Donnerstag, 30. März 2023

Spaß mit der Deutschen Post - ...

Kann dieser Haken lügen?

 ...nicht, wollte ich eigentlich erst noch hinschreiben, aber das wäre Platzverschwendung, denn das lässt sich ja erahnen. Machen wir es kurz - das ist für einen Aspi wahrscheinlich wie für jeden Neurotypen auch eine Situation kurz vor'm Kochen.

DHL hat ja die tolle Sendungsverfolgung. Laut der ist heute ein Paket erfolgreich zugestellt worden, an "Briefkasten". Ich habe aber nichts, weder vor, noch im, noch hinter'm Briefkasten in meiner Wohnung. Also rufe ich bei der Hotline an, warte elf Minuten und achtzehn Sekunden und sage dann:

"blablabla, also, laut Sendungsverfolgung ist mir heute ein Paket an den Briefkasten zugestellt worden, aber ich habe nichts bekommen, auch meine Nachbarn nicht und es wurde auch nichts in die Filiale eingeliefert. Können sie mir vielleicht sagen, wo mein Paket ist?"

"Einen Moment bitte... ... ... ah ja, geben sie mir bitte noch ihren Namen und Adresse."

"blabla"

"Ja, stimmt. Also, hier steht, dass ihr Paket ihnen am Briefkasten zugestellt wurde."

...

Und ich möchte schreien und in die Auslegeware beißen, denn genau das habe ich diesem Menschen doch gerade erzählt?! Entweder hält er mich für dumm, oder er ist einfach selbst dumm. Jedenfalls wird es morgen Zeit, per Absender einen Nachverfolgungsantrag zu stellen. Ich frage mich ernsthaft, ob diese schwachsinnige Hotline schon einmal irgend jemandem ernsthaft geholfen hat. Mir von "Nachnahme an Packstation geliefert" bis "Dieses Paket existiert nicht" jedenfalls noch nie.

Jetzt erstmal runterfahren und weiter korrigieren...

Montag, 27. März 2023

"Herr Homann?"



Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie meine Mutter früher erzählt hat, wenn sie ehemalige SchülerInnen getroffen hat, in der Stadt, bei'm Einkauf, wo auch immer. Sie hat mir davon erzählt und war immer ganz glücklich über diese Wiedersehen. Mittlerweile kann ich dieses Gefühl nachvollziehen.

Ich sitze in der Fünfzehn auf dem Weg von der Schule nach Hause. Wie üblich bearbeite ich Logikrätsel, die perfekte Busbeschäftigung. Ich nehme um mich herum kaum etwas wahr, achte nur auf die Haltestellenansage "Karlstal", aber dann setzt sich jemand vor mich und ich höre ein "Herr Homann?"

Ich schaue auf, und erkenne den Kopf wieder, mit den pinken Haaren, Piercings, Nasenring, unsmiling, aber mittlerweile habe ich sieben Schulen durch und muss zugeben: "Ah, hilf' mir mal auf die Sprünge!" "BBZ Plön, X, BFS III" - und damit ist alles klar. Genau, X hatte ich in der Berufsfachschule III unterrichtet (der Bildungsgang führt zur Fachhochschulreife), und ich liebte ihre no bs-Attitüde. Nicht mehr als nötig reden, sehr clever, alternativ nicht nur im Outfit.

Und so reden wir darüber, was wir jetzt machen, denn unsere gemeinsame Unterrichtszeit dürfte jetzt fünf Jahre her sein. Sie erzählt mir, dass sie das Fachabitur angegangen hat, aber wegen einer Person abgebrochen hat, mit der ich ebenfalls erhebliche Probleme hatte. Ich komme nicht mit Autorität klar, wenn die Autorität dumm ist. Jedenfalls ist X jetzt in die Sozialarbeit gegangen, und das läuft wunderbar, und da war das Mama-Gefühl: Glücklich, und auch ein kleines bisschen stolz zu sehen, dass dieser Mensch seinen Weg in's Leben gefunden hat. Das hat dem Tag ein wenig dringend benötigtes Lächeln gegeben, und es war echt schade, dass ich drei Haltestellen weiter bereits wieder aussteigen musste.

Solche Begegnungen wirken nach. Kennt Ihr das?

