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Freitag, 24. Mai 2024

Lange Funkstille, und dann...


...kann ich noch nicht einmal gute Nachrichten vorweisen, im Gegenteil, und das obige Bild lässt schon erkennen, dass es um meine beruflichen Aussichten geht. Ich habe in der Zwischenzeit noch zwei weitere Beiträge geschrieben, die - etwa jeweils zu drei Viertel fertiggestellt - im Entwurfsordner liegen, da ging es um den Eurovision Song Contest und um einen Besuch bei'm Psychiater (kein Zusammenhang dazwischen). Die bleiben aber erst einmal liegen, und stattdessen hier ein Zitat zur Erinnerung:

"Mit 99%iger Wahrscheinlichkeit haben sie im Sommer ihre Planstelle."

Das wurde mir vom Ministerium mit einer Überzeugung und positiver Atmosphäre gesagt, und das hat mich lange durch die letzten Wochen getragen. Inzwischen sind einige Mails, ebenfalls vom Ministerum eingetroffen, die mir klar gemacht haben, dass das so überhaupt nicht der Fall sein wird. Warum? Was hat sich in den letzten Wochen so sehr geändert, dass ich diese Mails bekomme, die sich nicht mit dem Gespräch im Ministerium im Februar vereinbaren lassen?

Der Landeshaushalt wurde besprochen, die finanzielle Schieflage, in der wir uns offensichtlich und bekannterweise befinden. "Offensichtlich" kann ich nicht sehen, wenn man einige teure Projekte bedenkt, die geplant wurden, und "bekannterweise" kann ich auch nicht sehen, ich schaue zwar die Nachrichten, aber sowas scheint an mir vorbeizugehen.

Ich hatte mich schon gefragt, warum so wenige Planstellen für das kommende Jahr ausgeschrieben werden, und warum das so lange dauert. Die Antwort ist einfach:

(Na toll, eben habe ich mich mal wieder ausgesperrt, anstelle des Schlüsselbundes "Wohnung" habe ich den Bund "Schule" eingesteckt, an dem kein Schlüssel mehr hängt, aber genug Klöterkram - die große Buba und ich sagen Geh-Keh-Wöter - so dass man in der Eile denken kann, es sei der richtige. Zum Glück leben Buba-Mama und Buba-Papa ganz in der Nähe und haben meinen Zweitschlüssel. Ich sehe sie nicht oft, aber ich liebe sie, als wären sie meine [tollen] Schwiegereltern.)

Der Landeshaushalt wurde besprochen, und Schleswig-Holstein befindet sich in einer ordentlichen Schieflage. Also wird gekürzt, zuerst an den Gemeinschaftsschulen, die teilweise so extrem überbesetzt sind, dass eine Lehrkraft möglicherweise etwa siebzig Prozent ihres Deputats mit Bereitschaftsstunden verbringen muss. Zig Stellen werden im kommenden Schuljahr abgebaut, und dann geht das Streichkonzert in das zweite movement, wenn im Jahr darauf ein Vielfaches an Stellen verschwindet, so dass ich auf keine einzige Ausschreibung an einer GemS mit Englisch hoffen muss (zuverlässige Quelle).

Also riet man mir, mich an zwei Schulen auf Föhr und in Schleswig bewerben soll. Das habe ich erstmal nicht verstanden, weil die Absprachen im Februar ganz anders klangen ("Bordesholm oder NMS wären okay?" - "Ja. Irgendwas, was mit dem ÖPNV gut erreichbar ist."). Föhr steht völlig außer Frage, und nach Schleswig wären es mit dem Nahverkehr je nach Baustellenlage zwischen neunzig und hundertzwanzig Minuten je Tour. Auto nur die Hälfte, aber Auto kommt für mich eigentlich nicht mehr in Frage; ich bin nicht allein in der Lage, ein Auto zu warten (was zu Pannen führen kann, schon erlebt) und ein aufregender Schultag oder drängelnde, rücksichtslose Verkehrsteilnehmer können dafür sorgen, dass ich unkonzentriert bin (was zu Unfällen führen kann, auch schon überlebt, zum Glück nur mit Schleudertrauma, aber das hat meine Angst vor dem Autofahren noch weiter verstärkt).

"Ja, es würde einen Neuanfang und Umzug bedeuten." - das wird mir auf Nachfrage eingeräumt, aber das entspricht halt auch überhaupt nicht unserem Februargespräch, in dem ich versucht habe zu erklären, dass ich diese meinen Bedarfen entsprechende Traumwohnung, in der ich seit zehn Jahren lebe, nicht verlassen werde. Ich würde das nicht einmal dann machen, wenn man mir zusagte, sofort eine Planstelle ohne Auswahlgespräche zu bekommen.

