Freitag, 30. Juni 2017

Will you marry me?

Studium. Alkohol. Twen-Unsinn. Spaß.

Frankly? No.

Ich sitze an der Tastatur und muss es irgendwie schaffen, diesen Tag zu verarbeiten, der so viel verschiedenen Input hatte - bitte ertragt es, wenn ich ein wenig gedanklich mäandere.

Nun ist es also soweit. Endlich. ENDLICH! Merkels Brigitte-Interview kann als ein Meilenstein deutscher Geschichte betrachtet werden, wenn man bedenkt, dass sie von ihrem "unguten Bauchgefühl" abgerückt ist und es zu einer "Gewissensentscheidung" gemacht hat. Angela Merkel hat - wenig überraschend - gegen die gleichgeschlechtliche Ehe gestimmt - #EheFuerAlle dürfte ein sehr populärer Hashtag sein. Und was soll ich in diesem Blog dazu schreiben, wo doch Alles schon anderorts geschrieben wird, und mehrheitlich sogar besser? Ich gebe einfach wieder eine Runde Bewusstseinsstrom Light für alle aus.

Ich habe mich geschämt. Jahrelang. Jahrelang habe ich mich dafür geschämt, dass unsere Bundesregierung der Homo-Ehe im Weg steht. Was habe ich mich geschämt, als Petra Mede beim ESC 2013 im Intermezzo Swedish Smorgasbord (geile Nummer) die Homo-Ehe als Selbstverständlichkeit für Schweden präsentiert hat! Was habe ich mich heute geschämt, als die SPD das als ihren Sieg verkündet, wenn ich bedenke, dass diese Partei jahrelang um des Koalitionsfriedens Willen den Mund gehalten hat.

Die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Partner war längst überfällig, und ich bin zufrieden, dass es endlich geklickt hat. Wahlkampf hin oder her. Und Beatrix von Storch kotzt jetzt wahrscheinlich und es würde mich interessieren, wie Alice Weidel (AfD) es mit ihrer Lebenspartnerin handhabt - werden sie jetzt auch heiraten? Oder nicht? Wie steht sie dazu? Diese Fragen sind rhetorisch. Ich möchte keine Antworten darauf. Ich möchte meine wertvolle Denkzeit nicht mit der AfD vergeuden.

Möchte ich heiraten? Ich kann dazu keine Aussage machen. Ich kann es nur etwas allgemeiner formulieren: Er ist der Mensch, für den ich tatsächlich Verantwortung übernehmen würde. Für den ich einstehen würde. Den ich immer unterstützen würde. Egal ob Ehe oder nicht, und außerdem hat Er ja eine Freundin ;-) Ich kann also nur sagen: Zu diesem Zeitpunkt ist eine Lebenspartnerschaft für mich nicht relevant.

Aber ich freue mich unglaublich für alle Paare da draußen. Ich kann das Gefühl nicht in Worte fassen. Ich leuchte innerlich, in Regenbogenfarben. Endlich Zeitgeist. Endlich Liebe. Endlich gesunder Menschenverstand.

Endlich einen Schritt weiter.

Donnerstag, 29. Juni 2017

Ich habe mich verliebt...

...nicht in fiktive Figuren - aber in eine Geschichte; ich finde es immer wieder faszinierend, wie man sich mit fiktiven Charakteren anfreunden kann - so dass man sich bei ihnen irgendwie "zuhause" fühlt....

...aber nicht in einen anderen Mann. Dieses Gefühl hat immer noch Er für sich gepachtet, egal, wie die Situation gerade sein mag (never say never...).

Es geht um ein neues Adventure in meinem Spieleregal. Zu meinen PC-Zeiten zuhause und im Studium habe ich alle möglichen Adventures gespielt, Point'n'Klick, Grafikadventures und Konsorten. Ich mochte es immer, in aller Ruhe eine Welt zu erforschen, die meistens visuell und akustisch wunderbar ausgestattet war. Dazu galt es, vertrackte Rätsel zu lösen, ein paar dieser Spiele boten echte Kopfnüsse. Das galt inbesondere für die Grafikadventures - und manch' ein Spiel hatte dann auch noch echt tolle Stories parat, verpackt in wunderbarer Atmosphäre, zum Beispiel Syberia, Runaway, Maniac Mansion - und unzählige mehr.

Seit meinem Umzug nach Husum vor Jahren habe ich keine klassischen Adventures mehr gespielt - doch beim Stöbern in den Shopregalen wurde ich fündig und habe wieder richtig Lust bekommen, und zwar auf Life Is Strange. Da ich selbst noch in der ersten Episode bin und nichts spoilern möchte, weise ich nur auf die Elemente hin, die mich beim ersten Spielen angezogen haben: Das Setting - in einer Highschool - die Protagonistin - eine achtzehnjährige Fotografiestudentin, die eine übersinnliche Gabe entdeckt - und vor allem die Musik - pure Melancholie, emotional; das Ganze kombiniert mit den ersten zwanzig Minuten des Spiels, in denen es direkt um Gewalt, Drogen und Schimpfworte geht, das hat mich gefesselt. Ich stelle fest, dass die am häufigsten benutzten Wörter fuck, shit, ass, bitch, douche und dick sind. Toll, ich fühle mich direkt gut aufgehoben! Der Wortschatz der heutigen Jugend wurde verdammt gut getroffen.

Und als ich dann bei einem Song im Hintergrund die weibliche Gesangsstimme gehört habe, dachte ich - moment mal, die kommt mir irgendwie bekannt vor. Ich hatte gleich den Verdacht, dass bei dem Indie-Folk-Soundtrack zwei Leutchen involviert waren, und eine kurze Recherche hat bestätigt: Angus&Julia Stone haben mitgemischt. Ich höre solche Musik eigentlich nie bewusst, sondern eher zufällig nebenbei und dann mag ich sie. Wer sich nichts drunter vorstellen kann, darf einen Blick werfen in das Video zu Paper Aeroplane, mein erster Song von ihnen, und ich habe ihn bis heute nicht aus dem Kopf bekommen:


Soviel also zu meiner Spiele-Nostalgie für heute. Gibt es da draußen noch mehr Menschen, die mit diesen Namen etwas anfangen können? Zak McKracken and the Alien Mindbenders, Loom, Indiana Jones and the Fate of Atlantis, Myst, Riven, Schizm, Reah, Aura, überhaupt mit dem ganzen "Benutze Dosenfutter mit zweiköpfiges Eichhörnchen"-Gedöns? Oder "Drücke Sophia" (Insider)?

Und jetzt widme ich mich wieder der Meditation, gibt gerade genügend Denkstoff...

Mittwoch, 28. Juni 2017

Flores ingenuitatis discipulorum (FID) - Stilblüten

Yes, they did their best...

Geburtstagsparty, es sollten die richtigen Vokabeln eingesetzt werden:

"Holly and Olivia can sit in the fire." 
Wobei ich zugeben muss, manchmal hat man ja tatsächlich Gäste, die man am liebsten wieder loswerden möchte - und da hilft auch der folgende Tipp:

"She can barbecue her friends."
Irgendwie finde ich das so witzig, dass ich dafür einen Bonuspunkt geben sollte; wer Addams Family Values gesehen hat, weiß, wie man Menschen grillt.

"She has a money party."
Ich finde es ein wenig verstörend, wenn Fünftklässler sich Geldparties vorstellen. Ob da ein zukünftiger Donald Trump heranwächst? Dessen Lieblingsverb taucht dort auf:

"She wants to fire the money." 
An dieser Stelle bin ich mir nicht sicher, ob das Geld einfach nur gekündigt werden soll; ich lese es so, dass sie das Geld scheineweise in den Kamin schaufeln soll.

Aufgaben zum will-future:

"Please be careful with my new sunglasses!"- "Don't worry, I will break them." 
Das Trickreiche ist ja, dass der Satz grammatikalisch korrekt ist, mir fällt es tatsächlich schwer, hier einen Fehler anzustreichen.

"Oh no, I forgot my Maths homework!" - "Don't worry, I will tell Mr Swindon."
Hach, solche Mitschüler hat man sicherlich gern - ist immer schön, wenn man sich umeinander kümmert.

"I can lend you some money." - "Thank you! I won't pay you back."
Okay, wenigstens ist er ehrlich. Auch hier wieder das Problem: Grammatikalisch ist das richtig - und inhaltlich auch möglich. Also dürfte ich das eigentlich nicht als falsch markieren.

Neue Götter:

"Martem ist der Akkusativ von Martus, Lovem, achso, klar, damit ist Juppiter gemeint, der Gott der Liebe, und Mercurius ist der Gott des Handels, weil er halt handelt, während die Anderen nur rumsitzen."

'nuff said.

post scriptum: Drollig, aber tatsächlich ist dieses PS das Erste, was ich in diesem Beitrag schreibe. Ich bin gerade zum Haus rein und sehe schon wieder einen Umzugswagen vor der Haustür. Ich fasse zusammen: Ich wohne seit gut drei Jahren in dieser Wohnung. Meine Nachbarin rechts ist ausgezogen. Mein Nachbar links verstorben und wurde von der Polizei herausgetragen. Die Nachbarn unter mir ziehen jetzt zum zweiten Mal aus. Ich glaube, die Buba und ich haben eine abschreckende Wirkung - ich kann mir GAAAAHHRRRTHÖÄARCHT vorstellen, warum...

PPS: Typisch HB: In der ersten Praxis hat es mit der Physio nicht geklappt, die nötige Therapeutin ist derzeit im Urlaub. Anstatt gleich bei der nächsten anzurufen, muss ich das erstmal verarbeiten ^^

Sonntag, 25. Juni 2017

Das Schwimmbad

Wenn aus Flächenberechnung ein ganzes Abenteuer wird...

Siebte Klasse, Mathe bei Herrn Kries. Flächenberechnung. Und Herr Kries erklärt es nochmal für alle, das hatten wir doch schon, können wir nicht endlich weitermachen? Aber nein, er versucht es nochmal auf eine andere Art und Weise zu beschreiben. Ich blicke auf meine Zeichnung von einem Quader minus kleinerer Quader und lasse die Gedanken schweifen. Das sieht aus wie der Grundriss von einem Haus, oder so. Ich zeichne mal Fenster und Türen ein, dann ist das Bild nicht mehr so langweilig, kann ja noch eine Weile dauern, bis wir in Mathe weitermachen. Und wenn schon Fenster und Türen drin sind, dann kann ich meiner Flächenberechnung auch gleich noch Möbel hinzufügen, und Menschen. Und einen weiteren Raum, und hier noch zwei. Und einen Schatz da hin und eine Bombe dorthin. Und natürlich ist die Tür zum Schatz verschlossen, warte mal, das zeichne ich hier ein, ich nenne den Schlüssel "A", damit ich nicht durcheinander komme, denn ich möchte noch mehr Schlösser einbauen...

