Sonntag, 12. März 2017

Sven, das StuPa und ich


Die große Buba entsorgt sich selbst. Genauer gesagt entsorgt sie Teile ihrer Vergangenheit, indem sie alte Fotos durchwühlt und ihren Bestand ein wenig entmüllt. Das tut ab und an gut, dann kann man auch mal den ganzen Menschenmüll loswerden, mit dem man sich damals so arrangiert hat. Und ja, ich weiß, welche Konnotationen der Begriff Menschenabfall besitzt. Schwenken wir also um zu einem dem Wetter angemesseneren Thema - jenem Foto, das diese Frau ("Ist nun mal so!") mir da gezeigt hat.

Man sieht: Dr Hilarius sitzt auf einem alten, vergammelten (vergabbelt, und sie platzt schon wieder. Ma-Ma!) grauen Sessel in einem kahlen, weißen Raum mit einem weißen Regal voller dicker, vernachlässigter Bücher. Auf seinem Schoß: Eine Kiste, beinhaltend ("Bein-haltend", wie sich alte Saturnalier erinnern mögen) einen Stoffhund. Sieht aus, als wolle er ihn gleich abknutschen. Kein Wunder: Es handelt sich hierbei um Sven Rausch, einen Hund mit einer ganz speziellen Bedeutung, die mittlerweile elfeinhalb Jahre auf dem Buckel hat. Dieses Foto löst sintflutartige Erinnerungsniederschläge aus, an eine Zeit, in der ich noch nicht Dr Hilarius war.

In der ich zu große, schlabberige Pullover getragen habe. In der ich Socken in Sandalen getragen habe, das ganze Jahr hindurch. In der ich meine Kopftuch-Zeit noch gar nicht so lang hinter mir gelassen hatte. In der ich auf Konfrontation mit JR gegangen war und noch nicht wusste, dass er mein Studium begleiten würde. In der ich die Bühne kennenlernte.

Wir brauchten Sven Rausch für eine Theateraufführung. Und das alles nur, weil im Sommer 2006... ach, whatever... jedenfalls war Sven Rausch, das Original, nicht bei jener Theateraufführung, also haben wir das Plüschtier an seiner Statt ins Publikum gesetzt.

Es war die Zeit, in der ich mehr durch Zufall im Studierendenparlament gelandet bin - ich wollte das gar nicht. Ingo wollte mich nur für die Fachschaftsliste HSG (FaLi) aufstellen, um ein paar Stimmen mehr zu sammeln, weil ein paar Studenten mich wohl kannten. Am Ende hat es dazu gereicht, dass ich einen der fünf FaLi-Sitze im Parlament erreicht hatte, dabei wollte ich das gar nicht. Hab es dann aber gemacht.

Und die FaLi sollte nach Möglichkeit in jedem der drei studentischen Ausschüsse vertreten sein, und ich hab gesagt, ich mach das, wenn ich dann nix tun muss. Also wollten sie mich für den Rechtsausschuss aufstellen. Weil aber eine FaLi-Kommilitonin nicht aufgepasst hat, hat sie mich für den Haushaltsausschuss (HHA) nominiert, der monatlich tagt und über die Gelder der Studierendenschaft mitzuverfügen hat. Da sollte ich also rein, dabei wollte ich das gar nicht. Hab es dann aber gemacht.

Und Beides hat mich sehr stark geprägt, weil ich endlich mal studentische Mitbestimmung erlebt habe. Etwas Reiferes als die Fachschaftsvertreterkonferenz (FVK). Etwas weniger leeres Gerede, etwas mehr handfeste Politik. Das hat dazu geführt, dass ich im Folgejahr wieder für die FaLi angetreten bin, diesmal wollte ich das. Und bin wieder gewählt worden, und auch wieder in den HHA, diesmal als Vorsitzender. Und das war echt verdammt spannend, weil ich gelernt habe, wie die Universität hinter den Kulissen aussieht, und weil ich die Gelegenheit bekommen habe, einige Verantwortung zu übernehmen.

Ich habe das Ganze dann auch noch ein drittes Jahr mit denselben Funktionen weitergeführt. Zu jeder Zeit war ich also StuPa-Abgeordneter, Vorsitzender des HHA, Vorsitzender der Fachschaft Klassische Philologie, Mitglied der Saturnaliengruppe und wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Klassische Altertumskunde. Eine Menge Ehrenämter und Nebentätigkeiten, die mich mein eigentliches Studium in den Hintergrund haben rücken lassen, und so summierten sich dann die Semester... aber ich bereue nichts davon. Auch nicht, dass es mich mittlerweile vielleicht die Chance auf eine Planstelle direkt nach dem Referendariat gekostet hat.

Was dagegen nicht stimmt, ist der Rat, den ich so oft bekommen habe: "Mach' ein Ehrenamt, das macht sich später gut im Lebenslauf." Es interessiert kein Schwein, was ich da so gemacht habe, und noch weniger hat es irgendeine Auswirkung auf meine Jobchancen. Das ist sehr schade, denn es führt dazu, dass weniger Menschen ein Ehrenamt übernehmen, sondern sich stattdessen lieber auf das Erreichen ihrer Karrieresschritte konzentrieren, und ich kann es ihnen nicht verdenken. Doch wie oben beschrieben: Es hat mich geprägt und ich würde es jederzeit wieder tun, wenn ich vor die Wahl gestellt würde. Die wichtigsten Dinge im Leben lassen sich eben nicht mit materiellem Wert ausdrücken.

Dabei fällt mir auf, dass "Sven" im Titel dieses Beitrags wohl zweideutig verstanden werden könnte, zum einen als der besagte Sven Rausch-Stoffhund, zum anderen aber ein Kommilitone aus der FVK (und StuPa, wenn ich mich recht entsinne), der jetzt vielleicht gerade diesen Artikel liest und sich an einige interessante hochschulpolitische Momente erinnert.

True, true, Dr Hilarius, we've come quite a long way... these were some of your most formative years and look how much you've grown up (as if!). And you're not finished. You're never finished, you've got quite a way ahead of you. Enjoy the journey!

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