Posts mit dem Label Englisch werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Englisch werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Montag, 26. Februar 2024

Die Wörterbücher


"Let the man avail himself!"

Wenn ich mir einen neuen Film anschaue, mache ich das - wann immer möglich - in Originalsprache mit englischen oder deutschen Untertiteln. Auch bei englischsprachigen Filmen: Ich mag vielleicht Englisch auf muttersprachlichem Niveau sprechen, aber ich habe tatsächlich im Hinterkopf immer die Angst, dass ich ein für den Plot wichtiges Wort überhöre oder falsch verstehe. Ist schon vorgekommen, und das kann im Extremfall die komplette Wahrnehmung eines Films verändern.

Manchmal kommt es vor, dass ich zwar verstehe, was ein englisches Wort in dem jeweiligen Kontext bedeutet, aber ich könnte nicht genau erklären, was es bedeutet - und das mag ich nicht: Wenn jemand mich im Unterricht fragt, was ein Wort bedeutet und ich kann das nicht genau erklären, das irritiert mich.

Heute schaue ich mir Martin Scorseses The Irishman an. Tempus Präsens, denn der Film geht über dreieinhalb Stunden und ich habe zwischendurch eine Pause eingelegt. Eigentlich mag ich keine Geschichten über Verbrechen sehen, aber es ist Scorsese und der Film soll toll sein (ist er bisher), als Filmliebhaber sollte ich da über meinen Schatten springen. Und dann taucht da dieser Satz auf:

"Let the man avail himself!"

Mir ist klar, was das in der Szene bedeuten soll, aber ich sehe diesen Satz in den Untertiteln und realisiere, dass ich das Wort "(to) avail oneself of sth." nicht übersetzen kann. In diesen Fällen pausiere ich tatsächlich den Film und gehe zum Regal, in dem noch immer meine Wörterbücher aus dem Studium stehen. Klar, in Englisch nutze ich das Longman DCE, und da lege ich mir alle zehn Jahre eine neue Ausgabe zu, weil sich die Sprache verändert. 

Ich schaue also die englische Definition im DCE nach, verstehe auch alles, aber finde immer noch nicht die richtige deutsche Übersetzung. Also nehme ich das gefühlt fünf Tonnen schwere Großwörterbuch Englisch von Langenscheidt hervor und suche auf den tausenden Seiten nach der Übersetzung. Gefunden, glücklich, wieder beruhigt, zurück zum Film.

Mich stört das wirklich, wenn ich bei einem Wort nicht genau sagen kann, was es bedeutet (oder wie es ausgesprochen wird) - und deswegen bin ich sehr froh, dass ich immer meine Wörterbücher im Regal habe. Gemoll, Stowasser und Konsorten sind treue Begleiter für's Leben.

post scriptum: Kannst Du den Satz "Let the man avail himself!" übersetzen? ;-)

Freitag, 15. Dezember 2023

Tag 137 - Noch einmal mit Gefühl


Liebe Kollegin!

Ich möchte mich bei Dir für heute bedanken. Das war ein tolles Erlebnis!

Danke, dass ich heute eine Englischstunde in Deiner Klasse geben durfte. Ich hatte Deine Kiddies zweieinhalb Jahre unterrichtet, und Frau Schwarzbohrer, und sie sind mir sehr an's Herz gewachsen. Seitdem ich sie vor Kurzem auf dem Weihnachtsbasar wiedergesehen habe, ist mir bewusst, wie sehr sie mir fehlen. Ich habe sie in Klasse Fünf als kleine Steppkes kennen gelernt, und jetzt in Klasse Neun sind einige von ihnen in die Höhe geschossen und wirken schon fast wie junge Erwachsene. Es ist toll, das mitzuerleben. Ich wünschte, es hätte weitergehen können.

Aber auch schon die eine Stunde heute war ein Geschenk. Die ganze Busfahrt über war ich aufgeregt, wie wird es wohl, vor einer ehemaligen Klasse zu stehen? Werde ich noch andere bekannte SchülerInnen auf dem Schulflur treffen? Was mache ich, wenn KollegInnen vorbeikommen?

Sag' das Deinen Kiddies bitte: Ich habe mich riesig gefreut, dass sie heute mitgespielt haben. Wir haben das "Google Trends Game" gespielt - in einer leicht abgewandelten Form, und es war spannend und witzig und es war Englischunterricht, teilweise. Es war aufregend, endlich wieder eine Stunde vorbereiten zu können, auch wenn ich mich mit meiner Unkenntnis zu "Guardians of the Galaxy" total blamiert habe - nobody is perfect ;-)

Ich hätte nicht gedacht, dass es mich so glücklich machen könnte, wieder vor der Klasse zu stehen, *nachdem* ich eine Schule verlassen hatte. Es war immer "ab mit Schaden", bloß wegrennen und nicht zurückschauen. Dabei fühle ich mich an Deiner Schule so wohl, das hat sich auch dadurch nicht geändert, wie es ausgegangen ist. By the way, ich gebe trotzdem nicht auf. Klar muss ich eine neue Stelle finden, aber sollte die Schule jemals wieder Englisch ausschreiben, würde ich mich bewerben.

Ein arbeitsloser Lehrer zu sein ist scheiße.

Bitte richte der Klasse ganz liebe Grüße aus; dank ihnen kann ich mit einem Lächeln im Wochenende ankommen ;-)

Liebe Grüße,

Dr Hilarius

Freitag, 23. Juni 2023

Unterrichtsversuch - fehlgeschlagen, zumindest teilweise


Was bin ich froh, wenn mir SchülerInnen ehrliches Feedback geben und nicht einfach nur Nettigkeiten schreiben, weil sie es sich nicht mit mir verderben wollen. Die Hutmethode funktioniert wunderbar. So kann ich neue Sachen im Unterricht ausprobieren und erleben, ob meine Befürchtungen möglicher Hindernisse sich bewahrheiten oder Probleme aufgekommen sind, an die ich nie gedacht hätte. 

In diesem Halbjahr habe ich versucht, eine Lektüre durch eine Miniserie zu ersetzen. Das Thema war gothic fiction, und als Lektüre hätten wir Shirley Jacksons The Haunting of Hill House (1959) gelesen. Da es aber eine brillante moderne Verfilmung als zehnteilige Miniserie gibt, habe ich gedacht, ich versuche das mal. Wir schauen das im Unterricht; zehn Wochen lang in der Doppelstunde mit Aufarbeitung danach, und in der Einzelstunde erarbeiten wir die nötigen Skills für das Abitur, ergo das Verfassen diverser Aufsatztypen. 

Da ist viel Gutes bei herumgekommen, manche SchülerInnen fanden es hilfreich, zusätzlich zum Text ein Bild vor Augen zu haben. Das kann aber auch zuviel des Guten sein, wenn zum Beispiel jemand lieber nicht hinsieht (gothic fiction ist eben eng mit horror verknüpft) und dadurch wichtige Details verpasst. Auch hat nicht jeder einen Netflix-Zugang, um die Episoden oder Teile davon nochmal zu schauen, wohingegen man in einem Buch einfach gewünschte Partien mehrmals lesen kann. Dazu kommt die Überforderung: Man schaut etwas Neues, Spannendes, in einer Fremdsprache. Man ist so gebannt auf den Bildschirm, dass man darüber hinaus seine Notizen vollkommen vergisst. 

Ich hätte nach jeder Episode die SchülerInnen eine kleine summary schreiben lassen sollen. So hätten sie den Plot jederzeit zur Hand gehabt und dazu mehr Schreibübungen. Mir fällt sowas immer erst im Nachgang auf, und das mag jetzt wie eine Ausrede klingen, aber es liegt zum Teil am Autismus. Genauer der Theory of Mind. Ich kann mir vollkommen neue Dinge nicht so einfach vorstellen; auch im Referendariat war es für mich immer schwierig, mögliche Probleme bei den SchülerInnen bei der Stundenplanung zu antizipieren. 

Ich werde lieber dreimal überlegen, ob ich so etwas noch einmal mache. Ändert aber nichts daran, dass ich nach wie vor gern mit Film im Unterricht arbeite, und unterstreicht meine Vermutung, dass Anthologieserien wesentlich besser geeignet sind für den Unterricht

Und in der Klausur waren auch vierzehn Punkte dabei, also will ich nicht meckern.

Freitag, 5. Mai 2023

Mai: Dicht again

Einfach mal aussteigen...

"Nächster Halt: Krusenrotter Weg..."

Heimweg von der Schule. Die ersten Tage nach den Ferien haben mir mal wieder gezeigt, wie gut mir die Arbeit tut, vor den SchülerInnen zu stehen, einen mitunter hektischen Schulalltag zu erleben, das ist tatsächlich schön - auch wenn ich manchmal morgens bei'm Aufstehen noch denke, dass ich nicht in die Schule will. Die Realität weiß dann fast immer zu überzeugen.

