Seit Sonntag dürfen Frauen in Saudi-Arabien ein Auto fahren. Ist es rückständig, wenn Frauen das Fahrverbot einhalten müssen? Ich denke schon. Und, wenngleich es ein großer Schritt vorwärts ist für die dortigen Frauenrechte, so muss es weitergehen, wie in den Nachrichten vermerkt wurde; zum Beispiel muss die männliche Vormundschaft für Frauen abgeschafft werden.
"Ja, also wirklich, die Menschenrechte müssen eingehalten werden" hört man es dann öfters tönen - also seien nur die Saudis "schlecht". Ich mag diesen Begriff nicht, weil ich versuche, mich an der Humanistischen Pädagogik zu orientieren, und die sieht zuallererst, dass jeder Mensch an sich gut ist. Manchmal mögen uns die Verhaltensweisen der Anderen missfallen, doch hat jedes Verhalten seine Gründe und ich denke nicht, dass es "das Böse" gibt. Nur ein Potential des Menschen, "Böses" zu tun (das Leitthema der TV-Serie Twin Peaks).
Und leider zeigen mir die Nachrichten Tag für Tag, was die Menschen Negatives zu tun imstande sind, und um eine solche Situation geht es mir heute. Wenn ich mit Schülern spreche, sind es ihrer Meinung nach immer ganz schlimme Menschen, die Schlimmes tun. Zum Glück sind es nur die Anderen, man selbst natürlich nicht. Okay, hin und wieder ist man frech, man macht die Hausaufgaben nicht, man stört im Unterricht, aber was richtig Schlimmes würde man nie tun. Okay, ja, man hat vielleicht mal einen Mitschüler gemobbt, geschubst, in's Wasser geworfen, mit Müll beworfen, aber das ist ja alles nur Spaß. Ja okay, der Mitschüler hat dann Selbstmord begangen, oder hat einen Amoklauf gemacht, aber der war ja sowieso ein Spasti, der war nie richtig im Kopf, total behindert, der Typ.
Dass auch in ihnen selbst das Potential zu Negativem ruht, merken viele zu diesem Zeitpunkt noch nicht, und viele merken es ihr Leben lang nicht. Wir sind Menschen, und deswegen sollte uns nichts Menschliches fremd sein, wie Terenz einst geschrieben hat. Wir alle können Schlechtes tun, und oft geschieht das mit den ursprünglich besten Absichten.
So bin ich mir sicher, dass auch Donald Trump eigentlich nur das Richtige machen wollte - und dennoch gelangen immer wieder Skandale aus seinem Stab in die News, aus dem Weißen Haus - oder von ihm selbst, schnell und praktisch via Twitter. Dass dabei die Grenze guten Geschmacks oft überschritten wird, wissen wir. Doch vielleicht ist gerade das der Grund, weshalb ihn knapp die Hälfte der amerikanischen Bevölkerung zum Präsidenten gewählt hat.
Eine der Skandalnudeln in Trumps Mitarbeiterriege ist Corey Lewandowski, und ich möchte mich nur auf eine winzige Aussage von ihm beziehen. Eines der aktuellen Probleme der USA liegt in der Trennung von Familien, die in die USA zu fliehen versuchen. Kinder werden von Müttern isoliert, Ihr kennt die ganze Story. In einem Interview wird Lewandowski mit diesem Umstand konfrontiert, es geht um ein kleines Mädchen mit special needs, das ohne seine Mutter klarkommen muss. Ohne den Interviewer ausreden zu lassen, wirft Lewandowski ein "Womp womp!" ein.
Das entspricht so etwa dem Sound, der mit dem Spielshow-Zonk verbunden ist. "Reingefallen!" oder "Pech gehabt!" oder "Mehr Glück beim nächsten Mal!" - was in dieser Situation einfach schrecklich ist, das lässt sich nicht wegdiskutieren. "How dare you!" antwortet der Interviewer entrüstet, und vollkommen zu Recht. Wie kann man nur so wenig Respekt vor einem menschlichen Leben haben, es widert mich an. Und trotzdem muss ich mir bewusst sein, dass ich auch Dinge tue, die aus diversen Blickwinkeln negativ erscheinen.
Um zum Start zurückzukehren: Aus irgendeinem dieser Blickwinkel mag es richtig gewesen sein, Frauen kein Auto fahren zu lassen. Aus allen anderen Winkeln nicht. Frauen verursachen mehr Unfälle? Whatever - Männer sind diejenigen, die drängeln, rechts überholen und vieles mehr.
Wir sollten alle von unseren Voreingenommenheiten ablassen, damit wir nicht aus Versehen auch unser Potential zu Schlechtem ausreizen. Manchmal bekommen wir es nicht mit, dass das, was wir gerade getan haben, negativ gewirkt haben kann. Vielleicht wäre es gut, besonnener zu handeln. Mir würde es jedenfalls gut tun, wenn ich manchmal etwas mehr nachdächte, bevor ich handele.
post scriptum.: Hier das Interview:
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