Dienstag, 10. Oktober 2023

Tag 71 - Ei


Heute gibt es ein Glas Asperger pur. Und ich kenne jemanden da draußen, dem sich bei diesem Beitrag der Magen umdrehen dürfte.

Ich erinnere mich noch sehr gut dran, wie damals bei uns zuhause auf dem Küchentisch fast immer eine kleine Schüssel mit gekochten Eiern stand. Hin und wieder bin ich zu Mama gegangen und habe sie gefragt, ob ich mir ein Ei nehmen dürfte. Das mochte ich tatsächlich sehr gern, am liebsten mit einer winzigen Prise Salz oder etwas Remoulade. Meine Mutter hat mir gezeigt, wie man Eier kocht - ich habe mich das aus verschiedenen Gründen nie getraut. Ich hatte Angst, dass mir die Eier im Kochtopf zerbrechen, oder das ich sie zu lang oder zu kurz koche, oder dass ich sie falsch abschrecke. Jedenfalls räumte ich mir keine Chance ein, selbst Eier "richtig" zu kochen.

Heute bin ich einen kleinen Schritt weiter. Ich weiß, dass man Eier nicht abschreckt, damit man sie besser pellen kann - das hängt davon ab, wie lange sie nach dem Kochen gelegen haben. Eigentlich schreckt man nur weichgekochte Eier ab, damit sie nach dem Kochen nicht noch weiter durchgaren; ich kann das nachvollziehen, ich liebe weichgekochte Eier. Trotzdem habe ich seit meinem Auszug zuhause noch nie Eier gekocht - wie gesagt, für mich war unvorstellbar, dass ich das richtig hinbekommen könnte mit der Kochdauer und dem Kochtopf und überhaupt. Also gab es über zwanzig Jahre lang keine Eier.

Mir ist völlig entfallen, dass es so etwas wie Eierkocher gibt, und das, obwohl wir davon zuhause später auch einen hatten. Es wäre so einfach gewesen - aber der Aspi sieht die Lösungen mal wieder nicht und steht sich lieber selbst im Weg. Erst mit knapp vierzig Jahren sieht er in einer Drogerie einen günstigen Eierkocher und sagt sich, hey, warum nicht? Und probiert ihn dann zuhause aus, einfach die richtige Menge Wasser einfüllen, Eier anstechen und einsetzen, Deckel drauf und Schalter an. Und einige Minuten später, je nach der gewünschten Garung, schrillt ein penetranter elektronischer Ton durch die Wohnung, die Eier sind fertig, und ich stelle sie zum Abkühlen auf einen Teller.

Und nach einer gewissen Abkühlphase sind sie fertig, und lassen sich wunderbar einfach pellen. Und sind soooooo lecker! Mit ein bisschen Salz oder Remoulade, wie damals. Und ich blicke auf diesen Billig-Eierkocher und frage mich mal wieder, wie ich mir so lang selbst im Weg stehen konnte. Schiebe diese Gedanken aber zur Seite und freue mich stattdessen über ein frisch gekochtes Ei.

Zum Wohl!

post scriptum: Und wenn ich die frischgekochten Eier zum Abkühlen hinstelle, merke ich tatsächlich, dass sie einen ganz charakteristischen Duft haben, bei dem sich manchen Menschen der Magen umdrehen kann. Ich dachte immer, dass die doch nach nichts riechen, aber ich habe auch keine sehr feine Nase, erst recht keine HSP-Nase. Man lernt nie aus.

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