Mai. Ich hätte fast wieder vergessen, dass heute ein Feiertag ist - und es stehen noch einige weitere bevor, dazwischen allerdings gespickt mit Konferenzen, Abschlussprüfungen, letzten Klausuren, Arztbesuchen - es wird stressig. Ich habe zwei Abschlussklassen und zwei Oberstufenkurse, da kommt Einiges zusammen. Natürlich kommt dazu mal wieder die Frage, ob ich ab August noch einen Job habe, aber diesmal ist das nicht ganz so sehr mit einem Blues verbunden wie in den letzten Jahren. Liegt vielleicht an den Tabletten.

Seelisch stelle ich mich schonmal darauf ein, dass der Antrag auf Anerkennung einer Schwerbehinderung lange dauern könnte, sehr lange. Eine Kollegin musste letztes Mal dreieinhalb Jahre warten, bis sie überhaupt eine Reaktion auf ihren Antrag bekommen hat. Immerhin hängen meine beruflichen Chancen davon ab, ich könnte also um eine Eilbearbeitung bitten, aber es wird einem frühzeitig klargemacht, dass es dafür keine Garantie gibt. Talk about Barrierefreiheit.

Der Bus hält, und plötzlich steigen um mich herum etwa zwei Drittel der Fahrgäste aus. Das ist ungewöhnlich, denn am Krusenrotter Weg gibt es normalerweise nur zwei oder drei Ein- und Aussteigende. Ich habe mal wieder nicht auf die Ansage geachtet:

"Nächster Halt: Krusenrotter Weg... aufgrund einer Vollsperrung des Waldwiesenkreisels werden die Haltestellen Waldwiese und Diesterwegstraße nicht angefahren. Ersatzhaltestelle ist Gärtnerstraße, oder sie steigen am Wulfsbrook aus und fahren mit den Bussen in entgegengesetzter Richtung zurück."

Den Waldwiesenkreisel zu sperren, kommt einem Super-GAU gleich. Die Hamburger Chaussee, die da durch führt, ist eine viel befahrene Straße, und nun müssen unzählige Autos und Busse einen Umweg über das Rewe-Center nehmen. Die Straßen dort komplett dicht. Viel zu eng für so viele Busse, die dort fröhlich aufgereiht stehen - manchmal zwei Busse der gleichen Linie im Abstand von nur einigen Metern.

Die Baustelle sollte letzte Woche offen sein. Weil es so schön war, hat man diese Woche gleich wieder losgelegt, der Kreisverkehr ist dicht again, und die Rückfahrt aus der Schule dauert nun sechzig anstelle von dreißig Minuten. Eine Geduldsprobe.

Ebenfalls eine Geduldsprobe sind die Abschlussprüfungen, die derzeit in der Schule laufen - ESA, MSA, Deutsch, Mathe und Englisch. Da kommen die kleinen feinen Unterschiede zwischen einer Gemeinschaftsschule und einem Gymnasium zu tragen - ich habe meine Kiddies intensiv zusammengefaltet, dass sie am Prüfungstag um halb acht da zu sein haben, und dass um zehn vor acht die Prüfung beginnt. Wenn dann ein Schüler ohne Nachricht um fünf vor acht eintrudelt, bin ich kurz versucht, den Anteil seiner Höraufgaben in der Prüfung mit null Punkten zu bewerten. Blöd ist das auch deshalb, weil die Anderen aufgeregt sind und endlich starten wollten.

Wenn dann noch während der Prüfung jemand fragt, was man bei der Schreibaufgabe machen soll, oder was diese offenen Halbsätze bei den Leseaufgaben zu bedeuten haben, dann weiß ich nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Das kommt nicht unerwartet: Wenn man neunzig Prozent der Unterrichtszeit gefehlt hat und keine der Inhalte nachbearbeitet, weiß man natürlich nichts. Aber scheiß drauf, ist ja nur eine Abschlussprüfung...

Immerhin gab es auch in diesem Jahr wieder die Möglichkeit, eine der drei Hauptfachprüfungen abzuwählen, und so gab es auch einige, die die Englischprüfung gestrichen haben. Klasse, weniger zu korrigieren. Nächste Woche ist dann der mittlere Schulabschluss dran, mit meinem Kurs haben wir ansatzweise Gymnasialniveau, irgendwie gehe ich davon aus, dass ich mir bei ihnen keine so großen Sorgen machen muss. Es sind vielleicht nicht ausschließlich Einserkandidaten, aber die Arbeitshaltung ist (zumindest ein bisschen) anders.

Da tut mir ein wenig Abwechslung zuhause ganz gut, und eventuell gibt es die ab nächster Woche, wenn dann der neue Teil The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom erscheint. Bis dahin ist auch hier Einiges zu tun, einen Videogruß für meine Eltern aufnehmen, aufräumen und viel Schlaf eines schlaflosen Wochenbeginns nachholen. Und Konferenzen hier, da, dort.

Ich wünsche Euch viel Energie (die große Buba sagt Edhergighie) und Geduld für die anstehende Zeit!

Sonntag, 19. März 2023

Klausurkorrek-Tortur


Wenn man die meiste Zeit in den Klassen sieben bis zehn unterrichtet hat, und dazu tendenziell in den leistungsschwächeren Kursen, dann ist man bald abgehärtet gegen das, was dort bei den Textproduktionen in Englisch manchmal herauskommt. 

Nun bin ich aber nach Jahren mal wieder in der Oberstufe aktiv und korrigiere Klausuren im elften und zwölften Jahrgang, beziehungsweise E und Q. Ich lese Texte von SchülerInnen, die auf ein Abitur zusteuern. Die vielleicht mal an eine Hochschule gehen wollen, um dort zu studieren. Die sich, an einer Gemeinschaftsschule mit gymnasialer Oberstufe, oft freiwillig entschieden haben, weiterzumachen und sich zutrauen, diese letzten Jahre bis zur Abiturprüfung zu bewältigen.

Und sicherlich gibt es einige, die es auch schaffen, und wenige, die es sogar ganz ausgezeichnet schaffen und deren Klausuren ein kleines Lesevergnügen sind. Auf der anderen Seite lese ich dies in einer Klausur zum Thema Eltern und Erziehung:

"I am for a relaxed teaching if it is into the frame. It must a mixing out of friends and parents and child. (...) Parents are fighting, but everything bongs on the children`s."

Da fällt es mir schwer, mich zu entscheiden - soll ich jetzt herzlich lachen über den Ausdruck bongs on the children`s oder bitterlich weinen über einen weiteren Versuch, einen deutschen Ausdruck wörtlich in`s Englische zu bringen - if it is into the frame - wenn es im Rahmen ist.

Ein anderer Fall, der mir auch immer Bauchschmerzen bereitet, und den ich auch in der Sekundarstufe Eins ein paarmal erlebt habe: In zwei Aufgaben sollten Texte geschrieben werden. Der erste Text, eine Inhaltsangabe, strotzt vor Fehlern auf elementarstem Niveau, der zweite Text, ein Kommentar, hat dagegen nur einzelne Fehler und ist auf hohem Niveau in fast muttersprachlichem Englisch geschrieben.

Klar, dann setze ich mich an den Computer und füttere Google, und manchmal findet man dann eine passende Quelle. Aber dieses Gefühl, wenn einem dann so langsam dräut, dass nicht ein und dieselbe Person die Texte geschrieben haben, ist sehr... unschön. Ich fühle mich dann manchmal, als hätte ich etwas falsch gemacht.

Naja, morgen wird weiter korrigiert, mal schauen, was da noch so kommt, und ob ich mich mal wieder zu einem Klausurverriss hinreißen lassen werde.

Freitag, 17. Februar 2023

Reise nach Hill House


Ich habe heute mal zum Spaß die aktuelle Abschlussprüfung für den Mittleren Schulabschluss in Bayern mit meinen SchülerInnen durchgespielt. Interessant: Sprachlich anspruchsvoller, da wurde auch Grammatikkenntnis und Vokabelwissen abgefragt. Und thematisch fand ich sie toll: Alle verschiedenen Aufgabentypen waren inhaltlich auf ein Gesamtthema ausgerichtet. So gab es Höraufgaben zum Space Race, Lückentexte zur Geschichte der Frauen in der Raumfahrt, einen Leseverstehenstext über Katherine Johnson (die das NASA-Raumfahrtprogramm entscheidend vorangebracht hat), einen zum Film Hidden Figures, der sich eben diesen Frauen in der Raumfahrt gewidmet hat, und eine Mediationsaufgabe zu einem Besuch im Kennedy Space Center. Ich fand das cool. Meine SchülerInnen auch, jedenfalls einige. Interessant allerdings auch die Zuordnung der Punkte zu Noten - die Notenräume sind genau gleich groß, so bekommt man mit der Hälfte der Punktzahl bereits eine Drei und ein Drittel reicht aus für eine Vier.

Zeit für einen neuen Unterrichtsversuch, leider nicht ganz einfach umzusetzen. Im zweiten Halbjahr wollen wir in Elf als Quasi-Lektüre The Haunting of Hill House (2018) anschauen - die Miniserien-Verfilmung von Shirley Jacksons Roman. Thematische Einbindung in den Lehrplan ist durch gothic fiction gegeben.

Leider scheint das ein paar SchülerInnen wirklich zu interessieren; ich bin gefragt worden, ob sie das zuhause weiterschauen dürfen. Der Aspi antwortet ehrlich: "Ich kann euch nicht davon abhalten, und ich freue mich, dass euer Interesse geweckt worden ist. Wenn ihr unbedingt weiterschauen müsst, dann vermeidet bitte Spoiler für die Anderen."

Ich stelle zu jeder Episode inhaltliche Fragen, und natürlich wäre es blöd, wenn Einige die Antwort schon wissen, weil sie bereits weitergeschaut haben. Hands down: Die Serie ist absolut binge-worthy. Aber es wäre so schön, wenn wir uns über zehn Wochen lang jede Woche eine Episode anschauen könnten, parallel Charakterisierung lernen und uns damit auseinandersetzen, was gothic fiction ausmacht.

Ich kann nur an meine SchülerInnen appellieren, dass sie das nicht zuhause weiterschauen. Gothic Fiction hat viel zu tun mit dem Erleben, mit dem Anfühlen einer Geschichte. Mal schauen, wie es weitergeht...

Donnerstag, 26. Januar 2023

Jungs, die kuscheln...


...und sich gegenseitig den Bart kraulen. Deswegen liebe ich diesen Job.

Heute war der letzte Schultag vor den Zeugnissen - für Einige wird es morgen das böse Erwachen geben, wenn sie schwarz auf weiß sehen, dass sie vielleicht im ersten Halbjahr doch einmal den Arsch hätten hochbekommen sollen, um für die Schule zu arbeiten. Andere waren bereits heute überrascht, was sie sich für gute Noten erarbeitet haben - sowas sehe und höre ich gern.

Es geht aber gerade nicht um die Zeugnisse, sondern den heutigen Schultag, der echt schön war. Richtung Nachmittag etwas ruppiger, aber trotzdem gut. Mein Grundkurs in Neun hat heute richtig gut mitgemacht. Das war eine tolle Doppelstunde, weil sie sehr authentisch war: Prüfungsvorbereitungen für den ESA, für das Fach Englisch, aber auf Deutsch. Wir wiederholen, wie man Fragen formuliert, und fragen uns gegenseitig aus, für die Dialogaufgaben, und die haben mitgemacht! Alle! Ich war total begeistert, erste Stunde die dröge Grammatikwiederholung, zweite Stunde dann die praktische Anwendung, und das hat Spaß gemacht.

Und ich realisiere immer mehr, dass viele SchülerInnen zuhause überhaupt keine Grenzen aufgezeigt bekommen oder dass Eltern überfordert sind. Ich habe SchülerInnen, die sich unglaublich viel rausnehmen, und dann kann man auch mal sehr laut oder im Gespräch unter vier Augen sehr streng und deutlich werden - so dass sie erstmal komplett wütend sind und dichtmachen.

Thekla hat mir damals erklärt "Wenn du das machst, verlierst du sie. Dann wirst du ihnen scheißegal." - und sie hat Recht, deswegen mache ich die strenge, harte Tour auch erst, wenn die Kiddies einigermaßen wissen, wie ich ticke, und wenn sie mich für sich akzeptiert haben. Denn dann trifft es - und dann sind sie in der nächsten (oder übernächsten) Englischstunde auch nicht mehr wütend, und man kann wieder auf die spaßige Tour arbeiten. Muss zwischendurch halt mal knallen (bildlich gesprochen, ich sehe schon die Beschwerden).

Und dann gab es tolle Szenen über den Tag verteilt - eine Lerngruppe sollte flash plays schreiben, in Gruppenarbeit mit nur zwanzig Minuten Vorbereitungszeit eine winzige Szene um die zwei Minuten kreieren - und zwar so, dass ich danach das Publikum fragen konnte, inwiefern es sich um eine genretypische Szene der gothic fiction handelt. Die haben das begeistert mitgemacht, damit hatte ich nicht gerechnet - ein Genuss!

Und was war noch? Zwei Schüler, die nebeneinander sitzen - im Unterricht - der eine kuschelt sich an den anderen, der andere krault ihm den Bart. Ich finde es grandios, dass man an unserer Schule so eine Hetero-Bromance ausleben kann (und vielleicht ist da ja auch ein Fünkchen Wahrheit drin), das wäre an vielen anderen Schulen undenkbar.

Ich liebe diese Schule!

post scriptum: Und ich habe einen neuen "spannenden" Schüler am Haken. Mal sehen, was die nächsten Gespräche und Beobachtungen so ergeben. Die große Buba weiß ganz genau, was das bedeutet.

Freitag, 18. November 2022

A teacher's redemption


"Killing should be a festival."

"Uh, no, I mean... killing someone should be a celebration of life, uhm..."

Der heutige Schultag ist meine persönliche teacher's redemption. Ich erinnere mich an meine erste Englisch-Lehrprobe im Referendariat, genauer an den ersten Studienleiterbesuch. Ich wollte zum Einstieg in die Stunde einen stummen Impuls ausprobieren und hatte ein Bild einer Hinrichtungszelle mit Liege für die Injektion an die Wand geworfen.

Zehn Jahre später würde ich das nicht noch einmal versuchen. Stumme Impulse mache ich hin und wieder noch, und es fühlt sich gut an, wenn ich zum Beispiel nur einen Stift hinlegen muss und die narrative Analyse einer Kurzgeschichte macht sich wie von selbst. Ein Genuss, würde Herr Kruse gesagt haben.

Damals hat der Impuls allerdings nicht funktioniert, und die Stunde hat mit einem endlosen, unangenehmen Schweigen begonnen - und ich glaube, mein Gehirn hat aus Selbstschutz den Rest ausgeblendet. Damals kam jedenfalls nix von Schülerseite. 

Heute war es an der Zeit für eine Classroom Debate. Rollen verteilt, Strikter Ablauf - opening statements, rebuttals, open discussion, closing arguments, vote. Okay, der Ablauf war dann für die Tonne, denn: Diesmal hat es geklappt, und die Schüler hatten Einiges zu sagen zu folgendem Statement:

"We should introduce the death penalty in Germany."

Klar, eine formale Debatte ist ein Rollenspiel, das heißt, es mussten sich SchülerInnen für und gegen das Statement finden, Moderator, audience, halbe Stunde Vorbereitung und dann ging es los, und bereits nach dem ersten opening statement ging es in die offene Diskussion. Okay, also den Ablauf üben wir nochmal, aber ich wollte die Diskussion nicht abbrechen, weil ich es interessant fand, was da gesagt wurde. Kosten für Hinrichtung vs. Kosten für lebenslang. Ob es ein Genuss sei, jemanden zu töten. Es ging ziemlich fix Richtung Rassismus, als das Argument more immigration = more crime genannt wurde, und die Debatte hätte gern noch eine halbe Stunde länger dauern dürfen.

Ich merke also, in einem E-Kurs im zehnten Jahrgang kann sowas laufen. Das macht die versaute Lehrprobe damals wieder wett. Und interessant, dass sich in der Abstimmung am Ende acht SchülerInnen für die Todesstrafe ausgesprochen haben. The times are'a'changin'...

Freitag, 11. November 2022

Stilblüten und eine Eins


Korrekturen über Korrekturen. Zehnter Jahrgang, Aufgabe war es, eine Inhaltsangabe zu einer Episode der Twilight Zone zu schreiben, zwei Punkte in der Erzählstruktur zu erkennen und eine Aussage zu bewerten. Da kamen interessante Sachen bei herum:

"Tina work the father to kill."

"The whole family is sitting on the dinner table."

"After the family is done eating her..."

"He finds the doll in her daughter."

"On after dinner agreed the father she get rid of."

"He try with all object to kill, because not success."

und mein Schmunzel-Favorit:

"The mother will the separation, because she denking he sick is."

Aber es gab auch eine beinahe brillante Arbeit:

"In the episode "Living Doll" from the series "The Twilight Zone", released in 1964 and published by Rod Serling, we follow the story of a man called Erich Streator, whose stepdaughter's new doll acts really strange. 

The story begins with Annabelle Streator and her daughter Christie returning home and Christie showing her stepdad Erich the new Doll she got. The Doll can speak and more, but Erich isn't really amused by that. This doesn't changes for the better when the Doll tells Erich that she hates him, when no one else heard it. Since then, every time they are alone together in the room, she acts strange and tells him how much she hates him and wants to kill him.

Erich confronts Annabelle, thinking she is the one controlling the Doll and saying these hate statements, which she denies. Shortly after, he throws the doll away, but then he gets a phonecall from the doll. He discovers that the Doll isn't in the trashcan anymore. When he found the Doll in Christies bed, he decides to destroy her, but somehow he couldn't harm her with his tools. Later, he gives the Doll back to Christie, but in the following nights he hears the sounds of the Doll. While searching for her, he stumbles over the Doll. He falls down the stairs and dies. When Annabelle found him, the Doll starts to talk to her too, saying she shouldn't harm her.