Und während Herr Kries mittlerweile tatsächlich unterrichtlich weiterging, hatte ich mich bereits vollkommen in meine Zeichnung vertieft. Von den Anderen hatte ich nichts mehr mitbekommen, mein Gehirn lief auf Hochtouren, und ich fing tatsächlich an, dem ganzen Grundriss einen Plot hinzuzufügen. Das ist keine ungewöhnliche Situation gewesen, sowas kam öfters vor. Und jeder Kollege, der schon einmal hochbegabte Autisten unterrichtet hat, dürfte dieses Verhalten so oder so ähnlich kennen.

Ich habe also in den darauffolgenden Mathestunden meinen Grundriss immer weiter verfeinert, ich habe ein Schwimmbad entworfen mit einem Löwengehege in der Eingangshalle, einem blutigen, zerfetzten Kleid, das im Gitter hing, eine Midnight Lounge, in der sich ein zerstrittenes Ehepaar, ein Polizist und ein Transvestit aufhielten. Versorgungsgänge, Kellergewölbe, ein geheimer Fahrstuhl, ein Park hinter dem Schwimmbad...

Und so hatte ich ein paar Wochen später ein komplettes Rollenspiel entworfen, inklusive eines Soundtracks, der je nach Raum im Hintergrund laufen sollte - aber ob das auch etwas taugte? Es sollte sich herausstellen, dass meine Mitschüler, Bandmitglieder und Freunde Spaß daran hatten, das Geheimnis des Schwimmbades zu enthüllen; ich habe das Schwimmbad in den darauffolgenden Monaten und Jahren immer wieder mit neuen Bekannten gespielt.

Und weil ich das so cool fand, biete ich das in diesem Juli in unserer Schulprojektwoche an - Rollenspiele selbstgemacht - ich werde das originale Schwimmbad mit meiner Gruppe erst spielen und die Schüler dann anleiten, eigene Rollenspiele zu entwerfen. Und ich bin richtig gespannt, wie das wird!

Das Spiel hat damals tatsächlich eine epische Fortsetzung erhalten (jaja, wenn der Hochbegabte sich erstmal für etwas begeistert...) und aus dem dritten Teil ist mein erster "Roman" geworden. Das hat echt Spaß gemacht - kreative Zeiten...

Samstag, 24. Juni 2017

Abgelehnt

Toller Schulfotograf - aber ganz bestimmt nicht meine Schule, und so geht die Suche weiter...

"Mit Latein kannst du dir nachher deine Schule aussuchen!"

Mit diesem Satz habe ich das Werner-Heisenberg-Gymnasium verlassen und bin an die Universität gegangen. Das war eine Art Credo für mich, ich habe mich durch das damals sehr anspruchsvolle Lateinstudium gearbeitet mit genau diesem Ziel im Blick: Dass ich keine Probleme haben werde, eine Arbeit zu finden. Und jedesmal, wenn ich überlegt hatte, das Studium zu schmeißen, kam immer wieder dieses "...garantierter Job." in den Kopf und ich habe mich aufgerappelt und weitergekämpft. Ich kann mich in sowas ziemlich gut hineinsteigern, verliere dann auch gern den Blick für die Realität da draußen.

Deswegen bin ich heilfroh, dass ich die Sannitanic habe. Sie hat ihr Studium ein Jahr vor mir beendet, ein vorbildliches, fleißiges Bienchen. Als ich also mein erstes Staatsexamen einkassiert hab, hatte sie bereits ein Jahr Arbeitsmarkt und Realität erlebt und kontinuierlich, mal mehr, mal weniger subtil mir einzuhämmern versucht, dass der Satz "Mit Latein kannst du dir nachher deine Schule aussuchen!" mittlerweile obsolet war. Und immer, wenn ich irgendwelche freudigen Höhenflüge hatte, mir ausgemalt hatte, wie schön gesichert meine Zukunft sich entfaltet, dann kam sie und prügelte mir gesunden Menschenverstand ein.

Für uns gab es da draußen kein "Schule aussuchen" mehr. Man muss nehmen, was man kriegen kann. Und die Sannitanic hatte Erfolg, ich bekam einen genauso pessimistisch-realistischen Blick auf den Stand der Dinge wie sie. Und als ich mein zweites Staatsexamen einkassiert hatte, gab es nur noch "Ich nehm' Alles, hauptsache irgendeine Arbeit!" (Dass der nächste Job mich an eine Traumschule führen sollte, lasse ich jetzt mal dahingestellt)

Und so ist es noch heute. Man sollte nehmen, was man kriegen kann. Auch wenn es Fahrzeiten bedeutet. Auch wenn es Umzug bedeutet. Und ich bewundere Herrn Leinhos da draußen, der sowohl Schulart als auch Bundesland gewechselt hat (er liest das jetzt gerade) und eine Arbeit hat. Ich beneide ihn ein wenig darum, denn ich kann das nicht. Ich bin viel zu unflexibel. Und ich habe das ein oder andere Jobangebot abgelehnt. Sylt hat eine Planstelle angeboten - der Sannitanic-Schrei: "Nimm', was du kriegen kannst!!!" - aber ich möchte in Kiel bleiben, ich möchte in meiner Wohnung bleiben. Aber es gibt auch andere Gründe, eine Stelle abzulehnen.

So hat die Lübecker Geschwister-Prenski-Schule angefragt, es ging um eine Planstelle. Sannitanic: "Wow, das würde ich mir überlegen, die soll echt gut sein!" - und das hat mich misstrauisch gemacht. Ich möchte nicht an so eine "tolle" Schule. Warum? Weil ich mir ernsthaft Sorgen mache, dass ich den Ansprüchen nicht gerecht werden kann. Dass ich nicht mit den tollen Kollegen mithalten kann. Und das würde mir immer wieder wie eine unsichtbare Last auf den Schultern gelegen haben. Lieber würde ich an eine Schule gehen, an der es Probleme gibt, damit ich mein Ding durchziehen kann.

Und es hat auch die Klaus-Groth-Schule aus Neumünster angefragt (aber befristet). Und zwar expressis verbis nach mir gefragt, denn den Schulleiter  habe ich im Studium mehrfach erlebt. Und er mich. Und mir war klar, dass ich nicht an seine Schule möchte. Nicht, weil er kein guter Lehrer wäre, ganz im Gegenteil, er ist echt super. Aber er hat mir im Studium suggeriert, dass es nur eine Art zu unterrichten gebe, nur eine Hauptstraße durch den Text (jetzt kotzt jemand). Er würde womöglich von mir erwartet haben, mich an die KGS anzupassen, mich an seinen Stil anzupassen, und das wäre ganz unschön ausgegangen, Querkopf, der ich bin. Deswegen habe ich höflich abgelehnt. Allerdings hat der Schulleiter sich nicht so schnell abwimmeln lassen, und da kommen wir zu einem weiteren Argument für eine Ablehnung.

"Dr Hilarius, wir sind ein Gymnasium, reizt sie das nicht?" - Nein, habe ich ihm nett geantwortet, gerade das ist ein Grund, nicht anzunehmen. Ich möchte an eine Gemeinschaftsschule (wie ich hier schon bis zum Erbrechen erörtert habe). Bei der Schulart Gymnasium sitzt schon wieder diese unsichtbare Last auf meinen Schultern: Elitäre Schüler, toller Ruf der Schule, niveauvoll, anspruchsvoll, keine Fehltritte erlaubt - ich würde dem niemals gerecht werden können.

Und so bleibt immer wieder die Frage - soll ich irgendeinen Job annehmen? Oder einen, in dem ich mich wohlfühlen werde? Sannitanic: Naja, dann gib' doch mehreren Schulen die Chance, die richtige für dich zu sein! Ich: Ich habe zurzeit eine Schule gefunden, an der ich mich wohlfühle und in die ich gut hineinpassen würde, trotz (oder aber wegen) meiner Eigenarten - warum soll ich an eine andere gehen?

post scriptum: Die letzte Frage ist rhetorisch ^^

Freitag, 23. Juni 2017

Ferienreif?

Liebgemeinte Abschiedsbriefe tun gerade nicht wirklich gut...

Ich habe heute in der Schule eine interessante Atmosphäre wahrgenommen. Die Sommerferien nahen, und das macht sich im Verhalten Aller bemerkbar. Ich schildere einmal ein paar Beobachtungen.

Da werden Unterrichtsstunden genutzt, um Tanzen zu üben - für die Abschlussbälle des neunten, zehnten und dreizehnten Jahrgangs. Ich finde das großartig, ich habe heute selbst dabei Aufsicht geführt. Es ist niedlich, wie unbeholfen manche Schüler sich bewegen, und es erinnert mich daran, dass ich ganz genau so war (und in Standardtänzen immer noch bin). Wieder ist mir der Wechsel bewusst geworden, vom Schüler, der da brav die Abschlusstänze mit seiner Tanzpartnerin einübt (Conny, ich war ungeoutet), zum Lehrer, der alle richtig motivieren möchte, anfeuern, anschieben, los Leute, schlaft ihr? Wo sind eure Hüften? ...war eine schöne Stunde.

Der Raumplan zerledert sich mittlerweile. Räume sind frei, die nicht frei sein sollten, weil einige Jahrgänge keine Schule mehr haben, die Ausbuchung der Filmräume steigt deutlich an, manche Räume müssen für Nachschreiber, Projektpräsentationen und Konsorten umgemünzt werden. Das "Alles hat seinen Platz." löst sich in Luft auf - für den Hochbegabten zwar spannend, aber auch nervenaufreibend, weil da Sicherheiten wegbrechen. Wo finde ich meine Lerngruppen? In welchem Raum kann ich einen Film schauen? Wo setze ich meine eigenen Nachschreiber hin? Ich bin heute sehr viel durch die Schule gelaufen.

Die Prüfpläne hängen aus, von Montag bis Mittwoch wird die Schule ziemlich leer sein, aber vor nervlicher Anspannung explodieren, vermute ich. Gut, dass ich noch Tests korrigieren muss, dann habe ich etwas zu tun, denn wir wissen: Selbst wenn man in keiner Prüfung eingeteilt ist, besteht Anwesenheitspflicht während der Prüfungstage. Ich finde das irgendwie schwachsinnig, aber gut, soll so sein. Und eine Prüfung habe ich dann ja doch, ich bin sehr gespannt: Ich übernehme den Fachvorsitz einer mündlichen Lateinprüfung im zehnten Jahrgang, Stichwort Zulassung zur gymnasialen Oberstufe. Ich erinnere mich noch an dieses Feeling: Nach den mündlichen Prüfungen ist eh' nichts Wichtiges mehr. Wobei es auch Kollegen gibt, die den Unterricht durchziehen: Ich fange nächste Woche mit meiner Klasse eine neue Unit an. Film vor den Ferien okay, aber bis dahin wird gelernt.

