn da???" Und eine Schülerin antwortet: "Wir meditieren, wir gehen auf eine Gedankenreise." Dann genieße ich durchaus ein bisschen die "Will ich auch!"-Blicke der Schüler, die dann in ihren Kurs zurücktapern. Und ich mache diese Aktionen nicht für den Effekt. Ich mache, verknüpft mit der Gedankenreise, die dann schriftlich auf Englisch festgehalten wird, eine Lernstandserhebung zur Sprachfertigkeit, ohne die Schüler dabei in ein inhaltliches Korsett zu zwängen und sie irgendwie unter Druck zu setzen. Und wenn es Spaß macht - super!

Ich liebe meinen Beruf. Aber ich liebe auch meine Freizeit, weswegen auf meiner Prioritätenliste der Beruf niemals auf dem ersten Platz landen wird.

Montag, 25. April 2016

Gulaschkanone

...und ich bummel also durch plaza (mit all seinen phonetischen Variationen) und sehe, dass es dort Szegediner Gulasch gibt. Sofort fährt ein Gedankenzug los, ich erinnere mich daran, irgendwo mal das Wort "Gulaschkanone" gehört zu haben. Ich finde, das klingt herrlich, weil es sogleich interessante Bilder weckt.

Ich sehe da vor mir eine mittelalterliche Kanone, doch statt mit Kugeln wird mit Gulasch geschossen. Warum sollte man sowas tun? Nun, das erklärt sich, wenn man die Funktion der Kanone im Allgemeinen betrachtet. Völlig fernab jeglichen Gulaschs nutzt man die Kanone als Kriegswaffe, glaube ich zumindest. Gefährliches Halbwissen. Ich versuche damit also, meine Gegner zu töten. Kanone schlägt ein und dann ist Ruhe im Karton, oder so ähnlich.

Mit einem Gulaschknall kann man aber nicht so recht töten - ha, werter Leser, aufgepasst! Wir müssen hier abstrahieren. Ersetzen wir den "Krieg" doch einfach durch "Unterricht", der Feind sind die Schüler. Und die Situation, in der wir uns befinden, ist eine Klassenfahrt.

Es war ein anstrengender Tag, die Klasse wurde durch unzählige Museen gehetzt und musste die Strecken dazwischen auch noch zu Fuß zurücklegen. Die liebevoll SuS genannten Wesen, die Susen, sind genervt, erschöpft, halb ausgehungert und planen eine Meuterei. Aha! Jetzt merken wir, wie der Schüler in die Rolle des Feindes fällt. Wie können wir ihn besiegen? Wie können wir Ruhe im Karton erhalten?

Indem wir ihnen einfach die gierigen Mäuler stopfen! Essen, Essen, Essen, nicht lange kauen, es wird direkt inhaliert! Oder noch besser - und nun haben wir's! Zielen, ein Stück nach rechts, Zündung! Die Gulaschkanone hat einen weiteren Schüler zum Schweigen gebracht. Peng, krach, bumm, weitere Ladungen, und endlich hab ich Ruhe vor den kleinen Monstern.

Und so hat die Gulaschkanone also doch getötet, und zwar den Lärm, und mir damit den Frieden gebracht. Und wer die Google-Bildersuche benutzt, findet ein paar sehr schöne Gulaschkanonen - die im Fachjargon auch Feldkochherd genannt werden.

Guten Appetit!

Samstag, 23. April 2016

Schnellkasse 2 - Die Kontrollwaage schlägt zurück

Kiel Holstenstraße, Milliarden Menschen auf dem Weg, um ihre umfangreichen Einkäufe zu erledigen. Denn wer weiß: Vielleicht wird Kiel morgen von einer nuklearen Katastrophe heimgesucht und es wird nie wieder so unabdingbare Sachen geben wie z.B. Zwiebelmett, Hüftsteak und Kernseife. Drollig - die traditionelle Kernfamilie aus Mutter, Vater und Kind wird im Englischen nuclear family genannt. Angesichts der ganzen Schantalles und Käwiehns gab es also schon heute nukleare Katastrophen in Massen, da trifft es dann auch der Ausdruck Größter Anzunehmender Unfall - GAU.

Und vielleicht wird es dann auch keine Friseure mehr geben, also eile ich dorthin, ab mit dem Kopf, und dann figurativ kopflos irgendwo hin, wo es Zucker gibt. Also warum nicht zum Edeka im Sophienhof. Auch hier: Schakkelines und Horst-Detlefs und Dschastinns, in Gang drei ist eine Milchtüte geplatzt, der Pudel der Frau, die die Gänge zwei und drei gleichzeitig für sich beansprucht, schlabbert alles auf inklusive der Ritalinpille, die da rumkullert, eine Kapsel in modischem grau-violett. Wenigstens scheißt er nicht in die Regale - sonst würde er vermutlich im nächsten Hackbraten landen, das Kilo fünf neunundneunzig, darf's ein bisschen mehr sein, okay, dann sieben neunundvierzig.

Und zwischendurch immer wieder das monotone Piepen, die Scanner der Kassiererinnen, die Waffe der kleinen Hausfrau, wie uns ihrerzeit Anke Engelke bei Ladykracher präsentierte. Sollte Hüdora-Atlantis-Mareike also zu sehr rumplärren, wird ihr einfach das Mundwerk weggescannt. Die Scanner sind der Verkaufsschlager schlechthin, munkelt man doch, dass man mit ihnen auch schlechte Noten, Studienleiter und Exfreunde wegscannen kann. Und befristete Arbeitsverträge inklusive der für sie verantwortlichen Sachbearbeiter. Und Britta Ernst.

Aus den Lautsprechern schallt es: "Frau Römpömpöm, kommst Du mal an Kasse 17!" Mein Blick schnellt zu jener Kasse, an der ein Baby auf das Fließband gekotzt hat, direkt vom Einkaufswagensitz aus, reife Leistung, sollte später irgendwas werden, für das man Zielgenauigkeit braucht. Aber es ist ja nicht nur das, was da auf dem Fließband... liegt. Das Hauptproblem ist, dass der Massenmörderscanner ausgefallen ist, ich krieg' die Krise! Da sehe ich, oh Wunder der Modernisierung, die vier Schnellkassen, an denen man selbst seine Ware einscannt und mit Karte bezahlt. Wie geil ist das denn!

Also gehe ich an die freie Kasse, berühre den Bildschirm wie vorgeschlagen und nehme den Scanner in die Hand. Fühlt sich an wie eine Pistole - kein Witz, am Abzug ist der Scanknopf, also baller ich mit rot-zu-grün-Laserstrahlen auf meine Zuckerpakete. Wenn Wara Wende jetzt hier vorbeikäme... ich fühle mich wie der Meister des Universums mit der Scannerpistole, mist, warum hab ich nur zwei Pakete Zucker eingekauft, ich will noch viel, viel mehr scannen, ich will diese Macht genießen, gibt es eigentlich im Duden schon das Wort "scangeil"? Ich mein' ja nur, weil es auch sowas wie nadelgeil und likegeil gibt. Interessante Vorstellung, dass ein Warenscanner zu einer Droge werden kann. Ich nehme mir vor, nur noch bei diesem Edeka einzukaufen, damit ich noch möglichst viel mit diesen Scannerkassen rumspielen kann. Dafür nehme ich die höheren Preise in Kauf, den Fußmarsch in die City, alles kein Problem, Hauptsache, am Ende steht wieder auf dem Bon "Es bediente Sie Frau SCO42".

