Donnerstag, 28. Dezember 2023

Tag 150 - Bewerben! Umgehend!!!


Post vom Arbeitsamt.

"...ich freue mich, Ihnen folgenden Arbeitsplatz vorschlagen zu können:

[...]

Die gewünschten Fähigkeiten entnehmen Sie bitte der Anlage."

Klingt ja eigentlich soweit noch ganz normal. Der nächste Satz macht das Ganze spannend:

"Bewerben Sie sich bitte umgehend schriftlich oder per E-mail. Alternativ vereinbaren Sie bitte umgehend einen Vorstellungstermin."

Da hätten wir ihn wieder, den freundlich-bestimmten Tonfall der Agentur für Arbeit. Dementsprechend mein Antwortschreiben:

"Ich habe mich nicht beworben / vorgestellt, weil...

...ich nicht die erforderliche Alpha-Zulassung für Lehrkräfte im Fach Deutsch besitze. Meine Fächer sind Englisch und Latein.

Darüber hinaus haben Sie, Herr XY, mir bis zum Februar "Beinfreiheit" zugesagt, um die Vertretungsausschreibugen und -anfragen für das zweite Schulhalbjahr abzuwarten. Daher bitte ich Sie, von einer Formulierung wie "Bewerben Sie sich bitte umgehend" bis dahin abzusehen (klar weiß ich, dass das vorformulierte Schreiben sind, duh, ich möchte nur die Unpersönlichkeit der AA herausstreichen). Ich bin Autist, ich nehme so etwas wörtlich und kann dann nicht verstehen, wie das mit unserer Absprache zusammenpasst.

Ich habe Anfang Januar zwei Auswahlgespräche, in Neumünster und in Kiel. Wie besprochen, halte ich Sie auf dem Laufenden und würde dann ab Februar auf einen Gesprächstermin mit Ihnen warten.

Herzliche Grüße und einen guten Rutsch nach '24!

Dr Hilarius"

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That was draining. Mch demoralisieren diese Briefe immer, aber teilweise reizen sie mich auch, weil dieses AA-Schreiben halt so gar nichts mit der Abmachung mit Herrn XY zu tun hat. Und dafür soll ich jetzt auch noch Porto ausgeben?

Mittwoch, 27. Dezember 2023

Tag 149 - Bin ich ein Monster?


vorweg: Dieser Beitrag sollte schon vor Monaten erscheinen. Gestern hatte ich einen ganz tollen Abend mit der großen Buba, und nun kann es losgehen.

Bin ich ein Monster?

An jeder Schule bin ich sofort von einem Großteil aller Schulteilnehmer - Schulleitungen, KollegInnen, SchülerInnen - aufgrund meines Aussehens in eine Schublade gesteckt worden. So sind Menschen nun mal: Die meisten von ihnen glauben, sie könnten einen Menschen aufgrund seines Aussehens richtig einschätzen. Sie sortieren mich in die Schublade "asozial, unerfahren, im falschen Job" und die Tür geht zu.

Diese Tür geht bei vielen von ihnen dann auch nicht mehr auf. Der erste Anblick reicht, man muss noch nichtmal ein Wort gewechselt haben. Zum Glück erleben meine SchülerInnen mich dann in ausreichendem Umfang, so dass nach einigen Wochen ihre Türen wieder aufgehen und sie irgendwann bei never judge a book by its cover landen. Es ist an jeder Schule maximal eine Handvoll KollegInnen gewesen, bei denen die Tür dann doch wieder aufgegangen ist, und es dauert viele Monate, bis dieser Prozess einsetzt.

So sind Menschen nunmal. Das ist eben die story of my life. Und in diesem Jahr ist ein Animationsfilm veröffentlicht worden, der genau diese Story als Kernthema hat: Ausgrenzung, Abneigung, Hass, weil man anders ist. Das hat mich bei'm ersten Ansehen direkt am Herzen gepackt - klar, das ist kein neuer topos, aber er ist so gut umgesetzt worden, dass ich begeistert war. Und wenn ich das richtig sehe, die große Buba auch.

Nimona ist endlich auf Netflix verfügbar. Ein Film, der eine lange Entwicklungshölle hinter sich hat - den Disney gekickt hat, weil sich in einer Szene zwei Männer küssen. Den Annapurna Studios, in der Szene für unkonventionelle kindgerechte Verarbeitung von Themen bekannt, sich zu Herzen genommen und veröffentlicht hat.

Total witzig, wild, anarchisch, mit einem riesigen Herzen. Unberechenbar in seiner Diversität - endlich wird ein LGBTQ-Thema in einem Film für Kinder gezeigt, aber nicht thematisiert - sondern als selbstverständlich behandelt. Multiethnische Rollen, Behinderung, das ist alles drin.

Zum Plot sage ich nur, dass es um einen Nicht-adligen geht, der in die Rittergarde aufgenommen werden soll. Man kann sich denken, dass es um konservatives Denken gehen könnte ("Wir dürfen doch nicht jeden hier reinlassen!"); tut es auch, und gleichzeitig sind so viele progressive Ideen dabei. Nicht umsonst spielt der Film in einem science fantasy-Umfeld: Ritterrüstungen, Pferde, Schlosszinnen, Smartphones, Internet, Laserwaffen.

Ich nehme den Film in meine Schularbeit auf. Absolut empfehlenswert für Jugendliche - und eigentlich noch mehr für Erwachsene, die mal etwas aus ihren festgefahrenen Bahnen herausbrechen sollten. Und ich möchte ihn Euch wärmstens an's Herz legen.

Nimona ist auf Netflix verfügbar.



Sonntag, 24. Dezember 2023

Tag 146 - Die ersten Bissen


Heute wäre natürlich der perfekte Zeitpunkt, um über ein gewisses Fest in diesem Jahr zu schreiben. Das hat dieser Blog allerdings noch nie gemacht, und außerdem weiß ich, dass meine Mutter sich stattdessen über diesen Beitrag viel mehr freuen wird; schließlich haben wir gestern einmal telefoniert und ich habe versucht, rüberzubringen, dass sie im Moment nichts tun kann als abwarten und sich nicht zu viele Sorgen zu machen. Klar. Als ob eine Mutter sich mal keine Sorgen über ihre Kinder machen würde - ich denke mal, die Sannitanic dürfte das seit einigen Jahren sehr gut nachvollziehen können.

Neben dem gesundheitlichen Update haben wir gestern auch über heute gesprochen, denn ich verbringe das Fest nicht bei meiner Familie, sondern in meiner Wohnung mit Kräuterschnaps (Iberogast) und Fenchelhonig (den liebe ich ja). Am Ende des Gesprächs haben wir auch über das Abendessen gesprochen, denn ich wollte wissen, was es an Weihnachten zuhause zu essen gibt, auch wenn ich selbst nichts essen möchte. 

Und dann kam etwas, was mich aufgebaut hat: Wir haben detailliert über das Essen gesprochen, und am Ende hatte ich statt Magenkrämpfen ein kleines Magenknurren und richtig Appetit bekommen. Das hatte ich seit einigen Tagen nicht mehr, und Ihr kennt das ja vielleicht, wenn man ein paar Tage nichts mehr essen wollte oder konnte - wenn auf einmal wieder Appetit da ist, fühlt sich das schon wie eine Wunderheilung an. Das habe ich meiner Ma dann auch direkt mitgeteilt und es hat ihr gut getan, das zu hören. Sie hat mir erzählt, dass auch so kleine "Erfolgsnachrichten" schon Balsam für die Seele sind, also wird sie das hier freuen:

Ich habe letzte Nacht einmal gut vier und einmal gut drei Stunden am Stück geschlafen. Und nach unserem Telefonat habe ich ein paar Salzcracker gefuttert und sie haben einfach wunderbar geschmeckt. Ja, mein Magen hatte später trotzdem damit zu kämpfen, aber einfach das Gefühl von Geschmeck im Mund und nicht alles-wieder-rückwärts-loswerden-müssen, das war fantastisch. Und dann gab es abends eine Scheibe Toast mit Heidelbeermarmelade, absolut unvernünftig, aber sie hat paradiesisch geschmeckt. Das war es auf jeden Fall wert, und vielleicht besteht mein persönlches kleines Festessen heute aus Crackern, Toast und Marmelade. 

Gesundheit schön und gut, aber einmal genießen ist gut für die Seele.

post scriptum: Und wer weiß, wenn mein Magen es zulässt, gibt es heute Abend vielleicht zu der Scheibe Toast einen Teller Kartoffeleintopf; der von der Schlachterei "Wilhelm von Brandenburg" schmeckt wunderbar, und nein, ich bekomme kein Geld dafür, das hier zu schreiben ;-)

Lasst es Euch heute (und morgen etc.) schmecken!

paulo post scriptum: Und dann kommt noch meine himmlische Ersatzfamilie hier, also known as Buba and family, die mich mit einer Wärmflasche versorgt haben, das hat gestern Abend sooo gut getan!! Danke, Ihr Lieben! <3

Freitag, 22. Dezember 2023

Tag 144 - Tee & Zwieback, die Zweite


Wobei ich vielleicht den Zwieback aus dem Titel streichen sollte. Magen-Darm-Infekt, was für ein tolles Timing. Ihr kennt das vielleicht: Nichts bleibt drin, trinken geht nur in kleinen Schlucken, Dauerübelkeit und die Nächte sind die Hölle. "Lenk' dich ab mit irgendwas", würde ich mir gern sagen, aber ich habe es ausprobiert, länger als zwanzig Minuten auf der Couch - Serie, Videospiel - halte ich nicht durch. Also klassisch Bett und Hörspiele.

Was tatsächlich hilft ist, sich auf die positiven Seiten zu konzentrieren. Sie in den Fokus nehmen: Übergeben ist mies, ja, aber danach fühlt man sich (wenn es denn geklappt hat) richtig erleichtert. Bei mir ist das zumindest so, ich bin dann erschöpft, aber es fühlt sich besser an. 

Ich glaube, das ist das erste Weihnachten, das ich nicht bei meiner Familie verbringen kann. Natürlich hole ich den Besuch nach, wenn ich kann, aber es fühlt sich schon ungewohnt an. Und dabei hatte ich diese Woche noch Sachen vor - ich wollte heute früh in meiner ehemaligen zwölften Klasse hereinschneien und ein bisschen was machen, ich hatte mich echt darauf gefreut, aber daraus wurde nichts, und auch das Wiedersehen mit der großen Buba muss warten.