The storys conflict is that the Doll only talks to Erich when he is alone, making him believe his partner is the one who plays her game with him. This makes Annabelle and the viewers question his sanity, because he gets very paranoid and starts to hate the Doll in an obsessed way, which seems insane for those who don't really know that the Doll is actually acting strange. In my opinion, this is the biggest conflict in the story, because if Annabelle would trust him or even know that the Doll is up for no good, they wouldn't argue all the time. Then the relationship between the characters wouldn't fall apart.

The conflict gets solved when the Doll then speaks to Annabelle. This clears the actions of her husband and made her understand. This is also the turning point, revealing that the doll is actually alive and doesn't only goes for Erich, but for Annabelle too. (...)"

------------------------------

Ich bewundere die Lexik und Satzkonstrukte des jungen Mannes, der diese Inhaltsangabe und Analyse geschrieben hat. Da sind ein paar Unschärfen, aber wir sprechen hier von einer zehnten Klasse, die mit einer Oberstufenklausur konfrontiert wurde. Ich bin begeistert!

Dienstag, 1. November 2022

I Need Your Help: Sprachniveau


vorweg: Liebe Englischkollegen, ich brauche einmal Eure Hilfe, um das Sprachniveau eines Schülertextes einzuschätzen. Aspis springen in der Regel sofort auf die Fehler eines Textes an, das kann es schwer machen, einen guten Text zu erkennen. Würdet Ihr netterweise einmal den folgenden Text überfliegen und mir Eure Einschätzung geben? Nur zur Sprache, nicht zum Inhalt. Ich tippe ihn inklusive aller Fehler ab.

Klasse 10 (G9)

Ass.: Outline the events of "Judgment Night" in a summary. Explain the episode's title. (60 min.; Hilfsmittel zweispr. WB)

In the episode "Judgment Night" from the series "The Twilight Zone" by Rod Serlig from the year 1959, it's about the SS Queen of Glasgow on it's way over the Atlantic to New York in 1942 during the second world war.

Carl Lanser is a passenger aboard the ship, he seems to be very confused as he is brought to dinner with other passengers. They chat a bit and ask him where he is from When he replies that he is from Frankfurt, the other passengers seem a bit unnerved. when he is asked what his job is he gets a bit angry when he doesn't remember.

After a bit more chatting the Captain walks in and chats with them. Suddenly Carl spills his coffee and when someone was trying to clean it up he stood up and yelles at him. Afterward the captain jokes about Carl talking like a U-boat Captain. A bit later the captain of the ship talks to Carl and asks for his pass but the only thing Carl seems to remember is his name and birth Location. Carl is send to his cabin where a crew member finds a hat from the Kriegsmarine.

A while later he remembers how and when the ship will sink while they are slowing down to a stop. The Captain of the ship gets a feeling of being watched throuhg the thick fog.

Carl goes out to the back of the ship and notices a light from a U-boat, he panics and runs around the ship, when he realizes that seemingly nobody is on board anymore. He runs out and sees that the U-boat has surfaced and is aming at the ship. The U-boat openes fire multiple times on the ship and Carl is thrown in to the Water where he drowns. Shortly after it cuts to the captain of the U-boat and it turns out that it was Carl Lanser who is arguing with one of his crew members about sinking the SS Queen of Glasgow. The crew member mensions that Carl could die for 100s of times.

"Judgment Night" is a loop and sort of a hell for Carl Lanser, dying for 100s of times.

Freitag, 14. Oktober 2022

Die Grenzen der Redefreiheit

Kann nun nicht mehr ganz so sorglos herumschreien: Alex Jones

"Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!"

Ein beliebter Satz in der rechten Szene, auch bei den anti-wokeness-Verfechtern. In der Tat, in vielen Ländern der Welt darf man seine Meinung frei äußern, inklusive Lügen (das nennt sich dann Politik) und Beleidigungen. Hass, Hetze und üble Nachrede stellen dagegen die Grenzen der Redefreiheit dar. Und was ist, wenn man einfach nur harmlose Behauptungen aufstellt?

Alex Jones ist mit dieser Frage konfrontiert worden. Der amerikanische Radiomoderator haut mit seinem Programm InfoWars gern Verschwörungstheorien und allerlei Humbug raus. Dazu gehören auch Unterstellungen gegen die demokratischen Politiker - alles, was sein Publikum begeistert, zu dem neben einigen incels generell Menschen gehören, die auf irgendwas schimpfen wollen und sich von der Politik allein gelassen fühlen. Quasi ein amerikanisches AfD-Programm.

Jones verdient damit viel Geld, denn in seinem Onlineshop verkauft er unter anderem Kleidung und Nahrungsergänzungsmittel, und es ist nicht von der Hand zu weisen, dass er sich an eine uwah uwah-Bevölkerung richtet, tendenziell eher niedriges Bildungsniveau, blue collar workers, sozial Abgehängte, und dass er ihre Lage eiskalt ausnutzt.

Darf er das einfach? Seine Karriere auf Lügen aufbauen? Na klar, so lange es ein Publikum gibt, das bereit ist, dafür zu zahlen. Allerdings wurden ihm jüngst die Grenzen dessen aufgezeigt, was er behaupten darf.

Sandy Hook - einer der vielen Namen in der Reihe von Columbine, Stoneman Douglas und Hunderten mehr. Schulen, in denen ein Amokläufer Menschen erschossen hat. Diese Amokläufer sind durchgehend Männer - macht daraus, was Ihr wollt. Die Schicksale der Familien, die ein Kind verloren haben, sind sehr berührend; ich kann da nicht anders, als Mitleid zu empfinden (ja, sowas kann ein Aspi auf seine eigene Art).

Auftritt Alex Jones, der über zehn Jahre lang immer wieder behauptet hat, Sandy Hook sei eine false flag attack gewesen, eine Inszenierung mit Schauspielern, von der Regierung organisiert als Gehirnwäsche. Er hat das in seinen Sendungen auch sehr gründlich bearbeitet - dieser Mann zeigt zu wenig Emotionen, jener Mann zu viel, und außerdem habe man ja die angeblich ermordeten Menschen danach durch die Stadt gehen sehen. Alle haben sie gesehen! Das weiß doch jeder!

Verschwörungstheoretiker fahren darauf ab. Klicken auf InfoWars. Kaufen im Onlineshop ein. Machen Alex Jones reich. Für die tatsächlich Betroffenen dieser (natürlich) realen Katastrophen ist diese Masche ein Schlag in's Gesicht. Nicht nur, dass geleugnet wird, dass man einen Mitmenschen verloren hat; die Familien der Opfer werden bedroht und öffentlich lächerlich gemacht. 

In dieser Sache zumindest ist jetzt Schluss. Die Familien der Sandy Hook-Opfer haben Zivilklage erhoben, und Jones war im Gericht so dämlich, wie man nur sein kann; die Jury durfte live erleben, was für ein Mensch er ist. Das Urteil tut richtig weh: Jones muss insgesamt neunhundertfünfundsechzig Millionen Dollar Schadensersatz an die Familien zahlen. Ob ihm das wehtut? Ob ihn das nachdenken lässt?

Natürlich nicht. Er hat sich direkt in Videos über das Strafmaß lustig gemacht, die Familien hätten Pech, denn sein Unternehmen habe Insolvenz erklärt und wo soll dann das Geld herkommen?

Aber das Signal an die Öffentlichkeit ist wichtig: Redefreiheit hat ihre Grenzen.

Mittwoch, 27. Juli 2022

Prinzipienreiter


Ein Experiment. Gesprächsteilnehmer sind du und ich.

Ich: "Was isst du am liebsten?"

Du: "Spaghetti Bolognese."

Ich: "Wann kannst du am besten deinen Unterricht vorbereiten?"

Du: "In der Regel abends."

Ich: "Was ist dein Lieblingsfilm?"

Du: "Kann mich nicht festlegen, vielleicht Mulholland Drive."

Ich: "Wo würdest du gern einmal Urlaub machen?"

Du: "In Ägypten, eine Fahrt über den Nil."

Ich: "Warum gerade da?"

Du: "Weil ich mich immer schon für Ägypten begeistert habe."

Ich: "Wer ist dein Lieblingsschauspieler?"

Du: "Ich finde Christopher Plummer richtig toll, oder Tilda Swinton."

Ich: "Wie kannst du am besten schlafen?"

Du: "Auf der linken Seite."

Ich: "Okay. Dann beschreib doch mal deinen perfekten Tag."

Du: "Auf jeden Fall wäre ich ausgeschlafen, aber würde trotzdem früh aufstehen, weil ich es mag, wenn ich mittags schon ein paar Sachen erledigen konnte. Hausarbeiten oder so, oder vielleicht Einkäufe. Das Wetter wäre sonnig, aber nicht zu heiß. Den Nachmittag würde ich dann wahrscheinlich in einem Freizeitpark verbringen, weil ich Achterbahnen liebe, und abends einen tollen Film schauen, und vorher ein leckeres Abendessen. Reicht das?"

Ich: "Absolut top! Skizziere bitte den Plot deines Lieblingsfilms."

