Donnerstag, 30. Mai 2019

Musik im Unterricht


Ich hatte heute einen kleinen Nostalgieflash, der mich zurückversetzt hat - in's Studium und an meine erste Schule damals im Referendariat. Es geht um die Einbindung von Musik in den Unterricht, und das wird auch wieder ein Beitrag, den ich links an die Linkliste anpinne. Ich sollte da einmal aufräumen.

Ich hatte damals an der Uni gerade das Genre progressive metal für mich entdeckt, und das aus einem ganz banalen Grund: Mich faszinierten Songs, die eine längere Spieldauer hatten als die üblichen radiotauglichen drei Minuten und dreißig Sekunden. Ich habe gemerkt, wie ich es genießen konnte, mich in einen Song hineinfallen zu lassen, quasi in die Strömung zu gehen und mich treiben zu lassen (so wie bei Entheogenics Love Letters to the Soul). Das nämlich ist das progressive Element dieses Musikgenres: Es gibt keine klassische Intro-Strophe-Refrain-Strophe-Refrain-Bridge-Refrain-Struktur. Stattdessen entwickeln die Songs sich weiter, haben eventuell ein Leitmotiv - oder auch nicht - und sind, genaugenommen, episch, denn sie erzählen eine Geschichte (wenn Herr Leinhos das liest, wird er sich vielleicht freuen, dass endlich mal wieder ein sprachetymologischer Punkt in einem Beitrag auftaucht).

Wenn ein Album komplett aus solchen Erzählungen besteht, nennt man das ein Konzeptalbum, denn es sind nicht nur einzeln eingespielte Songs, sondern ein quasi literarisches Gesamtwerk. Das gibt es in mehreren Genres, nicht nur im metal, sondern zum Beispiel auch im goa/psytrance. Und das wiederum qualifiziert manche Alben dafür, im Englischunterricht behandelt zu werden.Sie haben verschiedene Charaktere, sind eingebunden in Psychologie, SciFi etc, können anspruchsvoll oder einfach unterhaltsam sein.

Ich liebe Musik und gebe immer viel von mir selbst in meinen Unterricht, also ist es nur konsequent, dass ich nach Möglichkeiten gesucht habe, ein solches Konzeptalbum in meinem Unterricht unterzubringen (natürlich immer auf die Gefahr hin, dass ein Teil der Schüler die Musik grausig findet - ja, das ist so, sie haben ihre eigene, oft ganz andere Musik, und als Lehrkraft muss ich trainieren, es nicht persönlich zu nehmen, wenn sie meine Musik nicht mögen - gilt auch für Filme, Romane etc).

Ein Beispiel für diese Einbindung möchte ich kurz vorstellen, denn das hatte ich ursprünglich einmal für einen E-Jahrgang in der Sekundarstufe Zwei geplant. Dabei fällt mir auf, dass meine idiosynkratische Schreibweise (z.B. häufiges Ausschreiben von Zahlen) mit der Hochbegabung zusammenhängen könnte - mit dem wirren Gedankenmischmasch in meinem Kopf, denn das lässt mich an Thomas Pynchon und Arno Schmidt denken (KAFF auch Mare Crisium oder Zettels Traum).

Zurück zu Musik, und zum Album The Human Equation (2004) des Niederländers Arjen Anthony Lucassen, unter dem Projektnamen Ayreon. Man könnte sehr viel über ihn schreiben, aber das spare ich mal, und erzähle lieber - um Euch nicht zu langweilen, paying lip service, whatever - warum ich das Werk in meinem Unterricht haben wollte.

Die Geschichte handelt von einem Mann, der nach einem Autounfall in's Koma gefallen ist. Mit einem Song pro Tag werden die nächsten zwanzig Tage seiner Zeit im Koma erzählt. Ob er aus dem Koma erwacht? Ob er stirbt? Das ist fast schon zweitrangig, denn der Weg zu Day Twenty reizt. Hauptcharaktere sind also Me, Wife, Best Friend und Father. Die Ehefrau und der beste Freund sitzen am Bett des Komatösen und hoffen darauf, dass er wieder erwachen wird. Sie fragen sich allerdings, wie es überhaupt zu diesem Autounfall kommen konnte, wo doch kein anderes Auto weit und breit in Sicht war.

Der Großteil der Geschichte spielt sich im Kopf des Protagonisten ab, denn dort wird seinen Gefühlen Ausdruck verschafft: Reason, Love, Fear, Pride, Passion, Agony und Rage kämpfen einen verzweifelten Kampf darum, herauzufinden, wie es zu diesem Unfall kommen konnte. Wie bei Ayreon üblich, wird jede der insgesamt elf Rollen durch einen bekannten Musiker aus der Metal-Szene besetzt, so übernimmt zum Beispiel Irene Jansen die Rolle der Passion oder Devin Townsend die Rolle des Rage.

Im Lauf dieser knapp drei Wochen im Koma erinnert sich der Protagonist an diverse Stationen in seinem Leben, sein gewalttätiger Vater, seine Schulzeit, die erste Liebe, und all' diese Erinnerungen könnten am Ende dazu führen, dass er mit sich selbst in's Reine kommt.

Ich wollte heute eigentlich nur mal eben fünf Minuten in das Album reinhören, aber daraus ist dann eine Stunde geworden, weil mich Musik und Plot dann doch wieder gefesselt haben. Ich könnte mir vorstellen, das Album über mehrere Wochen verteilt mit Schülern zu behandeln, einmal pro Woche hören wir uns zwei Stücke an und versuchen so nach und nach, die Charakterisierungen der Hauptfiguren zu vervollständigen. Und wer weiß, vielleicht gefällt es ja sogar dem einen oder anderen Schüler, und er hört sich von sich aus noch ein anderes Album an. Den Effekt finde ich toll, habe ich damals zuerst erlebt, als ich mit einer Klasse im Lateinunterricht Caius ist ein Dummkopf gelesen habe und ein paar Schüler das Buch direkt verschlungen haben und sich dann auch noch die anderen beiden Teile der Trilogie zugelegt haben.

Ich habe früher öfters song analysis mit Schülern gemacht, weil es sich angeboten hat: Man lernt, einen vollständigen Einleitungssatz zu schreiben, man beschreibt die Musik und geht dann auf die Inhalte ein. Habe ich lange nicht mehr gemacht, aber wer weiß, wenn ich an meiner Schule bleiben kann, vielleicht mache ich das dann doch mal wieder.