Das sind die Momente, in denen ich Euch beneide, Ihr neurotypischen oder hochfunktionalen Menschen; in letzte Gruppe gehöre ich eigentlich, aber seitdem ich arbeitslos bin, steigt der psychische Druck und ich werde zum Autisten pur. Immerhin, das gibt mir mehr Verständnis für "normale" Autisten und wird mir in meiner Arbeit definitiv weiterhelfen.

WENN ich denn Arbeit habe - morgen geht es zur Agentur für Arbeit, die Lage besprechen und unter anderem gezwungenermaßen nachfragen, wie und wann man Bürgergeld beantragt und ob man dafür Hilfe bekommen kann. Ich habe vor alledem Angst, und mein Gesundheitszustand macht es nicht besser. Bitte, ganz fest weiter die Daumen drücken. Es bringt zwar nichts, und ein Buddhist macht sich keine Hoffnungen, aber für den Moment fühlt es sich - leider! - gut an.

Also - auf zum Arbeitsamt!

(...)

Okay, ich werde hiermit den Satz "Schlimmer kann es nicht kommen" endgültig aus meinem Sprachrepertoire streichen. Immer, wenn man tatsächlich denkt, es kann nicht mieser werden, findet das Leben einen Weg, noch einen draufzugeben. Das Leben, oder eine Kieler Schule, die ihre ausgeschriebene Vertretungsstelle für das kommende Schuljahr - eine meiner letzten Chancen auf Beschäftigung - jetzt kurzfristig wieder zurückgezogen hat. Klar, nichts ist entspannender als das anzunehmen, was kommt, aber manchmal möchte ich einfach die Wand anschreien und mich dann heulend im Bett verkriechen.

Heute ging das nicht, denn die Nachricht der zurückgenommenen Stellenausschreibung hat mich dreißig Minuten vor Aufbruch zum Arbeitsamt erreicht. Also schnell etwas zum Beruhigen nehmen, Kopf irgendwie aufrichten, Taschentuch einpacken und auf in die Adolf-Westphal-Straße, Herr S wartet.

Und dem berichte ich dann von der aktuellen Nachricht. Ich würde ja versuchen zu lächeln, immer freundlich sein, und auf dem ganzen Fußmarsch hat die Sonne geschienen, aber meine Moral ist irgendwo unter meinen neuen Schuhsohlen verschwunden. Ich erzähle Herrn S auch die ganze Geschichte, wie das Ministerium mir meine Vertretungsstelle in diesem Halbjahr versaut hat.

Und dann macht er wieder dieses Gesicht, das ich mittlerweile leider zu gut von ihm kenne - dieses "Ich wünschte, ich könnte etwas für sie tun"-nette, mitfühlende, verständnislose, hilflose Gesicht. Und er erzählt mir, dass ich nicht der einzige Kollege bin, der in diesem Jahr vom Bildungsministerium extra rücksichtslos behandelt worden ist, und berichtet kurz von zwei anderen "Kunden" des Arbeitsamtes. Das soll mir etwas Schmerz nehmen, und für den Moment wirkt das auch im Ansatz.

Dann aber müssen wir zum Pragmatischen umschwenken, und so frage ich ihn, wann und wie ich mich an den Antrag auf Bürgergeld machen sollte. Drei Wochen noch, dann sollte ich loslegen, denn der Antrag ist umfangreich und benötigt eine Menge Nachweise. 

Ich spüre richtig, wie unangenehm es Herrn S ist, als er mich fragt, ob ich mir nicht vielleicht irgendwie vorstellen könnte, einen Neustart woanders zu machen, wo Stellen zu bekommen sind. Er weiß genau, dass ich mir als Autist so etwas nicht vorstellen kann, also schildert er mir als kleine Hilfestellung einen Fall eines anderen Autisten, der in einer ähnlichen Situation war wie ich, und wie man ihm zu helfen versucht hat: Mittels Langzeitpraktika am neuen Arbeitsort und einer durch Anträge zur Teilhabe am Arbeitsleben für ein paar Monate finanzierten Wohnung parallel zu seinem gewohnten Rückzugsort konnte er "testen", ob die Option für ihn klappt, und hat irgendwann den Absprung geschafft.

Könnte bedeuten, dass ich zum Beispiel für zwei bis drei Monate eine Wohnung in Elmshorn finanziert bekomme, während ich hier meine Kieler Wohnung behalte, und dann im dortigen Umfeld eine Stelle suche. Das Blöde ist nur: Wenn ich dort dann den Vertrag zu einer unbefristeten Stelle unterschrieben habe, komme ich nicht mehr zurück. Und was, wenn es dann doch nicht passt?