Samstag, 25. März 2023

Jogginghosen in der Schule


In den Nachrichten komme ich derzeit nicht an einer Schule vorbei, die für ihre SchülerInnen ein Jogginghosenverbot in der Schule ausgesprochen hat. Sollte jemand mit dieser Kleidung in die Schule kommen, wird er nach Hause geschickt, um sich umzuziehen. Darüber haben sich Eltern beschwert, denn letztlich verpassen jene SchülerInnen dadurch Unterrichtsstoff. Die Schule aber will an ihrem Verbot festhalten und nun hat auch die Deutsche Knigge-Gesellschaft sich zu dem Thema geäußert - Jogginghosen seien Funktionskleidung, die SportlerInnen während ihrer Arbeitszeit oder eben in der Freizeit zum Entspannen trügen. Schulzeit wiederum sei Arbeitszeit und verlange entsprechende "Arbeitskleidung". 

Wie geht es Euch? An meiner Schule kommen viele SchülerInnen mit Jogginghosen in die Schule - Jungen und Mädchen, und für gewöhnlich mehrere in jeder Klasse. Ich habe ein paar Schüler, die ich noch nie in etwas Anderem als ihren Jogginghosen gesehen habe. Mir macht das überhaupt nichts aus, weil das in meiner Wahrnehmung für den schulischen Erfolg der Lernenden völlig irrelevant ist. Ich sehe da keine Acht-Euro-Aldi-Jogginghose sitzen, sondern einen Menschen, der in meinem Unterricht gut mitmacht (oder eben nicht).

Es gibt unterschiedliche Argumente gegen die Jogginghosen. Ohne sie irgendwie zu werten: "Das sieht gammelig aus und gehört nicht in die Schule." - "Am besten auch noch die Füße auf das Pult legen!" - "Ich will bei den Jungs nicht sehen, was da zwischen ihren Beinen ist, wenn sie vor mir stehen." - "Man könnte doch so viele schönere Sachen tragen." - "Es geht in der Schule nicht um Bequemlichkeit und Komfort." - "Die SchülerInnen müssen lernen, dass es in der Realität, in der Arbeitswelt so etwas wie eine Kleiderordnung gibt, die sie ihren Job kosten kann."

Letzteren Punkt kann ich aus eigenem Erleben bestätigen. Und trotzdem: Mir machen die JogginghosenschülerInnen nichts aus; viel wichtiger ist mir ihr Verhalten im Unterricht.

Und Ihr? Wenn Ihr noch weitere Argumente gegen Jogginghosen in der Schule habt, immer her damit, das interessiert mich. Oder geht es Euch wie mir und Ihr seht das als irrelevant - oder zumindest als sekundär an?

post scriptum: What a nice idea for a classroom debate in my tenth grade! Every now and then we take our double lesson on Friday for one of these formal, structured debates to learn something about how to discuss with other people by listening to their arguments and not interrupting them. Could be interesting to hear what they have to say on this topic. Debates about school uniforms are standard, but what about limiting the use of certain types of clothing?

Dienstag, 21. März 2023

Endlich wieder staunen!

Das ist mal eine echte Träsch-Trüller.

Wir sind angekommen in einer Zeit, in der in Filmen mit CGI fast alles möglich ist. Die abgedrehtesten Fantasien - alles kein Problem. Bei mir führt das zu einer Art Langeweile; da sind zwar tolle Sequenzen drin, aber das reißt mich nicht mehr so mit. Das ist irgendwie nicht mehr so immersiv.

Vorhang auf für LAIKA, ein amerikanisches stop-motion-Animationsstudio. Ich finde es toll, dass es noch Filmemacher gibt, die diese Handwerkskunst nicht an die computergenerierten Bilder abgeben. Auf das Studio bin ich über die Romanverfilmung Coraline (2009) gekommen, bin aber nie auf die Idee gekommen zu schauen, was die Leute dort noch so an Filmen kreieren. Bis vor zwei Tagen.

Aber warum überhaupt stop-motion? Hatte ich hier schon kurz angerissen - das Bewusstsein, dass diese animierten Objekte tatsächlich reale Objekte sind, bringt mich zum Staunen. Das ist wie Magie, das ist quasi eine echte animatio. Die Bilder fühlen sich an, als könnte ich die Dinge am Bildschirm mit den Händen greifen. Dabei stelle ich mir vor, wie die Macher diese oder jene Szene wohl erschaffen haben - denn es gab bisher in allen LAIKA-Filmen eine Szene, die wirklich atemberaubend war durch die Intensität, durch die Bewegungen, die eben nicht einfach nur Computerbilder sind.