Mittwoch, 29. Mai 2019

Abwehrhaltung


Die Wohnungsbaugesellschaft Vonovia SE hat einen außerordentlich schlechten Ruf. Ich weiß noch, wie ich damals zur Sannitanic gesagt habe: "Na toll, ich bin mal gespannt, wann die erste Mieterhöhung kommt." Und ihre Antwort war wenig ermutigend: "Ich glaube, die Mieterhöhung dürfte dein geringstes Problem sein." Und Recht hat sie.

Vonovia ist bekannt dafür, unnötige Sanierungen und Modernisierungen an Wohnungen vorzunehmen, als Vorwand, um daraufhin dann die Miete zu erhöhen. Es gibt noch eine Menge mehr, was man beklagen kann, zum Beispiel, dass unser erster Kontakt (wir=Mieter) mit Vonovia über die Kieler Stadtwerke zustande kam, nämlich in Form einer Androhung: Da Vonovia ihren vertraglichen Pflichten nicht nachgekommen war, würde uns Mietern in gut drei Wochen Strom und Wasser abgedreht werden. Na danke.

Die Sache ist zwar inzwischen (wohl) geregelt worden, aber es gab keine Erklärung oder Rechtfertigung seitens Vonovia, und eine Entschuldigung schon gar nicht. Solche Erfahrungen und die extrem negativen Kritiken im Internet führen dazu, dass ich mich in eine Art Abwehrhaltung gegenüber meinem Vermieter begebe. Grundlage ist Misstrauen.

Als es dann hieß, dass eine Wohnungsbegehung stattfinden sollte, um die technische Ausstattung der Wohnung in das Register aufzunehmen, war ich natürlich misstrauisch, habe mir (danke HB) alle möglichen negativen Szenarien vorgestellt und im Internet gleich nach rechtlichen Grundlagen geschaut: Wer auch immer in meine Wohnung kommt, soll sich ausweisen, ich notiere mir den Namen, Fotos der Wohnung sind nicht erlaubt, und natürlich überall gleich die Gerichtsentscheide notiert, inklusive Aktenzeichen.

Das sorgt dann dafür, dass ich angespannt bin, Wut im Bauch habe, bevor überhaupt irgendwas passiert, doch dann kommt ein recht junger Mitarbeiter mit muskulösen Oberarmen, wirkt wie ein Azubi, kommt allein, Tablet in der Hand, schaut nur nach Heizung, Bad und Küche, notiert sich drei, vier Dinge und nach sechs Minuten ist die ganze Geschichte auch schon wieder vorbei. Halb so schlimm. Zumindest noch: Ich bin gespannt, welche Konsequenzen mein Vermieter aus dieser Begehung zieht. Ich reche mit nichts Gutem.

Allerdings habe ich mir antrainiert, in allen unwägbaren Situationen auch das Gute zu entdecken - das macht mein Leben wesentlich glücklicher und entspannter - und so gibt es auch bei einem Vermieter mit miesem Ruf einen Positiveffekt, nämlich dass wir als Mietergemeinschaft etwas näher zusammenrücken. Und das fühlt sich gut an.

post scriptum: Heute habe ich mir den Animationsfilm "The Iron Giant" (1999) angeschaut. Hat damals tolle Kritiken bekommen, aber hat bei Weitem nicht die Kosten eingespielt. Ein sehr schöner Film, quasi "E.T." mit einem Eisenriesen. Das rührt, aber noch interessanter ist die Sozialkritik, die geübt wird, und da scheint man sich an "The Day the Earth Stood Still" orientiert zu haben (und zwar am Original von 1951, das kein Remake benötigt hätte). Es geht um Gewalt, Angst vor dem Unbekannten und Pazifismus.

Montag, 27. Mai 2019

USB mit Himbeersauce

WTF?!

Die dicke Frau wartet schon auf diesen Eintrag.

Die große Buba ist eine Frau (?), die man nicht so schnell zum Lachen bringen kann. Allegedly. Tatsächlich kann sie schon bei dem kleinsten Rechtschreibfehler ("Na dann komm mal rübergepotert!") an einem Erstickungsanfall zugrunde gehen (aber irgendwie drollig, dass sie problemlos tonnenweise Zimtsterne inhalieren kann). So auch geschehen bei einem Blick auf meinen Couchtisch, auf dem ein USB-Stick liegt, über eine dünne Paketschnur verbunden mit einer fast leeren Flasche Himbeersauce. Beziehungsweise, sie hätte sich totgelacht, wenn sie nicht hochgespannt auf eine Erklärung meinerseits gewartet hätte, die ich ihr aber nicht von mir aus gegeben habe, weil das irgendwie in den Hintergrund gerückt ist. Naja. Eigentlich Vordergrund, whatever.

Jedenfalls liegt auf dem Tisch ein USB-Stick, verbunden mit einer Flasche Himbeersauce, und dient mal wieder als ein Beispiel für hochbegabte Durchgeknalltheit. Das Leben könnte so einfach sein. Ist es aber nicht im Kopf eines HB (wer anders denkt, werfe den ersten Stein), und wann immer Unwägbarkeiten auftauchen, arbeitet dieser Kopf mit dem Material, das zur Hand ist.

Vor einiger Zeit hat der USB-Eingang meiner Soundanlage seinen Geist aufgegeben - USB-Sticks werden nicht mehr erkannt, was sehr schade ist, weil ich vor ein paar Jahren meine Musiksammlung zum Platzsparen in USB-Sticks umgewandelt habe, nach Genres sortiert. Das ist sowieso viel praktischer, als wenn man jedesmal die CD wechseln muss; rein mit dem Stick und nach Belieben ein bisschen zwischen den Musikprojekten hin und herwechseln.

Da mir das wirklich sehr wichtig ist, wäre es natürlich ganz einfach eine Option, in ein Elektronik-Fachgeschäft zu gehen und den Anschluss wieder herrichten zu lassen - aber das wäre ja viel zu einfach! Nein, stattdessen entdecke ich, dass ich immer noch einen Kontakt zum USB-Stick herstellen kann, wenn der Einsteckwinkel stimmt. Und um diesen konstant während der gesamten Musikspieldauer gewährleisten zu können, habe ich als Gewicht eine leere Flasche Himbeersauce an den Stick gebunden. Do it yourself, quasi. Und es funktioniert ja, warum also sollte ich mit dem Gerät zum Fachmarkt gehen?