Buddhismus hilft, es nicht schwer zu nehmen. Das meine ich ernst, und es erleichtert ungemein. Das ist quasi das Gegenstück zur Männergrippe - auch bekannt als Schnupfen, über den wehleidige Männer sich lauthals beklagen (während Frauen da meist etwas robuster sind).

Silberschein am Horizont: Auswahlgespräch. Abwarten. ;-)

Dienstag, 19. Dezember 2023

Tag 141 - Tee & Zwieback


Sollte man immer im Haus haben, habe ich von meiner Mutter gelernt. Auch noch andere Sachen wie Brühe, Nudeln etc. - alles, was bei diesem Wetter warmhält und gut tut. Draußen ist es nass und kalt, die Corona-Welle schlägt wieder über, also bleibe ich drinnen, drehe die Heizung auf, koche mir einen Kamillentee mit Reissirup zum Süßen und knabbere etwas Zwieback. Back to the basics, könnte man sagen, tut zwischendurch auch mal ganz gut, nachdem wir unseren Gaumen mit Fertigprodukten überfordert haben.

Und gleich eine heiße Nudelsuppe. Es ist echt grau-gruselig draußen, und trotzdem kaufen die Leute ein wie verrückt - Weihnachten eben. Ein Spaziergang heute in den Citti-Park hat mir mal wieder neurotypische Verhaltensweisen vor Augen geführt. Mitten auf dem Weg gehen, Blick immer runter auf's Handy, spontan stehen bleiben, keine Rücksicht auf Andere nehmen. Hallo millennials, entitled, me-generation.

Kann nicht schaden, den Kopf einmal hochzunehmen vom kleinen Bildschirm. Sich umschauen, was in der realen Welt passiert, jemandem den Weg frei machen oder helfen. Um mit dem Kopf immer woanders zu sein, brauche ich tatsächlich kein Smartphone ^^ Umso schöner, es sich dann zuhause gemütlich zu machen.

Mit Tee und Zwieback.

Montag, 18. Dezember 2023

Tag 140 - Letzte Woche!


Liebe KollegInnen,

auf geht's in die letzte Schulwoche des Jahres! Ich meine mich zu erinnern, dass ich trotz der eher kurzen Schulzeiten vor den Herbst- und Weihnachtsferien trotzdem am letzten Schultag ferienreif war. Ich bin auch diesmal wieder ferienreif, aber auf eine andere Art und Weise: Am Wochenende kommt die große Buba, das wird auch Zeit, langsam stellen sich Entzugserscheinungen ein. Ebenfalls am Wochenende geht's zur Familie an die Westküste, damit man sich mal sehen kann, Neuigkeiten austauschen und so. Und eigentlich hatte ich mir vorgenommen, am ersten Feiertag mal mit einem meiner Brüder zu reden - auch auf'm Spektrum, wahrscheinlich - aber das muss noch etwas warten, denn ich habe in meinem eigenen Leben gerade wieder ein bisschen zu verarbeiten.

Das ist jetzt die Phase, in der Vertretungen für das zweite Halbjahr gesucht werden. Auch Planstellen sind reichlich verfügbar, sogar mit Englisch, aber sie liegen mal wieder alle im Hamburger Raum. Ich werde nicht von hier wegziehen. 

Was ich irre finde: Eine Schule hat "Englisch, beliebig" ausgeschrieben, also beliebiges zweites Fach. In der Ausschreibung steht dann aber unten etwas in der Art: "Wenn sich niemand mit Englisch bewirbt, wäre Geographie, Biologie (etc.) zu wünschen." Toll. Wenn ich nun aber Biolehrer wäre, würde mir diese Stelle nicht angezeigt werden, weil in der Fächerauswahl ja Englisch steht. Ich habe ernsthaft überlegt, ob ich mir alle Planstellenausschreibungen in Kiel durchschauen soll, fachunabhängig, ob es da nicht etwas Ähnliches gibt. "Zur Not nehmen wir auch Englisch" ^^

Und: Ich habe endlich mein neues Deutschlandticket als Chipkarte bestellt! Und für den Januar dann doch wieder nur als Papierfahrkarte bekommen, weil die Kartenerstellung zu lange dauert. Ich möchte doch einfach nur als Mensch ohne Smartphone am Leben teilnehmen können, aber das wird mit der Zeit immer schwieriger.

Derlei Gedanken treiben mich langsam Richtung Wochenende. Durchhalten, noch ein paar Tage Unterrrichtsstress, dann habt Ihr es geschafft!

Freitag, 15. Dezember 2023

Tag 137 - Noch einmal mit Gefühl


Liebe Kollegin!

Ich möchte mich bei Dir für heute bedanken. Das war ein tolles Erlebnis!

Danke, dass ich heute eine Englischstunde in Deiner Klasse geben durfte. Ich hatte Deine Kiddies zweieinhalb Jahre unterrichtet, und Frau Schwarzbohrer, und sie sind mir sehr an's Herz gewachsen. Seitdem ich sie vor Kurzem auf dem Weihnachtsbasar wiedergesehen habe, ist mir bewusst, wie sehr sie mir fehlen. Ich habe sie in Klasse Fünf als kleine Steppkes kennen gelernt, und jetzt in Klasse Neun sind einige von ihnen in die Höhe geschossen und wirken schon fast wie junge Erwachsene. Es ist toll, das mitzuerleben. Ich wünschte, es hätte weitergehen können.

Aber auch schon die eine Stunde heute war ein Geschenk. Die ganze Busfahrt über war ich aufgeregt, wie wird es wohl, vor einer ehemaligen Klasse zu stehen? Werde ich noch andere bekannte SchülerInnen auf dem Schulflur treffen? Was mache ich, wenn KollegInnen vorbeikommen?

Sag' das Deinen Kiddies bitte: Ich habe mich riesig gefreut, dass sie heute mitgespielt haben. Wir haben das "Google Trends Game" gespielt - in einer leicht abgewandelten Form, und es war spannend und witzig und es war Englischunterricht, teilweise. Es war aufregend, endlich wieder eine Stunde vorbereiten zu können, auch wenn ich mich mit meiner Unkenntnis zu "Guardians of the Galaxy" total blamiert habe - nobody is perfect ;-)

Ich hätte nicht gedacht, dass es mich so glücklich machen könnte, wieder vor der Klasse zu stehen, *nachdem* ich eine Schule verlassen hatte. Es war immer "ab mit Schaden", bloß wegrennen und nicht zurückschauen. Dabei fühle ich mich an Deiner Schule so wohl, das hat sich auch dadurch nicht geändert, wie es ausgegangen ist. By the way, ich gebe trotzdem nicht auf. Klar muss ich eine neue Stelle finden, aber sollte die Schule jemals wieder Englisch ausschreiben, würde ich mich bewerben.

Ein arbeitsloser Lehrer zu sein ist scheiße.

Bitte richte der Klasse ganz liebe Grüße aus; dank ihnen kann ich mit einem Lächeln im Wochenende ankommen ;-)

Liebe Grüße,

Dr Hilarius

Montag, 11. Dezember 2023

Tag 133 - Phantom-61


Bei Regen ohne Regenschirm rauszugehen, ist vielleicht nicht die cleverste Idee des Tages gewesen. "Nur mal eben" zum Sophienhof, ich brauchte was von dort. Immerhin gibt es (meistens) überdachte Bushaltestellen. Also ab zum Hauptbahnhof, Einkauf erledigen und fix wieder zurück.

Fix? Der Einkauf ist erledigt; ich stehe in diesem kleinen Glasvorbau vor dem Sophienhof und schaue auf die Leuchtanzeige mit den Buswartezeiten draußen im Regen. Eigentlich ist das eine coole Idee - so kann ich im Trockenen warten, habe aber jederzeit die Bussteige vor Augen. Also bleibe ich stehen und suche nach der Linie 61/62, denn sonst fahren ja keine Busse mehr die Hamburger Chaussee hinunter. Da steht es: "61 Mettenhof 15 Minuten". Na toll, ich habe den Bus also gerade verpasst und der nächste fährt in fünfzehn Minuten.

Geht es nicht auch anders? Fast direkt darunter steht "52 Krummbogen 14 Minuten" - könnte ich auch nehmen, die fährt hier durch's Viertel. Ach, und natürlich gibt es auch noch die Busse der Autokraft nach Flintbek, die werden natürlich auf der KVG-Tafel nicht angezeigt. Aber ich weiß ja, wie sie aussehen, sollte da einer kommen, nehme ich den.

Aber erstmal warte ich im Trockenen. Und die Wartezeit schmilzt langsam dahin, moment... die 61 in elf Minuten, die 52 in fünf Minuten? Und einen Moment später: die 61 in zwölf Minuten, 52 in vier. Die Wartezeit für die 61 scheint sich zu verlängern; während alle anderen Zeiten schrumpfen, pendelt die 61 zwischen elf und vierzehn Minuten auf und ab. Wenn das so weitergeht, ist die 52 die bessere Alternative.

Irgendwie macht es Spaß, sich auszumalen, was wohl passiert sein mag. Könnte sein, dass es einen Unfall gab und der Bus im Stau feststeckt. Oder es gab ein technisches Problem (erixx kennt das). Ich finde solche Situationen faszinierend: Ich sehe etwas Ungewöhnliches und frage mich direkt, warum das wohl so ist - typisch Aspi, unbedingt für alles eine Erklärung suchen. 61 in dreizehn Minuten, 52 in einer Minute, dann biegt der Bus nach Flintbek ein. Autokraft hat gewonnen.

Ob die 61 jemals in Mettenhof angekommen ist?

