Mittwoch, 25. November 2020

Nicht mehr auf der Flucht!


Seitdem ich die Nordseeschule in St.Peter-Ording verlassen habe, bin ich nur noch vor allem weggelaufen, weil an dem Punkt die Sicherheit in meinem Leben verschwunden ist. Ich habe mich in Videospiel- und Filmwelten geflüchtet, jegliche freie Minute, oder in's Bett. Hauptsache wegkommen von dem Thema Schule, mit dem ich von da an nur noch Panik verbunden habe. Unsicherheit. Das Gefühl, falsch zu sein. 

Wenn ich in die Schule gegangen bin, wollte ich nach dem Unterricht so schnell wie möglich wieder weg, keine unnötige Minute dort verbringen. Wenn ich hingefahren bin, war ich auf die Minute genau, bloß nicht zu früh dort ankommen. Ich habe mir angewöhnt, mit gesenktem Kopf durch die Schulen zu laufen, in der Hoffnung, dass mich niemand anspricht. Kontakt mit Kollegen oder Schülern wurde zu einer Probe - mache ich es richtig? Oder wieder falsch und werde bestraft? Ganz so wie früher, Gefühl Dauerprüfstand.

Die Leitfrage jeden Tag war, wie ich am besten den Dienst überstehe. Mit Spaß und Genuss am Lehrerdasein hatte das nicht mehr viel zu tun. Der Unterricht war sozusagen nur ein Hindernis auf dem Weg, wieder zuhause zu sein und weiter vor der eigenen Verantwortung wegzulaufen. Ich habe mir eingeredet, dass ich mich nur in meiner Wohnung wohlfühlen kann. Ich fühle mich hier wohl, klar, aber das "nur"... für einen Aspi unter Stress kann das heißen, dass er sich jedesmal, wenn er seine Wohnung verlässt, in eine Gefahrenzone begibt und eben nicht mehr wohlfühlt. 

Aspis sind gut darin, sich in ihre Kopfkonzepte zu vermauern. Und ganz schlecht darin, sie wieder aufzubrechen. Es hat mehrere Jahre gedauert, um das hier zu realisieren - um mir wirklich bewusst zu werden... dass ich mich eben auch außerhalb meiner Wohnung wohlfühlen darf. Dass ich Dinge vielleicht sogar manchmal richtig mache. Dass ich gern unterrichte. Dass ich eben nicht immer so schnell wie möglich zuhause sein muss. Dass der Aufenthalt in der Schule Spaß macht, weil ich dort Menschen wiedersehe, die mir etwas bedeuten. Dass ich gern unter Menschen bin.

Dieser Schalter wird nur sehr langsam umgelegt, aber der Prozess ist im Gange. Ich finde nach und nach zurück zu einer Sicht vom Leben, die mir in den letzten Jahren abhanden gekommen ist. Ein gutes Zeichen: Auch eine Reise von zehntausend Meilen beginnt immer mit dem ersten Schritt. 

Und ich bin nicht mehr auf der Flucht.

Dienstag, 24. November 2020

Elektrisierte Heimfahrt


Kiel hat seinen ersten Elektrobus. Hybridbusse, die großen weißen, gibt es schon eine Weile länger, aber dieser hier fährt ausschließlich mit Strom und hat auch den dementsprechenden Hinweis Elektrobus #0001 aufgedruckt. Man merkt, dass wir im Probebetrieb sind; der Bus ist größer als die anderen weißen Busse, weil auf dem Dach Stromabnehmer angebracht sind. Dieser Anblick hat bei mir Gedankenzüge abfahren lassen.

Ich denke darüber nach, wie toll es doch sein könnte. Eine quasi autofreie Stadt. Naja, und wenn wir nicht ganz so weit gehen können, dann immerhin... nein. Lass' mich träumen. Es wäre so viel entspannter! Weniger Unfälle, CO²-Neutralität, das Bild von einem richtig gut funktionierenden ÖPNV in Kiel passt, vielleicht mit Stromtrassen, an denen die Elektrobusse oder die Stadtbahn entlang fahren... sehen zwar nicht toll aus, aber geschenkt, es geht nicht um Ästhetik, sondern um Pragmatik, ach, und ganz nebenbei geht es um unsere Welt.

Ich werde die Klimakatastrophe nicht mehr miterleben, könnte mich also wie im Speck fühlen, scheiß auf die Menschen, die nach mir kommen. Aber so langsam werde ich etwas grüner. So langsam bedeutet mir unser Planet dann doch etwas. Ob es das Alter ist? Oder so grandiose - und herzzerreißende - Dokumentationen wie Chasing Coral (2017), bei der ich tatsächlich Tränen in den Augen hatte? Oder weil ich endlich eine Stadtbahn in Kiel haben möchte?

Oder vielleicht reicht eben auch schon der Anblick eines Elektrobusses als Impuls, das eigene Verhalten einmal zu überdenken.

Montag, 23. November 2020

Schule bei McDoof

Käwiehn, raus aus der Pommessauce!

Ich weiß zur Zeit gar nicht, was ich schreiben soll. Trump ist ein alter Hut - sollte man meinen. Selbst die Republikaner schämen sich nach und nach für ihn. Corona-Leugner? CoViDioten? Auch nix Neues mehr. Die AfD, die Störer in den Bundestag schleust? Überrascht das ernsthaft jemanden? Verlängerung des Teil-Lockdowns - war zu erwarten. Nur die Schulen sollen tapfer geöffnet bleiben, Präsenzunterricht ist ja so unglaublich wichtig.

Und darin liegt die crux, denn er ist wichtig. Nicht nur wegen der Stoffvermittlung, die ist fast geschenkt. Es geht um die Betreuung der Kinder, und um die Möglichkeit der Kinder zu einem Miteinander, zu sozialer Interaktion, denn die kann WhatsApp nur ansatzweise ersetzen.

Halbieren wir doch einfach die Lerngruppen, dann können wir die Sicherheitsauflagen besser einhalten. Und dann kommt aus der Politik der Vorschlag, wir sollten mit den Klassen einfach in die ganzen leerstehenden Räumlichkeiten umziehen, zum Beispiel in die Hotels. Warum nicht gleich in die Restaurants und Fast Food-Ketten? Essen gibt es ja sowieso nur noch außer Haus, da können wir einige der Kinder auch gleich in der Fritteuse, pardon, im Ballpool unterbringen, zusammen mit einem bald arbeitslosen Pommesbaby.

Schön, damit wäre dann die Frage der Räumlichkeiten geklärt - und was ist mit dem Personal? Irgendwie höre ich nichts von zusätzlichen Lehrkräften bisher, vielleicht bin ich aber auch immer noch taub. Mir soll niemand erzählen, es gäbe da draußen keine verfügbaren Lehrkräfte, die auf eine Anstellung warten. Stattdessen werden lieber die Förderstunden für I-Kinder streng weiter reguliert, und auch die Schulbegleitungen werden nur für jede tatsächlich stattgefundene Schulstunde bezahlt, egal, ob man in der Schule war und sich um das Kind gekümmert hat oder nicht.

Ich komme immer noch nicht klar mit dieser Möglichkeit, dass ja jeden Tag etwas Neues in Sachen Corona und Schulalltag kommen könnte. Irgendwie lebe ich gerade sehr von Tag zu Tag, kann noch nichtmal an den nächsten Besuch der Pomsa Träsch-Trüllera denken, im Kühlschrank ist nach wie vor nix zu essen und meine Fingernägel brechen mal wieder.

In diesem Sinne: Kommt gut in die neue Woche!

Mittwoch, 18. November 2020

Bleibt alles anders


Als ich nach Kiel gezogen bin, gab es die Buslinie 12. Genau wie die Linie 11 startete sie in Dietrichsdorf, fuhr dann aber nicht in die Wik hoch, sondern nach Suchsdorf zum Rungholtplatz. Die Linie 12 ist während meines Studiums eingestampft worden, und keiner vermisst sie; stattdessen fährt jetzt die 22 zum Rungholtplatz und die Taktung der 11 wurde erhöht.

