Montag, 30. September 2019

Klassenfahrt


Die große Buba ist gerade mit ihren Kiddies auf Klassenfahrt, und das lädt mich ein, ein wenig zu sinnieren, wie ich zu dem Thema Klassenfahrt stehe - nämlich am liebsten gar nicht.

Damals

Als Schüler habe ich Klassenfahrten gehasst, und zwar jede einzelne von ihnen. Ich habe es gehasst, an unbekannten Orten schlafen zu müssen, nicht mein Zimmer, das mir Sicherheit gibt, ich habe es gehasst, nicht zu wissen, was es zu essen gibt (wir hatten zuhause einen Speiseplan, der sich nach den Wochentagen ausrichtete, das war großartig), ich habe das Gefühl gehasst, nicht zu wissen, wann ich auf's Klo gehen kann, ich habe es gehasst, dass jemand Anderes meinen Tagesplan festgelegt hat, ich habe es gehasst, mit anderen Jungs in einem Raum zu schlafen (ich kann auch heute nicht schlafen, wenn eine andere Person in der Wohnung ist), immerhin, wenn ich Glück hatte, war ich nicht mit den Jungs auf einem Zimmer, die mich gemobbt hatten, trotzdem habe ich das Bewusstsein gehasst, dass es für die Mobber auf Klassenfahrten wesentlich einfacher ist, ihrer Arbeit nachzugehen., und ich habe es gehasst, zu zelten, nass und kalt und komischer Geruch und vortäuschen zu müssen, ich hätte in einem Schlafsack gut geschlafen.

Heute 

Heute hat sich an der Haltung nicht viel geändert. Als Lehrer habe ich panische Angst vor Klassenfahrten. Ich war an meiner Ausbildungsschule auf zweien dabei, und scheine Vieles falsch gemacht zu haben, was ich natürlich wieder nicht mitbekommen habe. Ich habe Angst davor, die Verantwortung für dreißig Schüler weit weg von ihrem Zuhause zu übernehmen. Ich habe in diesem Blog so oft geschrieben, dass ich an viele wichtige Dinge nicht denke - und das könnte mir auch auf einer Klassenfahrt passieren. Einen Schüler zurücklassen. Oder vielleicht auch nur seine Sachen. Den ganzen Versicherungskram auf die Reihe bekommen. Gut, dass man nicht allein auf Klassenfahrt geht, trotzdem der Horror. Schüler, die sich volllaufen lassen, nach Hause gebracht werden müssen, in den falschen Zug einsteigen, ungeschützten Sex haben und ich muss die ganze Nacht durch wach sein. Nein, muss ich nicht, klar, es gibt Schichten und sowas, aber mein Kopf lässt mich auf einer Klassenfahrt nicht einschlafen. Die falsche Jugendherberge gebucht. Überhaupt zu buchen, unbekannte Menschen anrufen, darauf achten, dass der Busfahrer seine Pflichtpausen einhält. Und die Hälfte der Klasse hat sowieso keinen Bock auf die Fahrt. Warum also überhaupt machen?

Sicher, Klassenfahrten können irgendwo ihr Gutes haben. Manchmal bekommen Schüler eine Möglichkeit, über den Tellerrand zu schauen (ob sie das nun wollen oder nicht), maaaaanchmal kann so eine Aktion die Klassengemeinschaft stärken - aber nur wenn man normal ist; NP damals war nicht normal, hatte schon ihren Grund, warum sie ihr Zelt mit dem Eingang in einem Dornengebüsch aufgestellt hat. Aber Hauptsache, das Kind kommt mal an die Luft. Für sie war die Klassenfart pure Folter.

Wenn ich mit Schülern auf Klassenfahrt gehe, dann bestenfalls als Begleitung. Und am liebsten noch nichtmal das. Ich bin viel zu zerstreut und bräuchte einen Partner, der nicht nur auf die Kiddies, sondern auch noch auf mich mit aufpassen kann.

Ihr seid herzlich eingeladen, meine Leidenschaft für Klassenfahrten zu entfachen.

Freitag, 27. September 2019

Wer möchte probieren?

Soooooo lecker!

Herbstwetter triggert meinen Wunsch, endlich wieder Basler Läckerli zu backen. Und es ist auch nicht zu früh dafür, denn der Teig bleibt einige Wochen lang stehen, damit das Aroma richtig durchziehen kann - somit dürfte das Gebäck in der zweiten Novemberhälfte fertig sein. Meine Frage an Euch:

Möchte jemand von Euch dieses Gebäck einmal probieren? Es enthält kein Ei, keine Milch, dafür aber Nüsse (Stichwort Allergien), und diverse Gewürze, Honig und Zitronenschale sorgen für adventliche Atmosphäre. Wer einmal probieren möchte, möge mir eine Nachricht mit seiner Adresse schicken, ich notiere mir das, und Anfang Dezember verschicke ich dann kleine Beutel mit den Basler Läckerli ;-)

Mittwoch, 25. September 2019

Nur mal eben Glas

POKAL = okay; nicht POKAL = nicht okay

In meinem Küchenschrank befinden sich zwei verschiedene Typen von Gläsern - zum einen die POKAL-Gläser von IKEA, zum anderen kleinere, schlankere Gläser. Jeweils sechs von jedem Typ. Die Pokale stehen in der vorderen Reihe, die kleineren dahinter. Wenn die große Buba zu Besuch kommt, biete ich ihr immer etwas aus meinem reichhaltigen Sortiment an Erfrischungsgetränken an (a.k.a. Leitungswasser oder Coke Zero). Wenn dann die Pokale gerade alle in der Spülmaschine sind, kommt von mir ein "Äh sorry, die großen Gläser sind gerade aus, ich hab nur die kleinen, ist das in Ordnung?" - was die große Buba natürlich überhaupt nicht stört, denn schließlich ist sie die große Buba, und uns beide interessiert die Jagd auf Sephiroth gerade viel mehr als Gläsertypen.

Für sie ist das kein Problem - für mich aber schon, wie ich merke. Bevor ich selbst eines der kleineren Gläser benutze, hole ich ein großes aus der Spülmaschine und wasche es ab, oder ich stelle gleich die Spülmaschine an. Ich trinke tatsächlich lieber aus den großen Gläsern, ich könnte mir vorstellen, dass es mit der oktogonalen Form der Gläser im unteren Bereich zu tun hat, weiß es aber nicht genau. Ich kenne das von mir - so habe ich unterschiedliche Esslöffel, aber am besten schmeckt mir das Essen, wenn ich einen ganz bestimmten von ihnen benutze. Dieser Umstand hat mich jetzt mehrere Jahre begleitet, und heute habe ich mich dann gefragt, wozu ich überhaupt die kleineren Gläser habe, wenn ich sie eh' nie benutze - und habe sie verschenkt.

Auf zu IKEA, schnell ein neues Gläserset besorgt. Sechs Stück kosten nicht einmal drei Euro insgesamt, das ist keine große Investition, und jetzt habe ich endlich nur Gläser in meinem Schrank, die ich auch benutzen mag. Ich weiß nicht, ob das irgendwas mit Autismus oder mit Hochbegabung zu tun haben könnte, deswegen tagge ich diesen Beitrag einfach mal wieder old-fashioned als geisteskrank.

Und wieder frage ich mich, warum direkt gegenüber der IKEA-Kasse dieser herrliche Schwedenshop ist - und habe mir die Frage damit natürlich selbst beantwortet. "Nur mal eben Glas kaufen" ist nicht; ich kann einfach nicht an diesen Regalen vorbeigehen, voller Hot Dogs, Daim, Punschrullar und Gifflar und Dubbla Chokladflarn. Und in diesem Gläserkarton ist noch genau Platz für eine Packung Kekse, wie passend. Das erinnert mich an die gestrige UFO-Geschichte - deren Einkaufswahn war zwar fiktiv, hatte aber seine Wurzeln in der ganz normalen Realität.

Und so steht jetzt neben mir eine Schachtel Daimkekse mit einem POKAL Leitungswasser.

Dienstag, 24. September 2019

UFO im Supermarkt

Was man nicht alles entdecken kann!

Ein Tag wie jeder andere, sonnig, Wärme des Restsommers kurz vor dem Herbstanfang, mittags, ich schließe die Fenster, weil ich eine Weile Ruhe in der Wohnung brauche. Die Fenster sind großartig isoliert, der Verkehrslärm wird vollkommen ausgeschlossen, und so wandere ich die Südwestfront entlang, bis zum letzten Fenster direkt an der Wand zu meinem Nachbarn, und schließe es, um danach das Rollo herunterzuziehen. Doch... warte mal, was ist das da unten? Im Eingangsbereich des Supermarkts? Das war doch eben noch nicht da?

Da unten, zwischen den ausgestellten Blumentöpfen und den Säcken mit Pflanzerde, schwebt ein leuchtendes Objekt. Fast rund, bestehend aus unterschiedlich hellen konzentrischen Ringen. Just in dem Moment, als ich das Fenster geschlossen hatte, war es aus dem Ladeninneren in den Eingangsbereich geschwebt, direkt hinter die Eingangstür, und dort steht es nun unbeweglich in der Luft. Ein UFO im wahren Sinne, ein unindentified flying object, wobei ich mir nicht sicher bin, ob das Objekt überhaupt greifbar ist, aus Materie, oder quasi eine Art Spektralerscheinung? Und was mich noch mehr fasziniert: Immer wieder betreten und verlassen Kunden das Geschäft, ohne sich im geringsten über diese leuchtende Scheibe zu wundern. Was ist hier los? Ich brauche einen besseren Blick, und so öffne ich das Fenster wieder, um direkt in den Eingangsbereich des Supermarkts schauen zu können, da unten, einmal quer über die Straße - doch das UFO fliegt wieder in das Ladeninnere, so als hätte es geahnt, dass ich es beobachte. Nicht mit mir, mein Freund, und so ziehe ich mir Schuhe an und laufe eilig das Treppenhaus hinunter. Die Kamera in der Tasche, dieses Phänomen lasse ich nicht entwischen!

Und dann muss ich an die anderen Phänomene denken, die Hassee mittlerweile heimgesucht haben, und dagegen wäre ein UFO nun wirklich eine Kleinigkeit; im Vergleich zum Keksdesaster, der Riesenheulknuddelpuppe, dem Vulkanausbruch, dem schwarzen Abgrund und dem Sturm des Jahrhunderts, da kann ein UFO kaum mithalten. Irgendwie seltsam, dass laut Lokalzeitung diese Phänomene erst auftraten, nachdem ich hier in meine Wohnung eingezogen bin. Whatever; ich will es aus der Nähe sehen!