Ich empfinde diese "Endzeitstimmung" als extrem früh. Die Sommerferien beginnen erst in einem Monat. Mir ist bewusst, dass es normal ist, dass jetzt schon die Zügel lockerer gelassen werden, das ist an vielen Schulen so. Ich erinnere mich aber an St.Peter-Ording: Zeugniskonferenzen in der letzten Schulwoche - und bis dahin ganz normaler Unterricht. Und ich fand das ganz schön, muss ich zugeben. Ich vermisse die Nordseeschule.

Dadurch, dass das diesmal so früh losgeht, wird ein Gefühl verstärkt: Mir bricht der Boden unter den Füßen weg und ich weiß nicht, ob es weitergeht.

Donnerstag, 22. Juni 2017

Home Improvement, part whatever

Leicht surreal, psychedelisch, mit der Schrankbeleuchtung (nicht im Bild) abgestimmt

Nachdem die Mitteilung meines Jobverlusts mich erstmal für vier Wochen gelähmt hat - vier Wochen, in denen ich nichts Sinnvolles gemacht habe - kommt langsam wieder Bewegung in dieses Gehirn. Dazu gehört, dass ich meine Wohnung an ein, zwei Ecken weiter gestalten will. Mehr Lichtspielereien, und so habe ich meinen Kopfhörer- und Brille-stützenden Glaskopf mit regulierbarer LED versehen - eine zweite dieser Unterwasser-tauglichen Lampen werde ich in einem großen Glaswürfel mit Wasserpflanzen arrangieren, mal schauen, entweder auf dem Couchtisch oder auch irgendwo auf dem TV-Schrank. Der penetrante Digitalwecker verschwindet mittels einer Projektionsfunktion in die Zimmerecke, ich mag es, wenn man die ganze Maschinerie nicht sieht, sondern nur die Effekte, und so wird in Kürze die Uhrzeit an meine Zimmerdecke projiziert werden.

Da sollte man meinen, dass dieses Spielkind mit all den Jahren etwas reifer wird - aber Lichtspielereien faszinieren mich mittlerweile seit meiner ersten "eigenen" Wohnung vor vierzehn Jahren. Da meine Ma mich immer zu "hell und freundlich" erzogen hat, lerne ich jetzt den Genuss des "düster, geheimnisvoll und gemütlich" kennen. Klasse, und diese Lichtspielereien sind auch nicht allzu teuer; toll, was man mit LEDs heutzutage alles erreichen kann. Nun hab ich meinen eigenen leuchtenden Glaskopf. Talking Heads ftw!

Nachschlag aus der Chirurgie: Wie es ausschaut, kommt die Heilung gut voran. Heute hat mich wieder Dr K betreut, darüber war ich sehr froh. Ihm konnte ich gut erklären, warum ich es nicht auf die Kette bekommen habe, mir innerhalb der vergangenen fünf Wochen eine Physiotherapie zu organisieren, er hat Verständnis gezeigt und meinte dann, bei den Fortschritten, die ich mache, ist sie eigentlich auch nicht mehr notwendig, soll nur ein paar Impulse für die eigene Arbeit mit dem Finger geben. Überhaupt habe ich vor Ort heute viele nette, aufmunternde Worte bekommen, auch von den netten Damen im Vorzimmer - die auch erst heute mitbekommen haben, dass ich Lehrer bin, ebenso überrascht waren wie die meisten, aber die Eine, die selbst jahrelang Elternvertreterin gewesen ist, meinte, dass sie sich das bei mir super vorstellen kann. Und dann wieder dieses "Wir drücken ihnen für den Job die Daumen, sie haben so eine tolle Ausstrahlung!" - und ich weiß mittlerweile überhaupt nicht mehr, wie ich auf so etwas reagieren soll, hab ein bisschen hilflos gelächelt, und dann meinte die Andere: "Sagen sie danke, und freuen sie sich einfach drüber!" und dann habe ich ihr zu erklären versucht, dass ich das jetzt seit fünf Jahren von einer Schule zur nächsten zu hören bekomme, und dass das wirklich nett gemeint ist, aber dass es mir nicht hilft, weil immer wieder die Arbeitslosigkeit vorbeikommt und weil im Ministerium die Stellen eben nicht nach Persönlichkeit vergeben werden.

Es ist so armselig, dass ich mich über so ein Kompliment nicht mal mehr vorgespielt freuen kann...

post scriptum: Wie bekommt man dieses Pride-Like hin???

 

Mittwoch, 21. Juni 2017

Heiße Nacht in Hassee

Hasseer Stilleben (Alex, Du kannst das per Klick vergrößern!)

Ich schwitze. Ich schaue auf die Uhr - es ist ein Uhr einundfünfzig in der Nacht. Das bedeutet, dass ich gerade zwei Stunden am Stück geschlafen habe, mehr als in der ganzen letzten Nacht, und ich freue mich. Die Magenprobleme werden also ein bisschen besser. Ändert nichts an den Temperaturen, meine Bettwäsche und alle zusätzlich ausgelegten Handtücher sind durchgeschwitzt. Meine Dachschrägenfront von Osten nach Westen nimmt sehr viel Sonne auf. Im Sommer halte ich dagegen, indem ich alle Fenster öffne - über Eck kann es da manchmal richtig angenehm durchziehen. So auch in dieser Nacht, so dass ich immer wieder einen kleinen Luftzug spüren kann, und ich atme erleichtert auf. Ich gehe gleich in die Küche, trinke ein Glas Wasser, und drehe mich wieder um.

Das Wasser dürfte meinem Hals helfen, der ist irgendwie trocken. Ich räuspere mich und fange an zu husten. Als ich mich wieder in Selbstgesprächen ergehen will, merke ich, dass meine Stimme einem Reibeisen Konkurrenz macht, warum das??? Ich beschließe, den Mund zu schließen und wieder durch die Nase zu atmen. Aber irgendwas stimmt da nicht. Irgendwie riecht es nach Rauch. Dann werde ich aufmerksam und mir wird Knallerei draußen bewusst. Ach, hat mal wieder jemand Geburtstag und die brennen ein Feuerwerk ab?

Sollte gleich vorbei sein, also drehe ich mich um und schließe die Augen. Aber das Knallen dauert an, mittlerweile mindestens fünf Minuten. Das kann doch nicht stimmen. Ich wälze mich wieder herum und schaue zum Fenster - und sehe das Blaulicht, das rhythmisch meine Zimmerdecke erleuchtet. War ja klar. Hab' ich etwa vergessen, dass ich in Hassee wohne? Wahrscheinlich laufen hier ein paar Vollpfosten mit Böllern rum, andere haben genervt die Polizei gerufen und das regelt sich jetzt.

Jetzt höre ich, wie ein Einsatzwagen mit Sirene ins Viertel kommt. Das wird mir dann doch zu spannend, ich ziehe die Rollos hoch, muss mir aber Stoff vor das Gesicht halten, denn mittlerweile zieht dichter, schwarzer Rauch in meine Wohnung. An der Bushaltestelle stehen zwei Polizeiwagen, Polizisten laufen etwas planlos umher. Wo kommt der Rauch denn her? Ich schaue nach rechts - und sehe sie, eine dichte, schwarze Rauchsäule im Hinterhof von Sky, aus der weiterhin Knallen dröhnt und mittlerweile massenhaft Funken fliegen. Das wird ja richtig interessant, denke ich mir, während der erste Feuerwehrwagen ausgeräumt wird und ich höre, wie die Löschschläuche angeschlossen werden. Dauert nicht lange und ein zweiter Feuerwehrwagen kommt dazu - was für eine Show!

Wie auf jedem authentischen Foto erkennt man: Nichts!

Und weil es so eine Show ist, dauert es auch nicht lange, bis in der Nachbarschaft viele Fenster aufgehen, einige Nachbarn stehen unten auf der Straße mit Bierflaschen in der Hand und genießen das Spektakel. Aber das Leuchten innerhalb der Rauchsäule verschwindet langsam. Und es fliegen auch keine Funken mehr, und es knallt nichts mehr. Die Feuerwehr ist erfolgreich: Ich verliere das Interesse und gehe zurück in's Bett. Und ich komme nicht umhin, in mich hineinzukichern, weil die leidgeprüfte Hasseer Notfallsirene nun ihren dritten Einsatz hatte (nach den Zimtsternen und dem Wanderer). Ich liebe dieses Viertel - hier bin ich Träsch-Trüller, hier darf ich's sein!

Ich schwitze. Es ist jetzt zwei Uhr dreiundzwanzig; vielleicht kann ich ja noch drei Stunden schlafen. That's life!

Hier ein Artikel in der KN 

post scriptum: Erster Gedanke, als ich das Feuer realisiert habe, war "Wow, daraus kannst du etwas für den Blog machen!" - das ist genau wie der Lehrertick "Das kannst du doch irgendwie für den Unterricht gebrauchen!"...

Info-post scriptum: Also, es riecht noch nach Rauch überall, aber das Feuer hat nicht auf den Laden übergegriffen. Das war Glück im Unglück; ich bin auf die Brandursache gespannt!

Dienstag, 20. Juni 2017

Integrative/Inklusive Maßnahme

Grundidee: nachvollziehbar; Umsetzung: ungenügend

Drei meiner Lerngruppen schreiben morgen ihren letzten Test/Klassenarbeit. Das bedeutet, dass ich sieben verschiedene Testversionen entwerfen musste. Das ist für mich nicht mehr ungewöhnlich; seit knapp vier Jahren unterrichte ich in integrativen Schulformen. Ich unterrichte I-Kinder. Das I steht für integrative Maßnahme, eine wundervoll zynische Bezeichnung für die kleinen Steppkes.

I-Kinder haben einen in der Regel bereits festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarf; in einigen Fällen muss dieser erst noch gewährt werden - gerade wenn man in Grundschulen und Orientierungsstufen unterrichtet. Es gibt verschiedene Förderbedarfe, die je nach Schulkonzept als Teil inklusiver Unterrichtsformen anerkannt werden. So gibt es Schulen, die nur Schüler mit einer festgestellten Lernschwäche (Förderbedarf L) als I-Schüler bezeichnen - Schüler wie Kläuschen.

Es gibt allerdings noch weitere Formen des Förderbedarfs: E/S (emotionale/soziale Entwicklung), körperliche Entwicklung (Behinderungen), geistige Entwicklung (Behinderungen), autistisches Verhalten - das sind zumindest die Formen, mit denen ich bisher zu tun hatte.