Ab dem nächsten Jahr Zwanzig Einundzwanzig wird es aber wieder eine Buslinie 12 geben - und nicht nur die; 13, 14, 15 kommen hinzu, und noch viele weitere, und überhaupt werden sich die Kieler Busverhältnisse im kommenden Jahr sehr deutlich verändern. Grund dafür ist, dass das Kieler Liniennetz jetzt in Stadtverkehr und Regionalverkehr aufgeteilt werden soll. Der Stadtverkehr wird künftig von der KVG bedient, der Regionalverkehr wird von der Autokraft übernommen. Im Zuge werden die Linien 100 und 500 gestrichen. Hier ein paar der wichtigsten Änderungen:

Linie 12 von Strande nach Schulensee (via Eiche)

Linie 13 von Strande nach Schulensee (via Brauner Berg)

Linie 14 von Mettenhof nach Laboe

Linie 15 von Mettehof nach Heikendorf

Linie 45 vom Hauptbahnhof nach Rönne

Linie 740 von Kiel über Altenholz nach Surendorf

Linie 780 von Kiel nach Nortorf (via Flintbek)

Linie 790 von Kiel nach Flintbek

Dazu wird die Taktung einiger Linien weiter erhöht. Kombiniert mit der Erhöhung des Nachtbusverkehrs seit diesem Sommer muss man sagen, dass Kiel sich wieder einmal einen Schritt Richtung Verbesserung des ÖPNV voranbewegt hat. Wir sind zwar noch nicht ganz bei der Stadtbahn angekommen, aber das wird nur eine Frage der Zeit sein, und bis dahin gibt es bald noch mehr Alternativen zum Auto.

Findet so ein Liniennetznerd wie ich natürlich toll! Ich hoffe nur, dass die Kosten für die Monatskarte dadurch nicht irgendwie explodieren. Und ich könnte mir vorstellen, dass mir der Name Fünfhunderteins fehlen wird.

Hier kann man sich das zukünftige Liniennetz ansehen.

Samstag, 14. November 2020

Kindesmissbrauch


Es fällt mir ein bisschen schwer, diesen Artikel zu schreiben, und er wandert schon seit Monaten in meinem Kopf herum - eigentlich schon seit Jahren, seit dem Zeitpunkt, zu dem ich ein Missbrauchsopfer in der Schule unterrichtet habe. Wir stellen uns X vor: Ein Kind in der Orientierungsstufe, in einer ziemlich lebhaften Klasse, man könnte sie auch als herausfordernd oder chaotisch beschreiben. X lässt sich von dem Irrsinn der Mitschüler nicht anstecken, versucht, möglichst cool zu wirken. Egal, was die Anderen machen, das ist eh' alles scheiße. Nichts gefällt X, alles prallt an X ab.

Es ist eine typische I-Lerngruppe, siebzehn Schüler, alles dabei. X hat den Förderstatus Emotionale und Soziale Entwicklung, der in Kiel nicht mehr vergeben wird. X wirkt völlig emotionslos, wobei, eher dauerwütend. Irgendwann fällt mir auf, dass X in einer lustigen Situation kichern muss, aber versucht es krampfhaft zu unterdrücken. Ich strahle X an, versuche zum Lachen zu ermutigen. Ich erfahre erst einige Wochen später, dass das eine für X höchst ungewöhnliche Reaktion war.

Erst dann erfahre ich, dass X von den leiblichen Eltern sexuell missbraucht wurde, dann zu Pflegeeltern gekommen ist und von diesen ebenfalls sexuell missbraucht wurde. In dem Moment vergeht mir der Spaß und mein Gesicht fühlt sich an, als hätte ich eine saure Zitrone ausgelutscht, und mein Körper wird in den Boden gezogen. An dem Tag komme ich nach Hause und fange erstmal an zu weinen - das war mein erster "Live"-Kontakt mit Kindesmissbrauch.

Diese Geschichte ist hier im Blog schon einmal irgendwo gelandet. Diesmal ist sie mir wichtig, weil ich einen Film gesehen habe, der dieses grausige Thema verblüffend gut zugänglich darstellt. Mysterious Skin (2004) von Gregg Araki zeigt die Geschichte zweier Achtjähriger, die von ihrem Trainer sexuell missbraucht werden. Hauptsächlich wendet er sich aber ihren ausgehenden Teenagerjahren zu, um zu zeigen, was dieses Erlebnis mit ihnen angestellt hat: Der Eine hat angefangen, sich zu prostituieren, der Andere ist weggezogen und versucht verzweifelt, die fünf Stunden verlorene Zeit seines Lebens rekonstruieren; er landet bei der Theorie, dass er von Außerirdischen entführt sein muss, die seltsame Experimente mit ihm angestellt haben.