Geht doch (irgendwie)...

Freitag, 24. Mai 2019

"...und trotzdem nett..."

Was ist ein guter Lehrer?

Woher kommen Blogideen? Es gibt verschiedenste Auslöser, das kann ein interessanter Mensch sein, während der Busfahrt, oder ein Geräusch auf einer Baustelle, irgendwie ist dieser Kopf unvorhersehbar; ich weiß nicht, aus was er sich eine Idee für einen Eintrag zurechtspinnt. Dagegen war das heute geradezu geplant, bedingt durch die Schule, mal wieder.

Es sind die letzten Schulstunden in meinen Klassen, denn die jungen Erwachsenen müssen bald in ihr sechswöchiges Praktikum gehen. Ich bin sehr gespannt, wie sie sich da wohl machen werden, und ich hoffe sehr, dass ich sie in der Oberstufe wiedersehen kann. Für genau diese Weiterführung habe ich heute wieder die klassische Feedback-Runde gemacht; das ist der Tag, an dem ich mit Hut in die Schule gehe, das hat Methode.

Ich habe zum Thema Feedback schon einmal einen Beitrag verfasst. In der Schule mache ich es so, das ich jedem Schüler zwei kleine Zettelchen gebe. Auf dem einen sollen sie "+" und auf dem anderen "-" notieren. Dann soll auf den Pluszettel eine Sache geschrieben werden, die ihnen am Unterricht gut gefallen hat, und auf den Minuszettel etwas, "was Dr Hilarius in seinem Unterricht besser machen könnte". Das geht anonym, ich sage den Schülern, dass sie ganz offen sein sollen, die Zettel werden jeweils zweimal zusammengefaltet und dann in den Hut geworfen, den ich herumgeben lasse.

Ich erkläre den Schülern, dass mir besonders die Minuszettel wichtig sind. Klar ist es auf der einen Seite unangenehm, sich anonymer Kritik anzunehmen. Es ist ein bisschen kribbelig, einen dieser Zettel auseinanderzufalten. Natürlich machen mich die Pluszettel glücklicher. Aber auf der anderen Seite ist das eine tolle Art, dass mir meine Schwächen aufgezeigt werden, denn ich selbst bemerke die nicht. Vielleicht ist da draußen ja noch der eine oder andere Lehrer, der sich auch für makellos und sowieso viel besser als der ganze Rest des Kollegiums hält. Nicht umsonst heißt es im Buddhismus, dass ein wahrer Freund jemand ist, der Dich herausfordert (zum Beispiel mit Kritik).

Wir alle haben Fehler, oder etwas progressiver ausgedrückt: Wir alle haben Potential, unseren Unterricht weiterzuentwickeln. Und gerade wenn eine Kritik auf mehr als nur einem Minuszettel auftaucht, dann könnte da etwas dran sein; so neige ich zum Beispiel manchmal dazu, in spannenden Diskussionen in's Deutsche abzurutschen, und daran sollte ich arbeiten.

Was mich heute allerdings ebenfalls beschäftigt hat, war folgende Notiz auf einem der Pluszettel: "Die ehrliche und trotzdem nette Weise zu unterrichten." Das habe ich erstmal nicht verstanden. Trotzdem? Kann das denn nicht zusammengehen, ehrlich und nett zu sein? Ich habe versucht, mich an Unterrichtssituationen zu erinnern, auf die sich der Kommentar eventuell beziehen könnte, und schließlich ist mir eine Idee gekommen.

Manchmal klatsche ich meinen Schülern eine sehr direkte Ansage vor den Bug. Dass sie zu wenig für die Schule getan haben. Dass sie mit dieser Haltung draußen keine Stelle finden werden. Dass sie stinkfaul sind - und vieles mehr. Wenn ich Glück habe, rutscht es mir in einer harmlosen Diktion heraus, ohne Schimpfwörter. Ich werde dann ernst und deutlich - im Gegensatz zu meiner sonstigen "Schule soll Spaß machen"-Haltung. Die Schüler bekommen einen gründlichen Einlauf - aber sie wissen, dass ich ihnen so etwas nicht persönlich übelnehme. Sie wissen, dass ich danach wieder lächeln werde, dass ich sie weiterhin im Unterricht drannehme, dass sie trotzdem die Chance auf eine gute Note haben.

Ich weiß nicht, ob Ihr früher einen Lehrer hattet, von dem Ihr sagen konntet: "Der hat mich auf dem Kieker!" Sehr viele Schüler kennen das, fühlen sich als persönliches Zielobjekt für einen Lehrer, und so schaukeln sich Laune und Leistung gegenseitig herab, und jede Äußerung des Lehrers wird als Angriff verstanden. Vielleicht meinte dieser Zettel genau das - ich drücke den Schülern einen deutlichen Kommentar rein, wenn nötig, aber trotzdem macht der Unterricht auch weiterhin Spaß. Denn eine Sache, die versuche ich immer zu vermeiden, auch wenn mir das nicht immer gelingt:

Ich möchte auf keinen Fall, dass meine Schüler Angst vor mir haben.

Mittwoch, 22. Mai 2019

Momente, die...

...stolz machen.

Ich glaube, es gibt da draußen sehr viele Lehrer und Pädagogen, für die es immer wieder ein kleiner Regenguss auf das Herz ist, liebgewonnene Klienten in die Welt zu entlassen. Das hat sicherlich nicht die Intensität eines Elternteils, der sein Kind ziehen lassen muss, aber es fühlt sich für mich trotzdem jedesmal an, als ob sich eine nasskalte Hand um mein Herz legt und es gründlich auswringt.

Selbstverständlich haben wir Lehrer weder Lieblingsschüler noch Lieblingsklassen. Und selbstverständlich werden in diesem Blog ab und an stilistische Mittel verwendet.