Wahnsinn, so, jetzt nur noch bezahlen, das sollte für den Meister des Scanner-Universums kein Problem mehr sein, ich muss den Scanner nur mal eben zur Seite legen, um meine Uzi-Finger für die PIN-Eingabe bereit zu machen. Doch da! Was ist das!! Was ist nur geschehen!!!

ERROR!!!

Ich sehe das riesige, rote Fehlerfenster aufleuchten und fühle mich direkt ertappt. Vermutlich kommt gleich der Warenhausdetektiv. Wie peinlich! Naja, nicht ganz so peinlich wie die Kotzkasse, aber trotzdem. Und somit wird aus dem Meister des Universums ein Sklave Edekas, unterwürfig, demütig um Hilfe bittend. Ich Idiot habe den Scanner auf die Kontrollwaage gelegt, das Gewicht wurde daher während des Zahlvorgangs verändert. Ich bekomme alles kaputt. Hehe... klar, ich habe schließlich die Macht. Aber nicht mehr über den Scanner, denn die Bezahlung ist abgeschlosen und ich wandere gen Ausgang. Und wie sagte Arnie?

"I'll be back..."

Donnerstag, 21. April 2016

Entschleunigung

Es ist Donnerstag, der 21.04.2016, 15:20 Uhr. Ich bin auf dem Rückweg aus Eckernförde. Ich sitze in einem grauen Auto, ein bisschen verbeult, nachdem ich vor einem Jahr einen Unfall zum Glück nur mit Blechschaden inszeniert habe. Und es fängt wieder an: Mein Gehirn läuft heiß. Schneller. Komm, nun fahr doch schneller. Hier sind Hundertzwanzig erlaubt und die Strecke ist doch frei. Die Mutti will nicht neunzig werden, ich tret ins Blech, klappert da hinten was am Tank? Egal, ich will nach Hause, nun mach mal hinne da vorne!

*Mein Kopf wird langsam rot, Rauch tritt aus den Ohren. Wenn man genau hinschaut, erkennt man, wie sich unten im Bodenblech nach und nach der Höllenschlund öffnet und ich noch mehr Zunder im Kopf bekomme.*

Geht das nicht schneller! Da vorne blinkt einer und will überholen, na endlich, ich komme etwas näher an den Langsamfahrer, scheiße, warum fällt jetzt das Radio aus, ich könnte kotzen und die Sonne blendet...

*Ich ziehe einen Schweif des Wahnsinns hinter mir her und lasse nichts als Reifenspuren, Rauch und verblichene Gedanken zurück, die Karosserie fängt langsam an zu glühen*

...Sonnenbrille klemmt, scheiß drauf, Fenster runter, ich brauch Sauerstoff, der Luftstrom dröhnt in meinen Ohren...

*Funken sprühen, Fetzen fliegen, die Landschaft verschwimmt bei der Geschwindigkeit*

...geil maaaaaaaaan, faaaaaAAAHHHRRRR DOCH SCHNELLER DU FO...

Vollsperrung.

Ich stehe im Stau und sehe, dass der Theodor-Heuss-Ring zeitweise gesperrt wird. Und habe auf einmal ganz viel Zeit. Ich brauche 30 Minuten von Kronshagen Nord bis Hamburger Chaussee. Und ich entscheide mich, zu entspannen. Mir wird bewusst, dass es wieder passiert ist, mein Gehirn ist zu heiß gelaufen, die Gedanken sind zu schnell geworden, und was passiert dann? Ich bekomme vom Leben überhaupt nichts mehr mit. Um Tales for an Accelerated Culture ging es in meiner Examensarbeit, Gruß nach Vancouver, Douglas Coupland!

Ich muss wieder mehr darauf achten, meinen Alltag zu entschleunigen, damit ich auch was vom Leben habe. Deswegen habe ich kein Smartphone, deswegen bin ich oft nicht erreichbar, ich lebe lieber direkt. Das war mal anders, und ich bin froh, dass ich davon einigermaßen weggekommen bin.

Leute, warum habt Ihr es alle so eilig? 

Dienstag, 19. April 2016

Bürokratiergehege

Werte Menschen (und solche, die es noch werden wollen),

gestern hat es doch tatsächlich jemand gewagt, mir zu unterstellen, ich verwandelte jede noch so unsinnige Sache in ein literarisches Erlebnis. Mein erster Gedanke war, naja, nur wegen dieses Blogeintrags? Dann ist mir eingefallen, dass ich ja auch noch diesen ungewöhnlichen Liebesbrief verfasst hatte. Naja, aber warum auch nicht, wenn es doch Spaß macht, und wenn ich damit den einen oder anderen geneigten Leser unterhalten kann, wunderbar. Und wenn ich ihn in einer schwierigen Phase damit zum Lachen bringen kann, noch wunderbarer!

Das erinnert mich wieder an Roller Coaster Philosophy und seine teils sehr philosophischen Analysen von Achterbahnen. Zu The Beast in Kings Island hat er hier eine wunderbare, seitenlange Abhandlung geschrieben mit einem tatsächlichen literarischen Interesse. Ich habe mir vorgenommen, dass ich so etwas für den Schwur des Kärnan machen werde, ich freue mich schon drauf, allerdings muss das noch warten, bis die Thematisierung auf der Zielgeraden angekommen ist.

Das Wort "Bürokratiergehege" schoss mir heute durch den Kopf, als ich die Gablenzbrücke überquerte, auf dem Heimweg vom Arbeitsamt. Denn natürlich muss der kleine Nebenverdienst angemeldet werden, denn davon darf ich nur 165€ zusätzlich zum ALGI behalten. Also bin ich mit dem Formular "Änderungsmitteilung" zur Agentur für Arbeit Kiel getingelt. Und ich denke mir, okay, jetzt habe ich meinen Papierkram erledigt, ich habe den Zettel bei der netten Empfangsdame abgegeben, sie hat meine Akte aktualisiert - welch schöne Alliteration!

Sie tackert da mit ihren geübten Fingern mit gefühlten 250 Anschlägen pro Sekunde (klingt wie ein erklärtes Ziel des IS) über die Tastatur, klopft mit *PUFF* einmal auf die Enter-Taste; das wirkt fast wie Magie! Will ich auch können! Aber nein, das können nur die Insassen des Bürokratiergeheges - weil sie nämlich nichts Anderes tun. Formulare ausdrucken, austeilen, aussortieren, einspeisen, einsammeln, einbehalten, abheften, abgeben, ablochen (ich sag nur Trikolon³). Und so druckt sie eine Seite nach der anderen aus - neue Formulare. Mein Lebensmut sinkt... heute nicht, ich nehme die Zettel mit und weiß, dass da wieder ein spannendes Hinterhertelefonieren auf mich wartet.