Sonntag, 10. Dezember 2023

Tag 132 - Tauwetter-Träumerei


Ein Bestandteil meines Rituals zum Wachwerden ist der Blick zu Google News, einfach mal schauen, was in der Welt gerade so aktuell ist. Momentan fällt mir das ein wenig schwerer, weil seit der aktuellen PISA-Studie immer mehr Artikel auftauchen, die unseren Leistungsrückstand auf den Lehrermangel schieben. Mir fällt es extrem schwer, solche Artikel zu lesen; vielleicht kann man sich denken, warum. Ich habe schon so oft den Satz "Aber ich dachte, wir haben Lehrermangel!" gehört, wenn ich erzähle, dass ich zum siebten Mal arbeitslos bin. Das tut mir physisch weh und ich weiß auch nicht, was ich darauf antworten soll. Und mittlerweile reicht es eben auch schon aus, solche Schlagzeilen zu lesen. Also weg mit den News.

Ein anderer Bestandteil ist der Blick aus dem Fenster, nur für eine oder zwei Sekunden, um zu schauen, wie das Wetter ist. Das ist gerade dann interessant, wenn es über Nacht geschneit hat und ich überhaupt nicht mit der weißen Welt da draußen gerechnet habe - zum Beispiel, weil ich nie bei der Wettervorhersage aufpasse. Heute ist allerdings kaum noch etwas mit weiß - es ist nass und grau draußen, seit zwei Tagen setzt sich hier das Tauwetter durch, und während es ja schön ist, dass der ganze Schneematsch verschwindet und ich mich endlich daran machen kann, meine Stiefel zu polieren, weil ich sie momentan draußen nicht mehr brauche, ist das Grau doch erstickend - also ziehe ich das Rollo schnell wieder zu.

Keine Nachrichten, keine offenen Rollos, keine Arbeit, kein Tagesrhythmus - also kann ich auch wieder in's Bett gehen. Das lohnt sich momentan, selbst wenn es nur für eine Dreiviertelstunde ist, denn ich träume wieder öfters. Ich genieße das sehr, auch wenn der Inhalt der Träume eine echte Wundertüte ist. In den Momenten nach dem Aufwachen erinnere ich mich meistens noch daran, was ich geträumt habe und frage mich, warum es wohl gerade das war. Ob ich da irgendwelche Ängste oder Sehnsüchte, geheime Wünsche oder Unzulänglichkeiten verarbeitet habe.

Und manchmal drehe ich mich einfach wieder auf die andere Seite und stürze mich in den nächsten Traum. Da es keinen Wecker gibt, der mich um fünf Uhr fünfundfünfzig zur Arbeit herausreißt, ist das ein Luxus, den ich nicht oft genießen kann - also sollte ich das jetzt tun.

Wie geht es Euch? Träumt Ihr? Intensiv? Luzid? Chaotisch? Oder doch eher gar nicht? Bringen Euch eure Träume zum Nachdenken? Spaßig? Oder tiefgründig? Selbst wenn es Albträume sind - können immer noch spannender sein als der Blick in das nasse, graue Grau da draußen...

Mittwoch, 6. Dezember 2023

Tag 128 - Zuviel Monat am Ende des Geldes

Neue Mitbewohner

Eigentlich
habe ich keine Probleme damit, mit meinem Geld zu haushalten. Das hat im Studium wunderbar funktioniert, ich habe es geliebt, mir einen Haushaltsplan zu erstellen und mich daran zu halten. Irgendeinen Grund muss es ja auch gehabt haben, dass ich Vorsitzender des Haushaltsausschusses des Kieler StuPa war.

Für einen Aspi bedeutet eigentlich so gut wie immer "unter gesicherten Umständen". Damals lief das alles super, aber wie wir wissen, taumele ich seit sieben Jahren von einer Schule zur nächsten, habe diese Sicherheit nicht mehr, und damit wird der Aspi quasi zum handfesten Autisten und ist mit vielen Sachen im alltäglichen Leben überfordert. Gerade aus diesem Grund strebe ich ja auch nach wie vor den Grad der Behinderung 50 an.

Eines der Probleme, die sich herauskristallisiert haben, ist das Geld. Ich habe hier in der Wohnung vier Notizbücher liegen, jedes von ihnen ein gescheiterter Versuch, endlich mal wieder ein vernünftiges Haushaltsbuch zu führen. Es klappt nicht. Weil ich nie weiß, wie das nächste (Halb-)Jahr finanziell aussehen wird und ich es nicht schaffe, mich vernünftig auf diese Aufgabe zu konzentrieren. Zu oft war bei mir am Ende des Geldes noch zuviel Monat übrig, wie der Spruch sagt.

Ja, war. Meine Mutter, die in solchen Dingen ein Genie ist (das zieht sich durch unseren Aspi-Familienstamm), hat mir ihren Trick aus der Studienzeit verraten, der so einfach ist und doch so einleuchtend und praktisch klang, dass ich ab jetzt versuche, ihn durchzuziehen. Wie hatte sie mir das noch gleich beschrieben?

"Stelle dir 5 "Wochentöpfe" bereit und lege am Anfang des Monats in 4 Töpfe gleichmäßig verteilt das Geld rein, das du nach allen festen Abzügen für deinen Unterhalt übrig hast. 

Sollten am Ende der 1./2./3. oder 4.Woche ein paar Euro übrig sein, dann lege sie als "Notgroschen" in den Topf Nr.5; Topf Nr.5 darf aber erst 3 Tage vor Monatsende wieder geleert werden! 

Diesen "Trick" habe ich in meiner Studienzeit angewendet - mache ich sogar heute noch manchmal - der hilft ungemein und man "bemogelt" sich nicht selbst!!!"

Ja, das mit dem Bemogeln kenne ich zu gut: Wenn es drauf ankommt, finde ich immer irgendwelche Gründe, warum ich gerade eine bestimmte Anschaffung brauche, und weg ist das Geld, das ich vielleicht in der letzten Monatswoche noch benötigt hätte.

Ich habe ihren Trick noch um zwei Punkte erweitert:

1. Ich lege das Geld ausschließlich in Zwanzig-Euro-Scheinen in die Töpfe (bzw. Gläser, die man oben im Bild sieht). Ich lege immer nur einen Zwanziger in's Portemonnaie, und wenn der zur Neige geht, nehme ich mir einen neuen.

2. Ich bezahle ausschließlich in bar. Das habe ich jahrelang nicht mehr gemacht, weil die kontaktlose Kartenzahlung so einfach und schnell geworden ist - Karte an das Gerät halten, zwei Sekunden warten, Betrag ist vom Konto abgebucht. Das ist so einfach, dass man schnell den Überblick über viele kleine Ausgaben verlieren kann. Bei mir ist das zumindest so, da muss ich ehrlich sein.

Ob das alles nun funktioniert, werde ich erst nach ein paar Monaten resümieren können. In der ersten Woche habe ich allerdings bereits gemerkt, dass ich deutlich weniger "Unnötiges" einkaufe und gerade die Barzahlung mir gut tut, da ich nicht mehr Geld ausgeben "kann", als ich im Portemonnaie habe.

Danke, Mama! 💑

Montag, 4. Dezember 2023

Tag 126 - Kiel lahmgelegt.


Ich finde Widersprüche faszinierend, das war schon immer so. Kein Wunder, dass das Oxymoron eines meiner liebsten Stilmittel war.

Kiel bewegt.

Kiel macht mobil!

Diese Slogans findet man derzeit überall in der Stadt, an Bushaltestellen, auf Plakatwänden, überall wird angepriesen, dass Kiel in der Mobilitätswende vorankommt. Seit dem Wintereinbruch vor ein paar Tagen geht aber gar nichts mehr.

Es ist ja nicht nur, dass die Busse überfüllt sind, gerade zu den Stoßzeiten morgens, mittags und abends. Schulverkehr, Berufsverkehr, und die Straßen sind dicht. Die Wege auch. Es macht keinen Spaß, rauszugehen. Wen man dann doch einmal in die Innenstadt muss, geht man besser zu fuß, warm eingepackt. 

Und wenn man dann am Dreiecksplatz auf die Linie Elf wartet, treten italienische Zustände ein: Eine halbe Stunde lang kommt überhaupt kein Bus, dann drei Busse der gleichen Linie innerhalb von zwei Minuten - und wenn man dann denkt, oh, dann steige ich in den zweiten ein, der ist nicht so voll wie der erste - nix da, der zweite Busfahrer deutet darauf hin, in den vorderen Bus einzusteigen. Teilweise wird auch gar nicht mehr an Haltestellen gehalten. Der Hinweis "Einige unserer Busse fahren mit fünfzehn bis dreißig Minuten Verspätung" auf der Homepage vom Wochenende ist heute durch folgenden Hinweis ersetzt worden: "Aufgrund hoher krankheitsbedingter Personalausfälle, und witterungsbedingten Fahrzeugdefekten, kommt es leider zu ungeplanten Fahrtausfällen."

Da hilft nur noch eine Menge Geduld.

Freitag, 1. Dezember 2023

Tag 123 - Weihnachtsbasar: Danach


Schneechaos wäre vielleicht ein bisschen viel gesagt, aber der Wintereinbruch war trotzdem stark genug, dass Kiel gesagt hat, dass trotz Streiks der Straßenräumdienste kein Unterricht ausfallen wird. Es liege in jedermanns Eigenverantwortung, den Weg zur Schule sicher herumzubringen oder seine Kinder zuhause zu behalten. Also konnte gestern der Basar wie geplant stattfinden, auch wenn ich auf dem Weg dorthin ein paarmal in's Rutschen bekommen bin; immerhin war ich ausgeschlafen, weil ich - was ich sonst nie mache - nach den Morgennachrichten wieder in's Bett gegangen bin und weitergedöst habe, mit Hörspielen, die das Scheißwetter draußen ausblenden. Meine Hoffnung war, dass ich keine Weihnachtsstimmung zum Basar mitbringen sollte, denn das klappt bei mir nicht so richtig.

Genau genommen war ich mir noch nichtmal sicher, ob ich überhaupt dort ankomme. Die Busse Richtung Kieler Osten gerammelt voll, ich habe extra zwei Busse vorbei fahren lassen, aber irgendwie hat es dann doch geklappt.

Zum Glück! Auf dem Gelände meiner ehemaligen Schule war viel los, reichlich Kinder, die den schneebedeckten Berg vom Wasserturm herunterrodelten, und überhaupt viel zu viele Menschen, so dass mein Blick wieder nach unten auf den Boden gerichtet war. Ziel war das Foyer, zur 9a, bekannte Gesichter finden, und von da an war es einfach nur schön.

