Mittwoch, 24. Oktober 2018

Wir sind ja so tolerant!



Lieber nicht hinsehen

"Ich habe nichts gegen Schwule. Solange sie sich nicht schwul benehmen."

Okay, das mag jetzt wenig originell sein - aber leider noch genauso aktuell wie vor Jahren. Nehmen wir doch mal Mensch A. A war ein sehr offener Mensch, gab sich zumindest Mühe. Und sicherlich hat A das auch alles ernst gemeint: "Ich habe nichts gegen dicke Menschen, soll jeder mit sich zufrieden sein."

Ich habe viel Zeit mit A verbracht, so dass ich nach einigen Monaten dann mal zu A sagen konnte: "Ist dir eigentlich mal aufgefallen, wie oft du dich über dicke Menschen lustig machst?" - Das hat gesessen, hat A einigermaßen getroffen und für ein Nachdenken gesorgt. A hat das sicherlich nie böse gemeint, die Scherze wirkten eher wie unbedachte Automatismen, und A "konnte sich das ja erlauben, weil A sehr sportlich war".

Von A kam auch der eingangs erwähnte Satz - A habe nichts gegen Schwule, solange sie sich nicht tuckig benehmen. Und ebenso, dass A nichts gegen Lesben habe, solange sie keine butch sind. Und Lesbensex in Filmen ist sowieso noch einmal etwas ganz Anderes. Und ich habe A auch in der Hinsicht klargemacht, dass A eben doch etwas gegen Schwule hat. Das ist wie "Ich habe ja nichts gegen Ausländer, aber..."

Und auch diese Erkenntnis hat gesessen, und wieder war ich überzeugt, dass A es nicht böse meinte. Immerhin ist A auch mit mir als sexuell ungebundenem Menschen klargekommen. Weil ich meistens nur rumtucke, wenn eine gewisse Die Große Buba anwesend ist.

Es hat mich gefreut, wie A mit diesem neuen Bewusstsein umgegangen ist. Dass A mir das alles geglaubt hat, und dass A sich seither Mühe gegeben hat, mehr auf Toleranz zu achten - denn A wollte definitiv tolerant sein, musste nur erstmal verstehen, was das eigentlich bedeutet.

Es gibt unglaublich viele Menschen wie A. Jene, die sich ihrer Intoleranz nicht bewusst sind, und denen es gut tun würde, wenn ein guter Freund sie einmal auf ihr Verhalten hinweisen würde. Aber aus Höflichkeit tun wir das ja oftmals nicht. Im Buddhismus heißt es, ein wahrer Freund sei einer, der Dich herausfordert. Nicht so wie die Antwortmaschinen...

Ich liebe A, und ich bedauere es wirklich, dass ich zur Zeit nicht miterleben darf, wie A sich entwickelt. Aber vielleicht tut es A auch ganz gut, wenn da mal keiner ist, der oft so verletzend ehrlich ist, wie ich es war. Rücksichtslos. Überfordernd.

Nun denn. Und mit diesem Denkimpuls könnt Ihr euch ja einmal selbst fragen, wie tolerant Ihr denn seid. Auch Schülern gegenüber. Also mal ganz ohne "Die B ist eh' zu dumm für diese Schule!" Davon habe ich jetzt genug.

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