Du: "Ich kann mich da nicht entscheiden, ich nehme einfach einen Film, den ich toll finde. Das ist Mulholland Drive von David Lynch; es geht darin um eine junge Schauspielerin, die nach Hollywood geht und ihre Karriere starten möchte - allerdings findet sie in ihrer Wohnung eine unbekannte Frau vor, die ihr Gedächtnis verloren hat. Im Verlauf des Films machen sich die beiden auf die Suche nach der Erinnerung, nach der Identität der mysteriösen Frau, und dabei verschwimmt auch die Identität der Protagonistin. Am Ende..."

Ich: "Danke, das reicht schon, super! Damit ist unser Experiment beendet."

Du: "Und, konntest du etwas über mich herausfinden?"

Ich: "Ähm, sorry, aber in diesem Experiment ging es nicht um dich, sondern um mich."

Du: "Aber du hast doch so viele Dinge über mich gefragt?"

Ich: "Nicht falsch verstehen, aber es war völlig irrelevant, was gefragt und geantwortet wurde, es ging um das Wie."

Du: "Erklärung bitte."

-------------------------------------------------

Ich hasse simple, unerklärte Vorschriften. Quasi Dogmen, deren Sinn sich mir nicht erschließt, denen aber alle möglichen Menschen folgen, die quasi als Standard gelten. Ich hinterfrage das nicht nur schnell, sondern empfinde eine Abneigung dem gegenüber und weigere mich, das anzunehmen. Eine dieser Grundregeln wurde mir im Referendariat übergestülpt: "Keine W-Fragen stellen!" Also kein Wer? Wo? Wann? Warum? Was? - und in fast jeder Hospitation war immer ein Refi dabei, der haargenau darauf geachtet hat, ob ich W-Fragen benutzt habe.

Das ging mir richtig auf die Nerven. Warum soll ich keine W-Fragen benutzen? Schauen wir in's obere Gespräch, finden wir die Antwort: W-Fragen entlocken dem Gefragten in der Regel kurze, knappe Antworten. Wenn dagegen Operatoren benutzt werden, wird der Gefragte oft dazu bewegt, mehrere Sätze zu sprechen, und auch mal Nebensätze zu benutzen. Das ist im Fremdsprachenunterricht ungemein wichtig: Wir müssen unsere SchülerInnen zum Reden bringen! Das kann man einfach nicht leugnen, nicht einmal ich, der seinen SchülerInnen anfangs gern lange Unterrichtsvorträge gehalten hat.

Zehn Jahre später verstehe ich dieses Keine-W-Fragen-"Dogma". Und ich stehe voll dahinter. Und genau genommen geht es mir in diesem Beitrag gar nicht um die W-Fragen - siehe Titel. 

Es geht mir um meine halsstarrige Haltung, gegen alles Dogmatische, alles Vorgeschriebene, erstmal zu rebellieren und mich zu weigern, etwas allgemein Anerkanntes anzunehmen. Das blockiert ungemein, das setzt Scheuklappen auf. Mir war zwar immer bewusst, dass ich das mache, aber ich bin nie auf die Idee gekommen, dass das etwas Schlechtes sein könnte. Das kam erst mit der Praxis des Buddhismus:

Lojong-Losung Nr.30: "Sei kein Prinzipienreiter."


post scriptum an Solveig: Danke für Deine Begeisterung! ;-)

Donnerstag, 9. Juni 2022

Der letzte Zaubertrick


Heute war die letzte Stunde in meinem Englischkurs im siebten Jahrgang, in der wir Are You Afraid Of The Dark? geschaut haben. Perfektes Timing: Es war die letzte Episode der zweiten Staffel, diesmal ging es um einen Zauberer, der einen Nachfolger für sich gesucht hat. Genau wie geplant haben wir also zwei Staffeln der Teenie-Gruselserie in einem Schuljahr geschaut, jeden Donnerstag eine Folge mit ein, zwei Ausnahmen.

Und es hat funktioniert; die Schüler haben die Midnight Society kennengelernt, die Gruppe Teenager, die sich jede Woche am Lagerfeuer trifft, um sich unheimliche Geschichten zu erzählen. Das hatte Wiedererkennungswert. Auch das Bewertungssystem war aufschlussreich - nicht wirklich überraschend, aber jetzt habe ich es mal schwarz auf weiß erlebt: Die Episoden, die ich richtig großartig finde - aufgrund ihres Plots, aufgrund ihrer warnenden Botschaften - sind bei den Kiddies eher mittelmäßig gut angekommen. Besser waren die leicht verdaulichen Folgen mit oberflächlicherem Charme; warum haben Teenager es immer mit unheimlichen Clowns? Warum fahren sie so darauf ab? Und Episoden, die total durchgeknallt sind und inhaltliche Anschlussfehler haben: In dem Alter schauen viele Schüler darüber hinweg, das wird nicht wahrgenommen.

Ich bleibe bei dieser "Unterrichtsmethode", und bleibe dabei, dass das für die Jahrgänge Sieben, Acht und Neun wunderbar geeignet ist. Pures Sprachbad, Englisch, keine Untertitel, und Fragen und Antworten zwischendurch natürlich auch einsprachig Englisch. 

Jetzt stehe ich allerdings vor einem Problem: Die SchülerInnen haben mich gefragt, ob wir auch mal einen "richtigen" Horrorfilm schauen könnten. Und ich Idiot habe zugesagt, ich habe ihnen versprochen: "Bevor ich euch als meine Schüler abgebe, schauen wir einen klassischen Horrorfilm zusammen" - ich verspreche Schülern sonst nie etwas, auch generell nie, weil ich weiß, dass ich es aufgrund meiner Verpeiltheit nicht halten kann. Und ich bin davon ausgegangen, dass ich diesen Englischkurs in den nächsten Jahren weiterführen werde - so dass in meinem Kopf dann ein Horrorfilm am Ende der zehnten Klasse stand, wenn sie sechzehn sein würden.

Daraus wird nichts. Also sondiere ich morgen mit ihnen zusammen mal meinen Kopf nach einem familienfreundlichen Horrorfilm. Davon gibt es einige, und ein paar davon sind gar nicht so schlecht. The Babadook? A Quiet Place? Poltergeist? Ich schaue mal, dass ich etwas finde, was sie mit einem Grinsen nach Hause gehen lässt.

Diese Schüler nach zweieinhalb Jahren abgeben zu müssen... das trifft in's Herz.

Mittwoch, 16. März 2022

Underwhelmed & Overexcited

Ein Kessel bunter Ideen wartet...

Underwhelmed because...

...ich glaube, ich habe mittlerweile zu viele Science Fiction-Stories gelesen, gesehen, erlebt, wie auch immer. Das Gefühl, den Plot irgendwo schonmal gesehen zu haben, tritt immer häufiger auf. Das macht es schwer, diesem Aspi etwas zu schenken, was ihn wirklich beeindruckt: Die große Buba ist über zwei moderne SciFi-Romane gestolpert (sie frisst Literatur, dafür bewundere ich sie) und hat sich gedacht "Das ist was für das alte Frettchen!" - und Volltreffer! Hank Greens An Absolutely Remarkable Thing (2018) ist eine unterhaltsame SciFi-Story der digital natives. Die Hauptfigur der April May ist mir extrem unsympathisch - der Autor hat eine Egozentrikerin geschaffen, die mich so sehr an mein früheres Ich erinnert hat, dass ich manchmal das Buch weglegen musste, wenn ich einen ihrer "Ich bin so besonders"-Anfälle gelesen habe. 

Stichwort weglegen: Die ersten hundert Seiten habe ich an zwei Tagen gefressen, das war im September, und dann das Buch zur Seite gelegt. Nicht einfach "nur" pausiert, sondern in der Zwischenzeit die Doku-Biographie Action Park (2020) von Andy Mulvihill und Jake Rossen gelesen - jeder richtige Freizeitpark-Nerd weiß, welche Bedeutung der Action Park für die amerikanische Freizeitlandschaft hatte. Keine Regeln. Das war die einzige Regel. Die Konsequenzen sind herrlich sarkastisch, teils schon zynisch niedergeschrieben worden; ich möchte endlich an die Verfilmung Class Action Park kommen.

Achherrje, ich bin abgedriftet. Aber genau so ist es passiert, und warum lag Greens Buch dann monatelang herum? Weil ich das alles irgendwie schon kannte, da war für mich nichts Neues mit dabei. "Roboter", die plötzlich auf der Welt erscheinen - und vor allem, wie die Menschen damit umgehen - ist ein klassischer Topos in der SciFi; der Film The Day The Earth Stood Still (1951) beschreibt genau dieses Szenario, auch dort geht es darum, dass die Menschen dazu neigen, den Roboter als Bedrohung anzusehen und präventiv anzugreifen. Die Geschichte findet sich auch in der Twilight Zone und den Outer Limits.