Man bittet zum Tanz
 

In The Boxtrolls (2014) gibt es eine Tanzszene in einem adligen Herrenhaus; ein schneller Walzer, bei dem Tanzpartner gewechselt werden, die Perspektive mal aus den Augen des jungen Helden, mal als Kamera an der Decke, mal, als würde ich, der Zuschauer, direkt mittanzen. Im epischen Abenteuer Kubo And The Two Strings (2016) gibt es einen Kampf unseres Helden und seiner Mitstreiter gegen ein Riesenskelett, auch hier plastisch, ich möchte direkt in den Fernseher einsteigen, um das zu erleben (ja ja, name dropping, Ringu (1998) und Videodrome (1983) bla).

Bei solchen Szenen möchte ich manchmal einfach kurz unterbrechen und sie noch einmal sehen, um es wirklich zu glauben, dass da reale Objekte im Spiel sind.

Ein Affenspaß...

Ganz nebenbei packen LAIKA schwere Themen an, kinderfreundlich verpackt. Da kann es um trauern gehen, um Faschismus, Kinderarbeit - fast alle Filme haben einen düsteren Touch. Nicht immer so horrornah wie Coraline - bei dem kleine Kinder Alpträume haben könnten - aber genau meine Wellenlänge, ebenso wie die Witze und Dialogzeilen, die Erwachsene ganz anders wahrnehmen werden als Kinder, wenn zum Beispiel zwei alternde Damen fast nackt auf einer Bühne ihre glorreichen Zeiten des adult entertainment nachleben (daraus stammt obiges Foto).

Dazu ist anzumerken, dass einer der LAIKA-Filme der erste Animationsfilm im Mainstream war, der einen schwulen Charakter hatte. 

Ich bin begeistert!

post scriptum: Ich verstehe übrigens nicht ganz, warum die LAIKA-Filme immer in 3D gedreht werden: Gerade wegen der Plastizität der Figuren im normalen 2D-Bild ist ein 3D-Effekt gar nicht mehr nötig.

Sonntag, 19. März 2023

Klausurkorrek-Tortur


Wenn man die meiste Zeit in den Klassen sieben bis zehn unterrichtet hat, und dazu tendenziell in den leistungsschwächeren Kursen, dann ist man bald abgehärtet gegen das, was dort bei den Textproduktionen in Englisch manchmal herauskommt. 

Nun bin ich aber nach Jahren mal wieder in der Oberstufe aktiv und korrigiere Klausuren im elften und zwölften Jahrgang, beziehungsweise E und Q. Ich lese Texte von SchülerInnen, die auf ein Abitur zusteuern. Die vielleicht mal an eine Hochschule gehen wollen, um dort zu studieren. Die sich, an einer Gemeinschaftsschule mit gymnasialer Oberstufe, oft freiwillig entschieden haben, weiterzumachen und sich zutrauen, diese letzten Jahre bis zur Abiturprüfung zu bewältigen.

Und sicherlich gibt es einige, die es auch schaffen, und wenige, die es sogar ganz ausgezeichnet schaffen und deren Klausuren ein kleines Lesevergnügen sind. Auf der anderen Seite lese ich dies in einer Klausur zum Thema Eltern und Erziehung:

"I am for a relaxed teaching if it is into the frame. It must a mixing out of friends and parents and child. (...) Parents are fighting, but everything bongs on the children`s."

Da fällt es mir schwer, mich zu entscheiden - soll ich jetzt herzlich lachen über den Ausdruck bongs on the children`s oder bitterlich weinen über einen weiteren Versuch, einen deutschen Ausdruck wörtlich in`s Englische zu bringen - if it is into the frame - wenn es im Rahmen ist.

Ein anderer Fall, der mir auch immer Bauchschmerzen bereitet, und den ich auch in der Sekundarstufe Eins ein paarmal erlebt habe: In zwei Aufgaben sollten Texte geschrieben werden. Der erste Text, eine Inhaltsangabe, strotzt vor Fehlern auf elementarstem Niveau, der zweite Text, ein Kommentar, hat dagegen nur einzelne Fehler und ist auf hohem Niveau in fast muttersprachlichem Englisch geschrieben.

Klar, dann setze ich mich an den Computer und füttere Google, und manchmal findet man dann eine passende Quelle. Aber dieses Gefühl, wenn einem dann so langsam dräut, dass nicht ein und dieselbe Person die Texte geschrieben haben, ist sehr... unschön. Ich fühle mich dann manchmal, als hätte ich etwas falsch gemacht.