Dieser kindliche Abwehrmechanismus mag eine schützende Funktion haben - das Erlebnis wird nicht aus dem Gedächtnis radiert, aber in einer ganz dunklen Ecke vergraben; viele Missbrauchsopfer berichten von "Zeit, die verloren gegangen ist" - eine Weile, an die sie sich absolut nicht mehr erinnern können. Oft kommt es aber vor, dass in späteren Jahren die Neugier kommt, zusammen mit dem Wunsch, diese unbeantworteten Fragen endlich aufzuklären, und dann ist Aufarbeitung nötig.

In verschiedenen Medien wird das Thema aufgearbeitet, jeweils mit unterschiedlichen Genres: In der Episode Touch der Serie The Haunting of Hill House (2018) mit einer gothic horror-Note, in der Serie Mr Robot (2015-2019) als Hacker-Thriller und in Arakis Film als gay movie. In den beiden Serien wird das Erlebnis auf sehr dramatische und ein wenig sensationslüsterne Weise dargestellt - Mysterious Skin dagegen ist eine Dramedy, die wunderbar leicht zugänglich ist, witzig, verschmitzt - die letzte Szene, in der die Ereignisse der Vergangenheit enthüllt werden, ist allerdings extrem verstörend und wirkt intensiv nach.

Ich habe bei'm ersten Ansehen eine Weile gebraucht, um zu verarbeiten, was mir da gerade präsentiert wurde, und auch erst dann ist mir bewusst geworden, warum der Film in Deutschland ab achtzehn Jahren empfohlen wird. Er ist sehr explizit, ohne dabei jemals einen sexuellen Akt zu zeigen, ohne Kinderpornographie vor die Kamera zu bringen. In Sexszenen werden ungewöhnliche Blickwinkel gewählt, ähnlich wie Kinder sich, wenn sie missbraucht werden, einen bestimmten Fixpunkt weg vom Gesicht ihres Angreifers suchen und darauf konzentrieren.

Gleichzeitig zeigt Araki die manchmal verstörende Faszination und Neugier, mit der ein Kind, das sich des Verbrechens noch nicht bewusst ist, auf den Akt zugeht - als Spiel, als Herausforderung - der Täter suggeriert ihm, dass es Spaß macht, und das Kind ist völlig überfordert und nimmt die Aussage des Menschen, dem es vertraut, einfach hin.

Für mich als Lehrer ist dieser Film unglaublich wichtig geworden. Ich werde ihn definitiv niemals im Unterricht einsetzen (das könnte bei betroffenen Schülern Traumata hervorbringen und andere grundsätzlich verstören), aber er hat meinen Horizont erweitert und mir wieder bewusst gemacht, dass wir diese Kinder vielleicht in unseren Lerngruppen vor uns haben. "Nein, bei uns kommt das nicht vor", diesen Satz hört man leider an manchen Schulen, dabei bin ich überzeugt davon, dass es das in allen Familien geben kann, egal von welcher sozialer Herkunft, unabhängig vom Bildungsniveau. Es ist leider immer aktuell. Und ich werde den Film auch an Kollegen weiterempfehlen, so wie ich es hier und jetzt an Euch als Leser empfehle.

Und es erinnert uns als Lehrer daran, nicht wegzuschauen und es totzuschweigen, wenn ein Kind ein in egal welcher Weise auffälliges Verhalten zeigt. Wir müssen darauf zugehen, auch wenn es unangenehm ist. Niemand hat gesagt, dass Lehrer ein leichter Beruf sei.


post scriptum: Ich merke, dass ich zu ernsteren Filmen und Serien wesentlich besseren Zugang habe als zu Sachen, die auf Unterhaltung und lustig getrimmt sind. Diesen Gegensatz bemerke ich bei zwei Netflix-Serien, die oft in denselben Rezensionen auftauchen, weil es deutliche Schnittmengen gibt: Die deutsche Serie "Dark" und die amerikanische Serie "Stranger Things", beide im Science Fiction-Genre aufgehoben. Stranger Things ist typisch amerikanisch geworden, bunt, laut, nicht anspruchsvoll und zielt mehr auf Kinder und Jugendliche ab, und ich habe in der dritten Staffel ernsthafte Probleme, durchzuhalten, während "Dark" mich von Anfang an gefesselt hat. Ist keine Wertung, nur die Feststellung, dass ich eher ernsthaftes Material brauche.

