Samstag, 19. Oktober 2019

Patriotismuss ich das verstehen?


Ein Freizeitpark in den USA, Kings Island, Zweitausendelf. Kurz vor zehn Uhr morgens, viele Besucher sind bereits auf der Main Street verteilt, obwohl die meisten Bereiche des Parks und die Attraktionen erst ab zehn Uhr zugänglich sind. Unter diesen Menschen befinde ich mich, habe meine Parkkarte in die Hosentasche gesteckt, Diamondback-Cap auf, Sonnencreme verteilt, bereit für Adrenalin. Und dann, zwei Minuten vor zehn Uhr passiert das Unvermeidliche: Die amerikanische Nationalhymne dröhnt aus allen Parklautsprechern bis in die hinterletzten Winkel, und alle Amerikaner stellen sich aufrecht hin, nehmen ihre Mützen ab, halten ihre Hand auf das Herz und singen ihre Zeilen mit. Nicht euer Ernst, ist mein erster Gedanke. Der zweite: Das hier sind die USA. Und aus Rücksicht nehme ich zumindest mein Cap für die Dauer der Hymne ab.

Die Anekdote habe ich hier im Blog schon häufiger verteilt, und es geht mir eigentlich auch gar nicht um die Vereinigten Staaten, sondern um die dahinter steckende Denkweise, die sich in wesentlich mehr Ländern dieser Erde wiederfindet. Vielleicht in allen. Und ich kann bis heute nicht nachvollziehen, was es mit diesem Patriotismus auf sich hat.

Lassen wir die sprachlichen Überlegungen beiseite. Warum es nicht Matriotismus heißt. Was eigentlich mein Vaterland ist, wenn mein Vater im Ausland geboren wurde. Und ich verstehe noch nicht einmal, warum man überhaupt stolz auf sein Vaterland sein soll. Immer wieder, bei Aufmärschen bestimmter politischer Richtungen, die in den Nachrichten übertragen werden, sehe ich stolze, aufrecht marschierende Deutsche, Deutschland über alles, und alles Nicht-Deutsche hat hier nichts zu suchen. Lassen wir auch die rechten Denkweisen beiseite; warum sollte ich mich mit Deutschlandflagge zeigen wollen, was ist so toll an Deutschland? Und lässt Patriotismus mich denken, dass andere Länder nicht so toll sind?

Sind diese Denkweisen nicht austauschbar? Wenn ich in Spanien leben würde, wäre ich dann stolz auf Spanien? Oder in Japan? Und wie verhält sich das mit dem Patriotismus, wenn ich auswandere?
Geht es einfach nur um's Prinzip, oder hat Deutschland irgendwas besonders Tolles? Sicher, das Sozialversicherungsystem. Gesetzliche Krankenversicherung. Gleichzeitig lässt es mich nicht in einem dramatisch unterbesetzten Beruf zu (Grundschullehrer), weil ich vor sechzehn Jahren ein unpassendes Schulfach studiert habe.

Muss ich Patriot sein? Wenn ich nicht stolz darauf bin, in meinem Heimatland zu leben, werde ich dann schief angeschaut? Ehrlich gesagt bin ich ganz froh darüber, dass ich zum Beispiel nicht zu den Patriotischen Europäern gegen die Islamisierung des Abendlandes gehöre. Wird Patriotismus von manchen Menschen als Ausrede dafür benutzt, Ausländer zu hassen? Gegen Minderheiten zu sein?

Ich verstehe nicht, was Patriotismus ist, worauf er sich begründet und wie er sich in meinem Verhalten niederschlagen könnte? sollte? müsste? Whatever.

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