Gesagt, getan, rein in den Supermarkt. Wie erwartet, befindet sich das UFO nicht im Eingangsbereich. Dann muss es irgendwo hinten zwischen den Regalen verschwunden sein, und so suche ich einen Gang nach dem nächsten ab, und nehme bei der Gelegenheit auch gleich Tiefkühlpizza, Cola, Dosensuppe, Schokolade, Marshmallows, Tütennudeln, Rote Grütze, Vanillesauce und ein Abführmittel mit. Ich durchwandere jeden Gang zweimal, aber nichts ist zu sehen. Das UFO ist verschwunden. Aus Frust nehme ich auch noch drei Nuss-Marzipan-Sahnetorten mit. Na toll, kein UFO gefunden, dafür reichlich HFOs (Heißgeliebte FettObjekte).

Enttäuscht stampfe ich hinauf in meine Wohnung, gehe zu dem Fenster, das ich offen gelassen habe. Ich schaue nach unten, Richtung Supermarkt, aber natürlich schwebt dort kein unidentifizierbares Flugobjekt. Scheiße. Ich schließe das Fenster, und... WHAT?! Da ist es wieder, schwebt kackdreist im Supermarkt, als ob es mich veralbern will. Als ob es immer nur dann herauskommt, wenn ich mein Fenster... und dann seufze ich erleichtert. Der leuchtende Fleck da unten im Supermarkt ist nichts weiter als die Reflektion des Sonnenlichts, das gegen meine mit Spiegelfolie beklebten Fenster scheint. Ein paar Male öffne und schließe ich das Fenster, nur um ganz sicher zu gehen. Und dann lächle ich, wieder um eine Erfahrung reicher geworden.

Und 28.980 Kalorien.

Visitor from outer space?

Montag, 23. September 2019

Die Frage "Warum?"

What are you doing?

"Ich verstehe das nicht, das passt nicht zusammen. Wie kann es sein, dass der beliebteste Lehrer dieser Schule so einen Aussetzer vor der gesamten Klasse hat?"

Auf meiner Fensterbank steht eine Sanduhr, in der der Sand von unten nach oben läuft.

An einer Stelle meiner Wohnung zieht sich ein dicker Riss durch die Wand, von der Decke bis zum Fußboden.

Aus den X-Files: Ein Mann fügt sich einen kleinen Schnitt durch eine scharfe Papierkante zu, während er die Post weiterleitet - bis die Digitalanzeige der Sortiermaschine ihm plötzlich befiehlt, all' seine Mitmenschen zu ermorden.

Ein Schüler mit einem IQ über hundertdreißig, der nicht einmal seinen MSA macht.

Phänomene jeden Tag, und ein paar der obenstehenden können sicherlich ganz leicht erklärt werden. Andere, not so leicht. Ist die Frage, ob man überhaupt der Frage nachgehen möchte, warum die Dinge sind, wie sie sind.

Mein Gehirn ist so konfiguriert, dass es am liebsten auf jede einzelne Warum-Frage eine Antwort hätte. Ich habe eine intrinsische Motivation, die Welt um mich herum zu verstehen, und je abstruser ein Zusammenhang zunächst erscheinen mag, umso faszinierender ist es für mich, die Mechanismen dahinter zu entdecken. Ich kann nicht sagen, seit wann das so ist. Es fühlt sich an, als hätte mich schon immer fasziniert, warum die Dinge so sind, wie sie sind. Dass der tag Verhaltensmuster einer der meistverwendeten in diesem Blog ist, scheint symptomatisch dafür zu sein.

Menschliches Verhalten interessiert mich. Warum lügen wir Menschen an, die wir lieben? Warum tun wir Dinge, auch wenn sie uns gesundheitlich schaden? Warum bleiben wir manchmal absolut stur, auch wenn der gesunde Menschenverstand uns doch davon abbringen müsste? Ich möchte das verstehen.

Ich möchte verstehen, warum A sich im Unterricht nie meldet. Ich möchte verstehen, warum B mit blauen Flecken in die Schule kommt. Ich möchte verstehen, warum C der Abschluss vollkommen egal ist. Ich möchte wissen, warum D sich mobben lässt. Ich möchte verstehen, warum E seine Schüler so "gemein" behandelt. Ich möchte das alles verstehen, weil ich dann vielleicht mit etwas weniger Blockierhaltung auf Gespräche mit diesen Menschen zugehen kann. Ich weiß noch, wie ich im Studium einen Spruch kennengelernt habe: "Man muss nicht immer alles gutheißen, was Andere tun, aber man sollte es zumindest verstehen wollen."

Und dann gibt es Menschen, die vielleicht auch gern verstehen möchten, warum jemand so tickt, wie er es tut, aber viel wichtiger ist ihnen die Frage, wo wir von hier aus hinsteuern. Ein progressiver Gedanke: "Wie gehen wir mit der Situation um? Wie können wir daran etwas verändern?" Für einen Lehrer ist das eigentlich eine tolle Denkweise, weil man so viel intensiver mit der Situation - womöglich in der eigenen Klasse - arbeiten kann. Man kann schneller an Klassenkonflikte herangehen.

Bei mir ist das anders.

Ich möchte irgendwie immer verstehen, warum Menschen sich so verhalten. Ich lasse Schüler in Gesprächen viel erzählen, vielleicht auch, um meine eigene Expertise in Sachen "Warum sind wir Menschen so?" zu erweitern. Und mit genau diesem Gedanken gehe ich an mich selbst heran: Warum tue ich die Dinge, die ich tue? Auch wenn sie von außen irrational erscheinen? Auch wenn ich immer wieder auf Unverständnis damit bei manchen Mitmenschen stoße; für mich ist es wichtiger, das Warum durchblicken zu können. Damit ich irgendwann nachvollziehbar auf Fragen antworten kann wie diese, aus dem Jahr Zwanzigvierzehn, aus St.Peter-Ording:

"Ich verstehe das nicht, das passt nicht zusammen. Wie kann es sein, dass der beliebteste Lehrer dieser Schule so einen Aussetzer vor der gesamten Klasse hat?"

Es gab damals einen Vorfall an der Schule, der ordentliche Wellen geschlagen und schließlich zu einem Klärungsgespräch mit allen Beteiligten geführt hat. Aufgrund der Verschwiegenheit gehe ich an dieser Stelle nicht in's Detail, sondern zähle nur die Frage der Elternvertreterin sowie der Heimleitung auf, für die dieser Vorfall absolut nicht in das Bild des Lehrers DrH gepasst hat. Hell, für die Schulleitung, die Supervisionsleiterin, die SozPäd und die Klassenleitung auch nicht. Dieser Vorfall war absolut nicht nachvollziehbar. Auch für mich nicht, und deswegen habe ich mich lange damit beschäftigt, um in diesem klärenden Gespräch eine Antwort darauf geben zu können. Und das hat auch geklappt - allerdings ist in meinem Kopf bis heute der Wunsch verhaftet, diesen Vorfall wissenschaftlich fundiert zu erklären.

Deswegen bin ich auf der Suche nach einer Diagnose, egal, wie diese Diagnose am Ende genau lautet.

Denn seitdem ich den Wunsch danach geäußert habe, fragen mich Menschen immer wieder: "Und dann?" - eine Frage, die ich anfangs nicht verstanden habe. Wieso "und dann"? Ich möchte verstehen, warum ich ticke, wie ich das tue. Ich möchte verstehen, warum es in meinem Leben trotz aller Bemühungen immer wieder vereinzelte Ausbrüche gibt, die zu für alle Beteiligten unangenehmen Situationen führen.

Was meine Mitmenschen mich wohl fragen wollen, mit diesem "und dann?", ist, wie ich danach mit der Situation umgehen möchte, und die meisten erwarten dann irgendeine Form der Therapie. Um meine sozialen Kompetenzen zu verbessern und meinen Alltag problemloser zu gestalten. Kann ich verstehen, aber darum geht es mir zu diesem Zeitpunkt nicht. Ich möchte erstmal verstehen, warum ich so bin; genau wie oben beschrieben ist mir das momentan wichtiger. Momentan meine einzige Frage, auf die ich eine Antwort suche.

Und es ist schwierig, das den Menschen zu erklären, die mir dann zu verstehen geben, dass aber doch die Therapie danach viel wichtiger sei, und dafür brauche ich ja eigentlich noch nicht einmal eine Diagnose. Eigentlich könnte ich doch direkt jetzt mit der Therapie beginnen. Diese Frage kommt häufiger, und sie fühlt sich jedesmal unangenehm an, weil ich sie so verstehe, als ob ich auf dem völlig falschen Weg bin (Watzlawick lässt grüßen). Dabei ist genau das momentan mein Ziel - die vergangenen sechsunddreißig Jahre besser verstehen zu können. Wie ich damit umgehe, wie ich danach damit arbeite, darüber können wir gern reden, aber jetzt, an dieser Stelle, ist die Frage für mich irrelevant.

Und wird auch noch ein Weilchen irrelevant bleiben. Deal with it. ;-)

post scriptum: Und diesen Beitrag sollte ich mir ausdrucken und in meinen Psych-Ordner abheften, denn diese Frage werde ich wohl noch öfters erklären müssen. Kann eigentlich auch gleich in die "Thema"-Beiträge.

paulo post scriptum: Total faszinierend, da begegne ich hier im Viertel einem meiner ehemaligen Schüler, der jetzt hierher gezogen ist, und plötzlich rattert mein Gehirn wieder los und alles, was es damals an Klärungsbedarf mit Mutter und Kind und Schule gab, das alles ist wieder da, als wäre es gerade erst gewesen...

Samstag, 21. September 2019

An mein jüngeres Ich

Freiheit - sooo viele Entscheidungen...

Lieber Dr Hilarius!

Ach ne, den Namen kennst Du wahrscheinlich noch gar nicht, und niemand würde auf die Idee kommen, Dich so zu grüßen. Das fängt ja toll an, ich möchte einen Brief an Dich schreiben und schaffe es nicht einmal ansatzweise, mich in Dich hineinzuversetzen. Also... wie hatten sie Dich damals noch genannt?