Mittwoch, 11. November 2020

Victor


Dies sind wahrlich bewegende Tage. Nein, richtiger müsste es heißen: bewegte Tage. Sie sind bewegt, voller Action, da ist Einiges los. Sie wirken auf mich definitiv nicht bewegend, eher im Gegenteil, sie lähmen mich, weil es mal wieder alles zuviel ist. Da passiert so viel, was irgendeine Bedeutung für mich hat, dass ich viel mehr Zeit mit Meditation verbringen sollte, um nicht geistig zu implodieren.

Da hätten wir zum Beispiel die Amerikaner, die einen neuen Präsidenten gewählt haben, und wie zu erwarten spielt der amtierende Präsident die beleidigte Leberwurst, will seinen Posten nicht räumen. Dem Anderen zum Sieg gratulieren schon mal gar nicht, und am liebsten in seinen verbleibenden zwei Monaten noch möglichst viel Porzellan zerschlagen. Es wäre so armselig, so mitleiderregend, wenn es nicht gleichzeitig so gefährlich wäre, und ich muss zugeben, momentan bin ich froh, kein Amerikaner zu sein

Dann sind da die Mails, und wenn ich einen Abend mal vergessen habe, sie durchzusehen, sind es am nächsten Tag dann so viele, dass ich Angst bekomme und gar nicht erst mit dem Lesen anfange. Der eingebildete Behinderte: Ich habe Angst, dass mich eine Mail so sehr aus der Bahn werfen könnte, dass mein Tagesplan nicht so ablaufen kann, wie ich ihn mir zurechtgelegt habe. Ist alles schon reichlich vorgekommen.

Außerdem realisiere ich zur Zeit, dass das Busfahren wirklich gut klappt, und das Nachdenken, ob ich überhaupt noch ein Auto brauche, verwirrt mich, weil ich immer gedacht habe, es sei absolut notwendig. Allerdings bin ich doch froh, wenn ich das Auto wiederhabe, denn die Unsicherheit, ob mein Bus morgens rechtzeitig kommt, ob ich das Umsteigen schaffe oder ob der Bus vielleicht ausfallen könnte, das erschwert mir den Morgen einigermaßen.

Und da war ja auch noch die Sache mit dem Ohrenarzt, dem ich ein H zuviel in seinen Namen gegeben habe (es muss Oto... heißen, nicht Otho...). Ich kann wieder hören, wunderbar, aber das Ohr hat sich entzündet und tut mitunter ziemlich weh. Abgeklärt, immerhin keine Mittelohrentzündung, Salbe, Nasenspray und Zwiebeln helfen. Was man nicht alles lernt. Aber das hat die Aufmerksamkeit dann schon wieder auf das Ohr gezogen, und nicht auf die Schule, und das ist problematisch.

Unter all' den Mails, die da eintrudeln, ist dann plötzlich eine von der horizonterweiternden Art dabei, von einem ehemaligen Schüler. Wirft mich nicht aus der Bahn, lenkt meinen Gedankenfokus aber komplett um, weil der Inhalt so faszinierend ist - ich hoffe, dass aus der Story vielleicht mal ein Gastbeitrag für diesen Blog wird.

Dazu natürlich der ganz normale Schulwahnsinn, und ich bin heilfroh, dass die Kiddies Uhren stellen, um an's regelmäßige Durchlüften zu denken, denn ich bekomme das natürlich wieder überhaupt nicht mit, weil ich so sehr in die Unterrichtssituation vertieft bin. Ich bin sehr froh, dass morgen Donnerstag ist, mein letzter Schultag in der Woche, und ich werde dieses Wochenende definitiv für Schularbeiten nutzen müssen.