Das habe ich schon einmal erlebt, und zwar, als ich für das Referendariat für ein Jahr nach Husum gezogen bin. Es war schlimm, und ich war so erleichtert und glücklich, als ich danach wieder nach Kiel zurück konnte.

Dennoch ist das eine Option, die ich mal im Kopf bewegen werde. Sowas hilft einem Autisten wirklich weiter: Beschreiben, wie so eine Situation aussehen könnte. Denn "Naja, das können sie sich ja vorstellen" gilt für Menschen auf dem Spektrum nicht.

Bleibt aber dabei, dass ich jetzt erstmal fertig mit der Welt bin. Den dämlichen Telefonvertreter an der Wohnungstür hätte ich fast angeschrien, denn sein Timing war nun wirklich zum Kotzen und er hat nicht einsehen wollen, dass er aufdringlich ist und dass ich heute niemanden mehr sehen wollte.

"Wie geht es ihnen?" hat Herr S mich heute zur Begrüßung gefragt. Normalerweise überfordert die Frage mich, weil ich nicht weiß, was gemeint ist: Gesundheitliche Lage, berufliche Lage, psychische Lage, jetzt im Moment, oder generell? Heute konnte ich schnell antworten - es geht mir schlecht. Ich bin mit leichtem Fieber gestern abend in's Bett gegangen, habe eine Reihe Arztbesuche vor mir, habe kaum noch Aussichten auf Arbeit im kommenden Schuljahr, Rechnungen liegen hier herum.

Nicht gut.

Dienstag, 7. Juni 2022

Kalt. Heiß. Kalt.

Mehr Bus fahren!

So, Körpertemperatur ist wieder normal; ich habe das Wochenende krank im Bett verbracht. Und wenn ich nicht im Bett war, habe ich tatsächlich gefroren - und das, wo meine Wohnung vor einer Woche noch einem Backofen glich. Und davor wieder Frosttage. 

Die derzeitigen Wetterwechsel sind vielleicht nicht ganz so ungewöhnlich, und zur Kieler Woche erwarte ich natürlich wieder Regen. Was allerdings auffällt, sind Tornados in Deutschland. Bilder von Verwüstungen durch Wirbelstürme aus den USA? Ganz normal, da gibt es die tornado alley, alles nicht ungewöhnlich. Aber mitten in Deutschland? Dazu so heftige Hagelschauer, dass eine zwanzig Zentimeter dicke Hagelschicht liegen bleibt.

Unser Wetter wird extremer. Keine große Erkenntnis. Wobei... wenn man gewisse Parteien betrachtet, besonders in den USA, dann scheint das alles ganz normal zu sein. Gab es immer schon. Und Klimawandel gibt es nicht, und wer das nicht glaubt, dem bringt ein Senator dann mal einen Schneeball mit an's Podium. Von wegen Erderwärmung.

Es ist kaum zu glauben, wie dickschwartig manche Menschen den Klimawandel verleugnen. Oder, wer sich elegant herauslavieren will, der erkennt den Klimawandel an - aber der Mensch hat damit natürlich nichts zu tun. Ich leiste nur einen ganz kleinen Beitrag, um meinen CO²-Fußabdruck zu verringern, aber immerhin: Am Ende der Sommerferien werde ich das Auto meinen Eltern zurückbringen. Kiel lässt sich vollkommen per Bus bewältigen. 

Und ich warte natürlich weiter freudig auf die Straßenbahn für Kiel...

Freitag, 29. April 2022

Die Angelegenheiten anderer Leute


Lojong-Losung Nr.26: Denke nicht über die Angelegenheiten Anderer nach.

Eine schöne Geschichte von gestern früh: Ich sitze um kurz nach sieben im Auto, auf dem Weg zur Schule. Ich muss an der Ampel vor dem Abbiegen auf die Hamburger Chaussee warten. Ich bin nicht der Einzige, und wie der Zufall es will, erkenne ich das Auto vor mir wieder, und auch seinen Fahrer. Ich fange an zu grinsen und frage mich, ob er wohl merkt, wer da hinter ihm fährt - er merkt es nicht, und so biegen wir beide nach links ab, er schneller, ich muss noch ein anderes Auto vorbeilassen - doch an der nächsten Ampel am Waldwiesenkreuz stehen wir wieder hintereinander, mit dem Ziel, auf die B76 abzubiegen.

Jetzt hat er es gemerkt; er schaut in seinen Rückspiegel und winkt mir. Ich strahle und winke zurück, und dann wird die Ampel grün. Wir fahren beide vor, können aber nicht einfach nach rechts abbiegen, weil viele Schüler mit dem Fahrrad auf dem Schulweg sind und Vorfahrt haben. Wir müssen so lange warten, dass die Ampel wieder rot wird; ich komme nicht über die Ampel. Er hat Glück und ist drüber, könnte jetzt also nach rechts fahren.

Macht er aber nicht. Er steht da noch immer. Er scheint auf vier Mädchen zu warten, die angehalten haben und von ihren Fahrrädern abgestiegen sind, weil ihre Ampel natürlich mittlerweile rot zeigt, also könnte er jetzt einfach losfahren. Er scheint aber darauf zu warten, dass diese Mädchen endlich (bei roter Ampel) über die Straße fahren. Sie fahren nicht, und da sein Gestikulieren nichts bringt, drückt er auf die Hupe, während die Ampel der quer fahrenden Autos auf grün schaltet.

Das Hupen verwirrt die Mädchen so sehr, dass eines nun doch losfährt - während von links die Autos auf sie zufahren. Er steht da noch immer. Eigentlich kann ich nicht zuschauen. Zum Glück ist das Mädchen die einzige, die losfährt, die anderen bleiben stehen, und so wird niemand angefahren, und jetzt hat er auch endlich gemerkt, was los ist, und fährt weiter (erstmal auf die falsche Spur). Aufatmen für alle Beteiligten.

In der nächsten Grünphase fahre ich los, geht alles problemlos, und ich muss schmunzeln, sogar ein bisschen kichern. Habe ich den Fahrer so sehr aus der Fassung gebracht, dass er sich nicht mehr auf den Verkehr konzentrieren konnte? Ich habe versucht, in seinen Kopf zu schauen - ich fand den Gedanken so amüsant, dass ich weiter gekichert habe - bis ich plötzlich abbremsen musste, mitten auf dem Theodor-Heuss-Ring - Stau. Auf der mittleren Spur, während links alle Autos zügig durchkommen, und ich kann nicht rausziehen, weil sie alle so dicht hintereinander fahren. Also muss ich weiter warten, bis ich nach einigen Minuten aus der Staustelle raus bin. Mist, ich habe gar nicht daran gedacht, dass das Barkauer Kreuz ja voller Baustellen ist und deswegen die Verkehrsführung geändert wurde. 

Ich hätte mich anders einordnen müssen, und das hätte ich auch getan, so wie jeden Morgen, wenn ich nicht in Gedanken bei dem Fahrer vor mir gewesen wäre und über sein Zaudern an der Ampel gekichert hätte. Und plötzlich macht diese Lojong-Losung für mich Sinn:

Denke nicht über die Angelegenheiten anderer Leute nach.

Eine der Losungen, für die ich einige Zeit brauchte, um mich mit ihr anzufreunden. Nicht über andere Menschen und ihre Gedankenwelt nachdenken? Heißt das, dass ich mir gar keine Sorgen um sie machen soll, wenn sie zum Beispiel gerade nicht bei mir sind? Sollen sie mir völlig egal sein? Was ist mit Hilfsbereitschaft, Fürsorge, hat das alles in der buddhistischen Gedankenwelt nichts mehr zu suchen? Nur egoistisch bei mir selbst sein?

Das ist nur ein Teil der Wahrheit. Zwei der Grundsätze im Buddhismus lauten Mitgefühl und liebende Güte. Natürlich helfe ich meinen Mitmenschen, wenn ich kann, und natürlich versuche ich zu verstehen, was sie durchmachen. Aber es ist schadhaft für mich selbst, wenn ich mir Sorgen über einen Menschen mache, an dessen Situation ich nichts ändern kann. Am Beispiel meiner Mutter:

Sie fiebert derzeit mit mir mit und macht sich Sorgen, ob ich mit der Diagnose vorankomme und ob es mir gut geht - so wie das vermutlich fast jede "gute" Mutter machen würde. Diese Sorgen helfen niemandem weiter, und am wenigsten ihr selbst. Ein großer Teil ihrer Denkzeit ist bei mir, Zeit, in der sie fröhliche Gedanken haben könnte, oder allgemeiner, weniger "schädliche" (für sie selbst) Gedanken. Es bremst sie selbst bei'm Streben nach dem Glücklichsein, wenn sie sich Sorgen um mich macht.