Moin Homie!
*ToolTime-Gruß*

Hier spricht Dein zukünftiges Erwachsenen-Ich und möchte an Dein jugendliches angepasstes Kind-Ich appellieren. Ach fuck, das geht ja auch wieder nicht, Du bist womöglich erst in der fünften Klasse und hast noch nie etwas von der Transaktionsanalyse gehört. Also versuche ich das jetzt ganz einfach zu machen. Es kann natürlich sein, dass die Dinge für Dich anders laufen werden, als sie für mich gelaufen sind. Heute, ein Vierteljahrhundert in der Zukunft, lebe ich nach dem Motto Nichts bereuen! und halte mich auch daran, so gut es geht. Ich versuche, nichts zu tun, was ich später einmal bereuen werde, und ich versuche, nicht zu bereuen, was ich einmal getan habe. Wenn es Dinge gibt, die ich bereue, Taten oder Denkweisen, dann liegen sie in meiner Jugend, und genau deswegen schreibe ich Dich jetzt an und gebe Dir ein paar Hinweise. Ich weiß, Dein Querkopf wird sie ignorieren, aber dann kannst Du später wenigstens nicht behaupten, niemand hätte Dich gewarnt.

Ich habe keine Ahnung, wie alt Du jetzt gerade gewesen sein wirst, also ordne ich meine Punkte im Ansatz chronologisch an. Schon in der Grundschule hat man über Dich gesagt, Du würdest Ordnungssysteme in Schriften favorisieren - na denn. Wahrscheinlich liest Du diesen Brief gerade in einer ruhigen Phase - ruhig für Dich, weil Du mal wieder aus dem Unterricht geflogen bist. Reiß' Dich mal zusammen.

Solltest Du noch in der fünften Klasse sein, nimm' Dir bitte dies zu Herzen: Wirf' auf der Klassenfahrt nicht KS in die Wakenitz! Es ist wirklich nicht lustig, zusammen mit anderen Jungs eine Mitschülerin in einen Fluß zu werfen. Das sagt nicht nur der gesunde Menschenverstand; KS wird danach mit einem Küchenmesser auf Dich losgehen, und auch wenn Du selbst das witzig finden wirst, und auch wenn Deine Mitschüler Dich vor ihr beschützen - lass' es bleiben. Du verletzt damit jemanden sehr empfindlich, und ich bin mir sehr sicher, dass Du selbst das nicht wollen würdest. Und wenn Du mir das nicht glauben willst, dann warte ab, bis Du in die achte Klasse kommst und sich die Fronten tauschen. Oder schau Dir den Film Flatliners (1990) an, dann erlebst Du, wie sich so etwas später rächen kann. Nimm' das Original, nicht die Neuverfilmung, auch wenn Ellen Page da mitspielt. What the fuck, Du interessierst Dich ja noch gar nicht für Filme!

Irgendwann fangen sie alle an, Alkohol zu trinken. Das beginnt mit Bier, endet dort aber längst nicht - hallo? Herzlich willkommen in Dithmarschen, hier wird man mit einer Buddel Korn in der Hand geboren. Dir werden betrunkene Menschen wahrscheinlich auf die Nerven gehen, erst recht auf Klassenfahrten, wenn Du davor nicht weglaufen kannst. Wie wäre es denn, wenn Du das alles einfach mal ein bisschen lockerer siehst? Nicht in einen "Auf gar keinen Fall Alkohol"-Krampf fallen, denn es wird Deine Mitmenschen, Familie und Freunde zwar immer wieder erstaunen, dass Du nicht einmal zum Abitur und Führerschein mit Sekt anstößt, und daraus leitest Du dir ein starkes Rückgrat ab (und nach dem Mobbing in der Mittelstufe kannst Du das gut gebrauchen; ja, Du wirst gemobbt, und seien wir mal ehrlich, nach der KS-Geschichte hast Du dir das auch verdient, mal die andere Seite vom Mobbing zu erleben), aber wie wäre es einfach mal, das Leben ein bisschen zu genießen, anstatt immer nur auf irgendwas in der Zukunft zu warten? Man nennt solche Sachen nicht ohne Grund Genussmittel. Und hör auf, in Bandwurmsätzen zu schreiben, nur so am Rande, denn das wirst Du dir sonst niemals abgewöhnen können.

Ach ja, Sex. Du wirst merken, wie um Dich herum plötzlich jeder mit jedem in's Bett steigt - natürlich nur Jungs mit Mädchen, denn wir sind in Dithmarschen, und etwas Anderes ist dort einfach nicht zulässig. Aufklärung braucht Zeit. Ist vielleicht keine blöde Idee, mit Deinem Outing noch ein Weilchen zu warten, nur solltest Du dir dafür keine Vorwürfe machen, und nicht irgendwelche Gedanken von "Ich habe keinen Sex, was mache ich falsch?" - alles ganz entspannt, irgendwann wirst Du Dithmarschen und die Neunziger verlassen und an eine Universität gehen, an der Vielfalt gelebt wird.

Vielfalt gibt es übrigens auch in Berufen. Du musst nicht Lehrer werden wollen, nur weil sich das quer durch Deine Familie zieht. Vielleicht studierst Du ja etwas völlig Anderes? Und falls Du doch Lehrer werden möchtest, dann auf keinen Fall Latein. Wobei... ich habe das falsch formuliert. Lass' Dir nicht einreden, mit Latein wäre es später ein Kinderspiel, an eine feste Stelle zu kommen. Ganz im Gegenteil, Latein wird ein Hemmschuh, ein Klotz am Bein, der Dir Wege in andere Schulformen versperrt. Latein wird Dich arbeitslos machen. Als Gegenleistung lernst Du in diesem Studienfach wirkliche Freaks kennen, Menschen wie Dich, und Du musst abwägen, ob es das wert ist. Ob Du erleben möchtest, dass Nerdsein okay ist.

Und wo ich schon bei Gedanken bin, die schwachsinnig sind: Viele Leute werden immer und immer wieder sagen, Du sollst Dich in Ehrenämtern engagieren, das macht sich gut im Lebenslauf. Was für ein Unsinn, scheiß' auf's Ehrenamt, kostet nur Zeit. Kein Mensch von Bedeutung in Sachen Jobsuche wird jemals der Auflistung von Ehrenämtern in Deinem Lebenslauf Gewicht zumessen. Es ist viel wichtiger, dass Du gut gekleidet bist. Scheiß' auf den Idealismus "Menschen nach inneren Werten beurteilen", so funktioniert die Welt einfach nicht. Es sei denn, Deine persönliche Entwicklung ist Dir wichtig: Dann bleibe dabei. Denn die diversen Ehrenämter werden Dich persönlich bereichern. Du wirst Menschen aus anderen sozialen, kulturellen, universitären Kreisen kennenlernen, Du wirst Deinen Horizont erweitern, und Du wirst irgendwann das tolle Gefühl erleben dürfen, Deinen Mitmenschen geholfen zu haben. Wenn Dir das etwas bedeutet.

Deine Entscheidung. Denk' drüber nach!

Verschmitzte Grüße aus einer Weltraumbasis aus der Zukunft,

Ich a.k.a. Du

Freitag, 20. September 2019

Auf die Straße!


Bushaltestelle Diesterwegstraße,

20 Menschen warten auf den Bus, der in 3 Minuten kommt... 

30 Menschen warten auf den Bus, der in 2 Minuten kommt...

50 Menschen warten auf den Bus, der in 4 (?) Minuten kommt...

70 Menschen versuchen, in 2 bereits überfüllte Busse einzusteigen.

Herzlich Willkommen auf dem Weg zur Fridays For Future-Demo!

In meinem Studium bin ich mehrfach auf die Straße gegangen für die Rechte meiner Kommilitonen - egal, ob es um Inklusionsfragen, Studiengebühren oder die Abschaffung der MedFak in Lübeck ging, und vollkommen egal, ob wir vierhundert oder achthundert Demonstranten waren, oder aber zwölftausend. Für mich war das nie eine Frage, erst recht nicht, seitdem Dr. Jens-Peter Becker damals in der Studienberatung am Englischen Seminar uns Erstis dazu aufgerufen hat, den Arsch hochzubekommen für unsere Rechte, und die oftmals armselige Beteiligung bei den Universitätswahlen hat die Notwendigkeit solcher Aufrufe unterstrichen.

Seit einigen Monaten gehen weltweit Menschen der Fridays For Future-Bewegung auf die Straße, mit Greta Thunberg als Gallionsfigur, quasi, seitdem sie mit ihrem Skolstrejk för Klimatet-Schild ihren Freitagsunterricht bestreikt hat. Heute war weltweit zur dritten großen Aktion aufgerufen worden, und ich habe lang genug zuhause herumgesessen. War einfach mal wieder Zeit, den Verkehr zu blockieren, und endlich mal den Menschen in die Augen zu schauen, deren Zukunft wir verbraten. Mal Position zu beziehen.

Was mich begeistert hat, war die Vielfalt der Demonstranten. Da geht vor mir ein fünfjähriges Mädchen vorbei, bitterböser Blick, und um ihren Hals hängt ein großes Schild "Kohleausstieg SOFORT!", und ich kann mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Links neben mir stehen zwei Rentner mit einem Schild "Opas & Omas For Future", und rechts radelt eine ältere Dame mit einem "Omas gegen rechts!"-Schild am Gepäckträger. Alle Altersstufen sind vertreten, alle sexuellen Orientierungen, diverse Behinderungen, unterschiedlichste Outfits, was mir zeigt, dass diese Sache dann doch etwas größer ist, als dass man die Demonstranten in Schubladen stecken könnte.

"Ne, ich gehe da nicht hin, das bewirkt doch eh' nix", diesen Satz habe ich schon damals im Studium regelmäßig gehört, wenn ich Kommilitonen zum Demonstrieren überrreden wollte. Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber ich gehe nicht auf eine Demo, um etwas zu ändern. Dafür sollte ich lieber mal meinen Lifestyle überarbeiten. Ich gehe hin, um sichtbar zu sein. Ich möchte zeigen, dass ich ein Mensch bin, der sich Sorgen um unseren Planeten macht. Ich möchte diese Sorgen nicht heimlich in mich reinfressen. Wir müssen zeigen, dass wir da sind - "Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Zukunft klaut!" - diesen Slogan hatten wir auch damals an der Uni und haben einfach statt Zukunft den Begriff Bildung verwendet. "Leistet Widerstand - gegen Kohle, Öl und Gas im Land!" - genau den Spruch hatten wir damals auch, in leicht abgewandelter Form. Sind halt Demoklassiker.