Was mir übrigens wieder vor Augen führt, dass ich sehr froh bin, zwei sogenannte Langfächer zu unterrichten. Englisch und Latein werden je nach Schule und Jahrgang mit drei bis sechs bzw. fünf Stunden in der Woche unterrichtet. Das bedeutet, dass ich weniger Lerngruppen benötige, um auf meine Stundenzahl zu kommen, und das macht viel aus: Ich vertiefe mich so sehr in den Charakter einer Klasse, dass ich mit momentan vier Lerngruppen ausgelastet bin. Wenn ich da an den ehemaligen Kollegen denke, Musiklehrer, mit dreizehn Lerngruppen... das würde ich niemals schaffen.

Und warum dieser Beitrag? Vielleicht einfach als eine Art Ventil. Und warum überhaupt Victor? Das weiß da draußen nur eine einzige Person - eine Person, die den Zusammenhang zwischen Titel und Inhalt des Artikels erkennen kann. Oder auch nicht.

Haltet die Ohren steif, die Woche ist halb um, das Wochenende naht, und ich hoffe, dass Ihr nicht auf der gingiva geht!

Freitag, 6. November 2020

Zurück vom Othorhinolaryngologos - typisch Aspi


Was für ein Erlebnis ist es, hören zu können! Was für ein Genuss! Wir realisieren das nicht, denn wir nehmen unser Hörvermögen als selbstverständlich hin. Vollkommen normal - bis es eines Tages plötzlich verschwindet. Teilweise. Ich hatte das schon ein paar Mal, und ich weiß noch, wie ich bei'm ersten Mal vollkommen erschüttert war: Eines Morgens bin ich aufgewacht und konnte auf der linken Seite nichts mehr hören. Dazu ein dumpfes Gefühl im Kopf, wie der Druck, wenn man im Zug durch einen Tunnel fährt. Der Unterschied liegt darin, dass man bei der Tunnelfahrt durch Schlucken oder Nasezuhalten einen Druckausgleich erzeugen kann, es ploppt, alles wieder normal.

Damals aber nicht. Ich weiß noch genau, wie ich immer wieder versucht habe, mir die Nase zuzuhalten und den Druck wegzubekommen, aber es hat nicht geklappt. Da ist eine gewisse Panik aufgekommen - was ist los, warum geht das Gefühl nicht weg, mit dem Finger am Ohr herumzufummeln bringt nichts, und damals dachte ich noch, Wattestäbchen wären eine gute Idee (SIND SIE NICHT!), um zu schauen, ob da irgendwas im Ohr nicht in Ordnung ist. Diese Panik... die Angst, nie wieder richtig hören zu können, von jetzt an immer diesen "halben" Kopf zu haben (ich weiß nicht, wie ich das Gefühl anders beschreiben kann) war grausig, ich war kurz vor den Tränen. 


Heute ist es viele Jahre später und ich weiß, dass das nichts Schlimmes ist, das Ohr ist verstopft, passiert hin und wieder, kein Problem, man geht zum Hals-Nasen-Ohrenarzt und lässt sich das einfach wieder freispülen. Dank Corona und der Ansage der ersten Praxis, ich müsse drei Wochen auf einen Termin warten, war ich in dieser Woche völlig fertig, und Frau Schwarzbohrer da draußen, die Schulbegleitung für einen Aspi ist, weiß, was "völlig fertig" für einen Aspi bedeutet.

Ich bin sehr glücklich über den Tipp einer Kollegin und die HNO-Praxis Dr. Thomas Harder in Mettenhof, ein Anruf heute morgen, in den Bus gesprungen, zwei Stunden später war ich wieder sauber und normal zuhause. Mit normalem Hörvermögen, und was für ein wunderbares Gefühl das ist! Nach vier halbtauben Tagen macht das wirklich einen großen Unterschied, ich hatte mich schon fast an das dumpfe Gefühl gewöhnt. 

Den Arzttipp hatte ich am Montag bekommen - oder war es Dienstag? Jedenfalls stellt sich dem Leser vielleicht die Frage, warum ich nicht direkt an dem Tag bei der Praxis angerufen habe und hingefahren bin - wäre schließlich möglich gewesen. Aber jetzt kommt das Aspi-Gehirn und ist mit der Arbeit in der Schule für einen Tag völlig überfordert. Ich habe jeden Tag den Nachmittag damit verbracht, zu sortieren, was in der Schule passiert ist, und habe nicht mehr den Nerv für den Arzt gehabt.