Hin und wieder kommt es vor, dass mir eine Klasse noch mehr an's Herz wächst als eine andere, und die Gründe können vollkommen unterschiedlich sein - so bin ich zum Beispiel ein Lehrer, der mit leistungsschwächeren und släsch oder verhaltensauffälligen Klassen etwas lieber arbeitet als mit anderen. Mit leistungsstarken Klassen arbeite ich nicht ganz so gerne, und ich habe auch Probleme, mit Schülern zu arbeiten, die sich selbst für viel leistungsstärker halten, als sie es eigentlich sind - denn irgendwann kommt der Moment, an dem ich ihnen diesen Zahn ziehe, und immer wieder daran herumbohre. Und das führt nicht unbedingt zu einer positiven Lehrer-Schüler-Beziehung (Hattie anyone?).

Mein erster Schülerabschied, der mir nah gegangen ist, war in St.Peter-Ording (quelle surprise), darüber hatte ich auch mal geschrieben. Natürlich gab es schon vorher meine Examensklassen, die ich gern noch weiter unterrichtet hätte, gerade mit dem tollen Schwung, den die Schüler in meine Lehrprobe gebracht haben. Damals gab es ein T-Shirt für mich - das war eine irre Zeit (Mist, ich finde gerade das Foto nicht). Aber an SPO hing mein Herz.

Was ich richtig toll finde, ist positives Feedback aus einer Klasse, mit der ich nicht so gut zusammenarbeiten konnte, weil man vielleicht unterschiedliche Wellenlängen hatte oder enttäuscht war, dass es doch nicht so einfach ist, eine gute Note in Englisch zu bekommen. Wenn mir dann jemand ein Bild wie oben in die Hand drückt (und noch ein paar Takte dazu sagt), dann fühlt sich das toll an. Denn ich frage mich quasi dauerhaft, ob ich alles richtig mache, und spüre oft, dass es eben nicht so ist. Dann gilt für ein solches gezeichnetes Bild: Made my day!

Hoffentlich kann ich an der Schule bleiben, und wieder einige Schüler in Richtung höherer Schulabschluss bringen, das würde mich sehr freuen. Dann dürfte in einem Jahr wieder die Regenhand kommen und mich auswringen - nichts lieber als das!

Montag, 20. Mai 2019

Ich bin durch

Vormittags Recht und nachmittags frei? Nix da...

Ich bin durch - welch' schönes Teekesselchen!

Ich bin durch mit den Korrekturen der Abschlussklausuren, ich bin durch mit den Noten, eine Last weniger auf meinen Schultern. Allerdings bin ich auch mit den Nerven durch. Es sind einfach zu viele first times zusammengekommen, mein Gehirn hat es nicht geschafft, immer die Kontrolle über alles zu bewahren. In der Konsequenz passieren Fehler, aus denen ich hoffentlich für den nächsten Durchgang lernen kann (wenn es denn einen nächsten Durchgang gibt).

Es war eben das erste Mal, dass ich Abschlussklassen (Sek II) betreue - und das auch noch an einer für mich vollkommen neuen Schulform, der Berufsschule. Und auch noch zwei unterschiedliche Abschlüsse parallel... im Referendariat und danach immer wieder hat man vermieden, mich in die Oberstufe zu setzen - weil durch meine monatsweisen Arbeitsverträge keine Kontinuität für die Schüler gewährleistet werden konnte. Und das stimmt ja auch: Ich bin der Meinung, dass Schüler an einem Stück, mit einem Lehrer die Zielgerade Richtung Fach- oder allgemeine Hochschulreife angehen sollten, damit sie wissen, woran sie sind.

Das war also jetzt mein erstes Mal. In der Konsequenz war es das erste Mal, dass ich Erstkorrektor im Abi bin, und das hat mir einen gewaltigen Druck im Hinterkopf verschafft - mache ich alles richtig? Stimmen meine Noten? Dieses Bewusstsein hat mich etwas kleiner werden lassen. Dazu kam dann noch, dass es das erste Mal war, dass ich eine Abschlussklausur entwerfen sollte; irgendwie habe ich mich immer ein bisschen mit dem ruhigen Gewissen ausgeruht, dass wir ja Zentralabi haben und andere Leute sich darum kümmern.

In der Berufsoberschule ist das anders. So wie früher: Ich reiche zwei eigens entworfene Klausurvorschläge bei der Schulaufsicht ein, einer davon wird zurückgeschickt. Noch mehr Panik: Ist das zu schwer? Ist die Gewichtung der Aufgaben richtig? Ich muss zugeben, dass ich in dem Fall sehr dankbar für die Schulaufsicht bin. Zu meinem ersten Entwurf habe ich Verbesserungsvorschläge bekommen, habe die umgesetzt, und bin nun ruhig in dem Gewissen, dass meine Klausur vom Ministerium abgesegnet worden ist.

Das alles hat mich überfordert. Das war abzusehen, und ich habe auch hier im Blog schon mehrfach darüber geschrieben. Ich hoffe einfach, dass mit den nächsten Jahren eine gewisse Routine sich breitmacht. Ich denke lieber noch gar nicht daran, dass ich irgendwann ja auch Klassenlehrer sein muss. Davor habe ich richtig Angst, allein schon wegen der Telefonate, der Bürokratie, der Verantwortung. Schauen wir mal.

Erstmal kann ich kurz aufatmen, denn ich bin durch.

