Montag, 26. August 2019

"Ich kann nicht homophob sein, denn..."

Schwule sind okay, solange sie nicht schwul wirken.

 "...denn ich habe einen Schwulen in meinem Freundeskreis."

Keine Ahnung, wie ich diesen Beitrag anfangen soll, ich habe mal ein Zitat genommen, dass viele von uns sicherlich schon einmal gehört haben. Wenn jemand in meinem Freundeskreis zur LGBTQ-Community gehört, dann kann ich gar nicht homophob sein, also darf man mir das nicht vorwerfen. Und homophob sind sowieso immer nur die Anderen. Ich nicht, und meine Freunde auch nicht.

Denkste.

Ich erzähle einfach mal von zwei Fällen aus meinem eigenen Freundeskreis, und ich möchte niemanden damit bloßstellen, deswegen benenne ich die Beteiligten einfach mit Zahlen. Auf das Geschlecht sollte nicht zurückgeschlossen werden.

Ich habe mit 1 jahrelang an der Kieler Christian-Albrechts-Universität studiert. Wir haben uns echt gut verstanden, waren völlig unterschiedlich, vielleicht hat uns das gut getan. Wir waren eng befreundet, und wir sind auch immer noch befreundet, nur mittlerweile etwas älter geworden. Ich habe 1 gern besucht, wir waren öfters zusammen unterwegs, und wir hatten - und haben - beide einen Knall, und akzeptieren uns gegenseitig, so wie wir sind.

Irgendwann habe ich mich mit 1 auch mal über das Thema Homosexualität gesprochen, einfach mal ein paar Sichtweisen austauschen. Ich musste mir keine Sorgen machen; 1 und ich waren enge Freunde, dann kann 1 nicht homophob sein, oder? Und tatsächlich hatte 1 auch überhaupt keine Probleme mit Schwulen und Lesben - solange sie nicht in der eigenen Familie sind. Und dann kam irgendwann ein Satz von 1, den ich bis heute nicht vergessen kann: "Also wenn mein Sohn später schwul wird, ich glaube, dann bringe ich mich um."

Natürlich war das ein dahingeworfener Satz, spur of the moment, Alkohol war nicht im Spiel und wir haben das auch nicht weiter vertieft. Es war allerdings auch kein Ausrutscher, sondern hatte Wurzeln in einer echten Überzeugung. Es hat mich verstört, und ich habe mich danach nie getraut, das einmal mit 1 auszudiskutieren. Ich wollte nicht, dass unsere Freundschaft einen Knacks bekommen könnte.

Nach meinem Verständnis ist das Homophobie: Wenn man Angst hat, dass das eigene Kind homosexuell sein könnte. Es tut mir heute ein bisschen weh, das zu schreiben. Aber ich möchte aufzeigen, dass sich in meinem Freundeskreis Homophobie wiederfindet. Die Angst vor Mitgliedern der LBGTQ-Gemeinschaft.

Auch 2 habe ich an der Uni kennengelernt, und wir haben uns angefreundet und irgendwann konnte ich 2 aus meinem Bekanntenkreis nicht mehr wegdenken. 2 war selbst ziemlich überzeugt davon, nicht homophob zu sein, und meinte zu mir: "Ich habe überhaupt keine Probleme mit Schwulen, solange sie sich nicht zu feminin verhalten. Dieses Tuckige, das mag ich nicht so."

Ich kann 2 vollkommen verstehen. Es gibt so viele Menschen, die genau mit diesem nicht-heteronormativen Verhalten überhaupt nicht klarkommen. Keine Männer, die sich weibisch aufführen, keine burschikosen Frauen. Dass ich es verstehen kann, ändert leider nichts an der Tatsache, dass dieses Genervtsein ein klassisch homophobes Verhalten ist.

Das sollte einfach nur ein Beispiel dafür sein, dass Homophobie nicht nur außerhalb unseres Freundeskreis auftreten kann. Es sind nicht immer nur die Anderen, nur die AdF, nur die Männer, nur die Ausländer und so weiter. Das sind wir alle. Ich hatte (habe?) homophobe Menschen in meinem Freundeskreis, die hoffentlich mit dem Älterwerden etwas aufgeschlossener werden können.

Erinnert ein bisschen an Trumps "I'm the least racist person you've ever met!"

3 Kommentare:

  1. Ist tuntig sein, denn eine Eigenschaft, die aus "schwulsein" hervorgeht? Oder kann jeder tuntig sein, unabhängig von Geschlecht und sexueller Orientierung?

    Wenn ja, dann ist das für mich (rein logisch, abstrakt gedacht) kein direkt homophobes Statement.

    Es gibt sicherlich auch Schwule, die sich [Adjektiv] verhalten.
    Umgekehrt wäre dann auch: "Ich finde Schwule okay, außer sie verhalten sich [Adjektiv]." homophob.

    Ich finde mit der Aussage, sagt 2 eher: "Ich mag tuntiges Verhalten nicht." Also sozusagen tuntig-phob. Ich persönlich würde das nicht automatisch auf Schwulsein beziehen.

    Die Frage die sich daraus ergibt ist aber, ob man überhaupt Angst vor bestimmten Charaktereigenschaften haben darf, die in der Regel bestimmten Personengruppen zugeordnet werden? Darf ich zurückhaltend-phob oder extravertiert-phob sein? Nerd-phob? Inwiefern lässt sich das überhaupt vergleichen?

    Meine Gedanken dazu schweifen grad in sehr viele Richtungen ab ^^

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    1. Danke für die Denkimpulse! Ich habe die Sache auf die allgemeine Haltung bezogen, aber es ist richtig, dass man sexuelle Orientierung vom tatsächlichen Verhalten trennen muss. Vielleicht ist es mir damals einfach aufgefallen, weil ich daraus bei 2 eine "Du bist nicht OK"-Haltung abgeleitet habe (Transaktionsanalyse).

      Natürlich verhält nicht jeder Schwule sich tuntig - aber ein effeminiertes Verhalten geht häufig mit der Homosexualität einher. Wenn ich dann denke "Hm, das Verhalten nervt mich", ist das natürlich vollkommen OK, solange der Andere dadurch nicht zu leiden hat.

      Hm, meine Gedanken gehen auch gerade in alle Richtungen, das war also definitiv ein erfolgreicher Kommentar ;-) Die große Buba und ich haben auch mal überlegt, ob es etwas gibt wie "bi-emotional", wenn z.B. sich ein Mann in einen anderen Mann verliebt, aber sexuell nicht erregt wird. Ist spannend, wie differenziert man an solche Verhaltensweisen herangehen kann.

      Vielleicht bin ich aber auch einfach nur Homohasser-phob ;-)

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    2. btw., hier gibt es einen ganz guten Beitrag, in dem zwischen Homophobie und Homofeindlichkeit unterschieden wird:

      https://www.zeit.de/gesellschaft/2019-08/homophobie-transgender-lgbt-csd-community-gespraechsrunde/seite-3

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