Dienstag, 21. Juni 2016
Bürokratiergehege 2: Der Tempel des ALG-Todes
Herzlich willkommen zur heißersehnten Fortsetzung des Blockbusters "Bürokratiergehege". Hier lernen wir den Tempel des ALG-Todes kennen, dessen genauen Standort niemand weiß und auch die Identität des geldmordenden Hohepriesters bleibt für lange Zeit unbekannt. Wie also kommt man in Kontakt mit dieser gefährlichen Einrichtung?
Wer mindestens zwölf Monate in einem durchgängigen Beschäftigungsverhältnis stand, hat im ungünstigen, aber recht häufigen Falle der Arbeitslosigkeit ein Anrecht auf Arbeitslosengeld (ALGI) - in Höhe von sechzig bzw. sechsundsechszig Prozent des Durchschnittseinkommens der letzten zwölf Monate. Man sendet den Antrag - wie auch alles, was mit dieser Phase des Lebens zu tun hat - an die Agentur für Arbeit, in meinem Fall in Kiel. Ungeachtet der Tatsache, dass sich der persönliche Tempel des Finanztodes nicht zwangsläufig in Kiel befindet.
Das findet man erst heraus, wenn man Antwortpost bekommt, die einem die Bewilligung des ALGI hoffentlich bestätigt. Die Antwort kommt laut Anschrift von der Agentur für Arbeit Kiel, interessanterweise wird als Sachbearbeiter allerdings eine Person in Neumünster angegeben. Oder Flensburg. Oder sonstwo. Man mag nun denken, okay, dann ist diese Person jetzt mein weiterer Ansprechpartner. Nein: Bis auf den Namen werden keine konkreten Kontaktdaten gegeben - da stehen eine Faxnummer und eine Mailadresse, die allerdings in die "Ablage P" des Tempel des Todes wandern und nicht an den jeweiligen Sachbearbeiter. Die Hälfte der Mails kommt nicht an, die andere Hälfte wird nicht bearbeitet, geschweige denn beantwortet. Eine Telefonnummer zur Nachfrage und/oder Beschwerde wird selbstverständlich nicht abgegeben. Der Hohepriester würde sich damit ins eigene Knie schießen. Er sichert sich seine vernichtende Macht durch Abschottung.
Nein, jeglicher Kontakt läuft über das Bürokratiergehege Agentur für Arbeit Kiel, und jeglicher Kontakt läuft schriftlich. Wer es wagt, die kostenfreie Hotline anzurufen, sollte ein wenig Zeit einplanen. Es empfiehlt sich, währenddessen den Pizzaservice kommen zu lassen, ein Schläfchen zu halten und eine ausgiebige Massage zu bekommen. Die Betonung liegt hier auf "und", nicht "oder". Damit letztlich u.U. wieder nur ein "Da müssen sie sich schiftlich an ihre zuständige Agentur für Arbeit wenden." kommt.
Nun will ich nicht meckern, denn meine zuständige Finanz-Hohepriesterin hat mir nach einmonatiger Wartezeit das ALGI bewilligt. Dann war ich so tollkühn und wollte das Geld etwas aufstocken mit einem Nebenverdienst; man darf bis zu einhundertfünfundsechzig Euro monatlich dazuverdienen, solange die wöchentliche Arbeitszeit weniger als fünfzehn Stunden beträgt. Habe ich also beantragt, bekam irgendwann mit einmonatiger Verspätung die Bewilligung und den Bescheid über das in dieser Zeit verringerte ALG. Wieder aus Neumünster, allerdings von einer anderen Priesterin. Wieder eine andere zuständige Fachkraft hat mir nun eine Mahnung und Vorladung zur Anhörung zugesandt, in der mir vorgeworfen wird, mein Beschäftigungsverhältnis nicht angegeben zu haben und dass mir daher seit Mitte April überhaupt kein ALGI mehr zusteht. Mehr noch, neben der Rückzahlung der Leistungen soll ich noch die zuviel entrichteten Beiträge zur Krankenversicherung an das Arbeitsamt überweisen.
Hier zeigt sich also, weshalb vom Tempel des ALG-Todes die Rede ist. Wie wird es weitergehen? Ich habe Widerspruch eingelegt, wieder in Kiel, wieder werde ich Antwort aus Neumünster erhalten, vermutlich wieder von einem neuen Sachbearbeiter. Diesmal hoffentlich mit der Miteilung, dass da ein Fehler (Fehwer!) unterlaufen ist, für den ich ganz bestimmt nicht mit dem Leben (Wehben!) zu bezahlen (bezahwen!) habe.
Und vielleicht wird es dann zur Fortsetzung kommen - "Bürokratiergehege 3: Der letzte Kreuzzug ins Amt".
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