Ich versuche immer wieder, ihr das nachvollziehbar zu machen, aber ich habe natürlich keine Vorstellung davon, was es bedeutet, eine Mutter zu sein. Aber mittlerweile habe ich die Lojong-Losung verstanden und weiß, wie ich dahingehend trainieren muss. Ich denke nicht mehr darüber nach, ob die große Buba stressfrei durch die Schulwoche kommt. Ich denke nicht mehr darüber nach, ob die kleine Familie der Sannitanic gesund ist. Ich versuche, nicht mehr in die Gedankenwelten anderer Menschen zu gehen, und es ist wirklich ungemein befreiend.

Samstag, 25. Dezember 2021

A Hilarius Christmas!


Der fünfundzwanzigste Dezember, Drei Uhr Neun morgens. Mein Kopf ist immer noch völlig überfordert von vielen Gedanken, aber immerhin den tab mit dem neuen Blogeintrag möchte ich schonmal öffnen und mir kurz notieren, was da alles hineingehört. Und jetzt: Schlaf (irgendwie).

Zwölf Uhr Zweiunddreißig. Ein bisschen geschlafen und ich bin immer noch vollkommen in den Gedankenzügen drin, also versuche ich jetzt mal, diesen Beitrag zurechtzuklöppeln. Wie der Titel schon andeutet, geht es um den Heiligabend bei meiner Familie, und der war diesmal anders und doch irgendwie wieder business as usual. Am frühen Nachmittag hat mein Bruder mich abgeholt - in seinem neuen Beemer, und irgendwie fühlt es sich ja schon cool an, in so einem Auto zu fahren. So ruhig und entspannt und losgelöst von dem ganzen Verkehrsstress da draußen. Das war großartig - und während der Fahrt Neuigkeiten austauschen und schonmal mental darauf vorbereiten, was und zuhause erwartet.

Erwartet hat uns eigentlich nichts Ungewohntes. Es war das erste Weihnachtsfest ohne meine Oma, das heißt, der Faktor "Kirche" tauchte überhaupt nicht mehr auf, und das hat es alles etwas pragmatischer gestaltet. Fand ich ganz schön. Es war sehr lecker, und ich habe meinem Bruder endlich das Fachbuch zum Asperger-Syndrom gegeben, was schon seit über einem Jahr hier in meiner Wohnung lag und genau darauf wartete. Ist nie einfach, den "richtigen" Moment zu finden, auch für neurotypische Menschen. Und Aspis stehen sich dabei noch mehr selbst im Weg. Aber ich habe es ihm gegeben, habe zwei, drei Sätze dazu gesagt, und ich fühle mich jetzt extrem erleichtert und habe das ganz leichte, fast unbewusste Gefühl, meinem Bruder etwas geholfen zu haben. Das bedeutet mir viel und hat die Heimfahrt, ebenfalls gestern, fast etwas surreal wirken lassen. 

Und dann hatte ich mir quasi als "intellektuelles Dessert" einen Brief aufgehoben, der am Tag zuvor in meine Wohnung geflattert war. Absenderin war eine meiner Schülerinnen, und das war ein tolles Erlebnis, diesen Brief zu öffnen.

Vorgeschichte: Infolge der Erkrankung hatte ich meine Schüler gebeten, mir englische Briefe zu schicken, und da kamen einige sehr spezielle und ganz tolle Briefe bei mir an. Eine Briefkombo einer Dreiergruppe hat mich ganz besonders fasziniert - ein Autist und zwei vermutlich hochbegabte Schüler haben zusammengearbeitet und mir sehr unübliche Post geschickt. Also habe ich mir gedacht, dass ich mir einen kleinen Spaß gönne: Ich habe ihnen einen Brief in der Geheimschrift (siehe unten) in die Schule geschickt, ohne jegliche Lösungstipps, einfach nur mit der Anmerkung "Figure it out"! - "Findet es heraus!"

Ich habe das gemacht, weil ich mir mit der Hochbegabung zumindest bei einer von ihnen so sicher war, dass ich sie testen wollte. Mein Gedankengang: "Sie ist hochbegabt. Dieser Brief wird sie nicht loslassen, bis sie ihn entschlüsselt hat. Das ist ein Rätsel und es wird sie faszinieren. Sie wird es entschlüsseln - und dann wird sie mir, quasi als Bestätigung, einen Brief zurückschicken, und zwar genau in dieser ihr bis dato unbekannten Geheimschrift, um mir zu zeigen, dass sie sie geknackt hat."

Diesen Brief habe ich ihnen (verschlüsselt) geschickt:

Hi B & E & F!

I am writing to you because your letters were special. This is because you three are special students and your brains remind me of myself.