Diese Darstellung gefällt mir - man beachte, wie bei ordentlicher Inklusion der Rahmen angepasst wird!

Wara Wende, Britta Ernst und was uns noch so erwartet - sie alle setzen auf das Konzept der Inklusion: Weg mit den Förderzentren/Sonderschulen, die die Kinder aus unserer Gesellschaft ausgrenzen, hin zu speziellen I-Klassen, in denen die Kinder mit "normalen" Schülern zusammen den Schulalltag erleben dürfen. Das klingt ja eigentlich ganz nett, aber ich störe mich an einigen Punkten:

1) Die Abschaffung der Sonderschulen und Reduktion der Flexklassen wird ausgeglichen durch individuelle Förderung der Schüler durch eine sonderpädagogisch ausgebildete Förderlehrkraft. Klingt nett - aber de facto bekommt ein Kind pro Woche 1,5 Stunden Förderung. Das ist so verschwindend gering, dass die meisten Förderlehrkräfte all ihre Stunden in einer I-Klasse (meistens zwischen vier und sechs Schülern, also bis neun Unterrichtsstunden) zusammenlegen und mit den I-Gruppen verbringen, die dann oft wieder einen eigenen Raum zum Arbeiten suchen. Großartig. Da hätte man sie gleich in den Sonderschulen belassen können, in denen sie den ganzen Schultag über angemessen betreut wurden.

2) Von normal ausgebildeten Lehrkräften wird erwartet, dass sie wissen, wie sie mit diesen speziellen Bedarfen umzugehen haben. Nichts gegen unsere Kompetenzen, aber ich fühle mich unzulänglich qualifiziert.

3) Dass der Klassenteiler an einer GemS von 26 in einer normalen Klasse auf 20 in einer I-Klasse reduziert wurde, ist genau wie das gesamte Inklusionskonzept eher geeignet, damit das Bildungsministerium sich einer Sache brüsten kann. Dass es teilweise katastrophal läuft, das könnte Britta Ernst nur herausgefunden haben, indem sie mal nicht in Vorzeigeklassen gegangen wäre, sondern in wirkliche Problemgruppen. Ist sie aber nicht, denn was sie dort erlebt hätte, passt nicht in ihr Narrativ von der erfolgreichen Inklusion.

Was bedeutet das Unterrichten in heterogenen Lerngruppen für mich als Lehrkraft? In jeder I-Klasse muss ich sowohl eine normale als auch eine differenzierte Version jeder Klassenarbeit erstellen, die genau dem jeweiligen Förderbedarf angepasst sein sollte. Super, wenn die Förderlehrkraft das übernehmen kann. Gut, wenn die Schulbuchverlage adäquate Diff-Aufgaben bereit stellen. Man sollte sich aber dennoch auf einen höheren Arbeitsaufwand in einer I-Klasse einstellen.

Und um das nicht außen vor zu lassen, denn bisher haben sich erst vier der Testversionen für morgen erklärt (zwei I-Gruppen): Selbst wenn in einem Jahrgang äußere Differenzierung herrscht [zum Beispiel in schnelle, mittlere und langsame Kurse (oh toll, jetzt fühlt sich keiner mehr ausgegrenzt, nur noch dumm)], so muss ich trotzdem in meinem mittleren Kurs auf drei Niveaus differenzierte Tests entwerfen. Ich bin der Meinung, dass Schulen da noch Entwicklungspotential haben - zum Beispiel durch erhöhte Kursdurchlässigkeit statt innerer Differenzierung (zusätzlich zur äußeren).

Fazit:

Die Idee der Inklusion klingt gut. Oder zumindest nachvollziehbar. Aber so schlampig, wie sie in Schleswig-Holstein unter Wende und Ernst (nomen est omen) umgesetzt worden ist, tun mir die Kinder mit Förderbedarf ehrlich leid.


Montag, 19. Juni 2017

Jamaika

Heiner Garg (FDP), Monika Heinold (B90/Grüne), Daniel Günther (CDU)

Ich bin völlig unqualifiziert, was politische Kommentare angeht - sollte mich aber nicht daran hindern, meine Meinung zu äußern. Seit der Mitte meines Studiums interessiere ich mich zumindest ein wenig dafür, was Politik kann - und was sie macht. Und ich räume ein bisschen mit falschen Ansichten in meinem Kopf auf.

So habe ich mich immer vehement gegen die CDU gestellt. Verknöcherte, erzkonservative Ansichten, damit konnte ich nie viel anfangen. Und was Merkel mit ihrem Bauchgefühl begründet, dass nämlich die Ehe für homosexuelle Paare nicht geöffnet werden soll und dass darüber hinaus es weiterhin kein gemeinsames Adoptionsrecht geben soll, diese Punkte haben in meinen Augen die CDU zu einer Partei werden lassen, die mich persönlich diskriminiert - unabhängig davon, ob ich würde heiraten und Kinder adoptieren wollen.

Ich habe damals im Haushaltsausschuss der Kieler Studierendenschaft mit einem Mitglied der JU (Junge Union) zusammen gearbeitet und habe versucht, ihm zu erklären, warum ich nie die JU an der Uni gewählt haben würde; daraufhin hat er mir zu erklären versucht, dass es Unterschiede zwischen Landes- und Bundespolitik einer Partei geben kann. Dass es außerdem teils große Generationsunterschiede in Ansichten innerhalb einer Partei geben kann. Ich habe das zur Kenntnis genommen, aber nie wirklich geglaubt. Bis zur Landtagswahl SH 2017.

Denn dort hat Daniel Günther, Spitzenkandidat der Landes-CDU und voraussichtlicher neuer Ministerpräsident des Landes, in intensivem Wahlkampf klargemacht, dass seine Partei sich für die homosexuelle Ehe inklusive vollem Adoptionsrecht für Paare einsetzt. Mir ist das bewusst geworden, als ich nach Argumenten gesucht habe, warum ich niemals die CDU wählen könnte - habe dann in deren Wahlprogramm geschaut, und wenngleich ich in manchen Punkten immer noch andere Positionen beziehe, so hat sich dieses Argument verflüchtigt. Ich finde es toll, dass Günther Rückgrat zeigt und diese Ansichten auch auf Bundesebene einbringen will.

Der Koalitionsvertrag wird bald beschlossene Sache sein, und Ehe/Adoption sind dort fest verankert. Das finde ich klasse. Dass ich dennoch grün gewählt habe, liegt einfach daran, dass für die Grünen die homosexuelle Gleichberechtigung nie in Frage gestellt wurde - und darüber hinaus setzt sie sich für die Legalisierung von Cannabis ein, ein Modellversuch, den ich sehr begrüßen würde.

Wer sich für mich derzeit vollkommen disqualifiziert hat, ist die SPD - ich bin einfach von diesem Bildungssystem herb enttäuscht worden und verbinde das nun mal untrennbar mit Albig, dessen Arroganz über die letzten zwei Jahre verteilt mich angewidert hat. Dass ich ab August arbeitslos bin, kann ich dagegen keiner Partei anlasten.

Ja, ich habe tatsächlich überlegt, ob ich nicht dieses Mal schwarz wähle. Insofern muss ich zugeben, dass ich mit der Aussicht auf eine Jamaika-Koalition im Land große Erwartungen an die nächsten fünf Jahre stelle. Wollen wir hoffen, dass sich das Bündnis nicht allzu schnell entzweit.

post scriptum: Kommentare ausdrücklich erwünscht! Wie sind Eure Prognosen für die nächsten Jahre? Wird es vielleicht zu gar keinen Veränderungen kommen? Wird das Bündnis vielleicht nicht einmal die gesamte Legislatur überstehen?

Samstag, 17. Juni 2017

Keine Zeit

Das hängt jetzt mittig in meiner Wohnung.

Ich schreibe diesen Beitrag als kleines Zeugnis einer Erkenntnis, die mich heute erreicht hat. Ich wette, ich hatte diese Erkenntnis schon öfters - und es wird mir immer wieder auffallen. Wenn ich gerade mal nicht HB-stylisch absorbiert bin in irgendwelchen Aktivitäten (Trackmania-Strecken kennenlernen, Lara Croft durch Unterwasserruinen scheuchen, X-Files mittlerweile in der achten Staffel genießen, sollte ich nicht eher korrigieren?), blicke ich um mich herum und entdecke das Chaos. Müll. Geschirr. Staub. Wäsche. Alles liegt überall. Und ich frage mich immer wieder: Wie konnte es so weit kommen?

Und ich schiebe es mal wieder auf die hochbegabte Sichtweise der Dinge: Ich überlege mir gut, was ich mit meiner Zeit - Denkzeit - anfangen möchte. Und plane schon immer drei Schritte voraus, das ist nichts Neues. Dann horchen wir doch mal in die Gedanken hinein:

"Du müsstest den Teller und das Besteck vom Couchtisch noch in die Spülmaschine räumen. Ja, aber warte mal, das dauert, das mache ich später. Jetzt muss ich erstmal diese Rennstrecke zu Ende fahren."

"Das Bad wollte ich schon längst gewischt haben, aber das dauert so lange, das mache ich nicht jetzt, sondern später, denn jetzt passt es gerade nicht hinein."

"Ach ja, die Wäsche müsste ich noch abnehmen, die ist trocken, aber das dauert eine Viertelstunde und ich möchte mich nicht aus meinem Flow bringen lassen."

"Ja, erstmal den Blogeintrag. Dann noch schnell mit Lara, nur eben da den Schlüssel holen, das geht ganz schnell, danach dann."

Der aufmerksame Leser bemerkt: Es ist nicht Faulheit, es passt nur gerade einfach nicht mit dem Abwasch, Durchwischen, Wäscheabnehmen und Konsorten. Ich finde immer eine Erklärung, warum ich jetzt gerade keine Zeit habe, die Arbeit zu machen.

Soll also heißen, dass meine hochbegabte Wohnung verdreckt, nicht aus Faulheit, sondern aus "viel zu viel nachdenken über die Arbeiten, anstatt die Arbeiten einfach zu machen". Unglaublich! Immer dieses nervige Nachdenken!

Und deswegen das neue Schild.

Freitag, 16. Juni 2017

Grillsex

Echt! Wenn man nach links aufklappt, bekommt man "Männerrezepte", "Frauenrezepte" sind rechts.

Ich gehe einkaufen und sehe auf einem Flyer bei Edeka tatsächlich eine Unterscheidung zwischen "Männergrillen" und "Frauengrillen" - ist es mal wieder so weit?