Ich brauche die Bescheinigung über die Nebeneinkünfte für jeden Monat einzeln. Also dreimal zwei Seiten, die ich mit einem schönen Anschreiben an das Bildungsministerium schicken werde. Dort ist mein Personalbearbeiter, der schickt es dann weiter an das Finanzverwaltungsamt, denn das ist mein Lohnbearbeiter. Dann endlich geht es an das Arbeitsamt. Terminiert bis Mitte Mai - na super. Ich mach dicht. Sobald ich das Schreiben an das Bildungsministerium abgeschickt habe, ist das nicht mehr mein Problem.

Ich lasse es nicht zu, dass ich zu einem neuen Insassen des Bürokratiergeheges werde!

Montag, 18. April 2016

Expeditionen ins Badreich

Meine Damen und Herren, ich hoffe, Sie haben Ihre Überlebensausrüstung mitgebracht. Rutschfeste Schuhe, Essigreiniger, Schutz für die Nasenschleimhäute und eine gute Portion Humor - denn dann möchte ich Sie jetzt auf eine interessante Reise durch einen hygienischen Mikrokosmos führen.

Wir betreten das Badreich. Bitte nehmen Sie sich vor umstürzenden leeren Shampooflaschen in Acht und setzen Sie die für diesen Zweck vorgesehenen Sturzhelme auf. Unlängst wurde eine unserer Pflegerinnen von einer herabfallenden Nagelfeile aufgespießt, dieser tragische Unfall hätte verhindert werden können. Wir übernehmen keine Haftung für Pilzinfektionen, wenn Sie versuchen, einige unserer Exponate mitgehen zu lassen!

Wenn Sie nach ganz hinten links blicken, hinter die Badewanne, dann sehen Sie dort Ablagerungen, die auf die Anwesenheit einer Staubmaus (zu Englisch dustbunny) schließen lassen. Dieses possierliche Tierchen dürfte Ihnen nicht unbekannt sein, sicherlich haben Sie es schon einmal durch Ihre Wohung flitzen sehen. Um Ruhe vor den Aktivitäten der Hausbewohner zu finden, schwebt die Staubmaus gern unter Sofas oder hinter Schränke, ruht sich dort aus und nimmt auf wundersame Weise an Körperfülle zu. Ihr Erzfeind ist der Staubsauger, dessen stürmischen Attacken sie nichts entgegenzusetzen hat, solange sie sich nicht an vorstehenden Haken oder Ecken festklammern kann. Geradezu erstaunlich ist es zu beobachten, wie aus der Staubmaus im Staubsauger ein Staubmonster gewaltigen Ausmaßes werden kann, das empfindlichen Menschen gefährlich werden kann, indem es beim Leeren des Beutels allergische Reaktionen hervorruft.

Schauen wir nun nach hinten rechts, hinter die Waschmaschine. Auf dem Boden werden Sie eine ausgetrocknete Wasserlache anhand der bräunlichen Ränder erkennen. Hierbei handelt es sich um das Überbleibsel eines Bebens in der Waschmaschine; für den Menschen normalerweise ungefährlich, so sollten Sie einen festen Gang und Schuhe mit Profil mitbringen, damit Sie nicht ins Rutschen geraten, das Waschbeben hat auch Seife mit ausgespült.

Ebenfalls Rutschgefahr besteht bei den riesigen Fußstapfen, die Sie überall verteilt finden, vornehmlich vor der Badewanne. Diese sehr öligen Spuren stammen von der Herrscherin des Badreichs, der GDB (glaebba daenca mbhuse). Sichereren Halt finden Sie, wenn Sie ausschließlich die Haarwiesen betreten, die das Bad großflächig schmücken. Die GDB sorgt mit munterer Regelmäßigkeit dafür, dass diese Wiesen nicht ausgerottet werden.

Einige Stunden später

Verehrte Besucher, ich muss Ihnen leider mitteilen, dass unsere beliebte Attraktion Expeditionen ins Badreich vorläufig geschlossen bleibt. Ein Tsunami aus Essigreiniger und urgewaltige Schrubberattacken haben jegliches Leben in unserem Biotop ausgelöscht. Wir werden nun etwa vier Wochen brauchen, um die beliebte Staubmaus, den Nagelfeilenbaum und die Shampooflaschenskulpturen erneut heranzuzüchten. Wir gehen davon aus, dass die Herrscherin des Badreichs, die GDB, die Katastrophe zu verantworten hat; gleichzeitig vermuten wir, dass sie uns beim Wiederaufbau dieses faszinierenden Lebensraumes sehr hilfreich zur Seite stehen wird, ich erinnere da nur an die Ölspuren und die Haarwiesen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und hoffe, Sie demnächst wieder hier begrüßen zu können! 

post scriptum: In der Kurzfassung - Heute habe ich das Bad geputzt. 

Sonntag, 17. April 2016

Die Nähte platzen

Eine interessante Situation. Ich vertrete den Englischkurs eines Kollegen und er hat mir einen Inhaltsvorschlag geschickt. Wir werden also den Roman Angela's Ashes lesen, über die Inhalte sprechen, bisschen Irland und so. Referate.

Ich muss erstmal eine Nacht drüber schlafen, denn: Ich erkenne das Gefühl wieder, das sich gerade in mir breitmacht, eine unglaubliche Unsicherheit und Unwohlsein. Das hatte ich zuletzt im Referendariat, als es hieß, ich solle "Unterricht unter Anleitung" machen. Wer mich kennt, kann sich vorstellen, dass das für mich die Hölle war. Unter Anleitung, sowas macht man in der Fahrschule und im Kochkurs, aber im Unterricht? Ich hab mich verbiegen müssen, damit ich unter diese Anleitung gepasst hab, das war ein enges Korsett von Vorgaben, das mir überhaupt nicht passt - die Nähte sind alle geplatzt und es kam zum Streit.

Ich fühle mich gerade wieder einen halben Meter kleiner, mit geducktem Kopf, die typische Referendarshaltung. Ich kann das nicht, ich bin inkompetent. So ein Scheiß! Das muss ich mir abtrainieren, das muss ich loswerden. Das wird immer wieder vorkommen, wenn ein pädagogischer Freigeist, wie ich es bin, den Unterricht eines Anderen übernehmen soll. Also nehme ich mir vor, in den nächsten Tagen nicht nur die Referendarshaltung abzuschütteln, sondern das Ganze auch wieder lockerer zu sehen, ich werde für diese Vertretung nicht benotet werden.

Bah, regt mich das gerade auf! Aber: Das Gute darin sehen - ich bin echt glücklich, dass das Referendariat hinter mir liegt. Das war unerträglich. Das Rückgrat ist mittlerweile wieder da, und wie jemand zu mir sagte: "Die Menschen werden immer wieder versuchen, an Dir zu feilen, Tobi - lass sie mal ruhig machen. Aber sie dürfen nichts abschlagen!"

post scriptum: Das ist bestimmt nur wieder so eine Stimmungsschwankung eines Hochbegabten, vielleicht ist es morgen gar nicht mehr so schlimm ;-)

Samstag, 16. April 2016

Causa Böhmermann

Ich verfolge sie, ich genieße sie, ich goutiere sie. Die Causa Böhmermann ist für mich ein wahres Festessen, da sie so viele Diskussionsthemen aufwirft. Mal ganz davon abgesehen, dass ich das direkt in meinen Englischunterricht mitgenommen hätte, unterrichtete ich derzeit. Den Sachverhalt kann man ja mittlerweile überall nachlesen.