Aber... soooo laut waren wir heute gar nicht, und das hat mich tatsächlich etwas irritiert. In meinen letzten Demos war immer hier und da ein Truck, der die Meute mit Musik versorgte; heute waren noch nicht einmal Trillerpfeifen da, und falls doch, dann wesentlich leiser, als sie hätten sein sollen. Immerhin: Die Spitze des Umzugs bildeten etwa vierzig Fünftklässler, mit einem hübschen Transparent und einem Einpeitscher mit Flüstertüte, der die Kleinen zum lautstarken Demonstrieren ermunterte.

Trotzdem war es schön, wieder einmal Menschen in Autos den Weg zu versperren - wie passend - und ich hoffe, dass heute weltweit Millionen Menschen auf die Straße gegangen sind. Schauen wir gleich mal in die tagesschau.

Mittwoch, 18. September 2019

Besuch bei'm Psychiater


Ich bin wirklich stolz auf meinen Hausarzt, Dr.Andreas Britz in Kronshagen, zu dem ich seit sechzehn Jahren gehe. Ich weiß, ich habe dort oft lange Wartezeiten, aber das liegt daran, dass er sich wirklich Zeit für jeden Patienten nimmt und sehr gut zuhört. Langsam kommt Dr.Britz in die Jahre, und mir schwant, dass ich irgendwann einen neuen Hausarzt werde finden müssen - und davor habe ich ein bisschen Angst, denn es könnte ein unangenehmer Arztbesuch werden, wenn ich keinen guten Arzt finde.

Ich habe im letzten Jahr einmal über solch' ein Erlebnis geschrieben; damals ging es um meine sehr negative Erfahrung mit der Praxis Dr.Müller-Steinmann in Kiel am Alten Markt. Heute kann ich ein neues Kapitel hinzufügen, und ich brauche da auch keine anonymisierten Namen, denn ich möchte diese Erfahrung teilen - genau wie auch zahlreiche andere Patienten ihre negativen Erfahrungen mit Dr.Claudia Baisch (CB) in Kiel gemacht haben. Transaktionsanalytiker hätten gut zu tun mit unserem Patientengespräch, denn es war voller gekreuzter und verdeckter Transaktionen - kurz, voll von Kommunikationshürden, und von einem Gespräch auf Augenhöhe keine Spur.

Und dabei hatte ich doch vor Kurzem noch geschrieben, wie positiv gespannt ich auf diesen Termin war; ich hatte die ganzen negativen Rezensionen gelesen (es sind wirklich sehr viele), aber hatte mir gedacht, dass Dr.Baisch vielleicht auch hochbegabt ist und manche Menschen sie deswegen als empathielos, uninteressiert, herablassend, misstrauisch und gemein bezeichnen. Jetzt kommt mir der Verdacht, dass sie vielleicht einfach empathielos, uninteressiert, herablassend, misstrauisch und gemein ist. Aber ich fange vorn an. Ich versuche, den Arztbesuch so gut wie möglich aus dem Gedächtnis niederzuschreiben.

Ich hatte ja nur eine Hausnummer, irgendwo in der Holtenauer Straße, und bin dann am späten Nachmittag in den Bus gesprungen. Ich hatte zur Sicherheit meinen Psych-Ordner und mein EGO-Buch in den Rucksack eingepackt, falls sie fragen sollte, was für Probleme denn so in meinem Alltag bestehen. Und Jack Finneys The Body Snatchers war auch mit dabei, ich war kurz vor dem Schluss.

Während der Fahrt hatte ich noch überlegt, ob ich CB fragen soll, ob sie hochbegabt ist - als sie mir dann die Tür zu ihrer Praxis geöffnet hat, war mir klar, dass ich das nicht machen werde. Ich kann nicht genau festmachen, woran das lag, vielleicht dachte ich, sie wäre jünger, nicht Ende Fünfzig, Anfang Sechzig. Gehen wir direkt zum Gespräch über.

DrH: "(...) Ich habe bereits einen Termin im ZIP Lübeck Ende Januar..."
CB: "Gut!"
DrH: "...und ich brauche dafür eine Überweisung von einem Facharzt."
CB: "Wann ist ihr Termin?"
DrH: "Siebenundzwanzigster Januar Zwanzigzwanzig."
CB: "Wieso das denn, warum denn erst so spät?"

[KOPF Sollte sie nicht eigentlich wissen, dass es nicht leicht ist, Termine im Bereich Psychotherapie zu bekommen?]

DrH: "Früher war kein Termin zu bekommen."

Dann hat sie mich gefragt, was ich denn so für Probleme im Alltag habe. Ich habe das kleine Büchlein aus der Tasche geholt und den ersten Punkt aus dem Abschnitt "Probleme" - Essenvergessen - vorgelesen.

CB: "Stecken sie das Buch bitte wieder in die Tasche, ich möchte nicht, dass sie mir etwas vorlesen, sondern dass sie mir aus ihrem Leben erzählen."

[KOPF Okay, ähm, ein bisschen vor den Kopf gestoßen, aber ich kann das nachvollziehen, ich könnte mir ja alles Mögliche vorher schriftlich zurechtgelegt haben, was vielleicht nicht der Wahrheit entspricht, und die Ärztin möchte sicher eine authentische Beschreibung haben. Na gut.]

Also erzähle ich ihr von meinen Verhaltensauffälligkeiten während meiner Schulzeit, Probleme mit Autorität, Probleme, mich in ein soziales Gefüge einzuordnen usw., und ich erzähle ihr von dem ausschlaggebenden Ereignis, meiner Quasi-Kündigung am BBZ Plön. Ich erzähle ihr von den Problemen, die mit meinen Vorgesetzten auftauchen, während ich mit meinen Schülern generell gut klarkomme.

CB: "Was machen sie denn da?"
DrH: "Wie meinen sie das?"
CB: "Naja, welche Aufgabe übernehmen sie an der Schule?"
DrH: "Ach so, ich bin Lehrer."
CB: "Und sie haben zur Zeit also Probleme an der Schule, beschreiben sie die mal."
DrH: "Nein, wie gesagt, ich bin arbeitslos, weil meine Verhaltensauffälligkeiten dazu geführt haben, dass man meine Tätigkeit einer "unproblematischeren" Lehrkraft übertragen hat."

Das Gespräch plätschert etwas weiter vor sich hin, bis schließlich:

CB: "Warum ist denn damals niemand mit ihnen zu einem Schulpychologen gegangen?"
DrH: "Das kann ich ihnen nicht beantworten, vielleicht hängt das damit zusammen, dass ich alle Aufgaben, die mir gestellt wurden, irgendwie bewältigen konnte. Meine Mutter hat gesagt: "Du hast das immer alles irgendwie geschafft." - und das kann mit einer möglichen Hochbegabung zusammenhängen."
CB: "Wie kommen sie darauf, dass sie hochbegabt sind?"

Und ich erzähle ihr die Anekdote von dem Modul über Besondere Lernausgangslagen im Referendariat, in dem es auch um HB ging und ich erschreckend viele Übereinstimmungen gefunden habe.

CB: "Haben sie denn mal einen Test gemacht?"
DrH: "Nein, nichts Offizielles, aber ich habe ein Abitur mit 1,5, ich habe im Stud..."
CB unterbricht: "Ach, ich habe neulich erst gelesen, dass das Abitur mittlerweile inflationär herausgegeben wird."

[KOPF WTF?! Gedankenzüge entgleisen, was ist denn das für eine Aussage? Will sie mir meine intellektuelle Begabung in Abrede stellen? Wie soll ich denn darauf reagieren??? Vielleicht sollte ich ihr klar machen, dass mein Abitur lange zurück liegt und damals von inflationär noch keine Rede war.]

DrH: "Wissen sie, wie alt ich bin?"
CB: "Ja klar." schaut auf ihren Bildschirm "Sechsunddreißig. Noch lange nicht so alt wie ich." und lacht

[KOPF WHAT??? Was passiert hier? Es fühlt sich an wie meine mündliche Examensprüfung in Englisch, die katastrophal gelaufen ist, es fühlt sich an, als redeten wir aneinander vorbei, als säße ich vor einem Erschießungskommando, als müsse diese Ärztin krampfhaft belegen, dass ich die Unwahrheit sage?]


DrH: "Naja, und auch im Studium habe ich Einser..."
CB winkt ab: "Ja, ist auch egal, was möchten sie denn nun erreichen?"

[KOPF WHAT?! Entschuldigen sie, dass ich versuche, mich zu erklären, was soll dieser Scheiß? Sorry, aber ab diesem Zeitpunkt ist für mich klar, dass es zwischen dieser Ärztin und mir keinerlei Vertrauensbasis gibt, und ich möchte hier nur noch weg und frage mich, warum ich hier überhaupt allein hingegangen bin, und habe Angst.]

DrH: "Ich möchte den Grund für meine Verhaltensauffälligkeiten herausfinden."
CB: "Warum?"
DrH: "Damit ich verstehe, wie es passieren konnte, dass ich meinen Job verloren habe. Ich möchte wissen, inwiefern ich anders bin."
CB: "Und dann?"
DrH: "Das verstehe ich nicht."
CB: "Naja, sie haben ja eine Reihe Probleme, und sie sollten mit einer Therapie da rangehen. Dafür müssen sie nicht bis Januar warten, das können sie auch schon vorher machen."
DrH schweigt.

Danach Formalitäten.


Fazit: Es war ein sehr unangenehmes Gespräch, von gemeinsamer Vertrauensbasis keine Spur - ich habe nicht das gesamte Gespräch wiedergegeben, sondern die Teile, die mich so verstört haben. Eine Erfahrung, die ich nicht durch allzu schnelle Wiederholung intensivieren möchte. Es kann doch nicht sein, dass ich die Praxis einer Psychiaterin verlasse mit Gedanken wie "Ich mache alles falsch." - "Ich bin nicht in Ordnung, wie ich bin." - "Ich bin unglaubwürdig." - "Ich habe Angst vor weiteren Arztbesuchen." - "Ich möchte das alles nur noch abbrechen." und ich stelle wieder einmal fest, dass ich nicht gut damit umgehen kann, wenn ich das Gefühl bekomme, man behandelt mich, als sei ich dumm und bilde mir eine besondere Begabung ein.

Das kann es doch nicht sein. Wie dem auch sei, Anfang November rufe ich dort nochmal an, lasse mir einen Termin für Januar geben, um eine quartalsgerechte Überweisung zu bekommen. Aber mit dieser Frau werde ich kein weiteres Wort mehr als nötig reden. Und ich habe wirklich Angst davor, was sie sich während unseres Gesprächs alles auf ihrem Computer notiert hat; ein Patient von ihr hat bei sanego einschlägige Erfahrungen geschildert hinsíchtlich eines Gutachtens, das ihn in einem unpassenden Licht dastehen lässt.

