Sonntag, 5. März 2017

Impulsgeber und Antwortmaschine

Ein Wort gibt das Andere...

Der Titel des heutigen Beitrags klingt nach zwei Erfindungen. Vielleicht ganz neu, oder vielleicht auch schon ganz alt, es klingt ein wenig nach Geräten aus der Telekommunikationstechnik, vielleicht aus der Ära der Marconigramme oder Telefon-Schaltzentralen. Es kann sich aber auch um etwas ganz Anderes handeln: Um die nüchterne Funktionsbezeichnung zweier Gesprächspartner in manch' einer Konversation, die nur dem Selbstzweck dient.

Ich habe in diesem Blog vor einiger Zeit eine meiner Hausarbeiten aus dem Englischstudium gepostet, die sich genau solchen Konversationen in einem Theaterstück gewidmet hat. Allerdings ist dieser Gesprächstypus keinesfalls fiktiv; David Mamet, der Autor des Theaterstücks Sexual Perversity In Chicago, gründet die gesamte Kommunikation im Stück auf genauen Beobachtungen und kommunikationspsychologisches Fingerspitzengefühl.

Szenen, die dem Drama zugrunde liegen, tauchen in unser aller Leben recht häufig auf, allerdings bemerken wir sie nur selten live, da wir uns während eines solchen Gesprächs gut unterhalten fühlen. Erst teils lange Zeit nach der Unterhaltung bemerken wir bei ihrer Reflektion, wie nichtig sie eigentlich gewesen ist, wie wenig wir für uns selbst haben mitnehmen können - zum Beispiel an Erkenntnisgewinn oder Wissenszuwachs - und dass wir die Zeit auch sinnvoller hätten nutzen können.

Aber wie kann ein Gespräch, noch dazu zwischen zwei guten Freunden, nichtig sein? Wie kann Konversation entbehrend jeglicher Substanz überhaupt stattfinden? Sie wächst aus unserer Eitelkeit, Selbstverliebtheit, Egozentrik und aus unserer Angst vor Zurückweisung, vor dem Alleinesein und vor dem Fehlen der Selbstbestätigung durch unsere Mitmenschen. Jene Ängste und Emotionen lassen uns oft zum Impulsgeber und den Anderen zu einer Antwortmaschine werden. Ich versuche, das an einem einfachen Beispiel zu erläutern für die, die weder den anderen Blogbeitrag noch Mamets Theaterstück gelesen haben.

Ich hatte mal einen Freund, den ich der besseren Verständnis hier Björn nenne, auch wenn das nicht sein Name war. Björn hat zu mir aufgeschaut und wollte deswegen um meine Aufmerksamkeit kämpfen und um meine Anerkennung - auch wenn er sich dazu verbiegen musste. Er hat mir die Dinge gesagt, die ich hören wollte - Komplimente und Anderes. Und das hat mir anfangs gefallen, ich habe bei dem Spiel mitgemacht: Ich habe ihm Gesprächsimpulse geliefert, mit denen er eigentlich nur das Richtige sagen konnte. Auch wenn diese Impulse den Gesprächsgehalt nicht gerade bereichert haben. Fishing for compliments, könnte man sagen.

Auch im Theaterstück geben sich die beiden Hauptfiguren, Danny und Bernie, gegenseitig Stichworte, um vom Gesprächspartner die nötige Bestätigung zu bekommen. Bei ihnen ist es sogar so extrem, dass sie keine eigene Identität zu besitzen scheinen und sich nur mithilfe ihrer Antwortmaschinen identifizieren können.

Ich war damals im Referendariat, da war es mit meinem Rückgrat nicht weit her. Es hat sich angefühlt, als ob ich alles falsch mache. Da war ich sehr dankbar für diese Gespräche mit Björn, in denen ich mir die Bestätigung abholte, dass ich ein toller Mensch bin. Und ich habe ihm die Dinge gesagt, die er hören wollte. Armselig, irgendwie. Aber wir beide haben uns in diesen Gesprächsrollen wohlgefühlt.

Das ist jetzt vorbei, oder zumindest wünschte ich mir das. Seitdem ich dieses Prinzip von "sagen, was der Andere hören möchte" verstanden habe, kann ich damit überhaupt nicht mehr umgehen, weil ich alles, was Björn sagt, hinterfrage. Ich weiß nicht, ob er das ernst meint, ergo weiß ich nicht, welche positiven Sachen er ernst meint. Und ich habe dazu tendiert, ihm von dem Problem zu erzählen, aber das hat bis heute nicht gefruchtet.

Aber genug von Björn, zurück zum Allgemeinen: Eine Zeitlang fühlt sich so ein automatisiertes Gespräch vielleicht gut an. Eine Zeitlang lassen wir uns gerne Dinge sagen, die wir selbst mittels verbaler Impulse an den Anderen hören wollen. Aber kann das wirklich der Sinn eines Gesprächs mit einem Menschen sein, der einem so wichtig ist?

Ohne... Authentizität?

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