Also, ich meine wirklich überall. Es ist doch nicht zu glauben, diese kleine Kabarettnummer, auf welche die Saturnalien stolz gewesen wären, geht um die Welt. Ich lese in der New York Times und der Washington Post wiederholt den Namen "Boehmermann" (mit dem umständlichen "oe"). Selbst ein Dr. Jens-Peter Becker widmet sich in seinem literarisch anspruchsvollen Blog (links verlinkt unter Jays Blog) der Sache, natürlich auf seine ganz eigene Weise. So, Knackwurst bereit? Dann gibt's jetzt nämlich meinen Senf dazu.

Für Lehrer und Juristenausbildung ist der Fall das reinste Lehrstück, z.B. um Satire, Disclaimer, Metaebene, ex negativo und viele weitere Konzepte zu erklären. Man sollte Böhmermann danken, dass er für all diese Unterrichtsthemen neues Material geliefert hat.

Dieses Material werden ein paar Anwälte besonders gewinnbringend umsetzen. Sie verdienen sich mit Böhmermanns Chuzpe und Erdogans Dünnfelligkeit eine goldene Nase und ich frage mich, warum ich nicht Anwalt geworden bin. Ich freue mich ja, um Olli Welke aus der heute show zu zitieren, dass das Gedicht im Gerichtsverfahren nochmal komplett verlesen werden wird und man sich die Köpfe darüber einschlägt, woher man Beweismaterial für Erdogans vermeintliche Sodomie nehmen soll. Hat sich eigentlich schon jemand die Filmrechte an dem Stoff gesichert? Hmmmm, vielleicht mit Jack Nicholson als Erdogan? Und Conchita Wurst als Böhmermann, die vornehme Kleidung stimmt zumindest schonmal. Und das Urteil verliest Richterin Barbara Salesch im Schatten eines Knallerbsenstrauchs.

Immerhin, Böhmermann hat sich aus der ganzen Reiberei klug herausgehalten. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie er sich feist grinsend ausgemalt hat - beim Verfassen seines Beitrags - welchen Schlagabtausch er damit auslöst. Er hat sich selbst feinstes Popcornkino geschrieben und genießt nun die Show.

Außerdem muss man einmal Erdogan für diesen Strafantrag danken. Das wirft Sand in das Getriebe des deutschen Strafrechts, ein längst überholter Artikel wird abgeschafft werden, es hat also sein Gutes. Und meist sind es Provokateure wie Böhmermann, die Missstände aufzeigen und dafür den Tanz über die Klinge wagen. Ich weiß, wovon ich spreche; an der TSS Husum war es mir letztlich untersagt, meine Mutmaßungen über die Probleme der Schule zu äußern. Satire darf alles, aber nicht unter Frau K. Das war auch in den Lehrproben immer explizit verboten.

Läuft drauf hinaus, dass die Dummheit der Menschen uns irgendwann umbringt (Ob die Dinosaurier vielleicht im Herzen Menschen waren?), und Zitat: "Unterschätze nie die Macht dummer Menschen, die einer Meinung sind."(war das auch wieder Kurt Tucholsky?)

Die opportunistische Reaktion der AfD hat nur bewirkt, dass mein nicht vorhandenes Frühstück sich den Weg bröckchenweise wieder hochgearbeitet hat, aber habe ich denn von denen (isti!) etwas Anderes erwartet, als dass sie sich auf die Seite "des Volkes" schlagen und Böhmermann beistehen?

Ich frage mich, ob mit Merkels Verkündung gestern nun der Zenit der Böhmermann-Affäre überschritten ist und wir zu dem übergehen, was man im Englischen im Allgemeinen als aftermath bezeichnet, das Nachspiel - sei es juristischer, medialer oder welcher Art auch immer. Selten habe ich mich so sehr für Nachrichten interessiert, selten war die Schnittmenge von Justiz, Politik und Kunst so herrlich zu verkosten!

Donnerstag, 14. April 2016

Hochwasser für's Gehirn

Manchmal ärgere ich mich darüber, hochbegabt zu sein. Ich kann so Vieles so schnell durchdenken - aber dann kommen Situationen wie heute, wo einfach gar nichts mehr geht, alles blockiert, weil das Gehirn mit Gedanken überflutet wird. Wörtlich und figurativ habe ich es mit Hochwasser zu tun.

So, da hätten wir für heute einen Zahnarzttermin. Für mich immer wieder eine Herausforderung, denn obschon die Meditationen mir geholfen haben, in solchen Situationen ruhig zu bleiben, ist immer wieder eine Unsicherheit dabei. Am Tag eines Zahnarzttermins gibt es erstmal nix Anderes, Tunnelblick. Und so stehe ich vor dem Spiegel, putze die Zähne gefühlt fünf Mal extra - als ob das was nützen würde bei dem Dentinfriedhof, der sich Gehege meiner Zähne nennt - als hätte Picasso mit Karies und Zahnfüllungen gemalt! Nun ja, ich muss einen Schritt nach links gehen, sonst kann ich das im Spiegel nicht richtig sehen, PLATSCH.

Nein! Ich stehe vor dem Spiegel, zur Salzsäule erstarrt, ein bizarrer Anblick für glücklicherweise nicht Anwesende. Das Geräusch kommt von unten links, der Blick wandert runter, die Badezimmervorlage ist zur Hälfte klatschnass. Der Blick wandert weiter - das halbe Bad steht unter Wasser. Dank der schön unebenen Bauweise hat sich in einer Ecke ein etwa ein Zentimeter tiefer See gebildet, das erinnert mich ein bisschen an eine Lagune und Kronshagener Haare. Der Blick wandert mit wachsendem Horror Richtung Waschmaschine.

Tropf. Tropf. Tropf. Seifiges, dreckiges Wasser, ein Springquell an Sauerei und Stress. Was passiert hier gerade? Ich setze mich, Zahnbürste im Mund, erstmal auf die Toilette und schaue die beruhigend weiße Wand an. Dann schießt mein Finger Richtung "Pause"-Taste an der Waschmaschine.Genau das braucht's nämlich jetzt: Eine Denkpause.

