Samstag, 21. Oktober 2023

Tag 82 - Der laaaange Atem der Bürokratie


Heute ist ein Brief eingetrudelt, vom Landesamt für soziale Dienste (LAsD). Meine erste Reaktion - no surprises there - Panik. Absage. Ich bin nicht schwerbehindert. Also mache ich den Brief gar nicht erst auf, sondern flüchte in eine Videospielwelt, bis ich mich sicher genug fühle, gut genug drauf bin, um den Brief zu öffnen. Und dann - Ernüchterung.

Man bittet mich einfach nur darum, Ämter, Behörden, Ärzte etc. per Formular von ihrer Schweigepflicht zu entbinden, und ich solle doch bitte den letzten Behandlungstermin, Namen und Ort meines Neurodermitis-Arztes angeben. 

Erstmal erleichtert, dass es keine direkte Absage ist. Je mehr ich darüber nachdenke, umso wütender könnte ich werden (Lojong hilft): Jetzt, dreieinhalb Monate nach meinem Antrag auf Anerkennung einer Schwerbehinderung, nach dem ersten Bescheid und Widerspruch, nimmt man sich wohl die Zeit, mal mit meinem Psychiater zu reden. Ich könnte kotzen; das LAsD hat bisher immer nur das Minimum an Arbeit erledigt.

Dazu kommt, dass ich bereits im Erstantrag beschrieben hatte, dass die Neurodermitis unter Kontrolle ist, dass der letzte Behandlungstermin über dreißig Jahre zurückliegt, und auch mein Psychiater hat in seiner Widerspruchsbegründung noch einmal erwähnt, dass die Neurodermitis für diesen Antrag kaum eine Rolle spiele.

Es ist faszinierend, wie entmenschlicht man im Umgang mit Behörden wird. Und ich erkenne an, dass das zu einem großen Teil den Umständen geschuldet ist - bei so vielen Klienten ist es schwer, jeden Einzelnen ganz individuell wertzuschätzen. Das kennen wir vielleicht aus unserem Lehrberuf. Ich unterrichte Langfächer, das bedeutet, dass ich selten mehr als sechs Lerngruppen habe. Also rein rechnerisch maximal hundertsechsundfünfzig SchülerInnen. Da kann ich es zumindest im Ansatz schaffen, alle mit ihren individuellen Problemen auf ihrem Schul- und Lebensweg ernstzunehmen. Wie muss das erst sein, wenn man zwölf und mehr Lerngruppen unterrichtet?

Und trotzdem. Dafür, dass sich das LAsD als "sozial" bezeichnet, finde ich den Umgang mit meinem Antrag eher a-sozial.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen