Samstag, 4. Juli 2020

Ein Philosoph macht Schule?


Ich bin neulich aus Versehen mal wieder über Richard David Precht im Fernsehen gestolpert. Die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr ihn kennt, kann hoch sein, denn er ist ein in den Medien omnipräsenter Populärphilosoph, dessen Thesen polarisieren. Das einzige Thema, bei dem ich in Ansätzen mitreden kann, ist Schule. Precht hat ein Buch dazu veröffentlicht, Anna, die Schule und der liebe Gott, das Zweitausenddreizehn Begeisterungsstürme und gnadenlose Verrisse inspiriert hat.

Ich gehöre zu zweiterer Gruppe. Was Precht in dem Buch macht: Er malt ein apokalyptisches Bild unseres Bildungssystems, das an allen Ecken erkrankt ist und komplett reformiert werden muss. Das ist alles nicht neu, diese Rufe gibt es schon seit Jahren, aber Precht stellt sich als eine Art Heilsbringer dar, der endlich mal sagt, was Sache ist. Drollig: Genau aus diesem Grund ist Donald Trump Präsident der USA geworden.

Ist ja schön und gut, wenn man den status quo ein weiteres Mal auf's Tapet bringt, aber Prechts Buch ist deswegen völlig überflüssig, weil es keinerlei konkrete Maßnahmen zur Umstrukturierung des Schulwesens nennt. Es bleibt alles schwammig, unklar, nur angedeutet, wie zum Beispiel das "Abenteuerprojektjahr" im achten Jahrgang, das anstelle des Unterrichts ein gemeinsames Arbeiten an selbstgewählten Projekten stellt, intrinsische Motivation und so. Das kennen wir bereits deswegen, weil Projektarbeiten längst an Schulen etabliert sind. Wenn man dann gern genauere Details zu diesem Jahr erhalten möchte - geht man leer aus. Konkretionen gibt es bei Precht nicht.

Und dann ist da auch noch dieser unsägliche Eindruck, den nicht nur das Buch erzeugt; wenn man Precht in Interviews über Schule sprechen hört, merkt man ziemlich schnell, dass er keine Ahnung davon hat, wie ein Schulalltag konkret aussieht. Keine Ahnung von Bewerbungsverfahren, von Schulrecht, auch hier wieder nur philosophische, ganz allgemein formulierte Ideen.

Eines muss man Precht aber lassen: Er heizt Diskussionen an. Sollte danach allerdings nicht in der Diskussion von Fachleuten mitreden.

Wer eine Dosis Precht erleben möchte, mag sich vielleicht sein Interview mit dem Handelsblatt durchlesen, in dem Precht konstatiert, dass wir in der Coronakrise vollkommen überreagiert haben. Einfach hier klicken.

post scriptum: Wahrscheinlich habe ich mir jetzt einige Feinde gemacht - aber Ihr seid herzlich eingeladen, zu kommentieren, warum Precht eben doch für das Schulwesen unverzichtbar ist.

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