Naja, morgen wird weiter korrigiert, mal schauen, was da noch so kommt, und ob ich mich mal wieder zu einem Klausurverriss hinreißen lassen werde.

Samstag, 18. März 2023

Stop. Bewegung.

Wäre schon, aber nein. Noch mindestens zehn Jahre nicht.

Staus sind in Kiel eine Seltenheit, eigentlich. Wenn aber eine Baustelle kommt, dann kann das extreme Auswirkungen haben. Als der Waldwiesenkreisel erneuert wurde, war auf der B Sechsundsiebzig alles dicht. Überflieger am Barkauer Kreuz? Ebenso. 

Irgendwie fühlt es sich an, als würden die Baustellen immer mehr werden, vielleicht ist das aber auch nur meine Wahnehmung. Rund um's Rondeel wird gebaut, jetzt müssen sogar einige Buslinien umgeleitet werden, und vor unserem Haus steht ein Schild, dass die Durchfahrt am Speckenbeker Weg für ein paar Wochen dicht sein wird.

Ich würde ja so gern sagen können, dass ich mich über diese Baustellen freue, denn sie sind erste Zeichen der Kieler Stadtbahn - aber nichts da. Die nächsten zwei Jahre werden erstmal nur mit Planungen verbracht. Von tatsächlichen Baustellen für die neue Straßenbahn sind wir noch meilenweit entfernt, und dann wird es in Kiel richtig chaotisch werden, denn natürlich wird die Stadtbahn auch die Hauptverkehrsadern befahren. 

Da kommt einiges auf uns zu, und ich bin jedesmal ein wenig erleichterter, dass ich kein Auto mehr habe. Ernsthaft!

Und dass ich den Titel dieses Beitrags so formuliert habe, dürfte Filmliebhabern etwas sagen, nämlich dass ich einen für mich neuen stop motion film gesehen habe. Ich weiß nicht, was es ist, aber diese Filmtechnik fasziniert mich. Weil es wirklich wie Zauberei ist, als würde lebloser Modelliermasse ein Leben eingehaucht werden. Coraline (2009) ist einer meiner Lieblingsfilme aus der Ecke, ich kann ihn immer und immer wieder sehen, ohne dass es langweilig wird, und heute gesellt sich ParaNorman (2012) dazu, vom gleichen Studio. 

Das ist eine schöne Abwechslung, bevor es zurück an die Klausuren geht.

post scriptum: Wenn wir hier schon bei stop motion-Filmen sind, möchte ich unbedingt einen empfehlen für alle PädagogInnen, die ihn noch nicht kennen. Nur knapp acht Minuten lang, ohne Sprache, passt perfekt in das Thema "The Individual and Society" und hat nicht ohne Grund einen Academy Award gewonnen - "Balance" (1989)



Samstag, 11. März 2023

"Die mit den Tabletten."


"Wie geht es ihnen?"

Diese Frage hört man ja oft, von FreundInnen, KollegInnen, oft als Phrase, die gar nicht ernsthaft beantwortet werden soll, sondern einfach als Form der Höflichkeit gestellt wird. Wie das How do you do? im Englischen: Man lächelt und sagt nichts weiter, oder stellt maximal die gleiche Frage zurück. Man antwortet nicht ernsthaft auf die Frage. Als ich die Frage gestern gehört habe, musste ich überlegen: Wie ging es mir an diesem Tag mit meinem nächsten psychiatrischen Gespräch?

Freitag morgen, der Wecker soll um elf Uhr klingeln, damit mein Zeitplan rund ablaufen kann: Meine Sachen packen, die Anamnese- und Erstgespräch-Fragebögen ausfüllen, das "ertragreiche" Gutachten vom ZiP in Lübeck kopieren (ertragreich insofern, als dass es mich zur Weißglut gebracht hat und ich infolge dessen ein Jahr lang die ganze Fachliteratur zum Asperger-Syndrom gewälzt habe und dadurch letztlich den Mut aufbringen konnte, einen zweiten Diagnoseversuch zu starten). Den genauen Zugfahrplan heraussuchen, um meinen Termin um vierzehn Uhr zu erreichen, nochmals die Innenstadtkarte von Neumünster ausdrucken, mit dem Weg vom Bahnhof zum Krankenhaus markiert. Das richtige Outfit heraussuchen, Logiktrainer einpacken, Uhren und los. 