Okay, seit Tausenden von Jahren versuchen wir, unsere Waren an den Mann zu bringen, wir errichten ganze Arbeitskreise zur Psychologie des Einkaufens, nicht wahr, Schantall-Regal direkt an der Kasse? Wir versuchen, den Kunden direkt anzusprechen. Jeden. Auch die in den Nischen. Und das ist auch nicht neu - ich hatte hier einmal über Männer-Marzipan geschrieben. Das ist über ein Jahr her, inzwischen gibt es M/F-Chips, M/F-Schokolade; ich hatte insgeheim gehofft, dass das nur eine schwachsinnige Werbeidee war, aber es hält sich tapfer in den Regalen. Warum muss man bestimmte Lebensmittel Geschlechtern zuordnen? "Typisch Mann" soll wohl dahinter stecken, wir befinden uns auf dem Rückweg in die Heteronormativität.

Woher weiß man denn, was "Frauengrillen" ist? Gehen wir einfach nach Klischees, Frauen essen lieber weiße Schokolade, Männer eher dunkle, Frauen mögen Chips mit Balsamico-Aroma, die Männer-Chips schmecken natürlich nach Barbecue. Und die Grillrezepte? Für die Frauen am besten vegetarisch, und schön leicht, damit sie nicht fett werden? Und unsere Muskelmänner, die brauchen natürlich Fleisch, uga uga. Buba: Uwah!

Ich finde das irgendwie schwachsinnig - wenn, dann bitte richtig. Dann sollten wir gleich Männer- und Frauensupermärkte einrichten. Bei den Männern gibt es Werkzeug, bei den Frauen Beauty-Equipment.

Warum gehen wir mit dergestalt riesigen Schritten emanzipatorisch rückwärts? Haben wir da eine Nahrungsmittellobby, die lieber auf konservative Genderkonzepte baut? Mal ehrlich, es ist nicht allzuviele Jahre her, da haben alle nach Gleichberechtigung und Emanzipation geschrien. Und nun müssen wir uns immer wieder vor Augen führen, dass Frauen anders sind als Männer?

Ich finde das genauso schwachsinnig wie diese ganze Diskussion um sexuelle Orientierung, dieses krampfhafte Schubladendenken. Ich glaube, wir werden uns erst dann vernünftig emanzipiert haben, wenn Sex und Gender einfach mal egal ist. Sekundär.

Ich hoffe, Er liest das.

post scriptum: Gebt mir Euren Senf dazu! Mich interessiert, wie Ihr über die Gender-Produkte denkt, klatscht das alles bei Facebook in die Kommentare!

paulo post scriptum: Ich muss hier raus. Morgen geht es Richtung Hansa-Park, ich möchte endlich mit der Kärnan-Analyse anfangen.

Mittwoch, 14. Juni 2017

Apartment für zwei

Zwei. Was möchte mein Gehirn mir damit sagen...?

Im Lauf meines Lebens habe ich nach und nach herausgefunden, dass ich eine Wohnung brauche, die genau auf meine Bedürfnisse zugeschnitten ist. Seit ein paar Jahren wohne ich in einer Ein-Zimmer-Wohnung, fast wie ein kleines Loft, und ich spüre, dass es die richtige Wohnung ist. Deswegen habe ich auch angefangen, längerfristige Veränderungen vorzunehmen, denn das hier wird *meine* Weltraumbasis.

Nun denke ich also über den Wohnungsfortschritt nach und mir fällt ein interessantes Detail auf. Das mag nun mal eine Singlewohnung sein, ich brauche meine Freiheiten und fühle mich wohl - aber hinsichtlich des Equipments scheine ich mich auf Zuwachs einzustellen. So habe ich nicht eine, sondern zwei Shutterbrillen für 3D-Filme. Und ich habe nicht ein Gamepad für die PS4, sondern mittlerweile zwei. Und als es an der Zeit war, sich ein neues Bett zuzulegen, habe ich eins genommen, in dem zwei Männer Platz haben.

Ob sich da andeutet, dass ich vielleicht irgendwann doch werde jemanden "dauerhaft" an meiner Seite haben wollen? Und natürlich schwirrt Er mir im Kopf herum, denn Er war der zweite Mann im neuen Bett, und Er hat mit mir zusammen 3D-Filme geschaut.

Ich schaue mal, ob sich dieser Trend bei Neuanschaffungen fortsetzt - immerhin, sollte ich mir irgendwann ein eigenes Auto leisten können, darf es gern ein Zweisitzer sein.

Sonntag, 11. Juni 2017

Männer, Muskeln & mutual fun

Nicht ganz so einfach vorstellbar, dass es sich hier um zwei heterosexuelle Männer handeln könnte - oder?

Sticky topic. Aber das macht es spannend, und vielleicht erfährt der eine oder andere Leser hier etwas, das er vorher noch nicht wusste, gell, Buba? V-HORHER NIEHCHT! Und bei diesem Thema gehen die Geschmäcker so herrlich weit auseinander - und aus schwarz-weiß vorher kann ein Kontinuum danach werden.

Dass ich mich in diesem Beitrag auf Männer konzentriere, soll nicht heißen, dass Frauen diese gedanklichen Spielarten nicht kennten, im Gegenteil. Aber bei Männern ist es ganz witzig, was sie manchmal für ein Aufhebens darum machen, während Frauen mir aufgeschlossener erscheinen.

Der Titel deutet an, dass es etwas mit Körperkult zu tun hat. Und dass Muskeln mit Männlichkeit in Verbindung gebracht werden, ist nichts Neues - nur die Art und Weise, damit umzugehen, wandelt sich über die Jahrhunderte hin und her. Nun zeigen manche Männer mehr oder weniger stark ausgeprägte selbstverliebte Neigungen - während die einen im Studio vor den großen Spiegeln ihre Muskeln betrachten, um auf Form, Masse und Defi zu achten, sowie auf Proportionen - gerade wenn es um Wettkämpfe geht - schauen die anderen sich einen Moment länger an, und ein klein wenig anders, intensiver, diese eine Sekunde zu lang, denn sie genießen es, sich ihre Erfolge anzuschauen.

Manche Männer machen das mehr, manche weniger auffällig. Diese Neigung hat im Übrigen mit sexueller Orientierung rein gar nichts zu tun, aber dazu später mehr. Es gibt ja die unterschiedlichsten Motivationen, mit dem Krafttraining zu beginnen - eine gesündere Körperhaltung (das war auch bei mir damals im Studium der Auslöser), die Körperbeherrschung zu steigern (kommt bei terminal illness häufiger mal vor) - oder einfach mal die reine Optik. In diesem Fall spricht man von den Disco-Pumpern; sie trainieren sich einen Körper an, mit dem sie in der Disco rumprotzen können. Auf das Trainingsverhalten heruntergebrochen heißt das: Fokus auf Oberkörper, genauer auf oberem Rücken, Brust, Arme. Warum? Naja, wenn sie ihre Jeans in der Disco tragen, sieht eh' keiner ihre Beine, also können sie den Leg Day gerne mal skippen, viel wichtiger ist, dass das knallenge Shirt möglichst fast platzt, an drei Stellen: Brust, Ärmel, oberer Rücken.

Ich möchte diese Trainingsvariante hier nicht bewerten - im Gegenteil, mir geht es in diesem Beitrag ja auch in erster Linie um den oberflächlichen Genuss; ich habe die Erfahrung gemacht, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen Trainingsverhalten und Neigung zum muscle worship, denn genau darum geht es in diesem Artikel. Und für die Veranschaulichung denke ich mir Dennis und Tom aus - fiktiv, aber durchaus realistisch.

Tom ist ein ziemlich gewöhnlicher, heterosexueller Mann. Wie viele andere Exemplare seiner Spezies ist er sehr auf sein Äußeres bedacht, und dazu gehört auch, dass er regelmäßig in's Fitnessstudio geht, um seine Muskeln zu stählen. Er trainiert längst fast nur noch im Freihantelbereich: Die Maschinen sind was für Normalos, Freihanteln verlangen viel mehr Körperbeherrschung; dass dieser Bereich rundum mit riesigen Spiegeln umgeben ist, kommt ihm dabei sehr gelegen. Wenn ihn jemand darauf anspricht: "Ja, damit ich auf die Körperhaltung und die saubere Ausführung der Übungen achten kann." Was sicherlich nicht gelogen ist, aber...

...er liebt es, sich seinen Körper im Spiegel anzuschauen. Zu schauen, wie sein Training sichtbare Erfolge zeitigt, wie er seine Muskeln kontrollieren kann, wie er seine Pecs zucken lassen kann, wie sein schon im Ruhezustand ordentlich sichtbarer Bizeps nach der Trainingseinheit richtig aufgepumpt aussieht, die Arme glühen, die Adern treten deutlich hervor, er kann die Arme nicht einmal mehr komplett anwinkeln, so sehr sind seine Oberarme aufgepumpt. Er liebt dieses Gefühl - keine einzige Wiederholung mehr zu schaffen, bis zum Äußersten gegangen zu sein, no pain, no gain, lautet seine Devise. Und bevor er danach in die Duschen geht, gönnt er sich noch eine kleine Extrarunde Flexing vor den Spiegeln - oder zwei... und auch noch einmal aus einer anderen Perspektive. Und er hofft, dass in diesem Moment viele andere Männer zuschauen und neidisch werden, wenn sie ihre Spargelärmchen mit seinen Guns vergleichen - got your tickets for...? ist ein Spruch, der ihm immer auf der Zunge liegt. Damn, war das ein geiles Training heute, und völlig kaputt, aber zufrieden, verlässt er den Tempel des Körperkults - und die Vorfreude auf zuhause steigt, denn dort wartet seine Freundin, und er liebt es, sie mit seinen granitharten Muskeln zu beeindrucken - wobei es ihn manchmal etwas irritiert, wenn sie sagt, dass er aber nicht zu sehr übertreiben solle. Denn zuviel findet sie nicht gut. Das ist immer wieder ein komischer Kommentar, denn er kanzelt ihn ab. Der selbstverliebte, muskelgeile Egomanie-Höhenflug bekommt einen Dämpfer, aus dem Gott des Fitnessstudios wird wieder der ganz normale Tom, "eben auch nur ein Mann".