Ich muss Dr.Baisch fragen, ob ihre Notizen in irgendeiner Form dem ZIP in Lübeck zugehen, und wenn ja, dann kann ich nur hoffen, dass wir in Lübeck noch einmal bei Null anfangen können.

Absoluter Horror. Not OK.

post scriptum: Aber in Allem das Positive zu sehen versuchen: Mit "The Body Snatchers" bin ich jetztdurch und kann bald einen Artikel darüber schreiben.

Montag, 16. September 2019

Sich Zeit nehmen


vorweg: Eigentlich sollte hier heute ein ganz anderer Beitrag stehen, aber wie das nun mal so ist: Es gibt Blogideen, die in meinem Kopf zahlreiche Türen öffnen, und ich merke, dass ich überfordert bin und mehr Zeit für die ursprüngliche Idee brauche. Deswegen geht es heute darum, sich Zeit zu nehmen.

"...und gestern habe ich dann einfach mal alles zur Seite gelegt, Musik angemacht und dann eine Viertelstunde meditiert, und das hat richtig gut getan", erzählt sie mir, und ich freue mich, denn ich freue mich immer, wenn ich meine Mitmenschen anstecken kann. Und dann erinnere ich mich an den Moment, in dem mir bewusst geworden ist, wie so eine "richtige" Meditation überhaupt abläuft (richtig ist ein blödes Wort, denn es gibt keine falsche Meditation).

Das war vor ein paar Jahren, und ich hatte mir gerade ein kleines Büchlein bestellt, um mich weiterzubilden - Pema Chödröns Tonglen - und habe versucht, herauszufinden, wie die Buddhisten das denn so machen. Und dann sehe ich da, dass es Phasen vor und nach der Meditation selbst gibt, und ich sehe den Vorschlag "Zwanzig Minuten sitzen" - ich soll zwanzig Minuten sitzen, bevor ich meditiere? Ich dachte, das, was ich mache, ist Meditation - mit geschlossenen Augen liegen und meine Gedanken in Ordnung bringen. Dabei ist genau das eigentlich erst die Vorbereitung auf die Meditation.

Mittlerweile nehme ich mir für eine Meditation ungefähr eine Stunde Zeit; heute waren es anderthalb Stunden, und das war auch gut so, denn so konnte ich realisieren, dass der ursprünglich angedachte Blogeintrag mehr Zeit braucht. Es ist quasi eine Albumlänge (auch wenn die tiefe Meditation natürlich im Stillen erfolgen sollte), und die teilt sich in genau die drei Phasen ein, die Pema Chödrön vorschlägt.

I Den Weg bereiten

Ich brauche, nachdem ich mich hingelegt habe, erstmal eine Weile: Die aktuellen Gedanken des Tages schießen mir durch den Kopf, gerade erlebte Bilder spielen sich erneut ab, und entwirre mein Gedankenchaos erstmal, um zur Ruhe zu kommen. Das dauert tatsächlich ungefähr zwanzig Minuten; ich erkenne das daran, dass mein Körper irgendwann völlig "abgeschaltet" ist - ich bewege mich überhaupt nicht mehr, kein Kratzen, wenn irgendwo etwas juckt, kein Schlucken mehr, gar nichts. Es fühlt sich an, als ob mein Körper nach und nach einzementiert würde, aber es ist ein schönes Gefühl: Ich merke, dass meine aktuellen Tagesgedanken so weit sortiert sind, dass ich mich jetzt an die eigentliche Meditationstechnik mache - wie zum Beispieln Tonglen. Der Körper ist in meinem Bewusstsein überhaupt nicht mehr da, ich bin purer Geist.

II Im Koan

Jetzt gelingt mir das auch, denn die störenden Eindrücke des Kurzzeitgedächtnisses haben sich verzogen. Es ist ein tolles Gefühl, all' diese Gedanken abgearbeitet zu haben und "bereit" zu sein für ganz konkrete Fragen; manche nennen diesen Zustand Koan. "Ich befinde mich in meinem Koan", quasi, um mich herum eine Fragestellung, auf die ich Antworten zu finden hoffe. Das ist eine sehr konzentrierte Phase, und es fühlt sich für mich an, als ob meine Frage um meinen Kopf kreist und andere, damit verbundene Gedanken hinzukommen, wegdriften, wenn sie nicht passen, haften, wenn sie mich voranbringen. Manchmal ist einer dieser Gedanken so intensiv und relevant, dass ich ihm meine volle Aufmerksamkeit widme, und das kann dazu führen, dass ich von der Frage selbst abdrifte. Hin und wieder muss ich mich in dieser Phase daran erinnern, was ich eigentlich gerade denken möchte.

III Rückkehr

Durch ein akustisches Signal wird die Rückkehr eingeleitet, eine dritte Phase, in der der Geist wieder ganz in den Körper zurückkehrt. Natürlich könnte ich einfach abrupt aufstehen und "Fertig!" sagen. Aber es geht bei der Meditation gerade darum, sich Zeit zu nehmen, nicht so schnell wie möglich fertig zu werden, sondern das Leben etwas zu entschleunigen. Daher nutze ich diese Phase, um ein Körperteil nach dem anderen so langsam wie möglich wieder zu bewegen, es gibt ein "knisterndes" Gefühl auf der Haut (n.b.: Das "so langsam wie möglich"-Prinzip taucht zum Beispiel auch bei der Impro auf, Viola Spolin beschreibt Übungen, bei denen man alles anz langsam macht, um ein Bewusstsein und ein Gefühl für Zeit und Raum zu bekommen - hilft bei'm Schauspielern gegen overacting). Das dauert bei mir in etwa zehn Minuten.

Das akustische Signal ist in buddhistischen Klöstern eine Klangschale, die angeschlagen wird - damit werden die unterschiedlichen Phasen der Meditation gekennzeichnet. Da ich meinen Körper komplett ausgeschaltet habe, kann ich das nicht machen, sondern höre auf ein Signal in dem Musikalbum, das mich begleitet hat. Meine Meditationsalben kenne ich mittlerweile auswendig und weiß, wo mein Signal für die dritte Phase ist.

Und ich fühle mich danach unglaublich erfrischt, ausgeglichen und ruhig. Ich weiß, dass viele von Euch gar nicht die Zeit dazu haben, so etwas zu machen. Soll ja auch keine Aufforderung sein, jetzt unbedingt mit Meditationen anzufangen ;-)

post scriptum: Neues aus dem Arbeitsamt, ich war heute zum ersten Lagegespräch und das war sehr angenehm, wir haben uns darauf geeinigt, dass jetzt erstmal Warten angesagt ist - zum Beispiel auf den morgigen Besuch bei Dr. Dampf.

Samstag, 14. September 2019

Das EGO-Buch


Das lateinische Wort ego bedeutet "ich" - Ihr wisst das. Sehr viele Menschen wissen das. Und trotzdem könnte man dieses kleine schwarze Buch oben im Bild als ein Zeichen von Arroganz oder Überheblichkeit deuten. Ich kenne da jemanden in Husum, der das definitiv so sehen würde. Dabei hat das Buch mit Arroganz überhaupt nichts zu tun.

In ein paar Monaten steht mein Vorgespräch in der Psychiatrie des UKSH-Campus in Lübeck an. Meine Hauaufgabe bis dahin besteht darin, so viele Berichte wie nur möglich zu sammeln, die Verhaltensauffälligkeiten bei mir bescheinigen. Über die Zeugnisse hatte ich bereits geschrieben; jetzt brauche ich andere Menschen, die über mich berichten können, und so schicke ich kleine Notizbücher an meine Eltern, meine Tante und an die Sannitanic, die große Buba hat ihres schon, mit der Bitte, bis zum Ende des Jahres alles aufzuschreiben, was ihnen an Verhaltensauffälligkeiten meinerseits einfällt.

Und auch ich selbst kann diese Auffälligkeiten bei mir feststellen, wobei aus ärztlicher Sicht Fremdbeurteilungen wohl aussagekräftiger sind. Und wenn es auch nur dazu da ist, mich daran zu erinnern, dass ich tatsächlich anders bin: Ich schreibe in diesem Buch alles auf, was mir zu mir selbst einfällt, und ich unterteile es in drei Kategorien.


Die Ticks sind harmlose kleine Sachen, die niemandem schaden, die einfach nur ungewöhnlich sind, und das muss meistens noch nicht einmal etwas mit einer möglichen Form von Autismus zu tun haben. Ein Beispiel dafür: Wenn ich die Lautstärke an meinem Soundsystem verstelle, muss der Wert immer durch Zwei teilbar sein. Lautstärke Acht ist mir zu leise? Dann wechsle ich auf Zehn - bloß nicht auf Neun oder Elf. Das fühlt sich dann "schief" an. Und ich weiß, dass irgendwo da draußen ein hochbegabter ehemaliger Schüler von mir sitzt, der das auch hat, aber bei ihm muss die Lautstärke immer durch Fünf teilbar sein.


Die Probleme sind dann Sachen, die sich wirklich negativ auf mein Leben auswirken. Der Klassiker ist das Essenvergessen, dazu muss ich nichts weiter sagen, und es gibt bisher neun weitere Problemsituationen.


Der interessanteste Abschnitt für die Ärzte dürfte dann aber das Kapitel Vorfälle sein, in dem ich ganz konkrete Ereignisse aufschreibe - wie zum Beispiel den Tag, an dem ich im Freizeitpark einen Kreislaufkollaps hatte, oder die schulischen Vorfälle der letzten Jahre.

Wenngleich es für die Diagnose nachher nicht so relevant sein mag, so ist das EGO-Buch für mich wie ein kleiner Spiegel, der mich daran erinnert: So bin ich.

Freitag, 13. September 2019

Freitag, der POMMzehnte

It's your day, honey! (haddhi) (Hüsch) (Adhettedhitthert)

RRRRUMMMMSSSSSS!!!!




WWWWUUMMMSSSSSSS!!!!!!




P----HHHHHH----UMMMMMMSSSSSS!!!!!!