Allerdings bin um um halb zehn bereits gut erholt aufgewacht, habe überlegt, ob ich mich wieder hinlegen soll, um die Zeit bis zum Weckerklingeln zu überbrücken - eine reale Option für den Aspi, denn das war schließlich der Plan - aber bin dann einfach trotzdem aufgestanden. Wach werden, Nachrichten lesen, nochmal alle Fragebögen und das ZiP-Gutachten sichten und auf geht's. Gerade das Gutachten hat mich wieder ein wenig wütend gemacht, oder traurig oder verwirrt, weil es so gar nicht meinen Lebensalltag widerspiegelt.

Whatever, es ist kurz nach zwölf, um halb eins muss ich raus, um meinen Plan einzuhalten, der Zug fährt kurz nach eins vom Hauptbahnhof. Schlüssel in der Hosentasche, check, Rucksack gepackt, check, Portemonnaie, check, fünf vor halb, ab nach draußen. Schnell noch die Wohnung abschließen, zumindet bei längeren Aufenthalten außerhalb der Wohnung denke ich daran. Maaaaan, warum klemmt jetzt der Schlüssel, mach hinn... WTF?!!! Das ist nicht mein Ernst!

Ich erkenne den Achterbahnanhänger am Schlüsselbund, den ich von der Sannitanic bekommen habe, Shambhala im spanischen PortAventura, und den Anhänger Schlüssel des Erfolgs. Das ist mein Schulschlüssel, kein Wunder, dass der nicht passt, ich muss in der Eile auf die falsche Hosentasche geklopft haben, wandere mit der Hand zur anderen Hosentasche - aber da ist nur ein Lippenpflegestift.

Echt jetzt? Ich habe mich nach sieben Jahren zum ersten Mal aus meiner Wohnung ausgesperrt? Sämtliche Gedankenzüge entgleisen:

Scheiße, ich bin im Zeitplan, soll ich jetzt bei Vonovia anrufen, aber wie, ich habe ja kein Handy dabei, soll ich bei meinem Nachbarn klingeln, ob ich von dort aus anrufen kann? Aber dann bekomme ich meinen Zug nicht mehr, der in... achtundzwanzig Minuten fahren soll. Wie komme ich in meine Wohnung zurück? Verpasse ich jetzt gerade den Bus zum Bahnhof? Warte... du hast den Zweitschlüssel für die Wohnung bei den Eltern der großen Buba deponiert. Jetzt hinrennen? Wie lange dauert das, hin und dann zum Bahnhof weiter? Soll ich das jetzt machen oder lieber nach dem Arzttermin? Ich habe keine Ahnung, wie lange der dauern wird! Was, wenn nachher keine da ist? Wo soll ich mich aufhalten, bis sie zurückkomme? Und - die Hausschlüssel sind vor einer ganzen Weile mal ausgetauscht worden, hatte ich ihnen überhaupt den aktuellen Schlüssel gegeben? 

Shit, Stillstand nützt gerade gar nichts, ich kann im Moment nichts an der Lage ändern, also renne ich die Treppen runter, stehe unten an der Ampel, Zeiger auf fünfunddreißig, noch siebenundzwanzig Minuten Zeit, Mist, und ich muss ja auch noch die Zugfahrkarte besorgen. Scheiß drauf, ich renne jetzt zum Buba-Haus und versuche es zumindest einmal. Gesagt, getan, auf dem Weg renne ich fast ein paar SchülerInnen um, die auf ihrem Heimweg sind, und stehe dann vor der Haustür. Ohklott, war ich hier überhaupt schon einmal allein? Ich habe noch nie den Zweitschlüssel gebraucht, was sage ich, wer öffnet die Tür, öffnet überhaupt jemand? Erkennen sie mich wieder? Whatever, klingeln.

Und ein paar Momente später sehe ich einen Schatten hinter der Haustür. Ohklott, es könnte klappen, achtunddreißig, noch vierundzwanzig Minuten. Ich strahle die große Buba-Mama an und rattere die Situation im Stakkato herunter, und drei Minuten später verlasse ich mit meinem Ersatzschlüsselbund - an dem tatsächlich die neuen SchlüsselInnen (so würde Aristophanes es gemäß seiner Wolken bezeichnet haben) befestigt sind - renne zum Bus, und jetzt machen wir es kurz, sitze um drei Minuten nach zwei Uhr im Zug nach Neumünster. Wir rollen los, und ich kann endlich durchatmen, der Schock ist verarbeitet und ich bin gerade einfach nur dankbar. Das ist eine der Lojong-Losungen: Übe Dich darin, allen höchst dankbar zu sein.