Und genau in solchen Phasen ist Tom froh, dass er mit Dennis befreundet ist. Dennis ist schwul, und in einer schier unendlichen Tradition homosexueller Vorlieben mag er Männer mit Muskeln. Seine Logik: "Wenn ich eine Prinzessin haben wollte, hätte ich ne Hete werden können" - yeah, whatever. Dennis und Tom kennen sich seit ein paar Jahren, eigentlich immer eher flüchtig, aber irgendwann ist Dennis aufgefallen, dass Tom trainiert, und er hat das Thema angesprochen. Komplimente gemacht, wow, du hast ja ziemliche Fortschritte gemacht! Und natürlich hat Tom sich das gern sagen lassen. Das war genau das Feedback, das er haben wollte. Und Dennis ist ins Detail gegangen - hat ihm geschrieben, bei welchen Muskelgruppen es ihm besonders aufgefallen ist, und hat ihn nach Körpermaßen gefragt, hat sich richtig interessiert. Auf eine ganz andere Art als Tom's Freundin, noch etwas - authentischer? intensiver? Tom gelangte an einen Punkt, an dem er es mit Worten nicht mehr akkurat ausdrücken konnte. Er genoss die Aufmerksamkeit, die Dennis ihm entgegenbrachte, das war genau die Art von Aufmerksamkeit, die er sich beim Training im Studio von anderen Menschen wünschte. Alle Blicke nur auf ihn gerichtet, und er konnte endlich einmal hemmungslos herumprotzen, ohne sich blöde Kommentare anhören zu müssen - "pass aber auf, dass das nicht zu viel wird" oder "meinst du nicht, dass du es mit der Selbstverliebtheit ein bisschen übertreibst?" - von Dennis kamen nie blöde Kommentare, und das war ein tolles Gefühl.

Und Dennis? Für ihn war es auch ein tolles Gefühl - denn er hatte schon oft heterosexuellen Fitnessschnitten Komplimente gemacht, aber bisher war keiner so begeistert davon wie Tom. Manchmal waren sie irgendwann genervt, fühlten sich angeschwuchtelt, ne, lass' ma' lieber, ich hör' das dann doch lieber von ner gutaussehenden Frau. Das hatte Dennis schon so oft erlebt, und deswegen schrieb er Tom auch, dass sich das für ihn irgendwie neu anfühlte. Und das erwiderte Tom: Ein neues Gefühl. Und das hatte nichts mit Sex oder Orientierung zu tun, denn Tom fühlte sich davon in keiner Form erregt. Klar, Dennis genoss diese Momente insgeheim, und Tom tauchte immer wieder in sexuellen Fantasien auf. Aber er würde nie auf die Idee gekommen sein, Tom irgendeine Form von Sex vorzuschlagen. Stattdessen fragte er Tom, ob sie nicht einmal Fotos machen wollten.

Fotos? Das war eigentlich gar nicht so schlecht, dachte Tom sich, so könnte er selbst mal sehen, wie seine Muskeln aussehen, wenn sie richtig in Szene gesetzt werden. Und da ist doch nichts dabei, oder? Und so verabredeten sie sich einmal, bei Dennis, und er hatte verschiedene Shirts rausgelegt, um mal zu sehen, wie die wohl an Tom's wesentlich muskulöserer Statur aussehen würden. Und Tom war an dem Tag extra noch vormittags zum Training gegangen, das war sein eigener Vorschlag gewesen, damit es sich dann auch richtig lohnt. Und doch... ein kleines bisschen schüchtern, verklemmt, unsicher waren sie dann doch, und verbrachten die erste Zeit damit, sich über Alltägliches zu unterhalten - wobei Dennis sich nicht helfen konnte, dabei immer wieder auf Tom's Oberarme zu starren, und das blieb auch Tom irgendwann nicht mehr verborgen. Die beiden halfen schließlich ein wenig dabei nach, sich zu enthemmen, und nahmen sich dann für ihre Fotosession reichlich Zeit.

Tom zeigte in allen möglichen Posen, was er hat, während Dennis mit Beleuchtung und Kameraperspektive herumprobierte, um ästhetische Bilder hinzubekommen. Es war ein schönes Gefühl, diese Muskeln endlich einmal aus der Nähe zu betrachten, und er ließ Tom spüren, wieviel Spaß er hatte - nicht zuletzt durch ausgiebige Komplimente, die Tom immer übermütiger werden ließen. Schließlich hatten sie eine ganze Reihe Bilder aufgenommen und auf dem Computer betrachtet, wobei Dennis schließlich meinte "So ein Körper muss sich bestimmt toll anfühlen"; Tom strahlte ihn an und fragte, ob er denn einmal anfassen möchte. Dennis' Herz machte einen Satz Richtung Knie, aber der Nachmittag war schon so gut verlaufen, was sollte jetzt noch schiefgehen? Und so zeigte Tom nochmal ihm persönlich seine Muskeln und ließ ihn anfassen.

Das war einst. Mittlerweile sind die beiden Männer etwas weiter. Tom ist immer noch heterosexuell, hat inzwischen eine neue Freundin. Allerdings laufen solche Treffen wie eben beschrieben mittlerweile anders ab. Sie verabreden sich ganz bewusst zum muscle worship, oft sagen sie einfach nur, sie wollen sich einen "netten Abend" machen. Tom weiß, dass er dann am Nachmittag zum Training geht, und Dennis weiß, was ihn dann abends erwartet. Mittlerweile stellen sie sich dabei vor den großen Wohnzimmerspiegel, damit Tom sich beim Flexing anschauen kann. Dennis steht manchmal hinter ihm, streichelt seinen Bizeps, legt von hinten seine Hände auf Tom's Pecs, während der sie anspannt und springen lässt. Dabei schaut er ihm über die Schulter, ebenfalls in den Spiegel - oder aber er steht vor ihm und schaut sich nicht die Reflektion, sondern Toms Körper direkt an, immer darauf bedacht, nicht im Weg zu stehen. Sie reden dabei weniger als noch in der Anfangsphase - sie sind nun sehr konzentriert, manchmal hat Dennis auch seine Augen geschlossen und genießt das Gefühl harter Muskeln unter seinen Händen. Das hat mit Kuscheln nicht mehr viel zu tun, denn Tom's Körper fühlt sich an wie aus Granit. Dennis schafft es nicht immer, seine Erregung für sich zu behalten, und immer wieder kommen diese kleinen Momente, in denen sie die Fassung verlieren - in der Dennis zudrückt, so hart er kann, in denen Tom vor Anstrengung beim Gegenandrücken keucht. Die Zeit verliert für die beiden jegliche Bedeutung und sie genießen es, alle gesellschaftlichen Konventionen für eine Weile abzustreifen.

Diese Neigung zum muscle worship beruht auf Gegenseitigkeit, ohne dass Tom deswegen in jeglicher Hinsicht als schwul/bi betrachtet werden könnte. Es ist einfach so, dass seine Freundin ihn auf eine andere Art bewundert, das ist auch schön, aber manchmal braucht er diese ungestörten Phasen, in denen er Mann sein kann und dafür bewundert wird - so hat er es Dennis erklärt. Und so haben sie noch heute diesen gemeinsamen Spaß, den sie sich von niemandem nehmen lassen.

Genug von den Beiden; die wesentlichen Punkte, die man als Erfahrung aus diesem Artikel mitnehmen kann: Muscle worship ist ein Fetisch (dazu ein anderes Mal mehr), der auf kein Geschlecht und keine sexuelle Ausrichtung beschränkt ist und der wesentlich mehr als nur zwei unterschiedliche Motivationen kennt. So bieten zum Beispiel professionelle Bodybuilder (Männer und Frauen) bezahlte Worship-Sessions an, um ihren Unterhalt aufzubessern und ihre supplements zu finanzieren. Manchmal nehmen gerade junge Männer mit Kumpels solche Videos auf und verkaufen sie über das Internet - mittlerweile findet man diese Videos überall. Außerdem ist diese Neigung nicht auf irgendeine Altersgruppe beschränkt.

Wie schon eingangs beschrieben, gehen die Meinungen dazu weit auseinander: Es gibt sehr viele Menschen, die mit einem zu muskulösen Partner nichts anfangen können, sei es, dass es ihrer ästhetischen Wahrnehmung entgegen spricht oder dass sie einfach keinen unbequemen Schrank im Bett neben sich haben wollen.

Und manchmal ist der Gegenwind des sozialen Umfeldes so stark, dass man diese Vorliebe besser für sich behält und hinter verschlossenen Türen genießt, ohne darüber zu sprechen.

post scriptum: Für alle, die so etwas einmal in Bewegung sehen möchten. Ich bin gespannt, wie sich dieses Thema auf die Klickzahlen auswirkt - besonders abschreckend oder Neugier weckend? ;-)

 

Samstag, 10. Juni 2017

Er und ich und die Musik

Dieses Foto versinnbildlicht unsere Gedankenreisen ganz gut

Ich höre gern Musik - so weit ich zurückdenken kann. Die Musikstile haben immer wieder gewechselt, je nachdem, was damals gerade für mich neu war. Rave, Deutschpop, Metal in all' seinen Ausprägungen, Psytrance, Psybient, Downtempo. Es ist immer wieder schön, eine neue Musikrichtung kennenzulernen - auf Expeditionen in neue Klangschaften zu gehen.

Früher gingen diese neuen Entdeckungen immer einher mit der Überzeugung, dass jetzt, wo ich eine neue Musikrichtung entdeckt hatte, natürlich auch all' meine Freunde diese Musik unbedingt würden kennenlernen wollen und letztlich toll finden. Ich bin sehr gut darin, von mir auf Andere zu schließen, und oft ist es mir noch nichtmal bewusst (so denke ich auch immer noch, dass jeder Mensch The Crying of Lot 49 grandios finden dürfte).

Immerhin, ein wenig haben diese Schlussfolgerungen nachgelassen. Ich versuche nicht mehr so intensiv, anderen Menschen meine musikalischen Entdeckungen aufzuzwingen. Und wenn, dann gehe ich da ein wenig subtiler heran; wenn ich Besuch habe und im Hintergrund Musik läuft, dann ist diese in den seltensten Fällen nach dem Zufallsprinzip ausgewählt - und ich spreche auch nicht weiter drüber. Es kommt dann häufiger mal zu der Frage, was wir da eigentlich gerade hören, fertig, "Ziel" erreicht. Und wenn nicht, dann macht das nichts - ich kann ja niemanden zu seinem Glück zwingen.

Das habe ich mir auch gedacht, als Er und ich damals mit unseren Gedankenreisen und Meditationen angefangen hatten (hier mehr zum Thema "Er/ich/Musik"). Ich hatte ein paar Jahre Erfahrungsvorsprung zu ihm und eine ungefähre Ahnung davon, welche Musik sich für solche Anlässe eignet und welche nicht. Da ich ihn aber nicht bevormunden wollte (yeah, whatever...), habe ich ihm da komplett freie Hand gelassen. Die ersten Male hat Er auch ordentlich herumprobiert, mit allen "Erfahrungen", die man mit ungünstiger Musik so machen kann.