In langsamen, regelmäßigen Abständen, bebt die Erde, die Erschütterungen gehen durch Mark und Bein. Was ist das? Ich kenne das ja, wenn ein Kran unten über die Kreuzung fährt, dann wackelt das ganze Haus ein wenig - aber das kontinuierliche Stampfen ist wesentlich intensiver. Ich schaue aus dem Fenster, kann aber nichts sehen. Da fällt mir ein rotes Kreuz in meinem Kalender auf - der heutige Tag ist auffällig markiert, und jemand hat darunter etwas gemalt... eine Titte? ein Spülbecken? eine auslaufende Teigschüssel? Warum ist dieser Tag markiert?

Das verunsichert mich nun doch ein bisschen. Gestern bei der tagesschau war es schon etwas befremdlich, als Judeath Rakers am Ende fröhlich lächelnd in die Kamera sagte: "Und nun die Wettervorhersage für Morgenfreitag, den pommzehnten Septembah." Die Nachrichten! Natürlich, irgendwas werden sie darüber bringen, also schalte ich den Fernseher ein. Heute führt Susaddhe Dhaubdha durch die Neuigkeiten, und es wird ein Luftbild von Schleswig-Holstein eingeblendet - oh mein Gott!

"Eine Schneise der Zerstörung zieht sich quer durch das nördlichste Bundesland, beginnend bei Pellworm, und ein Ende scheint nicht in Sicht zu sein. Die Erde bebt, Gebäude fallen wie Kartenhäuser zusammen. Vor Ort ist jetzt Haddhi Hüsch und kocht einen Pudding für einen Vertreter des Militärs. Haddhi?"

"Baddhi! Wie wir erfahren, scheint ein Ungeheuer von gewaltigen Ausmaßen Richtung Kiel zu wabern, wir wissen nicht, was in Pellworm passiert ist, was dieses Ungeheuer aufgeweckt hat, aber es gibt einen erschreckenden Zusammenhang zu den Zimtsternen, die seit dieser Woche im Kieler nahkauf im Angebot sind. Augenzeugen berichten, es handele sich bei dem Monster um ein Riesenbaby, andere beschreiben es wie Godzilla - was auch immer es ist, es trampelt sich unaufhaltbar bis nach Kiel. Daten sind zerstört."

WWWUUMMMMMMSSSSSSSSSS!!!!

Und ich sehe im Augenwinkel, wie am Horizont etwas Gewaltiges auftaucht. Susaddhe Dhaubdha erzählt mir vom missglückten Plan des Militärs, das Monster mit King Kong aufzuhalten - Hollywood hat die Kreatur zwar prompt geliefert, direkt in den Weg des Riesenbabys, aber Augenzeugen beschrieben die Reaktion als unbeeindruckt. "Verzieh' dich, oder es kracht, du dumme TÖÖÖÖÖHHHWE" soll das Baby gesagt haben und King Kong dann einfach mit einem Tritt direkt nach Hollywood zurückbefördert haben.

Doch plötzlich hat das Stampfen ein Ende. Ist das Riesenbaby besiegt worden? Ein neues Geräusch kommt, es pladdert am Fenster - Regen? Jetzt??? Ich ziehe die Rollos hoch und die grausame Wahrheit offenbart sich mir: Mitten auf der Kreuzung vor meinem Haus steht eine Riesen-Heul-Knuddelpuppe, versucht mit wabernden Armen das Gleichgewicht zu halten und brüllt MA................MA und aus ihren Augen schießen die Tränen an mein Fenster. MA........ und dann sehe ich die Hubschrauber ........MA.

Das Militär versucht es jetzt aus der Luft, aber warum? Jetzt erst erkenne ich, dass der Kopf der Riesenheulknuddelpuppe eine Art Kontrollstation zu sein scheint - da sitzt jemand drin und kontrolliert das teufwische Spielzeug. Und dann schießen die Hubschrauber Raketen in die Ohren der Puppe - was passiert nun? Keine Explosionen, nein, stattdessen entwickelt sich Rauch in der Heul-Kontrollstation... versuchen sie etwa, den Bösewicht mit Tränengas herauszutreiben??? Für diesen Fehwer werden sie mit ihrem... WEHben beZAHwen!

Über die Puppenlautsprecher döhnt Schluchzen, und dann ein aggressives "So it's tears you want?" - und die Augen klappen auf wie Fluttore, Milliarden Liter Wasser schießen in alle Richtungen, während die Puppe weitertaumelt, und langsam steigt das Wasser an - es dauert nicht lange, da steht bereits die Bushaltestelle unter Wasser. Bald hat es meine Wohnung erreicht... doch da hört die Riesenheulknuddelpuppe auf zu weinen. Es wird still.

Dann beginnt ihr Kopf, sich langsam um die eigene Achse zu drehen, Exorcist reloaded, immer schneller dreht sich der Kopf und schraubt sich damit quasi vom Puppenkörper ab. Mit einem TSCHIIIIIII-PUMMMMMMM dramatische Handbewegungen dazu fliegt der Kopf hoch durch die Luft und landet auf dem Wasser. Wie ein Boot gleitet der Kopf dahin - in meine Richtung.

Oh mein Gott, es will mich fressen! Teigen! Spülen! Klötern! Und hilflos sehe ich mit an, wie der Kopf auf meine Wohnung zu fährt. Doch... nein! Ich kenne die Person, die da angewabbert kommt - und ich fange an zu strahlen, halte meine Ame offen mit einer Lütticher Waffel in jeder Hand und freue mich auf das Wiedersehen.

Alles Liebe zum Geburtstag, die große Buba!
Ich kann mir leider momentan kein richtiges Geschenk leisten - deswegen bekommst Du diese Geschichte. Let's poter!

post scriptum: Danke, Darkwing Duck! Und ja, ich weiß, dass diese ganzen Katastrophengeschichten irgendwann ausgelutscht sind. Bear with me. Ich versuche ja auch, ernsthaftere Geschichten zu schreiben, wie zum Beispiel "Der Wiederholer".

Donnerstag, 12. September 2019

Wow. Beeindruckt.

Ziel. Weg: steinig.

vorweg: Huchherrje, vier Beiträge gleichzeitig in Arbeit, das ist anstrengend - nicht, dass ich einen davon aus dem Blick verliere. Aber manchmal strömen die Ideen von unterschiedlichsten Seiten heran - und das scheint nicht ungewöhnlich zu sein: Als ich zum Tee bei Jay war, der ebenfalls einen (weitaus wissenschaftlicheren und literarisch anspruchsvolleren) Blog führt, habe ich gesehen, dass er ebenfalls mindestens vier Textfenster geöffnet und Beiträge angefangen hatte.

Na toll. Heute kommen zwei Briefe von der Agentur für Arbeit (AA) hier an. Im ersten liegt die Benachrichtigung, dass mein Gesprächstermin von heute auf kommenden Montag verlegt wird. Das wollte man mir schon gestern mitteilen, aber ich gehe ja nicht an's Telefon, dafür trage ich also die Verantwortung. Und im zweiten Umschlag befindet sich der Entscheid über meinen Antrag auf Arbeitslosengeld (ALG).

Und ich muss zugeben, ich bin überrascht. Hatte ich mich doch gerade erst darüber aufgebracht, dass das Ausstellen einer Arbeitsbescheinigung für Lehrer in SH Wochen dauern kann, so ist die Timeline in Sachen ALG absolut vorbildlich:

14.08.: Online-Antrag auf ALG gestellt
15.08.: Arbeitsbescheinigung bei'm DLZP und MBK angefordert
...
07.09. (Sa): Arbeitsbescheinigung erhalten und bei der AA hochgeladen.
09.09. (Mo): Entscheidung wird gefällt
11.09. (Mi): Ich habe Post und die erste Überweisung des ALG auf dem Konto

Ich finde es richtig toll, dass die Bearbeitung im AA so schnell abgewickelt wurde. Und das kleine Extra an dieser Geschichte liegt im Detail:

Wer von Euch schon einmal ALG beantragen musste, weiß vielleicht, dass man sich rechtzeitig (drei Monate) vor der Arbeitslosigkeit arbeitssuchend melden muss. Wenn man diese Frist versäumt, entsteht eine Sperrfrist - die ersten sieben bis zehn Tage des ALG werden dann ersatzlos gestrichen. Das ist bei mir jedesmal der Fall gewesen, weil ich... naja. Ich bin überfordert mit Bürokratie, erst recht, wenn ich verarbeiten muss, dass ich gerade vor die Tür gesetzt worden bin. Oder dass eine Lehrprobe ansteht, die über meine Weiterbeschäftigung entscheiden wird.

So fehlte mir also jeweils ein Drittel bzw. Viertel des ersten ALG-Monats. Man hat eine Gelegenheit, eine Stellungnahme bei verspäteter Arbeitssuchend-Meldung anzugeben, in Textform im Antragsformular, aber mir ist nie etwas Besseres eingefallen als "Ich habe nicht daran gedacht." - und genau das habe ich auch diesmal angegeben, allerdings etwas ausführlicher:

"Bei mir besteht der Verdacht auf eine geistige Behinderung (das Asperger-Syndrom), allerdings beginnt der Diagnoseprozess erst jetzt. Mein erster Termin in der Psychiatrie des UKSH Lübeck liegt am XY 2020, früher ließ sich leider kein Termin bekommen.

Autismus (bzw. das AS) kann bewirken, dass ich - wenn mich eine Sache sehr beschäftigt - um mich herum nichts mehr mitbekomme; dabei vergesse ich auch notwendige Aktionen wie Essen und Trinken. Mir war selbstverständlich bewusst, dass der Termin für meine arbeitssuchend-Meldung am 30.04.2019 lag, allerdings hatte ich mich darauf konzentriert, alles für einen neuen Vertrag an meiner Schule zu tun. Als mir dann Ende Juni mitgeteilt wurde, dass ich die Schule verlassen werde, hat das den Wunsch nach einer psychiatrischen Untersuchung ausgelöst, denn mein Leben lang habe ich im Alltag unterschiedliche Probleme gehabt (wie zum Beispiel fristgerechte Arbeitslosmeldungen, wie Sie meiner Akte entnehmen können).

Da momentan noch kein Gutachten über meine Behinderung vorliegt, wird dieses Argument nicht zählen, und natürlich nehme ich dann die Sperrfrist in Kauf. Ich wollte nur, dass Sie einen Eindruck dafür bekommen, warum es für mich schwierig ist, bürokratische Abläufe ohne Hilfe zu übernehmen.

Herzliche Grüße,
Dr Hilarius"

Und nun liegt hier der Bewiligungsbescheid über das ALG - ohne Sperrfrist. Ich bekomme den vollen Betrag ausgezahlt.