Ich habe mich wieder wie "zuhause" gefühlt. Überall ehemalige SchülerInnen, die mich grüßen, und mit denen ich in's Gespräch komme, aus allen Klassenstufen, die ich unterrichtet habe. Teilweise wurde ich per Handy ex absentia gegrüßt und auch Schüler, die ich nur einmal in einer Vertretungsstunde hatte, sind auf mich zugekommen und wir haben uns an die gemeinsame Zeit erinnert.

Ich hätte sie am liebsten in die Klassenräume geschickt und direkt weiter unterrichtet. Sie fehlen mir wirklich sehr, ich vermisse ihre Vielfalt, und auch ein paar KollegInnen, die ich gesehen habe, haben die Situation nicht einfacher gemacht. Am Ende bin ich sehr glücklich, aber mit zwei Tränen in den Augen, wieder vom Schulgelände gegangen, und wenn ich könnte - weil zum Beispiel jemand zum Sommer in den Ruhestand geht - würde ich mich direkt wieder dort bewerben. 

Miss u guys!

...so much...

Dienstag, 28. November 2023

Tag 120 - Weihnachtsbasar: Davor


Heute morgen habe ich mich fast zu Tode erschrocken, als ich das Fenster geöffnet habe und ein Dutzend Tauben, die davor gesessen hatten, auf einmal losgeflogen sind. Ich hatte sie überhaupt nicht gesehen, weil mein Blick viel faszinierter war von dem ersten Schnee der Saison. 

Ich werde jetzt nicht schon wieder ausbreiten, was ich von Schnee halte, das findet man hier im Blog bereits mehrfach. Das Timing ist aber sehr passend, denn am Donnerstag findet an der Toni-Jensen-Gemeinschaftsschule ein Weihnachtsbasar statt. Jedes Jahr wieder ist das eines der Highlights im Schulleben, habe ich gehört. Ich war bisher noch nie dort - ich kann mit Weihnachtsgedöns eben nicht so viel anfangen. 

Diesmal ist es anders, denn da ich nicht mehr an der Toni unterrichte, ist das eine schöne Gelegenheit, meine ehemaligen SchülerInnen mal wiederzusehen, und die ehemaligen KollegInnen, die ich vermisse, und für alles andere gibt es selektiven Mutismus

Ich freue mich tatsächlich darauf und werde mich gleich erstmal daran machen, meine Lederstiefel zu putzen und aufzupolieren. Damals in Kronshagen war das immer ein geliebtes Ritual vor der Lost Souls. Und bei Schneewetter sind diese Stiefel einfach großartig. Ich muss außerdem unbedingt daran denken, die Fingernägel zu lackieren (seit Monaten nicht mehr - generell kein gutes Zeichen), und vielleicht hole ich ja sogar den Kajal raus. 

Rising action...

Freitag, 24. November 2023

Tag 116 - Auf BoobEntzug

Wären wir nicht ein tolles Klassenlehrerteam? ;-P

Ich kann mir noch so oft sagen, dass ich kein Problem damit habe, allein zu sein: Irgendwann kommt dann doch dieser Moment, wo der Alltag und die ganz realen Probleme wie eine Mauer in meinem Kopf fest angestaut sind. Und da ist es gut, wenn die große Buba zu Besuch kommt. Einfach mal alles an Realität draußen lassen, hier in der kleinen Weltraumbasis-Bubble, über das Leben erzählen, über den Job - oder das Nichtvorhandensein dessen - lästern, dann einen Film oder eine Serie schauen oder, wie heute Abend, mal wieder einen Schritt weiter dabei kommen, die Welt zu retten.

Noch gut zwei Stunden seelisch vorbereiten und mal was essen, und dann wird es wieder Zeit, die Nachbarn kirre zu machen.

ICH FREU MICH! :D

Dienstag, 21. November 2023

Tag 113 - Die Ruhe


Das war für mich immer ein Horrorszenario: Die Sendungsverfolgung bei DHL sagt mir, dass ein Päckchen zu mir unterwegs war, ich war aber nicht da, und so hat ein Nachbar das entgegengenommen. Es ist Meditationstag, das heißt, ich denke nicht daran, zum Nachbarn zu gehen, weil andere Gedanken wichtiger sind. Und so lande ich abends in der Meditation, alles ist dunkel, ich liege auf der Couch ausgebreitet, Räucherware sorgt für die Atmosphäre, zusammen mit unaufdringlicher Musik. 

Und ich bekomme Angst. Was, wenn ausgerechnet während der Meditation jemand an der Tür klingelt - der Nachbar, der besagtes Päckchen zu mir bringen will? So etwas ist schon zweimal passiert und ich werde komplett aus meinen Gedankengängen gerissen. Es fühlt sich an, als würde mein Zug entgleisen. Und so meditiere ich also immer mit der Angst im Hinterkopf, dass die Türklingel läuten könnte, und ich kann sie nicht abschalten. Ich habe zwar ein "Bitte nicht stören"-Schild oben an der Wohnungstür aufgehängt, aber was ist, wenn unten jemand klingelt, der das nicht sieht? Immer diese Unsicherheit im Hintergrund.

Bis vor Kurzem. Ich hatte berichtet, dass die Klingelanlage in unserem Haus ausgetauscht wurde. Das neue Gerät hat zwei Knöpfe, auf einem ist ein Schlüssel abgebildet, auf dem anderen eine Flurlampe (damit man für wen auch immer das Drei-Minuten-Licht einschalten konnte?). Sah zumindest für meinen Nachbarn und mich so aus - aber die Flurlampe ist bei sehr genauem Hinsehen eine Klingel. Dieser wunderbare kleine Knopf schaltet die Türklingel aus.

Interessant, was dieses Bewusstsein mit einem machen kann. Ich drücke jetzt jedesmal vor der Meditation auf diesen Knopf und habe Sicherheit, dass dieser nervtötende Klingelton nicht passieren wird. Ich habe Ruhe.

Und manchmal kann die Ruhe wirklich gut tun.

post scriptum: Liebe Eltern, DANKE!

Samstag, 18. November 2023

Tag 110 - Die Sendung mit der Maus

 


Meine Eltern haben früher immer sehr darauf geachtet, wie lange wir Kinder vor dem Fernseher sitzen durften, und das war auch gut so. Kaum zu glauben: Wir haben noch "direkt" gelebt, sind in den Wald zum Spielen gegangen, den Kugelfang im Winter runtergerodelt, und das alles ohne ein Smartphone vor dem Gesicht. Und abends durfte ich mir dann die Sesamstraße anschauen - damals wusste ich noch nicht, dass die Serie aus den USA stammt. Freitags gab es Hallo, Spencer! - aber das hat mir nicht so gefallen.

Das Tollste war der Donnerstagabend, denn da gab es die Sendung mit der Maus. Lach- und Sachgeschichten. Quasi eine Dokureihe für Kinder, die immer gefragt hat "Warum ist das so?" oder "Wie funktioniert das?". Wie kommen die Streifen in die Zahnpasta? Wie funktioniert eine Spülmaschine? Wie wirkt eine Kopfschmerztablette? 

Das wurde mit kleinen Filmen, im Schnitt fünf bis acht Minuten, erklärt, und ich fand das wahnsinnig interessant, weil mir kleinem Steppke die Welt auf kindgerechte Art und Weise erklärt wurde. Einer meiner Favoriten waren die Filme mit Armin Maiwald, der sie übrigens auch in's hohe Alter noch gemacht hat. Er hat immer lockere Sprüche dabei, ist witzig, gelassen und authentisch und ich habe ihm sehr gern zugehört. Ich poste unten mal das Video Wie funktioniert eine Spülmaschine? für alle, die zehn Minuten Nostalgie erleben wollen.

Wer nur eine Minute Nostalgie erleben will, für den poste ich außerdem einen Vorspann der Sendung, der war nämlich auch immer cool: Vor dem Hintergrund einer lustigen Melodie wurden kurz die Themen der jeweiligen Sendung vorgestellt - und dann lief der Vorspann gleich noch ein zweites Mal, und zwar jedesmal in einer anderen Sprache. Das war großartig, denn Internet war damals noch nicht, und das war eine der wenigen Möglichkeiten, fremde Sprachen gesprochen zu hören.

Ich habe die Sendung mit der Maus geliebt (und ich finde die Videos auch heute noch interessant), und ich hoffe, Ihr Eltern da draußen zeigt sie auch Euren Kindern ;-)




Donnerstag, 16. November 2023

Tag 108 - Ding Dong! (dong... dong... dong... dong...)

Neu und weiß

Ich sollte definitiv häufiger Handwerker oder Elektriker in der Wohnung haben. Das letzte Mal, dass ich einen halben Tag lang durchgearbeitet habe, ist ewig her. 

Die Tür-Klingel-Schließanlage ist in unserem Haus in allen Wohnungen ausgetauscht worden. Als Zeitpunkt wurde per Post vor zwei Wochen heute zwischen acht und sechzehn Uhr angekündigt, und auf die Minute genau waren die Stimmen im Treppenhaus zu hören. Heißt, dass ich mir den Wecker stellen musste, auch weil ich Verantwortung äi käi äi Haustürschlüssel meines Nachbarn für heute übernommen hatte. 

Ich wollte vorher natürlich die ganze Wohnung aufgeräumt haben, aber dann kam The TALOS-Principle II und ich war im Aspi-Heaven. Bin ich immer noch, und die Wohnung ist immer noch rumpelig. 

Dafür habe ich allerdings während der Arbeiten Einiges geschafft, denn die haben sich mehrere Stunden hingezogen. Was genau das Problem war, habe ich nicht mitbekommen, ich habe nur immer wieder aus diversen Etagen und auch an meiner Haustür etwas in Richtung "Ach du Schande" gehört. 