In solchen Situationen bin ich überfordert, das gleicht schon fast einer Panikattacke, und ich muss Wege finden, damit umzugehen. Bisher habe ich herausgefunden, dass es nützt, wenn ich alles anhalte. Daher habe ich den Waschgang pausiert, die Wasserzufuhr abgedreht. Und endlich Zeit gewonnen, um nachzudenken und einen Plan zu machen

Diese STOP!!!-Momente sind sehr wichtig und zum Glück eher selten nötig, mein Gehirn scheint da einigermaßen sinnvolle Arbeit zu leisten, indem es Unwichtiges beiseite schiebt oder gar nicht erst zulässt. Ich hoffe, dass ich auch in Zukunft die Nerven bewahren kann.

nota bene: Eine Freundin befragte mich unlängst hinsichtlich der Kausalketten zwischen meinen Blogeinträgen. Das macht mir Eines wieder bewusst, und das möchte ich deutlich sagen (und ich werde das auch in Zukunft nochmal wiederholen): Die Gedanken kreisen in meinem Kopf, es ist ein riesiges Wirrwarr, aber logisch und sinnig. Für einen Außenstehenden scheint es so, als ob ich mir häufig selbst widerspreche oder unlogische Schlüsse ziehe. Bitte weist mich darauf hin und fragt nochmal nach, ich mein's nicht böse. Wie schon mein Griechischdozent, Dr. Hans Dohm sagte: "Nehmen sie es bitte hin, das ist eben so." Immer wieder kommt mir in solchen Situationen das Bild des zerstreuten Professors in den Kopf - es scheint vielleicht ein Funken Wahrheit darin zu stecken, ich bin wohl einfach so. Meine Blogeinträge schreibe ich in der Regel als stream of consciousness, nun ja, zumindest in Anklängen als Bewusstseinsstrom. Die Gedanken purzeln aus meinem Kopf über die Tastatur in den Bildschirm.

Schöne Metapher... ich entsende meine Gedanken in die Welt wie Schiffe aufs Wasser...

Mittwoch, 13. April 2016

Mehr Mut!

In meinem Englischunterricht arbeite ich gern mit unheimlichen Texten, Filmen etc. Ich erhoffe mir davon, dass die Schüler stärker an den Text gebunden werden. Sie wollen wissen, wie es weitergeht, sie wollen das Ende wissen, und sie lesen das Buch auch auf Englisch zu Ende. Das klappt tatsächlich! Es funktioniert in jeder Altersstufe: Guter Horror.

Oft diskutiert wurde jene Zeile, die behauptet: Richtig guter Horror wird nicht gezeigt, sondern findet im Kopf des Lesers/Zuschauers/Spielers statt. Ich stimme dem zu und möchte es an einem Videospiel belegen. Man muss es nicht kennen, um diesen Blogeintrag zu verstehen. Und ich versuche, Spoiler außen vor zu lassen. Der Anlass? Ich habe dieses Spiel heute beendet und ich werde es so schnell nicht vergessen.

Project Zero 2: Crimson Butterfly - nun mag das redundant scheinen, weil ich ja schonmal über den ersten Teil geschrieben habe, dass er unheimlich sei. Aber es soll an dieser Stelle festgehalten werden, dass der zweite Teil die Standards noch weiter nach oben setzt. Zwei Zwillingsschwestern spielen in einem Wald, am Ort ihrer Kindheit, ein letztes Mal, bevor der Wald für einen Staudamm gerodet werden soll. Mayu - seit einem früheren Unfall hinkend - entdeckt einen roten Schmetterling und folgt ihm, Mio läuft ihr nach. Sie entdecken ein Dorf, in dem ein altes Ritual durchgeführt wurde, um den Groll des Landes zu besänftigen. Nachdem dieses Ritual allerdings einmal gescheitert war, hüllte die Dunkelheit das Dorf ein und es ist zur ewigen Wiederholung des Rituals verdammt.

Mio und Mayu können das Dorf zunächst nicht mehr verlassen, sie müssen mit den Geistern der Hinterbliebenen im Dorf in Verbindung treten. Als Spieler erforscht man dieses Dorf, das tatsächlich in kompletter Finsternis liegt. Glücklicherweise hat man eine Taschenlampe zur Hand und findet bald die Camera Obscura, mit deren Hilfe man sich gegen feindlich gesinnte Geister wehren kann.

Die Spielemacher haben hier ein Meisterstück in Sachen Horror vollbracht - und das, obwohl es noch blutärmer ist als der erste Teil. Das zeigt uns, dass nicht die Menge Blut bestimmt, wie "fürchterlich" und "grauenvoll" gut ein Spiel ist. Der Spieler wird manipuliert, man fühlt sich bedroht, verfolgt, einsam, nach und nach wird eine Grauen erregende Geschichte aufgedeckt. Ich habe mich in einem Kapitel wahnsinnig gefürchtet - das geht mit sogenannten "Jumpscares" ganz einfach, Schrecksekunden, aber das Spiel meistert die Kunst, die entstehende Furcht minutenlang anzuhalten, so dass man als Spieler mehr als einmal erschrocken das Gamepad aus der Hand legen und das Spiel abschalten möchte.

Tut man aber nicht, und warum? Es war tatsächlich so, dass viele Spieler des ersten Project Zero das Spiel aus Angst nicht zu Ende brachten. Daher hat man eine stimmige, engmaschig erzählte Geschichte gesponnen - quasi als Anreiz, trotz aller Furcht vor dem, was da kommen möge, immer weiter zu spielen.

Das ist es, was ich gemacht habe. Im Kopf kreist "Das darf doch nicht wahr sein, das passiert grad nicht wirklich!" - "Ich weiß, es wird haarsträubend, wenn ich dort durch die Tür gehe" - und ich tue es doch. Schade, dass ich es nur einmal zum ersten Mal spielen kann - es steigt die Vorfreude auf den dritten Teil - und das Ende wird mir eine Weile im Gedächtnis bleiben, denn das ist echter Horror.

Ich hätte den Genuss dieser meisterlichen Gruselreihe nie richtig erlebt, wenn mich nicht eine Freundin begleitet hätte - sie ihrerseits mit einem Kissen bewaffnet. Der erste Teil lag jahrelang ungespielt in meinem Regal. Zum Glück habe ich es gewagt, es doch zu spielen.

Mehr Mut!


Dienstag, 12. April 2016

Frühlingsgefühle - PLUR

Die Sonne geht auf, mein Herz geht auf. Die Musik geht an, die Laune auch. Die Lautstärke geht hoch, Erinnerungen kommen hoch, und ich erinnere mich an die Neunziger, während im Hintergrund Das Modul - Frühlingsgefühle läuft.


Das war eine Ära, an die man mit einem breiten Grinsen zurückdenken darf. PLUR war damals ein Motto, unter dem man sich miteinander verstand: Peace, Love, Unity, Respect. Man hat zusammen das Leben genossen, es durch die rosarote Brille gesehen. Rave und Techno liefen im Mainstream-Radio, die Love Parade wurde zum Mekka aller Raver und zum Inbegriff des Zeitgeistes.

Für die heutige Generation mag es albern klingen, wenn damals jemand Unbekanntes im sogenannten Raver's Manifesto seine Grundhaltung zu Leben, Liebe, Freundschaft etc. niedergeschrieben hat in Begriffen von elektronischer Zirkulation und Dancefloorbeats - damals aber hat es einfach den Nerv einer ganzen Generation getroffen. Ich habe in der Phase, mal abgesehen von den entwicklungstypischen Problemen, die man als Jugendlicher so hat, viel Liebe erlebt, viel Farbe, viel Spaß. Sicherlich viel Ignoranz gegenüber der Weltpolitik, aber auch den Wunsch nach Frieden und einem Miteinander, PLUR eben.