Irgendwann hatte Er dann einst vergessen, seinen MP3-Player mitzubringen. Seine Kopfhörer lagen noch hier herum, und mein MP3-Player hat zwei Eingänge für Kopfhörer. Also hat Er sich dann einmal in meine fürsorglichen Hände begeben. Ich hatte mir Mühe gegeben, eine Playlist zusammenzustellen, die ihm gefallen könnte. Ich wusste, welche Musik Er gern hörte, also habe ich davon ausgehend ein paar musikalische Expeditionen zusammengebaut.

Das war ein komisches Gefühl, zu wissen, dass Er neben mir gerade die gleiche Musik hörte wie ich - quasi, als hätten wir die gleiche, gemeinsame Gedankenreise (Alliteration!). Als würden wir zusammen unterwegs sein, mein Kopf hat natürlich gleich diverse Szenarien erdichtet und ich komme nicht umhin festzustellen, dass ich das sehr schön fand. Denn ich hatte ihn wirklich sehr, sehr gern, und das gemeinsame Erleben... es wirkte so real. Gleichzeitig hatten wir ruhigere Passagen, in denen wir uns in der Fantasiewelt umschauen konnten, gleichzeitig wurde es dann wieder schnell und knallig, als seien wir auf einer Achterbahnfahrt der Gedanken.

Nachdem wir dann wieder "zurück" waren, stellte sich heraus, dass ihm diese Gedankenreise auch sehr gefallen hatte - aus den gleichen Gründen wie bei mir. Ich weiß noch, wie wir uns grinsend von einzelnen Szenen berichtet haben, die tatsächlich ähnlich ausgefallen sind. Und der schönste Moment war für mich, als Er dann meinte, dass wir das gern wieder so machen konnten - so zusammen. Er meinte, Er vertraut mir da vollkommen, und mein Herz hat einen kleinen Sprung getan.

Von da an gab ich mir viel mehr Mühe als sonst, aufregende, abwechslungsreiche Klangwelten zu gestalten, immer wieder mit Musik, die Er bereits aus seiner Jugend kannte. Für ein bisschen Nostalgie, für noch mehr Wohlfühlen, ich wollte, dass Er gern bei mir war und dass Er gern zusammen mit mir auf die Reise ging.

An eine Playlist und die damit zusammenhängende Reise kann ich mich noch sehr gut erinnern. Er auch - leider nicht nur aus positiven Gründen.

Ich wollte das Ganze diesmal noch immersiver machen. Ich wollte, dass Er sich einmal richtig fallen lassen kann. Ich wollte dem Bild in seinem Kopf gerecht werden, von meiner Wohnung als unserer "Weltraumbasis", oder als "Bubble", in der wir alles Andere einfach mal draußen lassen können. Und ich wollte ihm zeigen, dass da auf meiner Seite Menschen sind, die sich für uns freuen - weil Er auf seiner Seite leider auf sehr viel negatives Echo uns gegenüber gestoßen ist. Ich wollte, dass Er sich nicht für das rechtfertigen oder gar schämen muss. Es reichte schon, dass Er irgendwann niemandem mehr davon erzählen konnte. Also schmiedete ich einen Plan, um ihm ein wenig Selbstvertrauen zurückzugeben...

Ich wollte eine richtige Inszenierung starten. Wir hatten uns bereits einen Tag ausgesucht, an dem Er mich besuchen kommt - diesmal schickte ich ihm eine "offizielle" Einladung. Ganz im Stil der Weltraumbasis aufgemacht, um die Vorfreude zu steigern, und kündigte ihm ein ganz spezielles Erlebnis an. 
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Ihre Buchung vom 15.12.2014


Sehr geehrter Herr xxx,

wir bedanken uns für Ihr Vertrauen und freuen uns, Sie als Gast von Fantasy Airlines begrüßen zu dürfen. Wir übersenden Ihnen hiermit Ihr Flugticket in die Region des Unfassbaren. Die Details Ihres Fluges entnehmen Sie bitte den untenstehenden Daten. Bitte bedenken Sie, dass das Mitführen von Handys an Bord der Maschine nicht gestattet ist. Für die Dauer des Fluges wird jeglicher Kontakt zur Realität unterbrochen sein; setzen Sie bitte Ihre Mitmenschen in Kenntnis, dass Sie in diesem Zeitraum nicht erreichbar sind.


Mit freundlichen Grüßen
Fantasy Airlines - Ihr Partner für das Übersinnliche
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Diesmal sollte es eine ganz besondere Playlist werden für unseren Flug - und natürlich gehörten zu einem Flug auch Flugdurchsagen. Ich wollte, dass zwischendurch, über die Musik gelegt, Menschen, die uns kannten, schöne Grüße durchgeben, uns viel Spaß wünschen, ihm das Gefühl geben, dass es etwas Schönes ist, was wir machen. Dafür brauchte ich ein paar Verbündete; man merkt, ich hatte das lange vorher geplant.

Also sprach/schrieb ich ein paar Menschen, ich erzählte ihnen von der Idee und fragte, ob sie bereit wären, eine Flugdurchsage aufzunehmen und mir als Datei zu schicken. Ich fragte meine Eltern, die große Buba, die Sannitanic und YazzTazz und ich hatte von fast allen im Handumdrehen die MP3-Dateien. Aber das reichte nicht, das sind alles Menschen, mit denen ich mich identifizieren kann. Wenn ich aber eine Playlist speziell für ihn basteln möchte, sollte ich auch Menschen aus seinem Bekanntenkreis mit einbeziehen. Ich war mir unsicher - ich kannte diese Menschen ja kaum - aber schrieb dann seinen Mitbewohner an. Ich erklärte ihm, worum es ging. Das war mir sehr wichtig, denn damals waren Er und sein Roomie beste Freunde, dachte Er. 

Damals hatten wir noch anders gedacht; so dachte ich, dass ich ein Freund in seinem Freundeskreis sei, so wie die Anderen auch. Deswegen hatte ich mir dabei nichts Böses gedacht und war überzeugt, dass Er sich freuen würde, wenn auch eine Durchsage von seinem Mitbewohner käme. Der allerdings hat zuerstmal gar nicht geantwortet. Naja, 'nen Versuch war es wert, dachte ich mir. Und ich konnte nicht zu auffällig nachfragen, denn Er ahnte von alledem ja nichts, es sollte eine Überraschung sein.

Ich organisierte mir ein Musikbearbeitungsprogramm und schneiderte Musik und Durchsagen zusammen, innerlich aufgeregt, wow, wie würde Er wohl reagieren, wenn wir an die spannenden Passagen kommen? 

Und dann war es so weit, Er stand vor meiner Tür, nicht ahnend, dass ihm bekannte Stimmen um den Kopf schwirren sollten, und ich begrüßte ihn, breit grinsend, vorfreudig auf seine Reaktionen. Wir gingen in die Meditation/Gedankenreise wie üblich, erstmal den Körper runterfahren, langsame Atmung und alles, was dazugehört. Und etwa zwanzig Minuten in der Playlist kam dann die erste Flugdurchsage. Wir lagen nebeneinander auf dem Bett, Augen geschlossen, Kopfhörer aufgesetzt, vollkommen unbeweglich. Konzentration ist wichtig für die Gedankenreisen. Doch nachdem die erste Durchsage verklungen war und wir wieder im nächsten Musikstück angekommen waren, berührten sich unsere Arme, als eine Art Zeichen: Er hat sich wirklich darüber gefreut und wollte es mir auf diese Weise kundtun. Und unsere Gedankenreise ging weiter...

Ich gehe hier nicht weiter ins Detail, das hat hier nichts zu suchen, es war jedenfalls eine tolle Nacht, weil alles sich nach meiner Regie entwickelt hat. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das ein ganz besonderer Abend war. An jenem Abend habe ich herausgefunden, dass Er seinen Freunden zwar von mir erzählt hat, dass sie aber ziemlich misstrauisch waren und nicht wussten, was sie von mir halten sollten. Deswegen hatte sein Mitbewohner mir auch nicht geantwortet. Sie alle fanden Dr Hilarius ziemlich komisch. Damit konnte Er nicht gut umgehen, und in jener Nacht nahm Er sich vor, mit seinen Freunden nicht mehr über mich zu reden.

Das macht er auch heute noch so. Ich bin ein kritisches Thema und Er hat leider nicht das Rückgrat, sich dazu zu bekennen. Aber vielleicht wird Er erwachsener und eines Tages werden wir beide wieder zu einer ganz besonderen Playlist auf die Gedankenreise gehen.

Freitag, 9. Juni 2017

Ella S

Es geht um dieses Bild

In heis picser on your left seid is Mother Marge is blow in you rum. Is Homer slide of ground at his kitschen on you right seid. In a low sey a 3 chilrin in seh kitsch i haf a famiy. I slide af a grund mit the towel. (...)

Dieser Test hat mir die Augen geöffnet. Aufgabe war eine Bildbeschreibung, hatten wir vorher gründlich geübt. Dann lese ich obige Zeilen und bin ratlos, wie ich das bewerten soll. Nein, ich bin nicht gleich auf die Idee gekommen, das einmal laut zu lesen. Denn dann hätte ich mir die ganze Ratlosigkeit erspart. Klar, es geht um Lese-Rechtschreibschwäche (LRS). Bis heute dachte ich immer, ja, das sind die Schüler, die mal ein paar Buchstaben vertauschen, Nachteilsausgleiche gibt es ja in einer Vielfalt - Arbeitszeitverlängerung, Schreiben auf einem Notebook, größerer Druck und so weiter...

Und damit habe ich es mir - mal wieder - viel zu einfach gemacht. Langsam bekomme ich eine Idee davon, was bei manchen LRS-Schülern im Kopf vorgeht - bzw. was nicht. Es muss gerade in Englisch die Hölle sein, dass Geschriebenes ganz anders gesprochen wird. Wird vermutlich auch in Französisch so sein; ob Latein diesen Schülern wohl entgegen kommt?

Es gibt so viele verschiedene Ausprägungen der LRS - und die Kinder haben diese Schwäche nicht zu verantworten, also sollten wir Hilfestellungen geben, wo möglich. Und ja klar unterrichte ich seit fünf Jahren LRS-Schüler, aber aus irgendeinem Grund brauchte es erst diese Bildbeschreibung, um mir das Problem klarzumachen.

Und natürlich denken wir dran: LRS hat nicht unbedingt etwas mit Intelligenz zu tun. Es gibt hochbegabte LRSler, einer liest gerade diesen Beitrag. Und ich werde in Zukunft mal wieder versuchen, etwas mehr Empathie zu üben.