Ich hätte mich vor den Fernseher setzen können. Stattdessen habe ich den Stellenmarkt gesichtet (da kommt momentan eine Menge dazu, oft ist aber DaZ Voraussetzung), ich habe endlich, nach Monaten, den Ständer für den Müllsack repariert (der ist großartig und gut standfest und hält Vieles aus, außer wenn man sich draufsetzt); ich hatte es erst mit Klebeband versucht, und mit Reparaturkleber, bis mir heute dann die Heißklebepistole in der Kammer aufgefallen ist, die da seit Monaten unbenutzt herumsteht. Also ab die Post, versuchen kann ich es ja mal - war eine wackelige Angelegenheit, aber jetzt hängen alle Teile wieder so zusammen, wie sie sollen. Mal sehen, ob es lange hält. Ich werde mich jedenfalls nicht nochmal draufsetzen.

Wäsche abgenommen, Decken gewaschen, Bett neu bezogen (ebenfalls ewig vor mir hergeschoben), Papierberg hinuntergetragen (leider nur einen Teil davon, denn die Tonnen sind voll, aber sobald sie abgeholt werden, wird weiter entrümpelt). Die neunundfünfzig Karten mit den Lojong-Losungen unter dem Tisch hervorgekramt und wieder richtig in ihren Kasten einsortiert, nicht benutzte Konsolen weggeräumt. Das Deutschlandticket als Chipkarte zum Januar bestellt, dazu musste ich allerdings persönlich in der KVG-Verwaltung vorbeischauen, weil einige Formulierungen im Antrag missverständlich waren, zumindest für diesen Aspi. Ich bin gespannt, wann ich die Karte in Händen halten darf - endlich nicht mehr das Papierticket ausdrucken, und Handy ist bei mir ja nicht, wie Ihr wisst.

Und nun habe ich also Einiges geschafft und ein neues Klingeltelefon an der Tür geschaltet. Mal schauen, ob die große Buba und ich damit auch wieder so viel Spaß haben werden (die Überschrift spricht Bände für uns). Und vielleicht kann ich dann ja endlich wieder mit der Person unten sprechen, und es ist weiß, und nicht mehr dieses Siebzigerjahre-Orange-Senfcremefarben, als hätte man es dauervollgeraucht. Außerdem ist die Klingelkonsole am Haupteingang rund um die Uhr beleuchtet.

Ich liebe es!

Montag, 13. November 2023

Tag 105 - Das Lehrerzimmer

Hilft manchmal... oder?

Dieser Film hätte von Michael Haneke stammen können (Cache, Das weiße Band, Amour, Funny Games); dessen Filme zeichnen sich oft aus durch die klinische (fast Cronenbergsche) Distanz zwischen dem Regisseur und dessen, was seine Kamera filmt. Gerade Cache orientiert sich stark am cinéma vérité und wirkt dadurch authentisch und glaubwürdig, und etwas, was gegen Ende des Filmes passiert, dadurch umso schockierender.

Etwas weniger schockierend, aber durchaus alltagstauglich, geht es in Ílker Çataks Das Lehrerzimmer (2023) zu. Der Film ist der deutsche Beitrag für die 2024 Academy Awards in der Kategorie bester internationaler Film. Muss wohl damit zu tun haben, dass er in der internationalen Kritik (als The Teachers' Lounge) sehr gut angekommen ist. Ich würde Euch diesen Film gern an's Herz legen, wenn Ihr selbst Lehrkraft seid. Vielleicht werdet Ihr die Szenen im Film wiedererkennen, oder sie werden bei Euch Kopfschütteln auslösen ob des dargestellten Schullebens - das leider recht realistisch ist (zum Beispiel der Glottisschlag bei "SchülerInnen" oder die panische Angst vor Rassismusvorwürfen). Das hier ist kein Fack ju Göhte.

Carla Novak ist frisch eingestellte Lehrkraft an einem Gymnasium, an dem eine Reihe von Taschendiebstählen für Unruhe sorgt. Auch sie wird bestohlen, allerdings hat Carla einen ziemlich eindeutigen Beweis, mit dem sie sich an die Schulleitung wendet und damit die gesamte Schulsituation zur Eskalation bringt, weil nicht unbedingt alle Mitglieder des Kollegiums so vorsichtig wie sie an die Sache herangehen. Schnell werden Anschuldigungen öffentlich, schnell wird Carla zwischen SchülerInnen- und Kollegiumsseite hin- und hergezerrt, bis sie fast alle gegen sich hat.

Was ich schön erfrischend fand, und auch ein Hauch von Haneke ist, dass der Täter bis zum Ende des Films nicht überführt wird. Irgendwann laufen die Credits (wenn auch nicht ganz so kühl wie in Hanekes Cache). Das ist eine wunderbare Entscheidung, weil sie uns klarmacht, dass es dem Film nicht darum geht, wer nun Geld aus einem Portemonnaie gestohlen haben mag - sondern darum, wie an der Schule von Erwachsenenseite und von den Jugendlichen mit der Situation umgegangen wird und was das mit dem Schulfrieden anstellt an einem Gymnasium, das sich mit einer Nulltoleranzpolitik rühmt.

Für mich persönlich war der Film wieder eine Erinnerung daran, warum ich nicht an ein Gymnasium möchte. Klar, Anfeindungen kann man an jeder Schulform finden. Es sind solche Kleinigkeiten - dass manche KollegInnen sich siezen und mit Titel anreden lassen und Sachen, die ich nicht in Worte fassen kann. Es wirkt alles etwas kälter (gestellter?) als an einer Gemeinschaftsschule, es wird noch mehr über- als miteinander geredet.

Natürlich weiß ich, dass es nicht an allen Gymnasien so ist. Es gibt andere. Ich muss sie nur erst noch kennenlernen.

Also: Ganz klarer Filmtipp, Das Lehrerzimmer von Ílker Çatak aus diesem Jahr.

Samstag, 11. November 2023

Tag 103 - In Gedanken versunken

Sie hat auch sehr viel nachgedacht - Alexandra Drennan

Ich schreibe derzeit wenig, ich denke derzeit viel nach.

Vor gut einer Woche ist das Spiel The TALOS Principle II veröffentlicht worden. Wer den Vorgänger kennt, weiß, dass es ein Grafikadventure mit vielen Rätseln ist - diese Rätsel sind allerdings nicht reiner Selbstzweck, sondern tragen zu einem philosophischen SciFi-Narrativ bei. Der Mensch als Wesen wird hinterfragt - von seinen Nachfahren. Im ersten Teil - die große Buba erinnert sich noch gut daran - setzten wir den Grundstein für eine neue Zivilisation, nachdem die Menschheit durch eine unaufhaltbare Krankheit ausgerottet worden war (ein beliebter SciFi-Topos).

Der zweite Teil führt das Ganze weiter, denn er spielt in dieser neuen Zivilisation, und als Spieler wird man noch intensiver als im ersten Teil mit Fragen nach dem Sinn des Lebens, nach der Bedeutung des Selbst konfrontiert, das eigene Handeln hinterfragt, und das teils abstrakt, aber teils auch so konkret, dass ich manchmal nur in dieser fiktiven Welt stehenbleibe, den Anblick genieße, die New-Age-Musik höre und über mein eigenes Leben nachdenke, und die provokativen philosophischen Fragen, die das Spiel stellt, mit meiner derzeitigen Lebenssituation abgleiche.

Heavy stuff, und deswegen bin ich derzeit ganz in meiner eigenen Welt. Sorry, wenn ich nicht oder nur sporadisch antworte - der Aspi ist in seinem Element und es geht ihm da gut.

post scriptum: Jetzt beginnt die Phase, in der die neuen Planstellen ab Februar ausgeschrieben werden. Es tauchen immer mehr Stellen mit Englisch auf, aber entweder passt das zweite Fach nicht, oder die Schule ist auf Sylt oder in Geesthacht, oder es ist eine Grundschule. Noch nichts Passendes dabei, mal schauen, vielleicht taucht ja auch eine passende Schulanfrage für eine Vertretung dieser Tage auf. 

Abwarten, und Tee trinken. Und nachdenken, und gesund bleiben.

Fabi, Moss, Tom: Ich habe Euch nicht vergessen! I need time...

Sonntag, 5. November 2023

Tag 97 - Gymnasium

Auch am Gymnasium kann man Spaß haben

Gestern ist eine Mail gekommen - ein Gymnasium in Neumünster fragt an, ob ich kurzfristig bis zu den Weihnachtsferien Latein vertreten könnte.

Wer mich kennt, weiß die Antwort. Nein. Aus so vielen Gründen, kurzfristig mal eben spontan ist für Menschen auf'm Spektrum nur schwer möglich. Ich habe einmal den riesigen Fehler gemacht und während meiner Arbeitslosigkeit eine extrem knapp befristete Vertretung angenommen. Das hat leider dazu geführt, dass ich während der Zeit kein Arbeitslosengeld bekommen habe, und weil es nur um einen Kurs ging, hatte ich echte Geldprobleme.

Eine neue Schule, nur für ein paar Wochen? Das gebe ich gern an Mainstream-KollegInnen ab. Es braucht immer ein paar Wochen, bis die SchülerInnen sich überhaupt auf mich eingestimmt haben, und dann bin ich schon wieder weg. Nichts da, also habe ich eine nette Absage geschickt und die Sache ist erledigt.

Allerdings hat die Sache mich daran erinnert, dass ich ja auch auf einem Gymnasium landen könnte - und davor habe ich richtige Angst. Die Erwartungen an mich wären immens, Eltern würden sich über die neue Lehrkraft beschweren (alles passiert), die SchülerInnenschaft wäre ein bisschen weniger authentisch, dann noch ein großes LehrerInnenzimmer und meine Arbeit hätte als Schwerpunkt Fachvermittlung. 