Und für mich fühlt es sich zum ersten Mal seit sehr langer Zeit so an, als ob mir eine Behörde zu verstehen gibt, dass ich OK bin, dass ich nichts für diesen zerstreuten Kopf kann, dass - womöglich - eine Behinderung vorliegt und ich damit auch gewisse Anrechte habe. Und das fühlt sich nach dem Schlag in's Gesicht seitens des Berufsbildungszentrums Plön sehr fürsorglich? beruhigend? verständnisvoll? akzeptierend? an.

Ich bin beeindruckt.

post scriptum: Made my day.

Montag, 9. September 2019

Wie Vorfreude entsteht


Heute habe ich einen Termin bekommen für die Praxis von Dr. Dampf, der natürlich nicht so heißt und vielleicht noch nicht einmal männlich oder menschlich ist. Ich brauche den Termin bei Dampf, um eine Überweisung an die Lübecker Psychiatrie zu bekommen, die sich um die Erwachsenendiagnostik bei Autismus/Asperger-Syndrom kümmert. Insofern ist es ganz gut, dass ich morgen in einer Woche bereits bei Dr. Dampf antanzen kann.

Natürlich nutze ich Google, um vorher etwas über Dr. Dampf zu erfahren, nur so ein paar Attribute, nur ein erster Überblick, und da leuchten mir rote Zahlen entgegen. Miese Bewertungen, zahlreich, sowohl bei jameda als auch bei sanego. Die interessieren mich immer viel mehr als die positiven Bewertungen, das ist bei Amazon genauso. Jeder kann eine positive Bewertung in Auftrag geben, aber bei negativen Kommentaren steckt manchmal auch sachliche Kritik dahinter.

Und so lese ich die Berichte der Patienten, die total erschrocken von Dr. Dampf sind, geradezu schockiert, so kann man doch nicht mit Patienten umgehen, erst recht nicht als Psychiater! Und was ist es, was die Menschen so sehr an Dr. Dampf stört? Ich wühle mich durch die aufgebrachten Berichte, teils zensiert, teils in all caps, und sammele in meinem Kopf ein psychologisches Profil von Dr. Dampf zusammen - und plötzlich werde ich aufmerksam, fange an zu grinsen.

Immer wieder heißt es, Dampf sei empathielos, würde sich überhaupt nicht in sein Gegenüber hineinversetzen. Ebenfalls hochfrequent ist der Vorwurf, Dampf zeige Arroganz, spreche auf eine besserwisserische Art, herablassend, geradezu. Mein Grinsen wird immer breiter, und als ich dann in mehreren Bewertungen die Beschwerde sehe, dass Dampf "überaupt keinen Augenkontakt" herstelle, muss ich laut lachen, meine Mundwinkel vom linken bis zum rechten Ohr gestreckt. Das dürfte spannend werden.

Denn genau dasselbe kann man über mich sagen. Ich bin besserwisserisch, wirke arrogant, schaue woanders hin, wenn ich mit Menschen rede, habe Empathieschwierigkeiten... wer weiß, vielleicht ist Dr. Dampf ja ebenfalls hochbegabt, und wer weiß, vielleicht könnte das eine ganz unterhaltsame Episode werden. Ich freue mich jedenfalls darauf!

Sonntag, 8. September 2019

Arbeitslosengeld

Ich  H A S S E  Behörden!

Mittlerweise kann man ja fast alles online erledigen, die Steuererklärung, die Bankgeschäfte, Unterricht geben, bald schlafen wir auch nur noch im Internet. Das hat Vorteile, immerhin muss ich nicht für jede Kleinigkeit den Weg zu jeweiligen Behörde aufnehmen.

Es ist jetzt das dritte Mal, dass ich Arbeitslosengeld beantrage, und während die letzten beiden Anträge noch ganz klassisch in Papierform ausgefüllt wurden, mit der netten Hilfe eines Mitarbeiters der Agentur für Arbeit, so habe ich Mitte August zum ersten Mal einen Onlineantrag auf Arbeitslosengeld (ALG I) bearbeitet und abgesendet.

Fünfzehnter August, um genau zu sein. Ganz ohne Papierkram ging es dann aber doch nicht: Ich musste meinen letzten Arbeitsvertrag einscannen und hochladen, und dann braucht man ja auch noch diese Arbeitsbescheinigung. Das ist eine Kleinigkeit, ein vierseitiges Formular, auf dem der letzte Arbeitsgeber die Beschäftigung der letzten zwölf Monate (und auch der letzten fünf Jahre) sowie deren Bezahlung bescheinigt, weil sich auf dieser Grundlage die Höhe des ALG berechnet.

Das geht schnell, man geht zu seinem Arbeitgeber, oder sendet ihm das per Post zu, und selbst diese Arbeitsbescheinigung kann mittlerweile in einem Online-System gemacht werden, viele Betriebe nutzen diese Möglichkeit auch. Nicht so das Land Schleswig-Holstein, dort macht man das alles noch klassisch. Was bedeutet das für einen Lehrer?

Zuerst sendet man das Formular per Post an das Dienstleistungszentrum Personal (DLZP). Dort füllt der jeweilige Sachbearbeiter einen Teil des Formulars aus. Dann schickt er das Ganze weiter an das Ministerium für Bildungblabla, wo der nächste Sachbearbeiter das Formular vervollständigt, und dann wird mir die Arbeitsbescheinigung wieder zugesendet, damit ich sie einscannen und zum Online-Antrag hinzufügen kann. Man sollte insgesamt vier, fünf Tage dafür einberechnen.

Oder aber drei Wochen. am 15.08. ging das Teil an das DLWP, dort wurde es am 20.08. bearbeitet, danach habe ich nichts mehr davon gehört, auch nach mehreren Telefonaten nicht, doch gestern ist dann endlich ein Brief gekommen - das Ministerium hat das Formular am 05.09. bearbeitet.

Es ist ja schön und gut, dass diese bescheuerte Arbeitsbescheinigung etwas länger dauert. Wenn mir sowieso jede einzelne Behörde den Marsch bläst, dass ich alles so schnell wie möglich (bzgl. Arbeitsbescheinigung "innerhalb von drei Tagen") zu erledigen habe - wie kann es dann sein, dass es sechzehn Tage dauert, diesen verdammten Brief weiterzusenden?

Ist ja nicht so, dass ich auf das Geld angewiesen bin.

Ach ja. Bin ich ja doch. Miete, Telefon, Wasser, Strom, Benzin, Unterhalt, es gibt da ein paar Sachen, die finanziert werden wollen, und dann sind dreieinhalb Wochen für ein einziges Formular zur Weiterbearbeitung des ALG-Antrages einfach nur zum Kotzen. Und ich würde es ja auch verstehen, wenn es sich dabei "um einen bedauerlichen Einzelfall" handelte, aber bei allen drei bisherigen Arbeitslosengeld-Anträgen musste ich zwischen drei und fünf Wochen auf das Formular A38 warten.

Also, liebe Leute: Wenn Ihr Lehrkraft in Schleswig-Holstein seid, dann werdet besser nicht arbeitslos!

Samstag, 7. September 2019

Das Ohr

Viel Drama, nur im eigenen Kopf.

Heute gibt es ein neues Kapitel zum Buddhismus, wobei der regelmäßige Leser des Blogs die Lehre schon längst kennen wird.

Gehen wir einige Jahre zurück, fünfzehn Jahre etwa, ich war Student, ein frischgebackener Twen. Und ein Tag wie jeder andere, abends noch eben duschen, war ein langer Tag. Wie passend: Ich dusche eher abends, Conny eher morgens, perfektes WG-Timing. Unter der Dusche spüle ich auch immer gründlich meine Ohren aus, denn ich habe ja gelernt, nicht mit Q-Tips ranzugehen (die Teile haben im Ohr nichts zu suchen, außer vielleicht außen in der Ohrmuschel - sonst drückt man den Dreck nur noch tiefer in den Gehörgang).

Alles erledigt, Haare abrubbeln, Kopf schütteln, damit das Wasser wieder aus dem Ohr läuft. Kennt Ihr vielleicht: Mit Wasser im Ohr fühlt sich alles irgendwie dumpf an, man hört nur halb so gut und es ist, als ob jemand einen Finger in das Ohr drückt. Umso schöner, wenn das Wasser wieder rausläuft und alles normal wird. Aber nicht an jenem Abend, schütteln hat nichts genutzt, Kopfstand auch nicht, whatever, scheiß drauf, ich gehe in's Bett, bis morgen ist das getrocknet.

Und so wache ich am nächsten Morgen auf und höre nichts auf dem linken Ohr. Okay. Okay. Jetzt wird es langsam Zeit für Panik. Wenn das nur Wasser war, müsste das doch längst weg sein. Und der Gedankenzug fährt ab: Oh beidhe Khott, ich muss sterben. Ich werde mein Leben lang auf dem linken Ohr taub bleiben.

Nein, so schlimm habe ich natürlich nicht gedacht.

Doch. Habe ich. Dass diese Tragödienmusen aber auch aus Allem ein Drama machen müssen! Und so wurde ich panisch, was mache ich nur, Weltuntergang, so darf das nicht bleiben, ich muss was tun, ich weiß, in Heide gibt es einen othorhinolaryngologos (HNO-Arzt), also springe ich in die Bahn und fahre von Kiel nach Heide, denn in Kiel gibt es ja keine HNO-Ärzte. Drama. Aber alles geklärt, der Arzt steckt mir diverse Sachen in das linke Ohr, und einige Minuten später kann ich wieder hören und alles ist frei. Aufatmen.

Wenn man einmal ein verstopftes Ohr hat, dann realisiert man erst, wie toll es ist, problemlos hören zu können. Und erst dann wird man mal wieder dankbar für diese "Selbstverständlichkeit". Und ich muss wieder an die taubstumme Tochter aus A Quiet Place (2018) denken, für die das ein lebenslanger Zustand ist.

Das war also damals. Einige Jahre später hatte ich das Thema noch einmal, wieder das linke Ohr, wieder war ich panisch, denn das war an einem Wochenende, wo soll ich da einen Arzt herbekommen? Wer weiß, vielleicht verliere ich den Gehörsinn, wenn das nicht so schnell wie möglich erledigt wird? Na zum Glück kam der Montag, ich zum Arzt, diesmal in Kiel, und innerhalb weniger Minuten ist mein Gehörgang gesäubert. Aber ganz so einfach war dieser Arztbesuch dann doch nicht.