Donnerstag, 8. Juni 2017

Warnungen


Seitdem Menschen diesen Blog lesen, bekomme ich immer wieder gut gemeinte Warnungen - weil diese Menschen sich um mich sorgen oder aber, um auf Fehlverhalten meinerseits hinzuweisen. Manche dieser Punkte sind definitiv angebracht und ich fühl mich immer wieder schlecht, wenn ich ertappt werde, wie ich etwas geschrieben habe, was - aus welchem Grund auch immer - in diesem Blog nicht stehen sollte. Und ich bin auf diese Warnungen angewiesen, denn woher sollte ich sonst wissen, dass ich etwas falsch gemacht habe? Ich versuche das auch meinen Schülern immer wieder vor Augen zu halten: Viele Menschen bemerken ihr Fehlverhalten nicht, wenn sie nicht expressis verbis darauf hingewiesen werden. Und man sollte ihnen zumindest eine Chance geben, es besser zu machen.

Paradebeispiel im schulischen Kontext: "Dr Hilarius, Frau Römpömpöm ist so eine schlechte Lehrerin, niemand mag ihren Unterricht, und sie ist immer so streng, gibt viel zu viele Hausaufgaben auf, das kann man gar nicht schaffen, und sie haut einzelne Schüler vor versammelter Klasse in die Pfanne, wir haben Angst vor ihrem Unterricht, können wir die nicht irgendwie loswerden?"

An der Stelle schaltet sich dann das hochbegabte Drängen ein, immer beide Seiten verstehen zu wollen, und jegliches stattfindende Verhalten zu erklären. Und ganz oft frage ich die Schüler dann: "Habt ihr mit Frau R denn schon einmal darüber gesprochen? Denn... vielleicht merkt sie gar nicht, dass ihr mit ihrem Unterricht nicht klarkommt, vielleicht weiß sie gar nicht, was sie mit ihrem Verhalten bei euch anrichtet? Versucht ihr mal ganz ruhig zu schildern, was ihr Unterrichtsverhalten bei euch auslöst, und gebt ihr zumindest eine Chance, sich zu verbessern. Vielleicht meint sie das Alles nicht böse!"

Tja, und so nehme ich mir manche Warnungen und Tipps zu Herzen, mancher Kommentare bin ich aber auch überdrüssig. Ein paar Menschen weisen mich darauf hin, dass ich meine wahre Identität nicht gut genug verschlüssele, dass man herausfinden könne, wer sich hinter Dr Hilarius verbirgt. Da antworte ich dann, dass mir das vollkommen bewusst ist. Dass ich den Namen nicht gewählt habe, um möglichst unerkannt zu bleiben. Und dass ich zu all dem, was ich hier schreibe, auch stehe. Das ist schon in Ordnung so.

Auch bekomme ich öfters zu hören, ich solle mir gut überlegen, wieviel ich hier von mir preisgebe. Das irritiert mich, weil es sich manchmal so anhört, als würde ich hier völlig unbedarft und gänzlich ohne nachzudenken alle möglichen Informationen von mir posten. Tatsache ist, dass ich eben doch darüber nachdenke - dass ich einfach nicht so viele Geheimnisse habe wie andere Menschen. "Du machst dich damit angreifbar!", das verstehe ich bis jetzt immer noch nicht. Tatsache ist, dass ich mich hier ganz bewusst inszeniere - und dass ich meinem Vorsatz folge, für jede meiner Handlungen gänzlich die Konsequenzen zu tragen, und das jederzeit.

Worauf ich immer wieder achten muss ist, die Persönlichkeitsrechte Anderer zu wahren. Unkenntlichmachung bei Fotos oder Videos oder die betreffenden Personen direkt zu fragen, ob ich eine Anekdote, derer sie Teil sind, in meinem Blog posten darf. Ich kann es nicht verantworten, dass Andere irgendwelche Konsequenzen durch diesen Blog zu fürchten haben dadurch, dass ich "neue" Informationen preisgebe. Wenn ich dagegen über die Arroganz einer Schule lästere, die bereits in aller Munde ist, schere ich mich recht wenig darum, das zu anonymisieren.

Und natürlich ist es für einen Lehrer mithin ein Seiltanz, wenn es um das Thema Verschwiegenheit geht. Zwar sind Beamte zur Verschwiegenheit verpflichtet, allerdings bedeutet das nicht, dass ich hier überhaupt nicht über Schule und Unterricht reden darf. Es gibt nämlich gleich unter Ziffer Zwei die sogenannten "Ausnahmen von der Verschwiegenheit". Also kein Grund, gleich allzu paranoid zu werden.

Generell geht an jeden Leser die Bitte heraus: Wenn Ihr mit jeglichem meiner Beiträge ernsthafte Probleme habt, dann lasst uns in einen Dialog treten und schauen, wie man Abhilfe schaffen kann. Und ansonsten wünsche ich auch weiterhin gute Unterhaltung!

Mittwoch, 7. Juni 2017

nova ratio procrastinationis

Soooooo schön - bei den Saturnalien gab es immer eine vorgegebene Reihenfolge..

Die drei Wörter aus dem Titel könnte man vielleicht auffassen als eine neue Art der Prokrastination, oder vielleicht ein neuartiger Anlass zur Prokrastination. Wenngleich ich in Gesprächen den Eindruck erhalten habe, dass es ein HB-Problem ist, könnte es ja sein, dass Andere die Situation auch kennen, und deswegen beschreibe ich hier ein Gefühl.

Ich müsste viel tun: Die Wäsche waschen, Briefmarken holen, ein Paket wegbringen, das Bad putzen und noch einiges mehr. Also eine lange To Do-Liste. Ich hab mir extra alle Aufgaben aufgeschrieben, damit ich den Überblick habe, ich blicke stolz auf die Auflistung... und das war es dann auch. Was soll ich zuerst machen? Gibt es etwas, wo ich vielleicht sogar zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen kann? Muss ich B vor A machen? Und hierfür brauche ich Tageslicht, das kann ich nicht am Abend machen. Und überhaupt würde ich gern möglichst effizient arbeiten, mit Musik im Hintergrund, ich muss nur noch überlegen, welches Album ich heute hören möchte. Oder sollte ich nicht doch besser mit C anfangen? Denn, ich mein', das liegt da schon so lange herum. Ach Mist, und mir fällt ein, dass ich ja auch noch dies erledigen sollte! Scheiße, Rechnungen überweisen, heute ist Frist. Dann muss ich das Ganze nochmal umsortieren. Wenn ich die Rechnungen überweise, kann ich gleich den Müll runterbringen und den Ölstand beim Auto messen, und dann? Oh nein, und im Auto liegt noch ein Stapel Tests - sollte ich die vorziehen?

Ich gehe alle Szenarien gründlich im Kopf durch, finde immer wieder Argumente gegen eine bestimmte Reihenfolge und werde sauer. Ja, richtig wütend, weil ich es nicht raffe, dass ich mir schon wieder selbst im Weg stehe, anstatt einfach anzufangen! Dann werde ich depressiv, so ein Scheiß, ich mache erstmal die Playstation an, um mich abzulenken.

Und wieder habe ich nichts geschafft, weil ich gar nicht erst angefangen habe. Frau Eislauf kennt das.

post scriptum: In solchen Momenten möchte man auf eine Torte hauen. Wirklich!

 

Dienstag, 6. Juni 2017

What goes around...

Rube Goldbergs Zeichnungen wurden zum Inbegriff des Ursache-Wirkungs-Prinzips

...will come around. Dieser Spruch besagt, dass jede Ursache einen Effekt auslöst. Ich versuche meinen Schülern immer klarzumachen, dass ihre Unterrichtsperformance sich auf die Note auswirkt - und gleichzeitig mache ich ihnen klar, dass ich niemanden zu seinem Glück zwinge. Auf die Unterrichtssituation bezogen bedeutet das: Ich nehme keine Schüler dran, die sich nicht melden. Der Großteil der Kollegen wird jetzt die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. "Das kannst du doch nicht machen, was ist mit Schülern, die nunmal still sind und sich nicht melden wollen? Die bekommen dann eine 5, obwohl sie eigentlich gar nicht so schlecht in Englisch sind."

Ich versuche, meine Motivation zu erläutern. Im Referendariat haben wir alle gelernt, zu unterscheiden zwischen Sach-, Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenz. Diese Unterscheidung leuchtet mir ein. Ich wollte gern viele Lehrproben sehen, aus denen ich genau lernen konnte, was mit diesen vier Kompetenzen gemeint ist und wie ich sie unterrichtlich unterbringen kann. Leider ist aber bei den Lehrkräften im Vorbereitungsdienst (LiV) die Sachkompetenz der totale Renner, wenn es um die hauptsächliche Einordnung geht. Hin und wieder erlebt man auch mal eine Lehrprobe in Methodenkompetenz.

Da ich manchmal gegen Trends stänkere, hatte ich mir vorgenommen, meine Examensstunden im Fokus der Sozialkompetenz durchzuführen, hat auch geklappt. Wir haben eine Möglichkeit der peer correction im Lateinunterricht eingeführt, das stärkt das soziale Element. Aber...

...wie sähe denn nun eine Stunde aus, in der die Selbstkompetenz vor allen anderen gefördert wird? Mir ist da nicht viel eingefallen, und deswegen habe ich zu Beginn meiner Zeit als Lehrer beschlossen, die Selbstkompetenz über das ganze Jahr verteilt zu trainieren. Ich mache den Schülern von Anfang an klar, wie das System meiner Noten Unterrichtsbeiträge funktioniert, ich zeige ihnen ein paar Wenn-Dann-Beispiele, und dann taucht das Thema erst wieder bei den Ferien auf. Und wie!

So hat Fritz sich im Unterricht nie gemeldet, in der Ecke gesessen, sich mit anderen Dingen beschäftigt - und ich drücke ihm die 5 rein. Nun sollte man meinen, dass er jetzt erst recht mauert - und in der Tat dauert es immer unterschiedlich lang, bis jeder merkt, dass sich die freiwillige Mitarbeit lohnt. Aber es zeitigt Effekte: Die Schüler nehmen mich beim Wort, melden sich daraufhin jede Stunde, und das wird natürlich auch belohnt. So habe ich es hinbekommen, dass auch die ganz Stillen sich trauen, sich zu melden.

Ich ringe immer um die Selbstkompetenz der Schüler, so war es auch in der Hausarbeit im Referendariat. Und ich freue mich, wenn es dann heißt: "Dr Hilarius, wie haben sie das geschafft, dass mein Sohn freiwillig Hausaufgaben erledigt und Vokabeln lernt?" Klar, da mögen mehrere Faktoren hineinspielen. Ich möchte aber, dass sie lernen, dass ihnen im Leben nicht immer alles hinterher getragen wird. Dass sie ihr Schicksal selbst in der Hand haben. Und so hat ein Schüler einmal eine 1 bekommen, wenngleich die Sprachfertigkeit im 2-Bereich gelegen haben mag. Das ist es mir wert, und er hat gelernt:

What goes around will come around.