Ich finde es bemerkenswert, wie wenig ich die passage of time bemerke, wenn ich mit meinem Psychiater spreche. Als ich wieder draußen war und auf dem Weg zum Bahnhof, zeigte mir eine Uhr an der Straße sechzehn Uhr fünfundvierzig an. Über zweieinhalb Stunden? Wo ist die Zeit hin? Was haben wir gemacht?

Einen Plan. Genaueres unterliegt der doctor-patient confidentiality, aber ich bin mit einem Plan im Kopf nach Hause gefahren, und das beruhigt - nicht ohne mir vorher den Arsch am Bahnhof abzufrieren, weil ich den Zug nach Kiel gerade verpasst hatte und der nächste bereits mit fünfzehn Minuten Verspätung angekündigt wurde.

Und nun ist es Samstag, und ich bewege diesen Plan noch immer in meinem Kopf, in all' seinen Variationen. Irgendwann berichte ich davon. Nicht jetzt, ich brauche selbst erstmal Zeit, mich auf was Neues einzustellen.

Kurz gesagt: Ich bin gespannt.

post scriptum: Ach ja, wie kam es zum Titel des Beitrags? Während unseres Gesprächs musste ich an eine Szene aus dem Studium denken, als ich eine Kommilitonin gefragt hatte, was der Unterschied zwischen einem Psychologen und einem Psychiater sei. Psychologen sind die, die reden, und Psychiater sind die mit den Tabletten. Klischee, aber mit einem Korn Wahrheit.

paulo post scriptum: Liebe Eltern, ich rufe morgen an, ich brauche noch Zeit zum Denken.

Mittwoch, 8. März 2023

Elon Musk vs. Hundekot

Elon Musk, der hier auf den Vergleich mit einem Haufen Hundekot reagiert

Warum würde ich Elon Musk mit einem Haufen Scheiße vergleichen? Doch hoffentlich wohl, um herauszustellen, dass es sich um zwei völlig unterschiedliche Dinge handelt. Und in der Tat:

Einem Haufen Hundekot auf der Straße kann man ausweichen - Elon Musk dagegen erscheint überall, im Internet, den Nachrichten, Printmedien, sozialen Netzwerken, man kommt nicht an ihm vorbei.

Ein Haufen Hundescheiße stinkt - aber man kann sich die Nase zuhalten. Gegen Elon Musks geistigen Brechdurchfall kann man leider nicht einfach sein Gehirn abschalten.

Ein Haufen Hundescheiße springt keine wildfremden Menschen an (die versuchen, anderen Menschen das Leben zu retten) und beleidigt sie als "pedo guy" - das ist eher das Verhalten eines rückgratlosen, hochbegabten Aspis, der keine Vorstellung davon hat, was sein Verhalten bei anderen Menschen anrichtet.

Ein Haufen Hundescheiße würde nicht auf die Idee kommen, sich über Mitarbeiter lustig zu machen, die nachfragen, ob sie gefeuert wurden, weil sie keine Mitteilung von ihrem Arbeitgeber bekommen haben, und er würde auch nicht private Details über ihren Gesundheitszustand in die Öffentlichkeit zerren. 

Ein Haufen Hundekot würde nicht versuchen, jemanden gerichtlich zum Schweigen zu bringen, der öffentlich verfügbare Informationen verwendet, um aufzuzeigen, wann und wo der Haufen Scheiße mit seinem Privatjet unterwegs ist. 

Außerdem sagt ein Haufen Hundescheiße nicht, er würde sich für freie Meinungsäußerung einsetzen, und dann jegliche Stimmen, die gegen ihn sprechen, feuern, von den Netzwerken verbannen oder gerichtlich unterdrücken. 

Nicht falsch verstehen, ich habe nichts gegen Elon Musk an sich. Es ist sein Verhalten, das mich theoretisch auf die Palme bringen kann. Das macht mich umso trauriger, als dass ich ihn nicht nur verstehe, sondern total nachvollziehen kann: Wir haben die gleiche Gehirnkonfiguration. Wer weiß, wie ich wäre, wenn ich fast der reichste Mensch der Welt wäre, und niemanden in meinem Freundeskreis hätte, der mir mal Contra gibt? 