Wer es nachlesen möchte, findet das Raver's Manifesto hier.

Und nun nehme ich etwas von dem Schwung aus der Musik mit, fülle meine Taschen und meinen Kopf damit voll und gehe in den Tag.

Macht Liebe!

Montag, 11. April 2016

Warum ich schwarz trage

Anlass für diesen Post ist eine Situation heute im Bus in der Kieler Innenstadt. Ich hab ein Lost Souls-Outfit angehabt, also schwarz lackierte Fingernägel, New Rock-Boots, Bondagehose, Schmuck, viele Ketten, Ringe und Reißverschlüsse und Bänder. Und manche Leute haben mich recht komisch angeschaut, und ich denk dann immer, was ist, ich hab euch doch nichts getan?! Aber wenn man als Otto Normalverbraucher vom Einkaufen nach Hause fährt und es steigt ein zwei Meter großer Mann in den Bus, der nur schwarz trägt und bei jedem Schritt hört man Metall klirren und die schweren Schuhe bollern, und dann dieser Gesichtsausdruck - da kann einem augenscheinlich angst und bange werden. Ein paar meiner Schüler haben mir das auch schon gesagt - "Herr Homann, am Anfang hatte ich echt Angst vor ihnen! Und als sie dann so laut geworden sind, hätte ich fast geheult."

So unterschiedlich können Selbst- und Fremdwahrnehmung sein. Aber warum trage ich denn überhaupt so viel schwarz? Im StudiVZ gab es früher eine Gruppe mit dem Namen "Ich trage so lange schwarz, bis es etwas Schwärzeres gibt" - grandios! Nun denn ein Erklärungsversuch:

Ich wurde in der Schule gemobbt. Ich war anders, manchmal etwas tuffig angehaucht, und dann auch noch so ein Streber, der alles weiß und mit ADHS-Tendenzen, das bietet große Angriffsfläche für's Mobbing. Da wurden Stifte geworfen, Papierkugeln geschossen und Gummibänder gespannt, ich wurde angerempelt, beleidigt, alles, was dazugehört. Und es hat mich richtig getroffen. Ich wurde still und introvertiert. Ich hatte Angst, in die Schule zu gehen.

Jedenfalls haben mich diese Jahre das Fürchten gelehrt. Ich brauchte einen Schutzpanzer. Wie eine Rüstung, die mich vor fliegenden Papierkugeln, Blicken und Beleidigungen schützt. Und so kam es dann erst im Studium, dass ich die Schwarze Szene kennenlernte. Ich fühlte mich in diesen tollen Outfits irgendwie stärker, größer, unangreifbarer - richtig unnahbar. Schon fast kalt, abweisend. Furchteinflößend. Und da wären wir beim Rundschluss. Es ist mir wesentlich lieber, dass unbekannte Menschen Angst vor mir haben, als dass ich mich wieder angreifbar mache.

Mittlerweile habe ich mehr Selbstbewusstsein. Mehr Rückgrat. Schwarz ist für mich inzwischen zu einem Lifestyle geworden, es macht schlank, es lässt sich mit allem kombinieren, es ist düster-mystisch.

Ja Leute, habt Angst vor mir! Hauptsache, ihr tut mir nicht weh. Scheiß drauf, was irgendjemand denkt.

Sonntag, 10. April 2016

Niederegger goes heteronormative



Das ist nicht Euer Ernst! In etwa diesen Titel trug der Gedankenzug beim Entgleisen, als ich neulich vor dem Niederegger-Regal stand. Ich bin ein Fan des Marzipans aus dem Lübecker Traditionshaus, allein schon wegen des Rosenaromas und weil es nicht so süß ist. In den letzten Jahren hat Niederegger hin und wieder neue Sorten auf den Markt gebracht, manche nur als befristete Aktion, andere wurden ins Programm übernommen.

Und nun merke ich, dass das Haus Niederegger sich dem Trend von Lindt&Sprüngli anschließt (die "Nice to sweet you"-Kampagne) und mit einem speziellen Äußeren eine neue Zielgruppe anzusprechen versucht. Jung, dynamisch, männlich - so klingt das Männersache-Marzipan. Moment mal, Marzipan und männlich? Whatever... da die Sorten für mich neu waren, musste ich sie verkosten.

So, da hätten wir das Marzipanbrot mit Karamell und gesalzenen Cashewkernen. Neu ist diese Idee nicht - Karamell ist uralt, zu salzen begann man es in den letzten fünf Jahren im Supermarkt (war natürlich in gehobeneren Confiserien schon längst ein alter Hut!), weil ungewöhnliche Kombinationen von Aromen und Geschmacksrichtungen die Kundschaft ansprechen. Und vollkommen zu Recht! Das männliche Marzipanbrot ist ein Genuss, es ist geradezu erhebend, nach und nach alle Aromen herauszuschmecken. Allerdings ist es sehr süß geraten; mit "dezent" hat das nichts mehr zu tun. Dass es von Vollmilchschokolade umhüllt ist, trägt einen Teil dazu bei.

Weiterhin wäre da die Marzipantafel, natürlich auch wieder äußerst maskulin, mit Apfelstücken und Bourbon-Aroma. Das klang ganz schrecklich, aber auch hier ist die Entfaltung der Aromen im Mund ein Genuss. Sehr raffiniert; habe ich in dieser Zusammenstellung bisher noch nicht erlebt.

Geschmacklich sind diese neuen Sorten also toll, aber definitiv nicht jedermanns Sache. Was mich allerdings im Halse würgt ist die Aufmachung des Ganzen. WARUM muss nach unterschiedlichen Chipssorten für die Geschlechter (das ist mein Ernst, schaut mal in die Regale!) jetzt auch noch die gehobenere Confiserie mit dem Trend gehen? Hier wird diktiert, was typisch männlich ist - klar, mit Bourbon und so - wtf?! Uralte Klischees werden hervorgekramt, von Männern, die Zigarren rauchend abends in der Runde sitzen, den Whisky kreisen lassen und sich gegenseitig die Eier schaukeln.

Ich dachte, wir wären dabei, mit diesen Klischees aufzuräumen, aber ich bemerke zur Zeit eine sehr deutliche Welle im Konsumangebot zur Betonung der klassischen Geschlechterrollen. Das ist ein Schritt zurück in die Steinzeit. Warte mal, hat die AfD etwa Niederegger aufgekauft? Man kann über die Gründe grübeln, wie man will, mein Fazit bleibt:

Sehr raffinierte neue Sorten für Genießer in einer absolut unmöglichen, heteronormativen Aufmachung.