Ich habe echt etwas Angst, dass sich für mich eine Stelle an einem Gymnasium ergeben könnte. -.-

Freitag, 3. November 2023

Tag 95 - Schüler-Möbius


vor dem Bankautomaten im rewe Center und warte darauf, dass der Kunde vor mir fertig ist, doch von rechts kommt jemand und fragt mich, ob ich an den Geldautomaten möchte, aber ich verneine, und von links höre ich meinen Namen, der im Stimmengewirr im Einkaufscentrum untergeht, und so meine ich nur, ihn gehört zu haben, aber dann höre ich ihn ein zweites Mal, blicke nach links und sehe zwei ehemalige Schüler von mir im Dönerimbiss sitzen, worüber ich mich wie immer riesig freue - Ehemalige zu treffen, strahle sie an und fühle mich ein bisschen unwohl, denn sie winken mir zu und das könnte eine Einladung sein, zu ihnen zu gehen und mit ihnen zu reden, aber ich warte ja nun mal darauf, meine Überweisung machen zu können und bleibe stehen, schaue verlegen, aber grinsend auf den Boden und fühle, wie die gute Laune durch meinen Kopf und meinen Körper wabert, und dann wird die awkwardness der Situation genommen, denn die beiden sind fertig und kommen einfach mal kurz rüber zu mir - der Schüchterne von ihnen lächelt einfach nur und schweigt, der andere spricht mich direkt an und fragt, ob es mir gut geht, und natürlich antworte ich ehrlich und schüttele mit einem etwas traurigen Lächeln den Kopf, erkläre ihnen, dass ich nicht an der Schule bleiben konnte, und während sie nach der Elften von der Schule gegangen sind und eine neue Schule für das Weg zum Abitur gefunden haben, bin ich arbeitslos geblieben und solche Momente zerreißen mir dann das Herz, besonders wenn ich von ihnen Komplimente bekomme (und ich staune wieder, wie gut erzogen und höflich der Eine ist), und wenn ich dann wieder nicht einsehen kann, warum eine Schule mich nicht haben will, aber mittlerweile kenne ich ja zum Glück einige der Argumente und erkläre sie den beiden, die sie genau so wenig einsehen wollen wie ich, und sie wünschen mir viel Glück auf der Suche nach einer neuen Schule - yay - und natürlich wünsche ich ihnen alles Gute auf dem Weg zum Abitur und kann meinen Blick wieder nach vorne wenden, denn ich stehe

post scriptum: Ich weiß, dass ich schon mehrfach solche Möbiustexte geschrieben habe - zum Beispiel in "Der Wiederholer". Sie machen mir aber Spaß, weil es manchmal einfach Spaß macht, sich einen Text im Entwurf hakeliger zu machen, als es eigentlich nötig ist. Manchmal kann das eine besondere Herausforderung sein - aber ein Möbiustext ist relativ einfach und heute hatte ich einfach mal wieder Lust darauf. Weil es mich so gefreut hat, meine ehemaligen Schüler wieder zu treffen. :-)

Donnerstag, 2. November 2023

Tag 94 - Indiana Jones und der Fluch der CGI


Indiana Jones war für mich immer ein aufregendes Abenteuer, egal ob als Film oder in Folge als Videospiel (interessant, wie Tomb Raider dieses Konzept umgedreht hat, als Videospiel gestartet ist und nun auch als Filmreihe existiert, inklusive Geschlechtsumkehrung). Der B-Movie-Charakter, die Mischung aus Actionsequenzen und Rätseln, das Erforschen alter Ruinen und ein Hauch des Übernatürlichen. Kein Anspruch auf Realismus, sondern einfach einmal in ein Abenteuer fallen lassen. Nicht viel Nachdenken müssen, tolle Schauplätze erleben.

Nun habe ich vor Kurzem den fünften und letzten Teil der Reihe gesehen, Indiana Jones and the Dial of Destiny (2023). Nur leichte Spoiler hier für diejenigen, die ihn noch sehen wollen. Wenn ich es genau betrachte, ist der Film nicht schlecht. Er hat das, was die anderen Teile auch haben: Actionsequenzen (auch wenn ein Pferdegalopp durch U-Bahn-Tunnel meine suspension of disbelief arg strapaziert), mythologische Artefakte, trashige Dialoge, eine wilde weibliche Partnerin, ein größenwahnsinniger Antagonist (gespielt von Mads Mikkelsen, den ich seit Hannibal (2013-2015) für einen faszinierenden Schauspieler halte, grenzenlos verschwendet in Casino Royale (2006)), Wissenschaftler, aber natürlich spielt auch der Krieg wieder eine Rolle. Und auch einen positiv wahnsinnigen Wissenschaftler haben wir, herrlich nerdig gespielt von Toby Jones, der für solche Rollen prädestiniert ist.

Der Plot ist vollkommen absurd, aber das macht nichts. Altphilologen, -geschichtlern und Archäologen wird sich der Magen umdrehen, wenn sie sehen, was hier mit der Antikythera des Archimedes angestellt wird, aber gerade diese Albernheit macht den Spaß bei Indy aus. Also sollte es doch ein tolles Finale für eine wunderbar unterhaltende Reihe sein, oder?

Wären da nicht die Spezialeffekte. Ausgerechnet! Spielberg hat das damals alles per Hand gemacht, echte Requisiten, echte Stunts. Ein erschreckend hoher Anteil des neuen Films wurde per CGI gemacht - ich hätte nichts dagegen, wenn es mir nicht ständig in's Auge springen würde, dass es Spezialeffekte sind. Sie sind teilweise grottenschlecht choreographiert (Autofahrt), teilweise schlecht animiert (eine bestimmte Kriegsszene) und schlecht mit dem Sound abgestimmt. Harrison Ford wurde für den Prolog per Computer verjüngt, einigermaßen in Ordnung, aber die Stimme passt nicht, und sofort tritt der Effekt des uncanny valley auf. Er bewirkt, dass ich realisiere, dass das da auf dem Bildschirm nicht echt ist. Dass ich nur einen Film sehe. Immersionsfaktor null.

Und das ist so schade, denn eigentlich hat dieser Film Herz. Er hat ein tolles Ende, rundet die Reihe inhaltlich perfekt ab, Mads Mikkelsen ist ein charismatischer Gegner, und wenngleich es etwas zu lange dauert (der Film ist gefühlt eine Dreiviertelstunde zu lang), bis wir endlich zu den Abenteuer-Ausgrabungen kommen (davor eine Actionsequenz nach der anderen, mit oben erwähnter mittelmäßiger und stark schwankender Qualität), ist es für mich trotzdem ein schönes Erlebnis gewesen. 

Ich war nur echt baff, dass man in einer Zeit grandioser Spezialeffekte so einen Scheiß bauen kann.

Hat jemand von Euch ihn gesehen?

post scriptum: Welch' Gegensatz. Ich sehe mir gerade Alex Garlands Miniserie "Devs" (2020) an. Mal von seinem jüngsten Werk "Men" (2022) abgesehen, sind seine Science Fiction-Werke echte Kunstwerke. Viel Auge für's Detail. Brillante Spezialeffekte. Hochglanz, und alles wirkt echt. Garlands Werke bringen mich zum Nachdenken (er hat von Tarkovsky gelernt). Nichts mit uncanny valley - und dann frage ich mich, ob die Macher des fünften Indy-Filmes absichtlich schlechte CGI verbaut haben? In einem Versuch, dem B-Movie-Charme nachzueifern?

Wer weiß?

Mittwoch, 1. November 2023

Tag 93 - Elf SchülerInnen

Mal woanders unterrichten

Es findet sich auf dem Stellenmarkt für Lehrkräfte derzeit eine sehr interessante Stelle, ein halbes Jahr Vertretung in Englisch (und anderen Fächern). Leider nicht wegen der Lage - es geht um die Grund- und Gemeinschaftsschule auf der Hallig Hooge. Das muss man schon wollen - aber dafür erwartet einen dort ein Schulumfeld, das ziemlich einzgartig in Deutschland sein dürfte.

An der Schule werden insgesamt elf SchülerInnen in den Klassen Eins bis Neun unterrichtet - von zwei Lehrkräften. Das war's. 

Ich muss an meine Zeit in St.Peter-Ording denken, natürlich. Im Regionalschulteil knapp hundertachtzig SchülerInnen mit einem Kollegium von nicht einmal fünfzehn, und es war das beste Arbeiten, was ich bis dato genießen durfte. Insofern ist Hooge wirklich interessant - aber ich kann mir bei'm besten Willen nicht vorstellen, dort raus zu fahren. No way. Eine der Sachen, auf die ich am Leben in der Stadt nicht verzichten kann, ist das Gefühl von "Leben" - das ist auf dem Land anders, und nach neunzehn und einem Jahr habe ich davon tatsächlich genug. 

Ich brauche die nervigen drängelnden AutofahrerInnen unten auf der Kreuzung, ich brauche die Busse und die Krankenwagen, und alles in Reichweite zu haben und anonym leben zu können. Die Schule klingt wirklich so unglaublich verlockend, aber es ist wie mit SPO - mein privates Leben steht in meiner Prioritätenliste über meinem Beruf. Da müssen Entscheidungen getroffen werden.

Freitag, 27. Oktober 2023

Tag 88 - Im Bus


Kleine Anekdote von heute mittag. Ich war im Sophienhof, ich brauchte etwas aus der Apotheke. Das Einkaufszentrum ist gerammelt voll, denn es sind Ferien, es hat genieselregnet und es ist Freitag, die Leute kaufen ein, als gäbe es nach dem Wochenende keine Geschäfte mehr.

Dann stehe ich an der Bushaltestelle, unter dem Dach, denn ich hatte keinen Regenschirm mitgenommen. Gefühlt zweihundert Menschen stehen um mich herum, um sich ebenfalls vor dem Regen zu schützen. Ich warte auf die Zweiundsechzig - und ich wünschte mir so dringend, dass die Zwölf und Dreizehn wieder bis nach Schulensee führen, aber das tun sie momentan nur sonntags sporadisch - und da kommt sie. Ich sehe schon, dass der Bus sehr voll ist, na toll. Ich habe eine Technik entwickelt, durch die ich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit genau an der Stelle stehe, wo die Eingangstür des Busses ist; so kann ich vor den Anderen einsteigen und vielleicht einen Platz finden.

Aber der Stress war ganz umsonst, es sind fast alle Fahrgäste am Hauptbahnhof ausgestiegen, und so konnte ich mir gleich den Platz rechts am Fenster im vorderen Vierer auf der rechten Seite sichern. Wunderbar!

...wenn da nicht nach und nach Tausende Menschen zusteigen würden; innerhalb kürzester Zeit sind alle Sitzplätze besetzt, der Gang füllt sich, es wird tatsächlich proppevoll. Kein Zusteigen mehr möglich. Kein Gehen mehr möglich. KEIN AUSSTEIGEN MEHR MÖGLICH!!! geht es mir durch den Kopf und ich bereue, den schönen Fensterplatz gewählt zu haben. Wie soll ich nur jemals an der Diesterwegstraße aus dem Bus kommen?