Freitag, 17. Mai 2019

Ein Satz


Ich werde heute nur einen einzigen Satz schreiben, inspiriert durch den Roman, den ich zur Zeit lese, nachdem er über acht Jahre in meinem Regal gestanden hat, und das obwohl Professor Doktor Jan Radicke der Kieler Uni ihn mir sehr an's Herz gelegt hat - weswegen ich ihn mir dann zugelegt habe, aber bis vor ein paar Tagen war er fast komplett jungfräulich, denn obwohl ich es mehrere Male versucht habe, das Buch zu lesen, war doch immer irgendwie nach zehn bis zwanzig bis dreißig Seiten Schluss, zu detailliert der Schreibstil und zu stark mein Drang, zu jedem Zeitpunkt jedes noch so kleine Detail der Geschichte verstehen zu müssen, was sich als ziemlich schwierig herausstellt, wenn man merkt, dass der Roman über hundert Hauptcharaktere hat, allesamt dreidimensional ausgestaltet, um einen Reichtum an Informationen zu erstellen, von dem man sich als Leser sehr schnell erschlagen fühlen kann und sich als Überlebensstrategie in dieser Lektüre schnell angewöhnen sollte, alles auf das Gehirn hereinprasseln zu lassen, mit dem unerschütterlichen Vertrauen, dass jedes in diesem Moment noch so unpassende Puzzleteil irgendwann mit zwanzigtausend weiteren Teilen ein Gesamtbild ergeben wird, quasi ein kleines Universum, in das der Autor Thomas Pynchon uns entführt, und wenngleich ich eigentlich dachte, an den Stil des Schriftstellers gewöhnt zu sein, nachdem ich The Crying of Lot 49 (1966) zu einem meiner Lieblingsbücher erklärt habe, muss ich dieser Tage feststellen, dass jener Roman nur eine Fingerübung gewesen sein kann im Vergleich zu diesem Monument von neunhundert Seiten, und mir wird langsam klar, warum Pynchon mit Lot 49 nicht zufrieden gewesen ist, auch wenn ich es als ein klassisches Werk der amerikanischen Postmoderne erlebt habe, denn der unfassbare Reichtum an sehr schrägen Charakteren mit den üblicherweise seltsamen Namen - so wie der Dr Hilarius aus Lot 49 - und dem irren Humor, der mich an Joseph Hellers Catch-22 (1961) denken lässt, insgesamt ein Füllhorn an urkomischen Situationen, ein Humor, der seinesgleichen sucht und dafür sorgt, dass dieser Klotz von einem Buch als das opus magnum des Autoren bezeichnet wird, ein Bericht der letzten Tage des zweiten Weltkrieges - aber es handelt sich hier nicht um eine Geschichtsstunde, das wird der aufmerksame Leser innerhalb der ersten hundert Seiten spätestens dann merken, wenn er erfährt, dass ein Charakter namens Tyrone Slothrop daraufhin konditioniert worden ist, eine Erektion zu bekommen, wann immer eine V2-Rakete abgefeuert worden ist, und wenn sich das schon schräg anhört, dann sollte man sich gern das gesamte Werk zugute führen, so wie ich es jetzt endlich mache, weil ich gelernt habe, nicht aufzugeben, nur weil ich ein paar Sachen nicht verstehe, oder auch extrem viele, und mittlerweile ist mir der Stil so vertraut geworden, dass ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen kann, und ich freue mich auf noch sehr viele verrückte Menschen, Begebenheiten und Lacher, während ich mich endlich durcharbeite, durch Gravity's Rainbow (1973).

Donnerstag, 16. Mai 2019

Himmlisch oder höllisch?


Morgendliche Autofahrt zur Schule, in Schwentinental fährt direkt hinter mir ein Polizeiauto auf die B76.

Himmlisch

Das ist so großartig und entspannend, denn kaum ist ein Polizeiauto zu sehen, halten sich die Raser zurück. Endlich keine gefährlichen Überholmanöver mehr, alle halten sich an die erlaubte Höchstgeschwindigkeit. Niemand, der mich von hinten drängelt, endlich kann ich die Autofahrt richtig genießen. Ich rege mich nicht mehr auf, mein Blutdruck bleibt, wo er sein soll und ich komme gut gelaunt in der Schule an, ausgeglichen und freundlich strahlend. Und bestimmt sind die Polizisten in dem Wagen zufrieden, dass ich so vorbildlich gefahren bin.

Höllisch

Ach du Scheiße! Jetzt habe ich die Polizei hinter mir, ohgott, hoffentlich sind alle Lampen in Ordnung. Krampfhaft achte ich drauf, maximal drei km/h über Strich zu fahren, nicht zu langsam fahren, hoffentlich werde ich nicht gleich rausgewunken! Ob die rote Anzeige auf dem Autodach gleich aufleuchtet? Hoffentlich nehme ich niemandem die Vorfahrt, hoffentlich springt der Wagen gleich wieder an, wenn ich an der Baustelle gewartet habe. Hoffentlich mache ich nichts falsch! Ich kann den Wagen hinter mir nicht ausblenden, ich halte mich verkrampft am Lenkrad fest. Ich möchte, dass diese Autofahrt einfach nur vorbei ist. Kann die Polizei nicht abbiegen? Oder jemand Anderes schwenkt zwischen Polizei und mir ein? Nein, die gesamte Strecke entlang sehe ich den Wagen hinter mir und male mir allerlei Horrorszenarien aus. Als ich an der Schule ankomme, wische ich mir den Schweiß von der Stirn und versuche, meine zittrigen Hände zu beruhigen.

Fazit

HSP (Hochsensibilität) kann der reinste Horror sein. Viele Hochbegabte und HSPs merken das, wenn sie ihre ersten Fahrstunden haben. Ich würde so gern einfach ausblenden, dass die Polizei hinter mir ist, Hörspiel hören, Fahrt genießen, aber es geht nicht. Die visuelle Wahrnehmung ist gesteigert und ich kann solche Sachen nicht nicht wahrnehmen.

Kennt Ihr das?

Dienstag, 14. Mai 2019

Ich hänge am Netz

Karo-Denk-Kuh-Klein (SopfStopf ist ein Rechtschreibfehler, setzen, dei-DHÄH!)

Er hängt an der Flasche. Sie hängt an der Spritze. Er hängt an der Zigarette. Sie hängt am Fernseher. Ich hänge am Netz. Wir alle hängen herum, hängen herab, man könnte sagen: Wir sind abhängig. Das merken wir oft eigentlich erst dann, wenn der Stoff unserer Wahl nicht zur Verfügung steht. Keine Zigarette da? Und das Zittern geht los? Kein Fernseher da, und die Langeweile bringt mich um? Oder, wie in meinem Fall, ein paar Tage ohne Telefon und Internet, und ich fühle mich vollkommen abgehängt und allein gelassen.

Und das ist so ein zwiespältiges Ding, denn ich genieße die Ruhe sehr. Ich mache ja sowieso nicht so viel mit anderen Menschen zusammen, und das ist auch in Ordnung so. Mir reicht es, wenn ich hier und da ein paar Nachrichten schicken kann, und wenn die fette Schnecke ab und an einmal vorbeiklötert, dann bin ich glücklich. Aber wenn diese Möglichkeit nicht mehr besteht, werde ich unruhig.