If it is okay with you, I would like to talk with you sometime. Don't feel forced to do that; it's just that this might result in a very interesting conversation.

I don't know how long I have to stay home. I really miss you guys and the whole course and I want to continue with our game "Life is Strange"!

Well... who of you cracked the code? Send me a letter in this secret language so I know that you solved it. In the meantwime I'll continue watching "The X-Files" and playing "Metroid Dread".

Hope to hear from you soon!

Ich liebe es, wenn ein Plan sich haargenau so abspielt, wie ich ihn mir in meinem Kopf zurechtgelegt habe. Wenn sich einzelne Dinge einfach bestätigen. Und so habe ich ihren Brief aufgerissen und folgenden Brief in Geheimschrift darin gefunden:


Hier die Übersetzung (Rechtschreibung und Grammatik bereinigt):

Moin Mister Hilarius,

we finally decoded your letter. We took a little longer than we should UWU (don't Autist). We're sorry for letting you wait a decade.

Remember to breathe and don't eat yellow snow, and for God's sake, stay away from the brown snow.

You're a sick Earthling, but now you're an ill one, too. [Ich liebe dieses Wortspiel!]

We really hope to see you in person again soon!

XOXO the hoomanoid creatures E and B

ps: It was we E the one and only, who did the decoding.

--------------------------------------------

Dreizehn Uhr Neun. Was für ein wunderbarer Tag und Abend und Nacht.

post scriptum: Sienzehn Uhr Fünfundzwanzig. Und dann auch noch eine neue Episode "The Expanse" - zuviel. Telefon raus, abschalten, geistige Quarantäne. Das ist der Moment, wo unserer Aspi-Schüler in Tränen ausbricht und wir ihm einen abgeschotteten Raum geben müssen, in dem er sich sammeln kann. I'm getting the hang of this.

Donnerstag, 7. Oktober 2021

"Huch, ich fahre!"


Eigentlich ist dieser Ausruf "Huch, ich fahre!" nichts Ungewöhnliches, wenn man in einem Auto sitzt. Spannend wird es, wenn dieser Satz von der Beifahrerin kommt. 

Dabei sollte das heute eigentlich nur eine ganz normale Einkaufstour werden nach dem Motto "Ich brauche nur festes Shampoo und habe am Ende vier volle Tüten im Auto". Das ging allerdings schon etwas schief los: Ich wollte die große Buba in's Auto lassen, das Beifahrertürschloss funktioniert allerdings nicht mehr mit der Zentralverriegelung, also muss ich rein und den Nippel per Hand hochziehen. Aber dieses Auto ist alt und der Nippel festgeklemmt und die Tür zu. Da schlägt die große Buba vor, einfach über den Fahrersitz einzusteigen. Sollte kein Problem sein? Hallo?! Habt Ihr schon einmal versucht, in einen Dreitürer einen Pottwal reinzubekommen? 

Irgendwie hat es dann ja doch geklappt, wir beide auf der B Sechsundsiebzig, aha, da vorne kommt die Ausfahrt nach Bettendorf äi käi äi Mettenhof, ich muss runterbremsen. Gesagt, getan, und plötzlich schallt es von rechts "Huch, ich fahre!" und damit war jegliche Hoffnung auf eine verkehrssichere Fahrt hinne. Der Beifahrersitz war nicht richtig eingerastet (beziehungsweise der Hebel dafür), und da die fette Schnecke eine gewisse Trägheit hat, bremst das Auto, aber sie fährt mit dem Beifahrersitz nach ganz vorn und wir beide sterben vor Lachen. Und NATÜRLICH kann ich es nicht lassen, gleich nochmal auf die Bremse zu treten, damit die große Buba nochmals vor- und zurückrutschen darf, denn:

Es gibt Momente, da klingt das Lachen der großen Buba so, als ob sie es nicht mehr unter Kontrolle hat, im Englischen sagt man she is wheezing, und ich habe meine Chance gesehen; ich wollte, dass sie sich totlacht. Hat auch geklappt. Und natürlich kommen jetzt die Unkenrufe, dass wir eine Gefahr für den Verkehr dargestellt haben. Richtig. Aber ich habe durchaus darauf geachtet, dass hinter uns kein anderes Auto war. War ein toller Ausflug!

post scriptum: Sorry not sorry für den "Pottwal". ;-)

Dienstag, 17. August 2021

Odyssee durch Kiel


Normalerweise brauche ich zwanzig Minuten mit dem Auto von der Schule zurück zu mir nach Hause; heute waren es neunzig. Man gewöhnt sich mit der Zeit an Stau oder zumindest dichten Verkehr auf dem Ostring und dem Theodor-Heuss-Ring. Tritt nicht immer auf, aber es reicht schon eine kleine Baustelle am Überflieger oder Waldwiesenkreuz, um den Verkehr lahmzulegen. Heute war es auf dem Ostring ein liegengebliebener Müllwagen. Kein Problem, ich hab' Zeit, und danach war wieder alles frei. 