Das ist kein schlechtes Buch! Und es trifft sehr gut den Sprachstil unser jetzigen Tweens - aber unter'm Strich dürfte mir davon nicht viel im Gedächtnis bleiben. Liebe die große Buba, ich bin Dir SO dankbar für das Geschenk! Denn bei Dir weiß ich, dass Du dir was dabei gedacht hast, und ich glaube, wenn ich nicht schon so viele Filme gesehen hätte (und Matheson/Beaumont-Stories gelesen hätte), dann hätte das Buch mich richtig mitgenommen! Mal schauen, wann ich die Fortsetzung lese.

Overexcited because...

...morgen ist unser Schulentwicklungstag (SET). Ich bin nicht leicht für sowas zu begeistern, aber auf morgen freue ich mich riesig, denn ich bin in der Arbeitsgruppe Projektwoche "Vielfalt" vorbereiten, und wer die jüngsten Beiträge über LGBTQ gelesen hat, kann sich denken, dass ich mich da hinein morgen komplett werde vertiefen können. Ich schreibe auf jeden Fall, was dabei herausgekommen ist!

Donnerstag, 25. November 2021

Brainfood per Post


Das hat mir den gestrigen Tag extrem aufgewertet: Ich hatte zweien meiner Lerngruppen die Aufgabe geschickt, mir Briefe auf Englisch zu schreiben, zum Beispiel unter Verwendung von Adjektiven und Adverbien, weil das in einer Gruppe gerade Unterrichtsthema war. Ich bin nicht davon ausgegangen, dass sie das wirklich machen, oder zumindest nicht davon, dass sie mir tatsächlich einen Brief per Post zukommen lassen, und tatsächlich kamen gestern und heute einige Mails an mit den Botschaften der Kiddies, über die ich mich wirklich gefreut habe.

Gleichzeitig fand ich gestern aber auch einen großen Briefumschlag vor meiner Tür, den der Postbote mitgebracht hatte, und darin waren tatsächlich knapp zwanzig einzelne Briefe aus meinem Kurs in Neun; die Vertretungskollegin hat diesen Arbeitsauftrag mit den Schülern umgesetzt, und diesen Briefumschlag zu öffnen und die Texte zu durchstöbern, das hatte etwas von Entdeckungsreise.

Ich bin ja davon überzeugt, dass man sehr interessante Dinge über seine Schüler herausfinden kann in kreativen Schreibaufgaben, die möglichst offen und themenungebunden formuliert werden - so kann jeder bewusst oder unbewusst Einiges von sich in diesem Brief mitteilen. Ein paar der Nachrichten möchte ich hier posten, weil sie so richtig schön programmatisch für diesen Kurs sind und mich zum Strahlen gebracht haben (wie natürlich auch alle hier nicht abgebildeten Briefe).



Da war zum Beispiel eine Rückmeldung zum Spielprojekt dabei; das hat mich gefreut, allerdings bin ich bei sowas immer lieber etwas zurückhaltend, mit dem Gedanken "Wartet lieber, bis wir damit durch sind, vielleicht geht das in eine für Euch blöde Richtung" - und trotzdem tut es gut, sowas zu lesen!



Das hier dürfte der enigmatischste Brief gewesen sein; Handschrift kombiniert mit Textknappheit lassen vielleicht Rückschlüsse auf autistisches Verhalten zu? Natürlich habe ich gerätselt, was es wohl mit dem riesigen Auge am Himmel auf sich haben könnte - die Antwort kam eine Weile später; die Kiddies konnten in Grüppchen bis zu drei Schülern zusammenarbeiten und mein BrainSquad hat sich zusammengetan - drei Schüler des Kurses, die allesamt sehr faszinierende (weil ungewöhnliche) Hirnstrukturen haben. Einer hat dieses Bild gemalt, im zweiten Stand im Brief unter anderem der Satz "we are watching you ALWAYS", ob das eine Anspielung an George Orwell war? Und Nummer drei in diesem Team hat dann folgenden Brief geschrieben, eine interessante Variation eines Genesungswunsches:




Eine der stärksten Schülerinnen des Kurses hat einen anspruchsvolleren Brief erstellt (oben), als ich ihn in einer neunten Klasse erwartet hätte - wobei abzusehen war, dass sie sich die Aufgabe etwas herausfordernder gestaltet. Ich war jedenfalls beeindruckt!

Darüber hinaus gab es auch Poesie mit Augenzwinkern und einen kleinen Cartoon, so dass dieser Brief insgesamt wie eine Wundertüte war und mir viel gedankliches Reisegepäck für die Meditation mitgegeben hat. Großartig! Hoffentlich kann ich bald wieder in die Schule und ihnen persönlich dafür danken ;-)




Mittwoch, 24. November 2021

Videospiele im Unterricht - Kapitel 4


Kapitel 4 - Das richtige Spiel

Eigentlich ist der Titel irreführend, weil er suggeriert, es gäbe das richtige Spiel für so ein Projekt. Ich habe sieben Jahre lang überlegt, was sich anbieten könnte, und bei vielen Spielen, die ich in dieser Zeit gespielt habe, überlegt, ob das etwas für eine Lerngruppe sein könnte. In der Zeit habe ich mir eine Art Checkliste zurechtgelegt, mit Kriterien, die das Spiel erfüllen sollte.

Mir ist wichtig, dass (möglichst) niemand das Spiel schon kennt. Das Kriterium gilt auch bei allen Filmen oder Serien, die ich meinen Schülern zeige. Meine Überlegung dabei ist, dass die Schüler sich eher zurücklehnen und "berieseln" lassen, wenn sie den Inhalt des Gezeigten schon kennen, und das wäre fatal: Ich brauche ihre Aufmerksamkeit, sie müssen mit ihren Gedanken vorne auf der Leinwand sein und wirklich das verstehen wollen, was da auf Englisch gesagt wird. Auf diese Weise ist es für das Gehirn leichter, sich neue englische Wörter und Phrasen einzuprägen. Außerdem besteht immer die Gefahr, dass jemand wichtige Entwicklungen der Geschichte schon vorher verrät, wenn er die Story schon kennt. Natürlich besteht immer die Gefahr, dass die Schüler sich selbst "spoilern", wenn sie im Internet nachschauen, was passiert - aber dann läge das in der Verantwortung jedes Schülers selbst, wohingegen sie keine Wahl haben, wenn ein Mitschüler ihnen alles verrät.

Wenn ich ein Videospiel wähle, das möglichst vielen der Gamer in der Klasse gefällt, gibt es ein Problem: Die Mehrheit favorisiert First Person Shooter. Kommt für mich nicht in Frage, mit Schülern ein Spiel zu spielen, in dem man - egal aus welchen Motiven! - herumläuft und andere Menschen tötet. Da diskutiere ich gar nicht erst, ebensowenig bei Fifa oder anderen Sportspielen, Autorennen und so weiter, denn:

Das Spiel muss einen einigermaßen komplexen Plot haben. Ich brauche etwas, was die Aufmerksamkeit der Schüler nach den fünfundvierzig Minuten Unterricht eine Woche lang gespannt hält bis zur nächsten Stunde. Da muss etwas passieren auf dem Bildschirm, und nicht sauer sein: Bei Resident Evil passiert nicht viel (und trotzdem liebe ich die chronologisch ersten beiden Teile, und Autorennen und so weiter). 

Es spricht also alles für ein Adventure, ein Abenteuer, das oftmals nach klassischer Drei- oder Fünf-Akt-Struktur aufgebaut ist. Jetzt wiederum besteht die Gefahr, dass das Ganze zu langweilig für die Schüler mit kürzerer Aufmerksamkeitsspanne wird, und davon haben wir heutzutage ziemlich viele. Da muss also etwas auf der Leinwand passieren, was idealerweise alle interessiert, und es müssen wichtige Dinge in nicht allzu großem Abstand voneinander passieren.

Dann bleibt noch die ewige Frage des unterschiedlichen Interesses bei Jungen und Mädchen, das übrigens kein Klischee ist, sondern empirisch belegt. Sicher gibt es immer Ausnahmen, aber Jungen und Mädchen tendieren generell zu unterschiedlichen Spieltypen.  Jetzt wird es wirklich eng mit der Spieleauswahl, denn wie soll ich die Schüler alle mitbekommen nach den oben genannten Kriterien? Die Schüler da abholen, wo sie stehen, das ist einfach gesagt. Ein Videospiel finden, mit dessen Inhalten sich eine ganze Lerngruppe identifizieren kann?

Vor einigen Jahren habe ich ein Spiel gespielt, bei dem mir relativ schnell klar war, dass das etwas für Jugendliche ist. Protagonistin ist eine achtzehnjährige Schülerin, Max, die Fotografie studiert. Der Prolog des Spiel sieht Max in einem schrecklichen Sturm, in dem sie von einem Gebäudeteil erschlagen wird - aber es stellt sich als Traum heraus, und sie wacht direkt in einer Unterrichtsstunde bei ihrem Lieblingsdozenten Mr Jefferson auf. Ein Blick durch die Klasse und wir erkennen sofort altbekannte Schülertypen: Das Mauerblümchen, das von den anderen gemobbt wird, die reiche, modebewusste Bitch, die den typischen Digitalsprech verwendet, das verwöhnte, arrogante Einzelkind mit psychischen Problemen, es wird noch einen witzigen, verpeilten besten Freund geben und ein Mädchen mit Punk-Attitüde, das gegen alles rebelliert.

Es dauert nur eine Viertelstunde, bis bereits ein dramatisches Ereignis eintritt, und damit verrate ich noch nicht zu viel: Auf der Schultoilette nach der Unterrichtsstunde zieht der verwöhnte Junge eine Waffe und erschießt das Punk-Mädchen, und Max muss das aus einem versteckten Winkel mitansehen. Und in diesem Moment entdeckt sie, dass sie die Fähigkeit hat, Dinge ungeschehen zu machen... 

Wir haben hier diverse Genres vermischt, Teenagerdrama, LGBTQ, Science Fiction, Thriller, Romanze. Es werden sehr harte Themen angepackt, und deswegen ist in den ersten Stunden umfangreiche Aufklärungsarbeit nötig: Kindesmissbrauch, Drogenkonsum, häusliche Gewalt, Suizid. 

Das ist der Punkt, der mir immer noch ein bisschen Sorge bereitet. Das Spiel bemüht sich um einen ordentlichen Entfremdungseffekt, aber es gibt einige Szenen mit Triggerfunktion für labile Schüler, und deswegen muss klar sein, dass die Schüler jederzeit ohne Angabe von Gründen den Hörsaal verlassen dürfen, dass ihnen jederzeit ein Gesprächspartner zur Verfügung steht, und als Spielleiter muss ich vor besonders intensiven Szenen vorwarnen, denn was nützt es, ein Spiel spoilerfree zu halten, wenn dafür ein jugendliches Trauma reaktiviert wird?

Es gibt nicht das richtige Spiel - aber ich denke schon seit längerer Zeit, mit Life Is Strange (2015) könnte dieses Experiment funktionieren; die erste Stunde hat gezeigt, dass sehr viele Schüler auf diese Reise mitgenommen werden. Jetzt musste ich mir nur noch die konkrete Durchführung zurechtlegen.

Fortsetzung folgt...

post scriptum: Ihr seid herzlich eingeladen, eine Diskussion in den Kommentaren zu starten, gerade zum "subject matter" des Spiels. Alle Leser der Kommentare seien an dieser Stelle gewarnt, dass es dort starke Spoiler geben kann (und wird).

paulo post scriptum: Wie aufregend, heute ist tatsächlich ein großer Brief von meinem Kurs in Neun angekommen! Gleich auspacken, lesen, verarbeiten. Freude, trotz krank!



Montag, 22. November 2021

Folgebescheinigung

Momentan Dauerplatz

Ich kann mich nicht erinnern, dass ich mir irgendwann schon einmal eine AU-Folgebescheinigung vom Arzt abholen musste. Gibt für alles ein erstes Mal; ich bin die ganze Woche krankgeschrieben, bis das Antibiotikum aufgebraucht ist. Hoffentlich hat sich mein Zustand dann verbessert.

Das heißt, ich sollte mir wirklich etwas für meine Schüler überlegen. Vielleicht bitte ich meinen Kurs in Sieben, dass sie mir Briefe auf Englisch schreiben und darin möglichst einige Adjektive und Adverbien verwenden (ist gerade Thema). Vielleicht können sie die Briefe dann ja alle in einem großen Umschlag an meine Adresse schicken.

Was mache ich mit meinem MSA-Kurs in Zehn? Da ist eigentlich nur angebracht, eigenständig sich alte Prüfungen im Internet anzuschauen, daran zu arbeiten. Neun? Auch das mit den Briefen, denn von denen brauche ich noch mehr text production. Acht? Meine elf Leutchen in Acht... die vermisse ich wirklich, habe heute in der Schule zwei Mädels getroffen und ihnen gesagt, dass wir uns wohl erst nächsten Montag wiedersehen. Vielleicht auch Briefe.

Das ist alles extrem unkreativ, I know, aber ich bekomme den Kopf gerade nicht frei für inspirierte Vertretungsstunden -.- Hier sind damit weiter Videospiele, Filme, Kühlpack und Schlafen angesagt. Ich wünsche Euch einen etwas besseren Start in die Woche!

Freitag, 19. November 2021

Videospiele im Unterricht - Kapitel 3


Kapitel 3 - Dafür

Trotz aller berechtigten Argumente gegen ein Videospiel im Unterricht glaube ich daran, dass es einen positiven Effekt haben wird. Das fängt an bei der Präsentation des Spiels in Englisch. Englische Sprachausgabe, englische Untertitel und englische Menütexte - soweit eigentlich genau wie jeder englische Film, den ich mit Schülern schaue. Videospiele gehen allerdings einen Schritt weiter.

Ich habe hier im Blog schon einmal darüber berichtet, als es um survival horror ging, konkret um Project Zero 2: Crimson Butterfly, eines der unheimlichsten Videospiele, die ich bisher spielen durfte. Dort hatte ich den Vergleich gezogen mit Horrorfilmen: Bei einem Film sitzt man als passiver Zuschauer vor der Leinwand, man wird beschallt, mit Effekten übergossen, mit unheimlichen Szenen überschüttet, man ist zwar wehrlos, aber zur Not kann man sich immer noch die Augen zuhalten und warten, bis die gruselige Szene vorbei ist.

Ein Videospiel ist da etwas anders, denn ich kontrolliere (in der Regel) den Protagonisten. Ich stehe vor einer knarzenden Tür, und dahinter ist es dunkel. Ich weiß, dass da gleich etwas Schlimmes passieren wird - aber ich kann nicht einfach stehen bleiben und die Augen zumachen und abwarten - denn von allein geht es nicht weiter. Ich selbst muss mich mit meiner Figur in die Gefahr wagen, um diese oder jene Ecke blicken, hier in den Schatten greifen, dort ein verfluchtes Objekt aufheben. Ich bin dadurch viel mehr eingebunden als bei einem Film. Ich werde nicht bespielt, sondern ich spiele selbst - Stichwort Immersion

Bezogen auf unser classroom experiment bedeutet das: Ich sitze als Lehrkraft vorn mit dem Controller in der Hand, aber ich mache nur das, was die Schüler mir sagen. Und wenn die Schüler mit einer Ansage zu lange brauchen, dann verpassen sie eben die Chance, einen Freund zu retten. Oder sie tragen mit ihrer Entscheidung dazu bei, dass eine Stadt zerstört wird. Indem die Schüler Verantwortung für ihre Aktionen und deren Konsequenzen nehmen, sind sie bei'm Videospiel viel involvierter, als sie es bei einem Film oder einer Serie je sein könnten. Auf diese Weise prägt sich das Erlebte viel stärker im Gehirn ein - und die erste Unterrichtserfahrung bestätigt mir das: Der Kurs ist viel grundaufmerksamer und aktiver am Geschehen beteiligt, und zwar eben nicht nur die "Jungs, die sich ja sowieso mit Videospielen auskennen."

Mal abgesehen von den heteronormativen Hintergründen einer solchen Aussage muss es das Ziel dieses Unterrichtsversuchs sein, alle Schüler einzubinden. Ich muss ein Spiel finden, dass gleichermaßen Jungs und Mädchen anspricht - und ich fand es bemerkenswert, dass in einer Lerngruppe alle Anweisungen und Kommentare in der ersten Stunde von den Mädchen kamen.

Womit wir wieder zurück bei'm Punkt der Spracharbeit wären; die rezeptiven Fähigkeiten sind oben schon erwähnt worden - es gibt viel zu lesen und viel zu hören. Als Spieler mit dem Controller in der Hand akzeptiere ich allerdings nur Handlungsanweisungen auf Englisch. Die dürfen gebrochen sein, grammatikalisch nicht perfekt, Vokabeln etwas verdreht, das ist mir alles egal, solange ich verstehe, was der Schüler mir mitteilen will. Und wenn es dazu führt, dass auch diejenigen etwas sagen, die sich sonst im Unterricht eher still verhalten, umso besser! 

Das ist anders als in einer normalen Unterrichtssituation - "Describe the picture." - "Comment on the statement." - blablabla. Hier entsteht der Sprechimpuls aus dem, was auf der Leinwand gezeigt wird, und dem Wunsch, die Situation der Spielfigur zu beeinflussen. Intrinsische Motivation als Sprechanreiz ist - zumindest meiner Meinung nach - wesentlich besser als die oft zu gestelzten Arbeitsaufträge des Englischunterrichts, wie wir sie im Referendariat mitunter gelernt haben.