Nicht umsonst heißt es, dass man die Ohren mit lauwarmem Wasser spülen soll. Leider hat der Durchlauferhitzer der Praxis an dem Tag nicht funktioniert, und so wurde ich kalt durchgespült. Naja, wird schon nicht so schlimm sein, oder? Ist doch alles in Ordnung, denke ich mir - bis ich versuche, von dem Sitz aufzustehen. Plötzlich gerät die Praxis in's Wanken, und die Schwerkraft zieht mich nicht mehr nach unten, sondern seitlich in das Verbandsregal hinein. What the...?! Und dann fällt mir ein, dass im Innenohr ja der Gleichgewichtssinn sitzt (oder besser liegt, flüssig, quasi), und der ist durch das kalte Wasser einigermaßen betäubt worden. Die Sprechstundenhilfe hat dann versucht, mich auf den Sitz zurück zu bringen (schwer bei einem Zwei-Meter-Mann) - und außerdem war das ein Drehstuhl. Ich erspare Euch das Chaos.

Nun denn. Seit gestern ist es also wieder soweit, ich höre links nur die Hälfte, es ist Wochenende und ich komme erst am Montag zum Arzt. Ich versuche es mit Hausmittelchen, nützt alles nichts, und sitze leicht gereizt vor dem Fernseher - bis mir dann wieder der Dalai Lama einfällt. Nichts ist entspannender, als das anzunehmen, was kommt. Und mittlerweile realisiere ich wirklich, was dieser Satz bedeutet. Dieses verstopfte Ohr ist zur Zeit ein Teil von mir. Warum sollte ich mich darüber aufregen? Montag wird das geregelt, und ich schwebe doch nicht in Lebensgefahr. Die Situation wird akzeptiert. Ein breites Grinsen zieht sich über mein Gesicht und ich fühle mich absolut tiefenentspannt. Da ist wirklich Einiges dran, und dieser Satz hat mein Leben tatsächlich ein bisschen einfacher gemacht.

Nichts ist entspannender, als das anzunehmen, was kommt.

Donnerstag, 5. September 2019

Einen Schritt und fünfzig Seiten weiter


So, endlich kommen die Dinge voran, endlich habe ich mich mal aktiv in Bewegung gesetzt, damit ich rechtzeitig bis zum großen Termin damit fertig werde - ich habe heute vormittag die ersten fünfzig Seiten The Body Snatchers (1955) gelesen.

Gemacht habe ich das Ganze im Wartezimmer meines Hausarzts, und dieser Schritt könnte wohl noch wichtiger gewesen sein als der Roman; ich habe mir dort meine Überweisung zu einem Psychiater abgeholt (s.o., "Vd.a. Asperger-Syndrom"), und derzeit versucht das Sprechzimmer, einen einigermaßen zeitnahen Termin zu organisieren, damit ich irgendwie an eine weitere Überweisung Richtung ZIP in Lübeck komme.

Die gute Nachricht: Es dürfte wesentlich leichter sein, einen Termin bei einem Psychiater zu bekommen, als bei einem Psychologen, die gefühlt auf mindestens fünf Jahre ausgebucht sind - lässt Interpretationsspielraum, den ich mal besser ignoriere. Und mit etwas Glück komme ich zu den Praxen in der Holtenauer Straße, das sind dann nur knapp zwanzig Minuten mit dem Bus, ohne Umsteigen, das wäre extrem praktisch.

Ein bisschen Angst bzw. Unsicherheit ist da - ich soll zu einem neuen Arzt gehen, den ich nicht kenne, aber auf der anderen Seite fühlt es sich an wie damals mit der Handchirurgie - es ist nötig, es muss gemacht werden, es ist irgendwie logisch. Und nicht alle Ärzte sind so leichtsinnig släsch unverantwortlich wie mein Anästhesist damals (Opioide und Benzos zusammen? Kein Problem. Schmerzmittel für danach? Nö, muss nicht sein).

Das wird sicherlich spannend, und ich halte Euch auf dem Laufenden!

post scriptum: Ich habe mir heute die Doku "Blackfish" (2013) angeschaut, war auf Netflix verfügbar und ist nicht so lang, und außerdem kannte ich die Geschichte um den Orca "Tilikum" schon und war gespannt zu sehen, wie die Vorfälle in den amerikanischen "SeaWorld"-Parks aufgearbeitet wurden. Sehr guter Film, und ich habe etwas mehr über Orcas gelernt.

paulo post scriptum: Wer sich das Foto oben tatsächlich in Originalgröße anschaut, kann ein Zitat auf dem Buchcover entdecken. Das Zitat stammt von Abel Ferrara, der die 1993er-Filmversion des Romans aufgenommen hat - Roger Eberts favorisierte Version; der Kritikerspiegel auf "rottentomatoes.com" zeigt, dass die Originalversion von 1956 am besten ankommt. Muss ich noch sehen.

Dienstag, 3. September 2019

Spezieller Bedarf

Die Sichtweise eines Regisseurs ist nicht zwangsläufig eine, die ich gern hätte...

Wer schon einmal in einer I-Klasse unterrichtet hat (und eigentlich auch jeder andere Mensch ohne Scheuklappen), weiß, dass es Schüler gibt, die von Mutter Natur nicht mit dem ganz normalen, unproblematischen Gencode ausgestattet worden sind. Sie sind ein bisschen anders. Das kann seine positiven Seiten haben, aber für viele Menschen bringt diese Konfiguration auch Probleme mit sich. Aus diesem Grund haben jene Schüler ein Recht darauf, ihren Eigenschaften entsprechend speziell gefördert zu werden. Man spricht von Schülern mit einem Förderbedarf, und von diesen Bedarfen gibt es mehrere Sorten. Wer an einer Gemeinschaftsschule unterrichtet, kennt das. Lernen, emotionale/soziale Entwicklung, autistische Verhaltensweisen und derähnlichen mehr. Wobei ich sehr stark davon ausgehe, dass auch die Gymnasiallehrer unter uns mit solchen Schülern zu tun haben; sie werden nur hin und wieder nicht als solche erkannt ("Mein Kind soll bitte normal sein!"). Ich habe das schonmal irgendwo gehört.

Eine weitere Kategorie dieser speziellen Bedarfe nennt sich Hollywood. Aus irgendeinem Grund (oder nennen wir das Kind doch gleich bei'm Namen: Geld) scheint ein sehr großer Teil der Hollywoodfilme nicht ohne gewisse Eigenschaften auszukommen: Happy Ending, heterosexuelle Romanze, implausible Action, leicht verdauliche Kost ohne große Nachwirkungen, groß, bunt, laut. Und das finde ich schade.

Ich habe heute Richard Mathesons Roman I Am Legend (1954) zuende gelesen. Eine der einflussreichsten Geschichten aus der Science Fiction-Ecke, über einen Mann, der als einziger eine Pandemie überlebt und quasi der letzte Mensch auf Erden ist - und versucht herauszufinden, was passiert ist und wie er mit der Situation umgehen soll, und vielleicht sogar ein Heilmittel, oder aber ein Vakzin zu finden. Großartiger Roman, dessen Hauptfigur ein ganz normaler Mensch wie auch dieser Autor ist. Düster-realistisch wird hier eine postapokalyptische Welt beschrieben, in der in Frage gestellt wird, was eigentlich menschlich ist.

Spoilerwarnung!

Ich habe mir dann direkt eine der mittlerweile drei Verfilmungen der Geschichte angesehen, und zwar I Am Legend (2007) mit Will Smith in der Hauptrolle des Robert Neville. Das Ansehen hat sich ein wenig angefühlt, als würde ein Zug entgleisen, erst nur etwas wackeln, dann deutlicher, dann springt das Rad aus der Schiene und im dritten Akt ist alles verloren. Der Förderbedarf Hollywood hat dafür gesorgt, dass kaum noch etwas von dem erhalten ist, was den Roman ausmacht.

Nur ein Beispiel. Im Roman versucht Neville über mehrere Kapitel, einen Hund, der noch nicht von der Krankheit befallen zu sein scheint, für sich zu gewinnen. Er kommt nur in winzigen Schritten auf der Suche nach einem Freund voran, doch schließlich, nach etwa fünfundzwanzig Seiten, kann er den Hund in seinem Haus füttern und auf seinem Schoß sitzen lassen. Nächster Satz: "Within a week the dog was dead." - Nichts weiter. Grausam, kalt, nihilistisch und ohne viel schmückendes Beiwerk versinnbildlicht diese Passage die Hoffnungslosigkeit in einer Welt, in der Neville selbst der einzige ist, der zu überleben scheint.

Im Film dagegen hat Will Smith seinen Hund von Anfang an und kann über die Hälfte der Spielzeit hinweg mit ihm durch die Gegend fahren, spielen, reden - dass der Hund dann allerdings wie auch im Roman stirbt, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Hollywood manchmal etwas Angst davor hat, mit nur einem Darsteller und ohne Dialoge auszukommen (zum Glück nicht immer, wie uns Robert Redford in All Is Lost (2013) beweist).

Ähnliche "Stimmungsaufheller" finden sich über den gesamten Film verteilt, bis hin zu einem fröhlichen Ende, in dem doch tatsächlich einige Menschen überleben (Will Smith nicht). Das hat leider mit der Romanvorlage überhaupt nichts mehr zu tun, in der Robert Neville tatsächlich auf weitere Lebende trifft, die allerdings mit der Krankheit infiziert sind und lernen, damit umzugehen. Auch hier gibt es also Überlebende, auch hier stirbt Neville am Ende, aber weil er der Letzte einer sterbenden Rasse ist - was auch die Schlussworte "I am legend." erklärt. Dieses quasi transformative Ende wurde in dem Film The Girl With All The Gifts (2016) wesentlich treuer umgesetzt.

Sorry für das Rumjammern. Letztlich ist das ein altbekanntes Problem, wenn man zuerst die Romanvorlage gelesen hat. Man denkt sich bei dem Begriff Verfilmung, dass es sich um eine originalgetreue Verfilmung handelt, aber letztlich sind so viele Filme einfach nur loosely based on... - dabei kann auch so eine Neuinterpretation richtig gut werden; in einem der nächsten Beiträge werde ich über Jack Finneys Roman The Body Snatchers (1955) schreiben und darüber, welche Verfilmung mich am meisten fasziniert hat.

Beide Romane lassen sich übrigens wunderbar im Englischunterricht der Oberstufe einsetzen.