Mittwoch, 6. April 2016

Offbeat, oder: Drachenzähmen leicht gemacht

Gestern habe ich, mal wieder mit der für mich typischen Verspätung, Drachenzähmen leicht gemacht geschaut (How to Train Your Dragon, 2010). Ich hatte Lust auf einen Animationsfilm in 3D und wollte völlig unvoreingenommen da rangehen. Und auch, wenn der Film eigentlich ganz witzig war, war ich recht irritiert. Da kommen so viele Unwahrscheinlichkeiten vor, und ich hatte so viele Fragen, die nicht beantwortet wurden. Am Ende dachte ich mir, joah, war ganz nett, aber jetzt nicht so überragend. Danach habe ich - wie ich es gerne mache - die Rezension von Roger Ebert gelesen, der dem Film seine Qualität nicht absprechen konnte, aber offentsichtlich wurde sein Geschmack nicht getroffen. Er erwähnte auch, dass es ja daran liegen könne, dass er nicht mehr in der Gedankenwelt eines Sechsjährigen stecke.

Erst in dem Moment ist mir richtig bewusst geworden, dass es sich um einen Film für Kinder handelte. Ich habe mir Fragen gestellt, die sich ein Kind nie stellen würde, wenn es diesen Film sah. Ich habe mich an andere Filme erinnert, die für diese Altersklasse gedacht sind - Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen oder Ich - einfach unverbesserlich - und dann ist mir erst bewusst geworden, wie Drachenzähmen eigentlich funktioniert.

Ich habe daraufhin in der Wikipedia gelesen, dass der Film tolle Rezensionen erhalten hat. Bei Rotten Tomatoes hat er 98% positive Kritiken eingefahren, in der IMDb ist er mit einer Wertung von 8,2 sehr populär, auf Platz 160 der Top-Filme. Das hat mir dann auch erklärt, warum mir die letzten fünf Minuten so unglaublich gut gefallen haben.

Der Film schließt nämlich mit einer Szene (oder besser gesagt, der vorletzten), die ungewöhnlich für diese Art Kinderfilm ist. Im Englisch würde man dazu offbeat sagen. Der Held, ein Junge namens Hicks, hat nämlich in einer actionreichen Sequenz schließlich das Bewusstsein verloren - und auch eines seiner Beine, wie ihm beim Aufwachen bewusst wird. Er entdeckt die (nach Wikingerart liebevoll gebastelte) Beinprothese. Und es ist kein Holzbein nach Piratenart, sondern sie entspricht der Form, wie wir sie von alltäglichen Beinprothesen kennen.




Betroffene Kinder können sich umgehend mit der gezeigten Situation identifizieren. Es ist ein Befreiungsschlag für Menschen mit Handycap, ein Denkzettel gegen die oft allzu "perfekten" Protagonisten von Disney, heterosexuelle, unversehrte Jugendliche mit makelloser Haut und glänzendem Haar. Das ist mutig (klar, von der Buchvorlage diktiert, aber man hätte es feige wegeditieren können) und sensationell.

Das hat mich gestern Abend so sehr beeindruckt, dass ich den zweiten Teil gleich im Anschluss angeschaut habe. Es ist einer dieser Fälle, in denen der zweite Teil den ersten noch übertrifft (wie auch bei Wolkig oder Shrek) - wieder einmal offbeat, mit pazifistischer Botschaft, starken Frauenbildern, vielen Antworten auf lose Plotenden/-fragen des ersten Filmes und einem unverschämt guten, wenngleich subtilen, Outing eines Wikingers: In einem Kinderfilm ein weiteres mutiges und absolut großartiges Plädoyer für die Andersartigkeit (und nicht oft heißt die Freundin des jungen Helden Astrid).

Ich freue mich sehr auf 2018, wenn der dritte Teil in die Kinos kommen soll (es ist als Trilogie ausgelegt). Hoffentlich zeigt man wieder den Mut zum Andersdenken!

Dienstag, 5. April 2016

Post-Game Content

Videospiele sind schon eine tolle Sache. Man taucht audiovisuell in eine andere Welt ein, man wird verwickelt in dramatische Plots mit faszinierenden Charakteren. Die Fantasie wird angeregt und man träumt sich auch gern mal eigene Welten zurecht. Ein klassisches Videospiel hat ein Intro, einen Hauptteil, dann besiegt man einen Endgegner, schaut sich in aller Ruhe das Ende an, die Credits laufen über den Bildschirm (welch schöne Formulierung! Müsste man mal visualisieren...) und man kommt zum Schlussbildschirm mit "Ende". Man ist glücklich und stolz, dass man es geschafft hat, und man ist satt vom Spielen, legt das Spiel weg und holt es vielleicht nie wieder hervor.

Manche Spiele allerdings sträuben sich dagegen. Die Entwickler haben noch ein As im Ärmel, könnte man sagen. Ich nehme als Beispiel Ni No Kuni - Der Fluch der weißen Königin. Wie beschrieben laufen die Credits und ich bin bereit, die Playstation auszuschalten. Ein bisschen sauer bin ich, dass ich irgendwie nur die Hälfte aller Gegenstände im Spiel finden konnte, das wird mir immer schön in Prozentzahlen angezeigt. Und dann erscheint jene seltsame Nachricht:

"Möchtest Du Dein Spiel speichern?"

Jetzt bin ich verwirrt. Das Spiel ist zu Ende, warum sollte ich jetzt noch einmal speichern? Das macht man *vor* dem großen Endboss. Aber gut, ich speichere mein Spiel. Und dann wird mir angezeigt, dass neue Missionen zur Verfügung stehen - und dass sich eine vorher verschlossene Tür auf einmal geöffnet hat. Wie bitte? Da stand doch vorhin "Ende", und jetzt gehts weiter?

Das, meine Damen und Herren, nennt sich post-game content, quasi "Inhalt nach dem Spiel". Dieser Inhalt ist ein Bonus, ein Extra. Die Story, die vermittelt werden sollte, ist abgeschlossen, aber nun habe ich die Möglichkeit, die Spielwelt ohne jegliche Zwänge und in aller Ruhe zu erforschen. Ich reise nochmals in bereits besuchte Städte und ich merke, dass sich dort Dinge verändert haben. Das macht mich neugierig!

Und bei manchen Spielen ist der post-game content extrem umfangreich. Da kann man plötzlich unzählige neue Ausrüstungsgegenstände per Alchemie herstellen, eine neue Grotte öffnet sich neugierigen Entdeckern. Die Menschen, denen man im Hauptteil schon einmal geholfen hatte, haben nun neue Probleme.

Das ist großartig, weil es nach dem Prinzip "Alles kann, nichts muss" läuft. Man hat das Spiel abgeschlossen und kann es weglegen, falls man aber interessiert ist, gibt es noch mehr zu finden. Ich habe dieses Konzept erst vor zwei Jahren intensiver kennengelernt. Spät, aber immerhin! Denn das wertet ein Spiel unglaublich auf. Ein großes Danke an die Entwickler!

Beispiele dafür sind eben Ni No Kuni (Meta-Spielebene mit dem Hasen), die Star Ocean-Reihe (Stichwort "Wandering Dungeon", "Seven Star Ruins" oder "Sphere 211"), bei mir grad aktuell Project Zero (neue, unbekannte Aufrüstungen für die Kamera, neue Geister, Outfits, Schwierigkeitsgrad) und Dragon Quest IX mit starken Parallelen zu Ni No Kuni (zB Alchemie). Es macht Spaß, ganz zwanglos einige Stunden der eigenen freien Zeit darin zu investieren - das lasse ich mir nicht nehmen.