Bleibt noch die produktive Schreibarbeit, und wenn man sich das richtige Videospiel ausgesucht hat, sollte es kein Problem sein, Schreibaufträge abzuleiten, die sich mit den Anforderungen des ESA oder MSA decken. Anfangs entlasse ich die Schüller aus der Stunde mit einem einfachen Auftrag: "Write a diary entry about today's English class." Hier gibt es kein inhaltliches Richtig oder Falsch, hier können sie einfach drauflos schreiben, und gleichzeitig sammle ich damit schon erste Eindrücke für eine spätere Evaluation des Unterrichtsversuchs. Wer möchte, kann mir die Texte dann im Unterricht abgeben oder per Mail zuschicken, und natürlich geht das in die Note der Unterrichtsbeiträge ein. Gleichzeitig kann ich bei von den Schülern wahrgenommenen Mängeln auf diese Weise frühzeitig entgegensteuern und das Unterrichtsformat abwandeln, falls nötig.

Eigentlich klingt das alles geil: Rezeptive und produktive Spracharbeit, mündlich und schriftlich, entstehend aus einer intrinsischen Motivation der Schüler. Allerdings muss für eine solche Situation das Medium stimmen: Ich brauche das passende Videospiel. Es muss Schüler und Schülerinnen ansprechen, intro- wie extrovertierte, verteilt über das ganze kognitive Spektrum. Es muss... ja, was eigentlich? Soll ich einfach mein Lieblingsspiel nehmen?

So einfach ist es mal wieder nicht.

Fortsetzung folgt...

post scriptum: Die große Buba, falls Du das liest und Du an der Geschichte der Videospiele interessiert bist, gibt es auf Netflix eine Dokuserie "High Score" (2020). Nerd-Heaven ;-)

Freitag, 12. November 2021

Videospiele im Unterricht - Kapitel 1


Kapitel 1 - Die Vorgeschichte

Ich weiß nicht, wie es Euch so geht, liebe Lehrkräfte, aber bei Vielem, was ich so erlebe, frage ich mich direkt "Kann ich das irgendwie in meinem Unterricht verwenden?" - besonders, wenn ich es toll finde. Immerhin, ein Zahn ist mir schon früh gezogen worden: Was ich toll finde, finden Schüler deswegen nicht auch gleich super. Menschen sind eben unterschiedlich. Während meines Studiums habe ich überlegt, ob ich eine Serie im Unterricht zeigen könnte - das war sozusagen die Geburt des Are You Afraid of the Dark-Projekts. 

Irgendwann im Referendariat muss die Idee aufgekommen sein, einen Schritt weiter zu gehen. Allerdings noch klein und unauffällig, denn das Referendariat hat mich gelehrt, keine Unterrichtszeit für Filme oder Serien draufgehen zu lassen, das ist alles kostbare Zeit, da wollen wir von Videospielen gar nicht erst anfangen. Und wenn ich dann darüber nachdenke, was ich an manchen Schulen schon für erzürnte Eltern hatte; das ist dann die Schattenseite des "Serie im Unterricht schauen": Gerade an einem Gymnasium - und erst recht an einem Elite-Gymnasium - kommen dann an einem Elternsprechtag erzürnte Mütter vorbei und erzählen mir, wie ich meinen Englischunterricht zu machen habe. Wenn sie dann selbst auch noch Englischlehrerin sind, umso schlimmer. Und das war vor Jahren, als ich noch sehr frisch im Schulsystem war, kein dickes Fell und leicht zu beeindrucken. 

Serien im Unterricht? Habe ich an den Gymnasien nicht wieder gemacht, und an der Berufsschule gar nicht erst daran gedacht. Der Lehrauftrag ist eben ein anderer, das muss ich akzeptieren. Umso deutlicher öffnete sich dann für mich eine Tür mit Lerngruppen, die keinen Bock auf Schule hatten. Da sitzen dann zwischen elf und achtundzwanzig Schülern, hochpubertär, keinen Bock auf gar nichts und erst recht nicht Englisch, denn das braucht man später eh' nicht, und dann auch noch der komische neue Lehrer an der Schule. Immer wieder erlebt - in St.Peter-Ording, in Neumünster, auch jetzt an der Toni. Das ist genau die Art Schüler, bei der jener Leitsatz aus dem Referendariat im Kopf wieder aufleuchtet. Bis zum Erbrechen gehört, immer und immer wieder, und in den Lehrproben natürlich versucht zu zeigen.

"Die Schüler da abholen, wo sie stehen."

(Die große Buba holt dat aber so vor, wie sie dat braucht.) Klar, der Satz ist eine Form von Phrasendrescherei, aber mit diesen Kids in schwierigen Situationen ist das einfach mal die goldene Regel: Finde den Zugang zu ihnen. Schau' sie Dir an! Im Englischen gibt es den Ausdruck "See them!" Und seit St.Peter-Ording habe ich GenZ (oder meinetwegen auch die Digital Natives) kennengelernt. Und in SPO habe ich zum ersten Mal das AYAOTD-Experiment gemacht. Als ich denn gesehen habe, wie gut das funktioniert hat, und wie einige Eltern tatsächlich davon begeistert waren, sind plötzlich wieder die Videospielgedanken in meinen Kopf zurückgekommen - denn ich liebe gute Videospiele.

Und so habe ich also fast sieben Jahre lang darüber nachgedacht: Wenn ich ein Videospiel mit Schülern würde machen wollen - welches nähme ich denn bloß? Welche Klassenstufe? Kann ich das überhaupt verantworten? Ich habe sieben Jahre lang ernsthaft gezweifelt - und an Schulen unterrichtet, an denen solch' ein Unterrichtsexperiment absolut tabu gewesen wäre; die Kieler Gelehrtenschule oder die Jungmannschule in Eckernförde und auch das Berufsbildungszentrum Plön hätten das (zu Recht?) niemals zugelassen. Sieben Jahre lang hin und her überlegen. Von einer Schule an die nächste wechseln. Und dann an der Toni landen, wo man ausprobieren darf. Und so kam es dann, wie es kommen musste.

Heute hatte ich in einer neunten und einer zehnten Klasse meine erste Videospielstunde.

Hier geht es zu Kapitel 2

Mittwoch, 27. Oktober 2021

Überstanden


Vor diesem Tag hatte ich richtig Angst, und das schon vor den Herbstferien. Genau genommen seit dem Tag, an dem mein Kurs in Zehn die erste Klassenarbeit geschrieben hat. Ich weiß noch sehr gut, wie ich damals einfach nur mal eben durch drei Arbeiten quergelesen habe und der erste Gedanke war "Oh mein Klott." Viel zu kurze text productions, ein Fließtext im Blocksatz völlig ohne Punkt und Komma, Begriffe wie "other ways" - und ich verstehe bis heute nicht, was das heißt.

Nun, das war vor den Ferien, und ich habe den Stapel der Klassenarbeiten erstmal weit weg geschoben. Nützt ja aber alles nichts, irgendwann war die Korrektur dann dran und in Sachen Noten war von Drei bis Sechs alles vorhanden, Durchschnittsnote Vier Plus. An sich noch kein Grund zur Sorge; die Arbeit musste nicht genehmigt werden, und für einen "mittleren" Englischkurs im zehnten Jahrgang ist das in Ordnung. Angst hatte ich vor dem Tag der Rückgabe der Arbeit - der gleichzeitig Tag der ersten Notengespräche sein sollte.

Einige Schüler haben sich nämlich viel vorgenommen: Auf jeden Fall den MSA schaffen, dann in die Oberstufe und das Abitur, und dann studieren. Und einige schätzten sich selbst auch als richtig gut ein. Da hat sich bei mir die Hoffnung aufgebaut, dass die Arbeit dann Beweise dafür liefern würde, aber nein. Deidhe. Und heute sollte dann also der Tag sein, an dem ich ihnen ihre Arbeiten zurückgebe und ihre Illusionen zerstöre.

Ich glaube, das ist alles wieder nur in meinem Kopf. Schließlich nehmen sie ihre Ergebnisse hin, akzeptieren, suchen nach Wegen, sich zu verbessern. Und sicherlich war das Gespräch mit einer Sechs in der Arbeit - unbequem. Noch unbequemer, wenn jemand generell so auf Fünf steht, aber den MSA schaffen möchte: Ich muss ihm klar machen, dass das Nicht-Bestehen eine reale Wahrscheinlichkeit hat. Ich mag solche Gespräche wirklich nicht - geht das nur mir so, oder kennt Ihr das?

Was mir heute gleich zu Stundenbeginn den Druck von den Schultern genommen hat: Ich gehe in die Klasse, schwungvoll zum Lehrerpult, setze mich hin und RRRRRRRATSCH-OMG. Bitte nicht. Aber der Blick nach unten bestätigt mir, dass meine Hose im Schritt aufgerissen ist. Es wäre eine Gelegenheit für Panik - wie soll ich damit umgehen? Ich habe versucht, das alles irgendwie zu überspielen. Im Nachhinein ärgert mich das: Der Mensch, der ich sein möchte, würde den Schülern sofort davon erzählt haben, dann hätten wir alle etwas zu lachen und ich müsste nicht krampfhaft dieses Loch in der Hose zu verstecken versuchen.

Aber das Training (Lojong) hört nie auf. Mutig voran!

post scriptum: Wow, diese Angst vor der Rückgabe hat mich tatsächlich so sehr beschäftigt, dass ich über eine Woche lang nichts geschrieben habe. Behinderung in your face!