Dann ist da eine kleine Angst, ich könnte nicht mehr up to date sein, oder eine wichtige dienstliche Mail verpassen, oder irgendwelche Termine nicht mehr einhalten, und habe niemanden zum Reden (obwohl ich sowieso kaum rede), und jedenfalls fühlt sich das nicht so schön an. Deswegen bin ich froh, dass jetzt wieder alles so funktioniert, wie es soll, und ich muss tatsächlich erstmal zwei, drei, vierzig Nachrichten abarbeiten.

Umso mehr hat es mich gefreut, dass gestern aus heiterem Himmel Post von der großen Buba gekommen ist, einfach ein kleiner Motivationsschub (wir sitzen beide an den Abschlussklausuren) und, wie man oben sieht, eine ganz süße Erinnerung daran, zu essen und zu trinken. So toll! The next best thing, wenn schon das Internet nicht mehr so richtig will (toll, da stand erst "the hext"). Das lila Schild hängt jetzt an meinem Dachbalken, noch mehr Abhängigkeit, aber dafür habe ich jetzt etwas, das ich jederzeit mit "a a a a a a a a" anschreien kann (die große Buba kennt das).

Buba La Tättah, noch ein paar Fünfen und Sechsen raushauen, und wir haben es geschafft (nicht allzu ernst nehmen, bitte, wir korrigieren mit ganz viel Herz)! Wobei ich sehr zufrieden bin mit den Ergebnissen. Macht mich happy.

Freitag, 10. Mai 2019

Umleitung

Gegen das Gedankengewitter

Hochbegabung und Buddhismus gehen gut zusammen.

Vor Kurzem habe ich im Schleswig-Holstein-Magazin gelernt, dass die B-Sechsundsiebzig die meistbefahrene Bundesstraße unseres Landes zwischen den Meeren ist. Das bestätigt meine Eindrücke bei'm Autofahren. Und eine so starke Belastung sorgt für Abrieb, Aufbruch, was auch immer: Die Straße geht kaputt. Hier, da, dort. Vor einem Jahr, vor einer Woche, in sechs Monaten, immer wieder; dann wird es Zeit für eine Ausbesserung. Dazu muss die Straße gesperrt werden, und zwar genau so, wie es jetzt der Fall ist zwischen dem Ostring und Elmschenhagen: Eine Fahrtrichtung wurde komplett gesperrt, die andere wurde so eingerichtet, dass Autos nach Kiel und auch wieder heraus kommen.

Diese Spuren sind recht eng, und dann sind da ja auch noch so viele Auf- und Abfahrten, an denen auch andere Verkehrsteilnehmer gern reinrumpeln würden. Machen wir es kurz: Man braucht Einiges an Geduld für dieses Stück, das in der Regel immer in einer Richtung einen Stau hat. Ich habe langsam realisiert, dass ich zwanzig Minuten mehr einplanen muss, kein Problem. Wobei, warte...

...denn ein Problem gibt es doch, und zwar kann ich mich im Stau so gut aufregen - zum Beispiel über die Verkehrsteilnehmer, die zu schnell fahren, rechts überholen und auch jene, die versuchen, die Sperrung per Straße direkt daneben zu umfahren (Elmschenhagener kennen das Szenario) - nur um dann wiederum zu warten, bis sie sich endlich wieder in den Stau einfädeln dürfen. "Wow", sage ich dann, "jetzt hast Du drei Autos aufgeholt und kommst zwei Minuten vor mir am Ziel an, und dafür diese ganze Rücksichtslosigkeit?" Ja, darüber kann ich mich aufregen, denn ein Stau dauert und bietet perfekte Gelegenheit, über alles Mögliche nachzudenken.

Und manchmal sind Streckenabschnitte der beliebten Bundesstraße komplett gesperrt, so dass man eine Umleitung fahren muss. Horror! Ich soll plötzlich irgendwo langfahren, wo ich vorher noch nie war? Immer schauen, ob irgendwo diese gelben U-Schilder leuchten? Dazu muss ich etwas langsamer fahren, sonst übersehe ich die vielleicht und bin dann komplett verloren - tja, und dann dieses Gefühl, von dem Hintermann gedrängt zu werden, denn ich bin ja nicht der Einzige, der diese Strecke umfahren muss. Wenn ich Horror sage, dann meine ich es wirklich so. Panikattacken stehen vor der Tür.

Das sind die Momente, in denen ich froh bin, dass der Dalai Lama vollkommen zurecht festgestellt hat: Nichts ist entspannender, als das anzunehmen, was kommt. Ich bin so dankbar für diese Erkenntnis, denn der Autohorror spielt sich ja nur in meinem Kopf ab. Endlich kann ich sagen "Stau? Dann ist das eben so." und mich entspannt zurücklehnen, anstatt wie andere Fahrer nach jeglicher Möglichkeit zu suchen, etwas schneller voranzukommen. Und eine Umleitung? Ist doch klasse, dann sehe ich etwas mehr von meinem schönen Bundesland.

Entschleunigung, Ihr kennt das. Und für diesen Hochbegabten ist es verdammt wichtig, sich zu entschleunigen und mit Ruhe auf anstehende Probleme zuzugehen. Buddhismus hilft mir gegen das Tempo in meinem Kopf.

Hochbegabung und Buddhismus gehen gut zusammen.

post scriptum: Heute gab es einen richtig guten Film - "The Village of the Damned", und zwar das Original von Neunzehnsechzig. Das ist quasi Science Fiction, weil der Film sehr ernsthaft rangeht an die Frage, wie Menschen reagieren, wenn sie realisieren, dass ihr eigenes Kind "nicht normal" ist (zum Beispiel Asperger). Der Film ist mit knapp über siebzig Minuten kurz und kompakt, und bietet reichlich Diskussionsstoff. Ich dachte immer "Das Dorf der Verdammten" sei ein alberner Film über Kinder, die alle gleich aussehen, aber da steckt wesentlich mehr drin.

Dienstag, 7. Mai 2019

Abitur zu schwer?


Heute hatte ich Besuch von einem alten Bekannten: meinem Kreislauf. Beziehungsweise nein, er hat mich nicht besucht, er hat mich verlassen. Wieder einmal der Klassiker, über den ich hier schon geschrieben hatte. Und was hat diesmal dafür gesorgt, dass ich das Essen vernachlässigt habe? Abschlussprüfungen, was sonst?

Es ist dieser Tage mein erstes Mal als Erstkorrektor. Ich habe in den letzten vier Jahren jeden Abiturdurchgang als Zweitkorrektor durchgemacht, und es hat sich ganz angenehm angefühlt, weil ich nicht das Gefühl hatte, dass auf meinen Schultern eine Notenentscheidung lastet. Das ist nun anders, und zwar in gleich zwei Abschlussklassen mit unterschiedlichen Abschlüssen.

Die erste Aufregung gab es ja schon bei'm Entwerfen einer der Klausuren. Mache ich alles richtig? Sind alle Aufgaben drin? Ist es fair, schaffbar? Mache ich viele Fehler? Das war tatsächlich ziemlich unter-Druck-setzend, aber immerhin gibt es dafür ja die Schulaufsicht, die die Klausurvorschläge genehmigen muss. Das hat sie gemacht, und das hat etwas Last von mir genommen, aber trotzdem war ich unsicher, ob alles klappen würde.

Werden alle Schüler kommen? Muss ich Nachklausuren stellen? Funktionieren alle Wörterbücher? Gibt es Baustellenlärm? Klappt die Ablösung der Aufsicht? Und selbst jetzt, wo das alles durch ist, lässt die Spannung nicht nach: Sehe ich alle Fehler? Bewerte ich korrekt, gebe ich zu gute oder zu schlechte Noten? Ja klar, dafür gibt es dann den Zweitkorrektor, der seine Sicht dazu äußern wird, aber ich fühle mich, als müsste ich selbst gerade eine Prüfung bestehen, wenn ich ihm den Klausurstapel aushändige.

Das ist also alles tatsächlich sehr aufregend, und die Korrekturen sind trotz Hintergrundmusik erstaunlich absorbierend. Ich sollte mir feste Essenszeiten verordnen...

...ach ja, und vielleicht sollte ich auch noch etwas zum Titel dieses Beitrags sagen - Ihr habt sicherlich verfolgt, dass es derzeit Tausende von Beschwerden von Schülern über die Schwierigkeit des diesjährigen Abiturs gibt. Spannende Geschichte, und ich muss zugeben, ich stimme eher den Lehrern zu, die mehr Vergleichswerte haben und sagen können, dass die Klausuren wohl im normalen Niveau lagen. Was es für Schüler so "unfair" macht, ist der Umstand, dass letztes Jahr die Klausur in Mathematik deutlich einfacher zu sein schien. Die Klausuraufgaben werden derzeit noch einmal geprüft, und ich bin sehr gespannt, was dabei herauskommt.

Was sich jedenfalls definitiv nicht geändert hat, ist die Tendenz mancher Schüler, die Gründe für ihr schlechtes Abschneiden in einer Prüfung überall zu suchen - nur nicht bei sich selbst. Und ich gebe zu, so normal dieses Verhalten auch sein mag, es nervt mich tierisch. Das ist eine Phase, in der ich den Dalai Lama mehrmals am Tag durch meinen Kopf wabern lassen muss, mit seinem Streben nach Ausgeglichenheit...

Montag, 6. Mai 2019

Korrekturbeschallung

Das Label meines Vertrauens

Heute nur in aller Kürze, und irgendwie auch ohne jegliche Würze - erst einmal herzliches Mitgefühl an alle KollegInnen da draußen, die gerade in den Klausurkorrekturen ersaufen. Für mich ist heute der letzte neue Klausurstapel dazugekommen, und ich muss noch ein paar Liter rote Farbe kaufen.

Sind ja leider immer wieder ein paar Werke dabei, an denen man sich die Mine leerschreiben kann. Was mich zu meiner heutigen Frage an Euch bringt: Gebt Ihr Euch zu den Korrekturen eine bestimmte Hintergrundbeschallung? Könnt Ihr vielleicht besser arbeiten, wenn es totenstill ist? Oder die Fenster geöffnet, für Natur- oder Stadtlärm? Nachbarn bei'm Sex? Oder doch lieber etwas Musik? Falls ja, was hört Ihr dann so?

Ich habe gemerkt, dass so Vieles in meinem Leben besser mit Musik geht, und das trifft ganz besonders auf die Korrekturen zu. Ich brauche da allerdings unauffällige Musik, am besten ohne jegliche lyrics. Seitdem ich das Genre Downtempo für mich entdeckt habe, ist die Sampler-Reihe Fahrenheit Project nicht mehr aus meiner Wohnung wegzudenken. Das kann ich schön leise anmachen und fühle mich dann bei'm Korrigieren etwas ausgeglichener.

Wie schaut es bei Euch aus?

unten: Vibrasphere - Northern Sunset


Samstag, 4. Mai 2019

Schüler X

Wenn Schule Spaß macht und sich der Einsatz lohnt, dann kann auch ein Schüler X zu Hochform auflaufen!

vorweg: Ich benutze in diesem Artikel das generische Maskulinum. Kann also durchaus sein, dass es sich auch um Schülerinnen handelt ;-)

Ich werde zurzeit an einen ehemaligen Schüler erinnert, den ich der Einfachheit halber X nenne. Es ist schon einige Jahre her, dass ich ihn unterrichtet habe - das war damals in St.Peter-Ording, am (damals) Regionalschulteil meiner Ex-Schule. Schüler X ist mir durch sein Unterrichtsverhalten aufgefallen; er ist mir in so lebhafter und positiver Erinnerung geblieben, dass ich Schülern gern die Anekdote mit ihm erzähle, wenn es um das Thema Unterrichtsbeiträge (UB) geht (hieß irgendwann mal mündliche Noten).

X war eigentlich ein eher unauffälliger Schüler, vom Verhalten her. Mit fast zwei Meter Körpergröße in Klasse Acht stach er ein wenig aus der Klassengemeinschaft heraus. Durchschnittlicher Schüler, wirkte manchmal unbeteiligt, ich hatte ihn im mittleren Notenbereich verortet. Nach der ersten Zeugnisnote gab es dann aber eine Änderung in seinem Verhalten.

Ich hatte den Schülern damals erzählt, wie ich die UB-Note ermittle, und mir war aufgefallen, dass gerade an der Regionalschule die Leistungsbereitschaft, naja... sagen wir mal, es gab da ein gewaltiges Potential. Man konnte Schüler mit Sammel-Klebesternen locken, oder mit Schokoriegeln, aber manchmal auch einfach mit der Rückmeldung, dass sich positives Verhalten im Unterricht auswirken wird. In den Köpfen vieler Schüler wabert eine gewisse Resignation umher: "Ist doch scheißegal, ob ich Hausaufgaben mache oder nicht, und ob ich mich melde oder nicht, ich komme eh' immer nur auf eine Drei oder Vier."