Muss man sich mal vorstellen. Nimmt mehrere Tage erhebliche Einschränkung in Kauf, nur weil er "überfordert" ist. Wird einsortiert in die "Du bist Aspi? Zeig doch mal!"-Fallstudien, direkt neben "Ich bin dieses Jahr wegen Corona kein einziges Mal in den Hansa-Park gefahren".

Dienstag, 3. November 2020

Wie bitte?


"I'm sorry, but could you please repeat your answer?"

Das war mein häufigster Satz gestern in der Schule, denn ich bin momentan schwerhörig. Musste irgendwie so kommen, denn mein Fuß hat sich recht zügig von dem Sturz erholt (Bänder werden elastischer?); das Gehen geht wieder? Geht ja gar nicht! Also hat mein rechtes Ohr dichtgemacht.

Diejenigen unter Euch, die schon einmal ein verstopftes Ohr hatten, kennen das. Die Anderen kennen es vielleicht, wenn nach einem Besuch im Schwimmbad noch Wasser im Ohr ist: Man hört auf der Seite kaum noch etwas, stattdessen ist ein dumpfes Dröhnen dabei und unangenehmer Druck auf dem Ohr. Man hält dann den Kopf seitlich, hüpft auf und ab und das Thema ist erledigt - aber nicht, wenn das Ohr richtig verstopft ist. Dann sollte man bei'm Arzt vorbeischauen oder zumindest jemanden finden, der einem bei der Behandlung hilft. 

Wirklich schlimm ist so etwas nicht, solange es sich nicht entzündet. Es ist nur unangenehm und, gerade als Lehrer, unpraktisch: Ich verstehe die Sachen nur noch zur Hälfte, dazu kommt der Mundschutz, der jetzt auch den ganzen November über im Klassenraum jede Wortbeteiligung auf die Hälfte der Lautstärke reduziert. Mir war das so unangenehm, dass ich ab der zweiten Stunde immer direkt zu den Schülern hingegangen bin, die sich melden.

Also, Telefonat, HNO-Praxis finden. Erste Nummer.

"Ja, schönen guten Tag, mein Name ist DrH. Mein rechtes Ohr ist seit ein paar Tagen dicht und ich kann zur Zeit nur sehr schlecht damit hören. Kann ich das bei ihnen reinigen lassen?"

"Ja, das ist kein Problem, es geht eben nur wegen der Corona-Lage nicht sofort."

"Damit habe ich auch schon gerechnet; wann ginge es denn?"

"Also, ich hätte einen Termin für sie am Freitag..."

Freude, Freitag, das wären ja nur ein paar Tage!

"...den zwanzigsten November."

Ja, damit hatte sich das erledigt, denn zweieinhalb Wochen Schule mit diesen Umständen sind mir zu hart. Also fröhliches Weitertelefonieren, egal, welche Bewertung die Ärzte online haben, ich möchte nur mein Ohr freibekommen, das dauert nur zehn Minuten, vielleicht fünfzehn. Aber - alles ausgebucht. Wenn da nicht die Empfehlung einer Kollegin wäre, die mir einen Arzt in Mettenhof a.k.a. Bettendorf (für die große Buba) genannt hat. Wenn die Infos auf deren Homepage noch aktuell sind, rufe ich morgen nach der Schule einmal in der Praxis an und kann vielleicht direkit vorbeischauen. Hoffentlich, denn ich brauche mein Ohr zurück.

post scriptum: Ich bin so gespannt auf die kommende Nacht. Auch wenn wir vielleicht noch etwas bis zum endgültigen Ergebnis werden warten müssen: Die USA wählen ihren neuen Präsidenten. Hoffentlich den Neuen. Denn diesen Trumpel noch weitere vier Jahre ertragen zu müssen, facht die nicht gänzlich unrealistische Angst vor einem Bürgerkrieg in Amerika weiter an. Let's hope for the best! Oder wie Kimberley Guilfoyle in ihrer ... lauten Rede sagte: THE BAAAAAAAAAAHST IST YÄÄÄÄÄÄÄÄT TU CUMMMMMMMMMMMMMMMMMMM!!!