Für Ablenkung sorgt ein weinend-schreiendes Kleinkind im Kinderwagen in der Busmitte. Es weint ununterbrochen. Sehr laut. Immer wieder auf's Neue. Bis eine ältere Dame sich genervt zu dem Kind dreht und sagt: "Was ist denn los? Warum weinst du? Mach' doch die Augen zu! Schlaf' einfach ein bisschen!"

Man sagt ja gern, Autisten haben es nicht so mit der Empathie. Aber da sitzt ein Kleinkind im Kinderwagen, in einem völlig überfüllten Bus, überall riesige Menschen, die von allen Seiten reden. Das Kind ist völlig überfordert und es ist vollkommen natürlich, dass es weint!! Da kann es nicht einfach mal eben die Augen zu machen und schlafen, strategisch sinnvoll, aber nicht realistisch im Kopf eines knapp zweijährigen Mädchens. Wow. Ich habe mich gewundert, wie jemand so einen dummen Kommentar machen konnte. Noch dazu eine Frau mit viel Lebens-, aber vielleicht keiner Kindererfahrung. 

Ich gebe zu, ich habe meine Einschätzung auch erst von der Sannitanic lernen müssen. Aber ich habe mir das sehr zu Herzen genommen, denn ich weiß, wie es ist, inmitten einer Menschenmenge völlig überfordert zu sein - im Sophienhof war ich wieder kurz vor der Tablette zur Beruhigung.

Aber diese Ablenkung hat mir sehr gut getan, denn meine eigene Menschenmassenpanik ist in den Hintergrund gerückt, und so konnte ich den Sinn aufbringen, die Menschen um mich herum zu bitten, mich vorne aussteigen zu lassen. Eine Dame vor mir meinte, sie mache das genauso, weil die Menschen in der Busmitte sich anfühlen wie eine Wand. Da bliebe nur der vordere Ausstieg. Das hat mir mal wieder gezeigt, dass ich mit meinen Problemen nicht allein auf der Welt bin - die Grundessenz der Tonglen-Meditation.

Endlich wieder in der Wohnung!

Donnerstag, 26. Oktober 2023

Tag 87 - Die Türsprechanlage

Es geht um die Gesundheit

Endlich!

Wir haben in unserem Haus eine ganz klassische Türschließanlage - unten klingelt man, oben kann man, wenn man möchte, per Telefonhörer mit der Person unten sprechen oder, was meistens der Fall ist, man drückt einfach auf den Summer, damit unten die Tür geöffnet werden kann. Die große Buba und ich haben damit schon eine Menge Spaß gehabt - in letzter Zeit aber nicht so sehr, denn es summt nicht mehr, wenn man oben auf den Knopf drückt. Also muss der unten Wartende die ganze Zeit gegen die Tür drücken, auch wenn das charakteristische Geräusch nicht kommt. Oder er geht unverrichteter Dinge wieder.

Also hat Vonovia es sich vorgenommen, die gesamte Anlage auszutauschen. Ich bin so gespannt! Wie wird das neue Gerät aussehen? Wie wird, nach acht Jahren, der neue Klingelton oben in der Wohnung sein? Veränderungen sind für den Autisten nicht immer willkommen, aber das interessiert mich doch. Und...

Endlich!

Endlich habe ich einen triftigen Grund, meine Wohnung wieder in Schuss zu bekommen, denn ich möchte die Techniker hier keinen Schimmel (und alles Andere) sehen lassen. Ich habe jetzt drei Wochen Zeit dafür, und die werden genutzt! Und ein positiver Nebeneffekt könnte sein, dass meine Wohnung mich nicht mehr krank machen kann, Abszesse werden ausgerottet, verdorbenes Essen gibt es nicht mehr. Deswegen geht es mir in diesem Beitrag eigentlich um die Gesundheit und nicht so sehr um neue Technik. 

Trotzdem freue ich mich auf beides.

Mittwoch, 25. Oktober 2023

Tag 86 - Die Einschreiben-Rückschein-Tapete


"So, dann kommen wir mal zu eurer Klausur."

"Ohgott, ist sie so schlimm geworden?"

"Naja, doll war das nicht. Aber sie ist kein totaler Schrott. Ich kann damit immerhin noch mein Klo tapezieren."

An diesen Wortwechsel in einer meiner ehemaligen Schulen musste ich heute denken, als ich mein viertes Einschreiben mit Rückschein an das LAsD geschickt habe. So langsam stapeln sich die Rückscheine bei mir, ich könnte die Küche damit tapezieren, und es wäre alles etwas einfacher, wenn das LAsD seinen eigenen Worten folgen würde.

Ich habe inzwischen vierundzwanzig Euro an Portokosten nur für den Schwerbehinderten-Antrag ausgegeben. Mal sehen, wie viel es noch wird. Und ich hoffe, dass mein Tonfall im heutigen Anschreiben in Ordnung war - es hatte mich wirklich irritiert, dass man mich nochmal gebeten hat, genauere Angaben zur Neurodermitis zu machen:

"Was Kontaktdaten meines Hautarztes angeht, muss ich noch einmal auf unseren bisherigen Kontakt verweisen: Mein Arzt Dr. XXX (Kaltenkirchen) praktiziert nicht mehr. Es ist fraglich, ob er überhaupt noch lebt, da meine letzte Neurodermitis-Behandlung etwa 37 Jahre zurückliegt und mir, wie gesagt, dazu keine Unterlagen mehr vorliegen.

Wie ich Ihnen geschrieben hatte, ist das atopische Ekzem bei mir unter Kontrolle. Hin und wieder habe ich einen Schub, gerade wenn ich in Stresssituationen meine Ernährung nicht mehr unter Kontrolle habe, aber ich kann diese Schübe mittlerweile einigermaßen selbst behandeln.

Wie auch mein Psychiater Ihnen mitgeteilt hat (und wie man es mir seitens des LAsD vorgeschlagen hat), sollten wir das atopische Ekzem nachrangig berücksichtigen.

Ich hab's nicht so mit dem Taktgefühl.

Samstag, 21. Oktober 2023

Tag 82 - Der laaaange Atem der Bürokratie


Heute ist ein Brief eingetrudelt, vom Landesamt für soziale Dienste (LAsD). Meine erste Reaktion - no surprises there - Panik. Absage. Ich bin nicht schwerbehindert. Also mache ich den Brief gar nicht erst auf, sondern flüchte in eine Videospielwelt, bis ich mich sicher genug fühle, gut genug drauf bin, um den Brief zu öffnen. Und dann - Ernüchterung.

Man bittet mich einfach nur darum, Ämter, Behörden, Ärzte etc. per Formular von ihrer Schweigepflicht zu entbinden, und ich solle doch bitte den letzten Behandlungstermin, Namen und Ort meines Neurodermitis-Arztes angeben. 

Erstmal erleichtert, dass es keine direkte Absage ist. Je mehr ich darüber nachdenke, umso wütender könnte ich werden (Lojong hilft): Jetzt, dreieinhalb Monate nach meinem Antrag auf Anerkennung einer Schwerbehinderung, nach dem ersten Bescheid und Widerspruch, nimmt man sich wohl die Zeit, mal mit meinem Psychiater zu reden. Ich könnte kotzen; das LAsD hat bisher immer nur das Minimum an Arbeit erledigt.

Dazu kommt, dass ich bereits im Erstantrag beschrieben hatte, dass die Neurodermitis unter Kontrolle ist, dass der letzte Behandlungstermin über dreißig Jahre zurückliegt, und auch mein Psychiater hat in seiner Widerspruchsbegründung noch einmal erwähnt, dass die Neurodermitis für diesen Antrag kaum eine Rolle spiele.

Es ist faszinierend, wie entmenschlicht man im Umgang mit Behörden wird. Und ich erkenne an, dass das zu einem großen Teil den Umständen geschuldet ist - bei so vielen Klienten ist es schwer, jeden Einzelnen ganz individuell wertzuschätzen. Das kennen wir vielleicht aus unserem Lehrberuf. Ich unterrichte Langfächer, das bedeutet, dass ich selten mehr als sechs Lerngruppen habe. Also rein rechnerisch maximal hundertsechsundfünfzig SchülerInnen. Da kann ich es zumindest im Ansatz schaffen, alle mit ihren individuellen Problemen auf ihrem Schul- und Lebensweg ernstzunehmen. Wie muss das erst sein, wenn man zwölf und mehr Lerngruppen unterrichtet?

Und trotzdem. Dafür, dass sich das LAsD als "sozial" bezeichnet, finde ich den Umgang mit meinem Antrag eher a-sozial.

Freitag, 20. Oktober 2023

Tag 81 - Sturmwarnung

Wenigstens drinnen gemütlich

Heute gibt es einen kleinen Vorgeschmack auf den Sturm an der Ostküste, es pustet ordentlich, so dass das Durchlüften nicht mehr ganz so einfach ist, wenn man sich nicht seine Wohnung zerlegen will. Draußen ist alles grau und nass - davon bekomme ich aber wie üblich nicht viel mit, meine Rollos sind unten, die Heizung ist aufgedreht - und trotzdem ist mir kalt.

Das wäre jetzt ein blödes Timing, um krank zu werden, denn die große Buba ist da. Ich bleibe heute einfach mal mit Schüttelfrost und Schnupfen im Bett, gleich gibt es das passende Essen für dieses Wetter - heiße Suppe mit Nudeln, irgendeinen Film und ab in's Bett. Am besten wäre es natürlich, morgen einfach aufzuwachen und alles ist wieder in Ordnung, aber die Realität in Form des Wetterberichts sagt für morgen den "richtigen" Sturm voraus. Schauen wir mal, was passiert. 

Zieht Euch warm an!

Montag, 16. Oktober 2023

Tag 77 - Ach, Ferien?