Seit der Übernahme von Twitter wird deutlich, dass Elon Musk nichts, aber auch wirklich gar nichts mit einem riesigen Haufen Scheiße gemein hat - Letzterem würde ich wesentlich lieber auf offener Straße begegnen wollen, und er würde in mir nicht den dringenden Wunsch wecken, ihm in's Gesicht zu kotzen.

Sonntag, 5. März 2023

Mad Max (vom Wühltisch)

Verzieh' dich, oder es kracht, du dumme...!!!!!

"Hey Caro, ich hab' einen total grandiosen Film gesehen, ich hab' den vor einiger Zeit mal auf einem Grabbeltisch im Laden gesehen und einfach mitgenommen, aber jetzt erst gemerkt, dass der richtig gut ist. Mad Max: Fury Road, kennst du den?"

"...ja, den kenne ich, denn den habe ich Dir vor zwei Jahren zum Geburtstag geschenkt."

"Äh..."

Diese Anekdote wird die große Buba mir bis an's Grab vorhalten - zumindest hoffe ich das. Ich tröte immer groß herum, dass mich Actionfilme nicht reizen. Sage ich immer wieder, wenn meine SchülerInnen mich fragen, ob ich schonmal Fast & Furious gesehen habe. Habe ich nicht, will ich nicht, werde ich nicht. 

Aber wenn ich mich an meine Jugend zurückerinnere... wenn ein Actionfilm wirklich richtig gut gemacht ist - die richtigen Kameraeinstellungen, die die kinetische Energie so richtig auf den Zuschauer übertragen, dann kann ich mich solch' einem Spektakel durchaus hingeben.

George Miller, Regisseur der Mad Max-Reihe kann das. Der ist Profi, und er weiß, wie man das Publikum in Aufregung versetzt. Nur so zum Vergleich: Den zweiten und dritten Film in der Lord of the Rings-Trilogie finde ich langweilig, weil es nur sich immer wiederholende Schlachten sind und nichts passiert, und das je dreieinhalb Stunden lang. Das ist bei der Mad Max-Reihe nicht anders (bis auf die Länge, und das macht einen Unterschied!) - gerade die ersten beiden Teile bestehen aus einem Minimum an Plot, und man kann alle (bisher) vier Film in einem Satz zusammenfassen: "Menschen fahren durch die Einöde."

Ich kenne mich nicht gut genug in Filmtechnik aus, um erklären zu können, warum George Millers Filme um Max Rockatansky mich derart fesseln. Exhilarating sagt man im Englischen, sie versetzen mich in positive Aufregung. Diese postapokalyptische Welt ist derart detailreich ausgedacht, dass es ein fremder Ort ist, den ich glaubwürdig finde, egal wie unrealistisch die vielen Szenen und spektakulären Stunts sind. 

Diese Vielfältigkeit an Figuren - womit nicht Charakter gemeint ist, denn die sind in der Regel alle sehr flach - an Ausrüstung, Fahrzeugen, Gadgets, Tiere, australische Wildnis... hin und wieder mache ich mir ein Mad Max-Wochenende, an dem ich alle vier Filme an zwei Tagen durchschaue. Direkt hintereinander hilft mir sehr, denn:

Ich hatte damals zuerst den vierten Film gesehen (Fury Road, 2015) und konnte überhaupt nichts damit anfangen. Ich wusste nicht, was diese Menschen da sagen, warum sie so komisch aussehen und warum sie die ganze Zeit durch die Wüste fahren. Ich fand den Film bei'm ersten Ansehen richtig scheiße und hätte fast zwischendurch abgebrochen. 

Dann kam Roger Ebert. Ich vertraue seinen Rezensionen so gut wie immer, denn er war auch ein hochbegabter Aspi, und ich konnte sein Denken meistens perfekt nachvollziehen, und er hat sehr positive Rezensionen über die ersten drei Filme geschrieben. Also habe ich mich irgendwann an den ersten Teil rangemacht, der noch recht eng mit der Realität verknüpft ist. Von Film zu Film geht es dann weiter in eine immer desolatere Welt mit immer abgefahreneren Menschen darin. 

Und dann wird Fury Road zu einem brillanten Meisterwerk seines Genres. Wenn man sich einfach mal fallen lassen kann, wenn das Gehirn weiß, dass es keine rationalen Denkweisen anwenden muss, wenn man das Rauschen und Fahren und Röhren der Motoren und Kameraflüge und das Krachen und die Explosionen und die pulsierenden Trommeln einfach nur genießen kann - in 4K UHD ist der Film eine Wucht und das Sony-PS-Headset sorgt für den immersiven Raumklang - dann ist das ein pures Kinoerlebnis.

