Mittwoch, 8. Februar 2017

#sorrynotsorry


Gestern hat eine Kollegin bei Facebook ein Video über das Schubladendenken geteilt, das ich sehr schön fand. In diesem Video treten Menschengruppen in die für sie vorgesehenen boxes: brave Männer, böse Männer, Bänker, Hausfrauen, Gangster, Aggroteens und so weiter. Dann taucht ein Moderator auf und stellt Fragen - wer zum Beispiel in seinem Leben schon einmal gelogen hat. Ganz alltägliche Fragen, so alltäglich, dass bei jeder Frage aus jeder Box mindestens ein Mensch hervortritt. Und damit wird uns gezeigt, dass wir so viele Gemeinsamkeiten haben, dass diese Boxen, diese Schubladen eigentlich keine Daseinsberechtigung mehr haben sollten.

Leider sind wir nun mal Menschen. Und leider haben wir Angst vor dem, was uns fremd ist, wir fühlen uns unsicher, wir drängen es von uns, damit wir nicht unser sicheres, kleines Weltbild überarbeiten müssen (nicht wahr, eine gewisse Dame...?), wir BILDen uns unsere Meinung durch das, was wir aus zweiter, dritter und noch GrafZahliger Hand hören. Wie sagte Herr Kries immer? "Selber denken macht fett!"

Und so sind die Reaktionen, die ich im Kollegium bekomme, für mich längst nicht neu. Hinter meinem Rücken lästern sie über mich, sie sprechen abfällig über mein Auftreten, leiten daraus Schlussfolgerungen über meinen Unterricht ab, fühlen sich durch meine Anwesenheit bedroht, mich darf man ja nicht auf die Kinder loslassen, der trägt schwarz, der quält bestimmt kleine Katzen, nein, ich will gar nicht erst mit dem reden, reicht schon, wenn ich ihn sehen muss, solche Typen habe ich schon hundertmal kennengelernt, der hält sich echt für so geil, der sollte sich mal lieber einen Beruf suchen, der zu ihm passt. Das war in Husum so, an der Theodor-Storm-Schule, und das ist auch in Neumünster so und betrifft jeweils etwa ein Drittel des Kollegiums.

Mir liegt hier SEHR am Herzen, das Kollegium der Nordseeschule in St.Peter-Ording zu nennen, beide Schulteile: freundlich, aufgeschlossen, nett, offen, humorvoll, und ich meine das wirklich ernst. Das ist ein ganz besonderes Kollegium und ich habe sehr gern dort gearbeitet. Ob die ahnen, wie gut sie es da haben? Kehren wir zurück in die "normalen" Stadtkollegien.

"Na und", sagt mir dann ein Kollege, "was erwartest du denn? Du provozierst das doch! Da brauchst du dich nicht zu wundern, wenn die Anderen misstrauisch werden, die sind halt nicht so aufgeschlossen." So könnte das auch meine Mutter gesagt haben. Sie sagt auch, ich sollte mich ein wenig anpassen, wenn es um etwas Wichtiges geht. Zu einem Vorstellungsgespräch zum Beispiel sollte ich vielleicht nicht mit lackierten Fingernägeln gehen, und keine gruseligen T-Shirts tragen, ich verbaue mir damit ganz realistisch Jobchancen.

Es klingt wie ein Vorwurf. Zumindest, weil ich hochbegabt und egozentrisch bin, verstehe ich es als einen Vorwurf, und ich antworte.

"Sorry, not sorry."

Es tut mir leid, aber ich werde mich hier nicht entschuldigen. Nicht für deren Engstirnigkeit, nicht für deren Borniertheit, nicht für deren Schubladendenken, nicht für deren Verschlossenheit. Klar, ich muss das alles ertragen, und das tue ich auch - es ist mir meistens vollkommen schnurz. Aber ich entschuldige mich nicht dafür, wie ich bin: Nett, einfühlsam (ja, gibt Menschen, die das denken), ich höre gut zu, verständnisvoll - aber all das erkennt man nur, wenn man mal hinter die Kulissen schaut. Und das ist zu anstrengend, das macht fett.

Ich entschuldige mich für niemandes geistige Armut.

post scriptum: Das mit den Jobchancen ist ernst gemeint. Es ist schon öfters vorgekommen, dass ich wegen meines Erscheinungsbildes eine Absage bekommen habe. Aber ich bleibe mir treu, denn: Ich möchte an einer Schule arbeiten, wo man mich genau so akzeptiert, wie ich bin. Was habe ich davon, wenn ich nur der Stelle wegen ganz normal auftrete und danach nicht mehr ganz ich selbst sein darf. Dann lieber direkt. Keine Kompromisse.

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