Game on!

Montag, 4. April 2016

Freizeitparkkultur

Ich liebe Freizeitparks. Im Studium hab ich mich mit ihrer Entstehungsgeschichte auseinandergesetzt und ich muss sagen: Wir sind auf einem guten Weg. Wir befinden uns mitten im zweiten Goldenen Zeitalter der Achterbahnen - das erste war im Amerika der 1920er.

Wenn ich allein in einen Park gehe, erlebe ich ihn ganz anders, als wenn ich mit Freunden losziehe. Wenn ich allein bin, ist das Ganze purer egozentrischer Genuss. Die ganze Achterbahnideologie, ja, für manch Einen ist das Erlebnis einer Achterbahn wie Philosophie.

Ich kann mich mit dem Gedanken anfreunden. Das ergibt sich schon aus dem Umstand, dass ich ja einige Wartezeiten beim Anstehen habe - da dreht der Gedankenzug seine Runden. Ich steige also aus dem Auto, komme vom Parkplatz, und schon beim Annähern an das Holstentor, das den Eingang des Hansa Park markiert, wird mir bewusst, dass ich kein 0815-Besucher bin. Ich schaue links und rechts auf die Familien, die an den Ticketschaltern stehen. Ich gehe direkt vorbei und in den Park, nachdem meine Saisonkarte gescannt wurde.

Im Gegensatz zu einem "herkömmlichen" Besucher habe ich überhaupt keine Zwänge. Ich muss nicht jede einzelne Attraktion schaffen - kann ich ja ein anderes Mal machen. Wenn, so wie letzten Freitag, der Fluch von Novgorod down ist, ist das nicht schlimm, denn ich komme ja wieder. Ich habe nicht diesen Gedanken: "Ich muss möglichst viel für mein Geld schaffen!"

Denn das stresst, das hetzt, das mindert den Genuss. So kann ich in aller Ruhe durch den Park gehen, auch einfach mal kontemplativ vor dem 80 Meter hohen Turm des Kärnan sitzen, meditieren, dabei die Schreie wahrnehmen, die - um ein Vielfaches verstärkt - aus dem Turm hallen. By the way, eine ausführliche Rezension zum Schwur des Kärnan folgt, sobald die Arbeiten abgeschlossen sind.

Die Achterbahn hat eine für deutsche Verhältnisse ungewöhnlich hohe Intensität. Ich habe mich direkt an Amerika erinnert gefühlt, dort befinden sich wesentlich schnellere Achterbahnen. Mit Kärnan haben wir uns aber einen Schritt angenähert.

Ich wünschte, wir könnten uns auch in Sachen "Verhalten der Parkbesucher" an amerikanische Verhältnisse herantasten. Dort wartet man ganz entspannt, unterhält sich, lehnt sich an die Geländer und hat Platz zum Atmen. In Deutschland dagegen wird gedrängelt, man hetzt, man pöbelt rum. Rauchverbote werden ignoriert, man schwingt sich einfach über die Geländer, um schneller nach vorn zu kommen. Im Englisch spricht man von line skipping - ich finde das rücksichtslos.

Es ist bekannt, dass die Amerikaner deutlich freundlicher sind als die Deutschen, und das macht sich auch in den Parks bemerkbar. Niemand würde auf die Idee kommen, sich vorzudrängeln. Grund dafür ist neben der erwähnten Freundlichkeit eine andere Parkkultur. Ich nenne als Beispiel Kings Island in Ohio: Laut Nutzungsbedingungen kann ein Besucher, der sich vordrängelt, sofort des Parks verwiesen werden. Saisonkarten können eingezogen werden. Das klingt streng, aber ich finde das selbstverständlich und daher in Ordnung.

Es ist auch nicht gestattet, Verpflegung in den Park mitzunehmen. Ich war erst gespaltener Meinung, denn Essen & Trinken in Freizeitparks ist oft sehr teuer. Allerdings leben die Freizeitparks von ihren Besuchern, sie wachsen durch die Einnahmen (jeder, der mal Roller Coaster Tycoon gespielt hat, kennt das).

Und das bringt mich dazu, als regelmäßiger HaPa-Besucher im Park zu snacken. Das ist mein Park, auf diese Weise unterstütze ich ihn, fast wie ein Fan. Mal ganz abgesehen davon, dass es sehr entspannt ist, wenn man nicht immer einen Rucksack dabei hat. Man fühlt sich richtig frei.

Auf geht's!


Freitag, 1. April 2016

Offener Brief

An Dich



Ich weiß, es ist leichtsinnig, in einem offenen Brief von seinen Emotionen zu erzählen - man gibt sich der Lächerlichkeit preis. Aber ich weiß ja, dass Du das hier nicht lesen wirst, also ist es okay, und was der Rest der Welt denkt, ist mir mal wieder egal. Ich muss mir das einmal von der Seele schreiben.

Kennengelernt haben wir uns vor etwas mehr als zwei Jahren, in einer für mich sehr bewegten Phase. Ref-Chaos, raus aus der alten Wohnung, ich konnte innerlich nicht zur Ruhe kommen. Und irgendwie hast Du es schon bei unserem ersten Treffen geschafft, mir Halt zu geben. Wir haben uns gleich verstanden und uns miteinander wohlgefühlt.

Das soll nicht heißen, dass wir uns sofort verstanden haben. Durchschaut schon mal gar nicht. Das System, Verhaltensmuster, die "Technik", die in Dir steckt, habe ich in diesen zwei Jahren erst nach und nach kennengelernt. Je länger wir miteinander zu tun hatten, umso besser konnte ich Dich händeln - zumindest dachte ich das immer, und es hat sich für mich auch wirklich so angefühlt. Und mein Leben ist durch Dich reicher geworden.

Du hast mir Türen geöffnet, Du hast mir Einblicke gegeben, die ich in meiner ach so hochbegabten Welt außer Acht zu lassen neige. Anfangs habe ich versucht, Dich zu verändern, und hatte nie ganz das Gefühl, fertig geworden zu sein, bin aber mittlerweile zu der Einsicht gelangt, dass Du vielleicht genau so richtig bist, wie Du bist, und dass ich Dich genau so akzeptiere.

Ohne Dich ist nicht alles doof. Aber ohne Dich bin ich um einen Lebensraum ärmer. Zum Glück habe ich immer das Gefühl, dass Du gleich nebenan bist. Ganz ohne Dich würde ich nicht nur Kummer haben, ganz ohne Dich würde es mir körperlich richtig mies gehen und ich würde mich wohl nicht mehr wohl fühlen.

Ich freue mich sehr darauf, Dich wiederzusehen, denn...

...ich liebe Dich: Meine Türklinke.

(April April ^^ Sorry, dass ich sie auf dem Foto oben nicht ganz in den Fokus bekommen habe!)

PS.: Yay, endlich hab ich meine neue Saisonkarte! ;)