Wieder einmal wird mir bewusst, wie sich die Wahrnehmung von Zeit ändert, wenn man arbeitslos ist. Plötzlich sind Ferien; als die große Buba das vor zwei Wochen angekündigt hat, hat mich das doch sehr überrascht - als wäre kaum Schule gewesen. Naja, war ja hier auch nicht. Und der Arbeitsmarkt ist typischerweise direkt nach Schuljahresbeginn leergefegt. Allerdings baue ich darauf, dass die Urlaube in den Herbstferien wieder ein paar Beine brechen werden und sich irgendwas für das zweite Halbjahr ergibt. Unbefristet wäre natürlich besser, ich habe Angst davor, mich wieder auf ein neues Arbeitsumfeld einzustellen, dass nach einem halben oder ganzen Schuljahr schon wieder verschwindet.

Hier liegen Briefe und Mails - morgen muss ich das mal abarbeiten. Heute nicht, weil heute Abend der großen Buba gehört, wenn ich aus dem Fresskoma raus bin. Wir spielen ein episches RPG mit vielen Stimmen, die man missverstehen kann - warum sollte der Held mitten im Kampf "Brioche!" schreien? Es ist herrlich, wie sich alles mit der großen Buba nochmal wieder anders spielt. ;-) Dringend benötigter comic relief.

Dienstag, 10. Oktober 2023

Tag 71 - Ei


Heute gibt es ein Glas Asperger pur. Und ich kenne jemanden da draußen, dem sich bei diesem Beitrag der Magen umdrehen dürfte.

Ich erinnere mich noch sehr gut dran, wie damals bei uns zuhause auf dem Küchentisch fast immer eine kleine Schüssel mit gekochten Eiern stand. Hin und wieder bin ich zu Mama gegangen und habe sie gefragt, ob ich mir ein Ei nehmen dürfte. Das mochte ich tatsächlich sehr gern, am liebsten mit einer winzigen Prise Salz oder etwas Remoulade. Meine Mutter hat mir gezeigt, wie man Eier kocht - ich habe mich das aus verschiedenen Gründen nie getraut. Ich hatte Angst, dass mir die Eier im Kochtopf zerbrechen, oder das ich sie zu lang oder zu kurz koche, oder dass ich sie falsch abschrecke. Jedenfalls räumte ich mir keine Chance ein, selbst Eier "richtig" zu kochen.

Heute bin ich einen kleinen Schritt weiter. Ich weiß, dass man Eier nicht abschreckt, damit man sie besser pellen kann - das hängt davon ab, wie lange sie nach dem Kochen gelegen haben. Eigentlich schreckt man nur weichgekochte Eier ab, damit sie nach dem Kochen nicht noch weiter durchgaren; ich kann das nachvollziehen, ich liebe weichgekochte Eier. Trotzdem habe ich seit meinem Auszug zuhause noch nie Eier gekocht - wie gesagt, für mich war unvorstellbar, dass ich das richtig hinbekommen könnte mit der Kochdauer und dem Kochtopf und überhaupt. Also gab es über zwanzig Jahre lang keine Eier.

Mir ist völlig entfallen, dass es so etwas wie Eierkocher gibt, und das, obwohl wir davon zuhause später auch einen hatten. Es wäre so einfach gewesen - aber der Aspi sieht die Lösungen mal wieder nicht und steht sich lieber selbst im Weg. Erst mit knapp vierzig Jahren sieht er in einer Drogerie einen günstigen Eierkocher und sagt sich, hey, warum nicht? Und probiert ihn dann zuhause aus, einfach die richtige Menge Wasser einfüllen, Eier anstechen und einsetzen, Deckel drauf und Schalter an. Und einige Minuten später, je nach der gewünschten Garung, schrillt ein penetranter elektronischer Ton durch die Wohnung, die Eier sind fertig, und ich stelle sie zum Abkühlen auf einen Teller.

Und nach einer gewissen Abkühlphase sind sie fertig, und lassen sich wunderbar einfach pellen. Und sind soooooo lecker! Mit ein bisschen Salz oder Remoulade, wie damals. Und ich blicke auf diesen Billig-Eierkocher und frage mich mal wieder, wie ich mir so lang selbst im Weg stehen konnte. Schiebe diese Gedanken aber zur Seite und freue mich stattdessen über ein frisch gekochtes Ei.

Zum Wohl!

post scriptum: Und wenn ich die frischgekochten Eier zum Abkühlen hinstelle, merke ich tatsächlich, dass sie einen ganz charakteristischen Duft haben, bei dem sich manchen Menschen der Magen umdrehen kann. Ich dachte immer, dass die doch nach nichts riechen, aber ich habe auch keine sehr feine Nase, erst recht keine HSP-Nase. Man lernt nie aus.

Freitag, 6. Oktober 2023

Tag 67 - ...und täglich schrumpft die KVG

Darf's ein bisschen weniger sein?

Wenngleich mein Termin bei'm Arbeitsamt gestern nichts gebracht hat außer einer gewissen Frustration und dem Gefühl von "ich mache alles falsch", so war es immerhin eine Gelegenheit, mal wieder in die Stadt zu kommen. Der Hinweg war zu Fuß ganz erfrischend, und danach bin ich mit den Bussen der KVG durch die Gegend gefahren.

Das ist ja bereits seit dem Juli nicht mehr ganz so einfach; die KVG musste aus Mangel an Personal den Linienverkehr einschränken. Der Kieler Süden hat davon etwas abbekommen, zwei Hauptlinien fahren jetzt nur noch bis zum Hauptbahnhof anstatt bis Schulensee (der Kieler Süden scheint sowieso etwas stiefmütterlich am ÖPNV zu hängen, auch die zukünftige Kieler Stadtbahn wird bestenfalls in einem späteren Ausbauprozess eine Linie nach Schulensee bieten; nach der Hummelwiese kommt da nichts weiter Richtung Süden). Das bedeutet, dass hier unten auf der Hamburger Chaussee je Stunde und Richtung vier Busse weniger fahren als sonst. Auf anderen Linien wurde die Taktung runtergefahren, es hat sich bisher deutlich bemerkbar gemacht.

Und jetzt, zur Oktobermitte, wird weiter gekürzt. So wird zum Beispiel das Rentnertaxi, die Linie Zweiundfünfzig, am Wochenende nur noch stündlich fahren. Die anderen Kürzungen betreffen mich diesmal nicht so sehr. Die KVG schreibt dazu auf ihrer Homepage:

"Unser klar formuliertes Ziel ist es natürlich auch weiterhin, die genannten Einschränkungen langfristig wieder zurücknehmen zu können. Das gilt auch für alle Reduzierungen, die bereits zu einem früheren Zeitpunkt umgesetzt werden mussten."

Das Wort "langfristig" gibt nicht gerade Anlass zur Hoffnung - aber solange kaum jemand BusfahrerIn werden möchte, wird sich an der Lage auch nichts ändern. Und manchmal kann ich das niemandem übel nehmen. Ein großer Teil der Fahrgäste steigt immer noch regelwidrig hinten im Bus ein anstatt vorn, das Straßennetz gleicht immer mehr einem Flickenteppich, durch die vielen Baustellen kommt es immer häufiger zu Busverspätungen und -ausfällen, was wiederum die Fahrgäste aufbringt. Und dann gibt es eben auch BusfahrerInnen mit einem sehr eigenen Fahrstil; erst neulich bin ich wieder bei einer Vollbremsung durch den Bus geflogen und gegen eine der Haltestangen geknallt (aber wer Holzachterbahnen fährt, dem macht sowas nichts aus), und vor ein paar Tagen stand ein Bus hier bei grüner Ampel zwei Minuten lang auf der Straße, anstatt die Kreuzung zu überqueren und die Bushaltestelle anzufahren. In Gedanken versunken, bis der Busfahrer dann von ein paar Fahrgästen angeblfft wurde a la "grüner wird's nicht". Das ist eine Situation, die mir tatsächlich Bauchschmerzen bereitet, weil ich mich frage, warum der Bus nicht losfährt - ist etwas kaputt, oder gab es einen Unfall; ich finde tausend Gründe, komme aber generell selten auf die Idee, dass jemand seine Arbeit nicht richtig macht.

Nun denn. So schrumpft das Busangebot der KVG auch weiterhin, pünktlich zur verregneten Jahreszeit. Mal schauen, welche Linien als nächstes dran glauben müssen.

Donnerstag, 5. Oktober 2023

Tag 66 - "Berufliche Rehabilitation"


Puls einhundertacht, ich verlasse die Wohnung, Gesprächstermin in der Agentur für Arbeit. Darauf bin ich tatsächlich gespannt, denn diesmal spreche ich mit jemandem, der spezialisiert ist auf die berufliche Rehabilitation von Schwerbehinderten, und es ist ärgerlich, dass letztesmal die Einladung zu spät zugestellt wurde. Das Problem scheint aber bekannt zu sein und besonders bei'm Dienstleister Nordbrief häufiger vorzukommen - dass Briefe liegen bleiben, tagelang, bevor sie zugestellt werden. Egal. Heute klappt es mit dem Gespräch, und ich frage mich, was anders wird als bei den anderen Sachbearbeitern.

Zusammengefasst:

"Sie sind also seit dem ersten August arbeitslos. Ich vermute, sie hatten vorher einen befristeten Vertrag." - "Ja, etwas über zwanzig befristete Verträge." - "Oh..." - "Ich unterrichte seit elf Jahren." - "Oh... das ist ja eine lange Zeit..."

*bemüht verständnisvoller Blick*

"Haben sie sich denn schon einmal nach beruflichen Alternativen umgesehen?"

"Haben sie Interesse an beruflichen Weiterbildungen?"

"Warum haben sie sich denn keine Hilfe gesucht für die Arbeitsuchendmeldung?"

"Ich werde sie dann wieder zum Februar einladen und wir schauen, wie die Situation dann ist."

Wer jetzt denkt, moment mal, das klingt genau wie jedes andere Karrieregespräch auch bei der AA, der hat vollkommen Recht. Ich war nach dreißig Minuten raus, kein bisschen schlauer als vorher.

Wieder einmal tut es weh, dass das Gespräch sofort darauf abzielt, mir eine neue Laufbahn zu suchen.

Wieder einmal spreche ich mit jemandem, der nicht einmal meinen Lebenslauf vorher gelesen hat.

Wieder einmal bleibt nur zu hoffen, dass ich eine Beschäftigung für zwölf Monate bekomme, damit ich irgendwann wieder verspätet Arbeitslosengeld I beziehen kann.

Sucks.