Das hat mir damals auch Schüler X erzählt, und ich hatte vor den Sommerferien einen Deal mit ihm abgeschlossen: Wenn er im neuen Schuljahr richtig loslegt, aktiv dabei ist, die Hausaufgaben immer hat, dann kann er seine Note verbessern. Versprochen. Und so kam es dann auch: Wann immer sich sonst keiner in der Klasse bei der Aufgabenbesprechung melden mochte, auf X konnte ich mich verlassen. Hausaufgaben immer parat, Lerneffekt sehr hoch, und so konnte ich ihm guten Gewissens zum Halbjahr eine Zwei geben. Und das war ein voller Erfolg für ihn, weil er endlich sehen konnte, dass sich Einsatz auszahlt (ich musste ihm ja nicht sagen, dass nach der Schule kein Hahn mehr danach kräht).

Im zweiten Halbjahr lieferte er weiter kontinuierlich eine Paradenummer ab, und auch wenn es dann bei den Leistungsnachweisen "nur" für einen Zweierdurchschnitt gereicht hat, habe ich ihm trotzdem im Schuljahresendzeugnis eine Eins gegeben. Das waren nämlich Jugendliche, die teilweise ernsthafte Probleme hatten. Heile Welt war in SPO nicht der Regelfall, ganz im Gegenteil, und es hat mich richtig glücklich gemacht, diese spannenden, herausfordernden Schüler glücklich zu machen.

Das hat nicht bei vielen Schülern geklappt - deswegen ist X mir auch so intensiv als Einzelfall im Gedächtnis geblieben. Bei den Anderen hat Schokolade einfach mehr gebracht. Aber es hat dazu geführt, dass ich mich auch heute noch unglaublich freue, wenn sich ein Schüler X in meinem Unterricht herauskristallisiert. Jemand, der anfangs eher unscheinbar war, oder sogar nur schwach ausreichend, und der die Chance nutzt, sich hochzuarbeiten. Ganz, ganz große Klasse!

Ich habe den Eindruck, dass die Gymnasien weniger Potential für einen Schüler X bieten. Weil dort anteilmäßig mehr Schüler eine intrinsische Leistungsbereitschaft zeigen. Da sind deutlich mehr unglaublich fleißige Kiddies, und wer diesen Blog verfolgt, der weiß, dass ich mit solchen nicht so gut arbeiten kann. Gerade wenn es solche Schüler sind, die meinen, sie hätten eine bessere Note verdient - bei sowas muss ich immer mit dem Kopf schütteln.

Doch halt, ein X-Fall kommt mir gerade in den Sinn, der an einem Gymnasium war. Dort ist X in der Klassengemeinschaft aufgefallen, weil er als Einziger nicht das Abitur machen wollte, sondern mit der Fachhochschulereife gehen wollte. Ich fand das toll und habe ihm gesagt, dass ich seine Entscheidung vollkommen unterstütze - Reaktion: "Da sind sie aber leider der Einzige, von den anderen Lehrern und meiner Family bekomme ich nur Anschiss dafür." - hat mich angesichts des Rufs der Schule nicht weiter verwundert, denn dort sollten schließlich alle Schüler das Abitur bekommen, whatever. Das Coole war, dass nach unserem Gespräch dieser X sich richtig in's Zeug gelegt hat und nochmal ordentlich gezeigt hat, was mit Motivation möglich ist, und das hat mich dann auch an einem Gymnasium einmal stolz gemacht.

Tja. Und nun freue ich mich über jedes X an einer Berufsschule.

Freitag, 3. Mai 2019

Contemplating Kloschüssel

Es könnte alles so sauber sein. Darüber muss ich erstmal nachdenken.

In meiner Wohnung sieht es mitunter ziemlich chaotisch aus, als Resultat zweier Umstände: Ich lasse sehr oft alles genau da liegen, wo ich es gebraucht habe und ich räume nicht auf. Spaßig wird es, wenn mich jemand fragt, warum ich nicht aufräume, denn dann versuche ich zu erklären, wie dieser durchgeknallte Kopf in solchen Situationen tickt. Wir kennen das ja alle, dass man eine Hausarbeit nicht machen möchte, weil gerade genug Stoff für Ablenkungen da ist, und die machen sowieso viel mehr Spaß. Klar.

Ob das etwas mit Hochbegabung zu tun hat, was ich manchmal erlebe, kann ich nicht sagen. Beispiel Badputz: Ich gehe in das Bad und sehe, dass die Toilette mal wieder gereinigt werden müsste. Und dann verfalle ich in eine Art Denkstarre; ich betrachte die Kloschüssel und denke in aller Ruhe im Kopf durch, wie ich das machen würde und welche Putzmittel ich nehme und zu welcher Uhrzeit ich das idealerweise machen sollte, und ich male mir aus, wie sauber danach alles ist. Und natürlich male ich mir auch aus, was alles schiefgehen kann - Stichwort Reiniger-Mix-Duft. Und ich blicke weiter in die Kloschüssel, denke so nach, und dann mache ich nichts. Denn das würde ja so lange dauern und ich hab ja auch eigentlich gar nicht die Zeit dafür.

Dass ich während der Nachdenkzeit die Toilette locker hätte reinigen können, findet keinen Platz in meinem Kopf. Viel länger als das Putzen hat nun also das Nachdenken darüber gedauert. Und das erlebe ich nicht selten: In Situationen, wo Andere einfach direkt Schwamm, Feudel etc. in die Hand nehmen würden und drauflos putzen, stehe ich wie angewurzelt da und denke nach. Und das klingt ein bisschen albern, das ist mir bewusst, aber es kann auch echt nervig sein, denn auf einen ganzen Tag, einen Monat und ein Jahr betrachtet, verbringe ich ziemlich viel Zeit mit dem Nachdenken über Dinge, die ich eigentlich tun müsste.

Ich glaube, ich sollte mir ein Schild "Nicht denken, sondern putzen!" in die Wohnung hängen. Hat irgendjemand da draußen so etwas auch schon einmal erlebt?