Hin und wieder darf das sein, und deswegen mag ich auch Speed (1994) und Die Hard (1988). Manchmal gehen Actionfilme eben doch. Und jetzt schaue ich als Betthupferl noch eine intelligente Kleinigkeit an, für den mentalen Ausgleich. Vielleicht mal wieder Come True (2020).

post scriptum: Buba La Tättah, ich liebe diese Anekdote. Und wer weiß, vielleicht wird es Dir ja mit "Atelier Ryza" mal ähnlich so gehen ;-) Also, dass Du das Spiel für Dich entdeckst. Ich glaube nicht, dass Du mir mal erzählen wirst, Du hättest es auf einem Wühltisch gefunden.

paulo post scriptum: "gefeaturt" - dieses Wort habe ich heute im "Spiegel" gelesen ("XY wurde mehrfach in der Sendung gefeaturt."). Ich finde es immer grausamer, wie englische Wörter germanisiert werden. Das ist wie "gelikt" - let's kotz!

Donnerstag, 2. März 2023

"..tagtag."


Beginnen wir mit einem Kurzen, Asperger pur natürlich. Heute war Schulentwicklungstag, kurz SET. Zu meiner Schulzeit waren das noch SchiLF-Tage, schulinterne Lehrerfortbildung, und für die SchülerInnen waren sie vor allem Eines: Ein schulfreier Tag! 

Dieser Tag, an dem dann also die LehrerInnen in der Schule an der Schule arbeiten - und ich bin jedesmal zusammengezuckt, wenn jemand den Begriff "SET-Tag" benutzt hat, ganz besonders im Schriftlichen. Das Aspi kommt nicht vorbei an der Tatsache, dass das T in SET bereits für -tag steht. Als Akronym geschrieben:

Schul-

Entwicklungs-

Tag

Wenn dann jemand also den "SET-Tag" beschwört, meint er oder sie offensichtlich den allseits bekannten Schulentwicklungstagtag. An solch' kleinen, pedantischen Spitzfindigkeiten können Aspis sich wunderbar aufhängen, einer meiner Brüder könnte Bände davon singen, wenn er sich mal erinnerte, wie oft er als Klugscheißer bezeichnet wurde.

Aber abseits davon war das ein ganz toller SET: Ich habe das Archiv vorangebracht, den neuen Plan umgesetzt und Akten umgewuchtet, geräumt, ausgeschildert, dabei tolle Lernmaterialien für ein Fach gefunden, die mal bestellt, aber nie abgeholt wurden. Und ich konnte zum Glück ohne diese nervigen Pausen arbeiten, ganz konzentriert.

Es ist noch ein weiter Weg bis zum in Ansätzen perfekten Archiv, aber die Arbeit heute hat sich richtig gelohnt.

Voller Erfolg an diesem Tagtag!

post scriptum: Ich hoffe ernsthaft, dass "Everything Everywhere All At Once" (2022) alle der elf Academy Awards abräumt, für die der Film nominiert wurde. Ich schaue ihn gerade zum vierten Mal, und ja, er ist überfordernd, chaotisch, nomen est omen, aber brillant durchdacht und ein toller Film darüber, was es heißt, eine Mutter zu sein. Kommt nicht so oft vor, dass ein Science Fiction-Film Frontrunner der Oscars ist...

Mittwoch, 1. März 2023

Was wäre, wenn...?


Was wäre, wenn ich am letzten Freitag meinen Termin bei'm Psychiater gehabt hätte? Wenn nicht Fieber dazwischengekommen wäre und wir nicht einen neuen Termin finden müssten?

Dann hätte ich jetzt weitere anstehende Arzttermine (Stichwort Krone) angeleiert, dann wäre... nein, ich kann es mir nicht ausmalen. Theory Of Mind-Defizit, das bei allen Autisten auftritt. Ich weiß nur, als mir klar wurde, dass aus dem Termin nichts wird, ist mein Gedankenzug mal wieder völlig entgleist. Geistige Quarantäne, und so besteht mein Alltag im Moment nur aus Schularbeit, Videospielen und Warten auf den neuen Termin. Nichts sonst.

Zwei Wochen nichts im Blog, das ist symptomatisch. Auch, dass dieser Eintrag erst fast eine Woche später kommt.

post scriptum: Liebe Eltern, ich schreibe Euch, wenn es Neues gibt.