Dann allerdings der Theodor-Heuss-Ring. Ich schaffe es nicht, raufzufahren, weil es nur ruckelig vorangeht. Voran? Sorry, mein Fehler. Normalerweise geht es ruckelig voran. Heute hat sich die Autolawine überhaupt nicht bewegt. Nach ein paar Minuten ist mir das aufgefallen und ich habe etwas Unaspisches gemacht - vor dem Einlenken auf den THR blinke ich rechts, die Straße ist frei. Gedanke: Ich werde auf dem THR momentan überhaupt nicht vorankommen, Unfall oder so, ich muss einen anderen Weg finden. Kann ja nicht so schwer sein - und ich fahre rechts runter, weg von der Blechlawine. 

In den nächsten Stau, nach nur zweihundert Metern. Und dann werde ich unruhig: Hier auch Stau - aber immerhin geht es langsam voran. Aber wo bin ich? Ich bin noch nie auf dieser Straße entlang gefahren, und die ist an der nächsten Ampel vierspurig! Panik - sozusagen in Zeitlupe. Es dauert wirklich einige Momente, bis ich realisiere: Dadurch, dass es nur langsam voran geht, kann ich nachdenken, wohin ich fahren muss. Ich suche nach Schildern, einige Pfeile deuten zum "Zentrum". Da muss ich hin. 

Hier abbiegen, dort abbiegen, inmitten tausender Autos, und natürlich gehe ich meine sich nun verschiebende Tagesplanung im Kopf durch, denn ich kann ja nicht aufhören zu denken. Dann plötzlich! Ein Pfeil in Richtung Agentur für Arbeit, yesssss, ich bin irgendwo in der Nähe der Gablenzbrücke, einfach da rauf und dann endlich in Richtung Hamburger Chaussee äi käi äi Heimat. Und dann sehe ich die Gablenzbrücke - über mir. Mist, das wird nichts, wo fahre ich denn jetzt eigentlich hin? Ich sehe links von mir in der Ferne den Bahnhof und für einen Moment erstarre ich - bin ich wieder auf dem Ostufer? Ganz falsch, ohklott, was nun? Doch dann sehe ich rechts von mir die Hörn, atme auf, ich bin direkt am Hauptbahnhof und kann auf das Sophienblatt fahren, toll, einfach an der Ampel nach links, dann bin ich in Richtung Käseschlonz-Klospülingen unterwegs. 

Wäre ich. Wenn ich denn links abbiegen dürfte, aber das dürfen an dieser Ampel nur die Busse. Also biege ich nach rechts ab, total verwirrt, weil ich im Augenwinkel sehe, wie ein Mercedes da nun doch links abbiegt? What the... und dann entwirrt sich alles.

Endlich realisiere ich, dass ich am Ziegelteich bin, und diese Straße kenne ich endlich wieder, mittlerweile seit fast achtzehn Jahren. Jetzt kann ich Richtung Wilhelmplatz fahren und bin erleichtert. Der Rest klappt (fast) reibungslos.

Dieses Gefühl, nach einer Irrfahrt endlich einen Ort zu finden, den man wiedererkennt, ist unbeschreiblich schön. So schön, dass ich es mir nicht durch eine Wiederholung verderben möchte - ne danke, dann lieber auf dem THR stehen und im Geiste die Fibonacci-Reihe durchgehen.

Montag, 5. Juli 2021

Bettendorf-Tourismus


Heute bin ich mit die große Buba (sic) nach Mettenhof zum Einkaufen gefahren. Nicht, dass wir alles Nötige nicht auch vor Ort hätten kaufen können; ein bisschen Sightseeing war einfach nötig. Wir waren Touristen in Mettenhof - und definitiv nicht die einzigen.

Ich genieße es ja, während der Sommerferien die Nummernschilder der Autos zu beobachten, um Touris zu entdecken. Wo kommen sie her? Wo wollen sie hin? Was halten sie wohl von unserem kleinen Land zwischen den Meeren? Und ich freue mich für sie, dass die Coronasituation einen Urlaub endlich wieder zulässt. Ja, kaum zu glauben, da regt sich in mir doch ein Hauch von Empathie.

Aber dort und heute, bei Aldi in Mettenhof, hätte ich gut auf die Touristen verzichten können. Anders kann ich mir die Menschenunmengen nicht erklären. Überall Einkaufswagen (extra mit der Regel: "Jede Person über zwölf Jahren benötigt einen Einkaufswagen"), überall Geräusche und man fragt sich, ob das wieder nur ein Schreikind war oder ob es tatsächlich Alarm gegeben hat. Für eine HSP wie die große Buba war das eine absolute Überforderung, und ich kann es in Ansätzen nachvollziehen - spätestens in dem Moment, als ein wildfremdes Kind sich meinen Einkaufswagen nimmt und einfach davonfährt. 

Ich habe mich gefühlt wie in einer Folge der Twilight Zone, wobei, so abgefahren war es dann auch wieder nicht. Spätestens in dem Moment, als eine Mutter ihrem Kind "Halt die Fresse!" entgegenblafft, weiß ich wieder, wo ich bin. 

Ich frage mich tatsächlich, warum so viele Menschen einkaufen waren. Ich habe einen Moment überlegt, ob vielleicht Samstag ist - nix da. Montagmittag. Und es stehen auch keine Feiertage an, und keine Klopapierknappheit. Es muss einfach mit dem Tourismus zusammenhängen.

Ich nehme aus diesem Erlebnis mit, dass ich in den Sommerferien lieber den Bus anstelle des Autos nutzen sollte. Es wird noch mehr auf dem Theodor-Heuss-Ring gedrängelt als sonst, und unpraktischerweise werden die Stützwände des Waldwiesenkreisels erneuert, so dass man in Richtung Elmschenhagen nur einspurig fahren kann. Stau bis auf den Olof-Palme-Damm

Wird Zeit, dass Kiel endlich seine Straßenbahn zurückbekommt!

Montag, 12. April 2021

Coffee in your face!


Wenn die große Buba und Dr Hilarius einkaufen gehen, dann gleicht das einer kleinen Naturkatastrophe. Die fette Schnecke rollt, das alte Frettchen klappert, sie sind laut, sie sind rücksichtslos und ihre Gespräche sind ein einziges Chaos. Manchmal tun mir die anderen Kunden fast ein bisschen leid. Manchmal. Fast. 

Es ist tatsächlich so, dass ich in Anwesenheit der großen Buba ein völlig anderes Verhalten an den Tag lege als sonst (und zwischendurch war das ja ganz schön nervig!). Normalerweise könnte man mich für einen ganz normalen, heterosexuellen Mann halten (ja, das ist schon vorgekommen), aber wenn Pommzilla dabei ist, dann werde ich eben zu KongKong, eine kreischende Glamor-Dance-Muse.

Dieser Umstand betrifft auch meinen Fahrstil. Normalerweise bin ich (endlich) ein tiefenentspannter Autofahrer, aber wenn die dicke Tuba neben mir sitzt, werde ich zum ungeduldigen Zornnickel. Die Konsequenzen hat die große Buba vor ein paar Tagen erleben dürfen: Sie wollte einen Kaffee to go im Auto trinken, während ich in Richtung B Sechsundsiebzig gefahren bin. Ampel rot, wir halten, sie trinkt, Ampel grün, ich fahre etwas ruckartig los und ihr ist eine Kaffeewelle in's Gesicht geschwappt. Und es ist gleich auch noch ein zweites Mal passiert, DGB ist an der Kaffeeflut fast erstickt und musste sich dann erstmal lauthals (oder teighals?) beschweren. Da denke ich mir doch, wer trinkt denn bei'm Autofahren einen Kaffee? Da weiß man doch, dass es schwungvoll werden kann. Und DGB kennt mich mittlerweile sehr gut, sie weiß genau, welche Konfettisynapsen in meinem Kopf aufleuchten, wenn sie da ist.

Ich freue mich schon auf die nächste Tour!

post scriptum: Ich frage mich, wann meine Schüler mich wohl einmal so erleben...

Montag, 1. Februar 2021

Geistige Prioritäten

Wird mal wieder Zeit

Heute war eine kleine Expedition angesagt, im Auto, rauf auf die B Sechsundsiebzig, soweit noch vollkommen normal - wobei, nein. Ich bin nicht raufgefahren. Ich bin diesmal rechts geblieben, denn ich musste Richtung Kronsburg und Neu-Meimersdorf raus aus der Stadt, Ziel: Grot Steenbusch. Den Namen kenne ich, seitdem ich vor achtzehn Jahren das Kieler Busnetz auswendig gelernt habe, aber ich bin noch nie dort gewesen - nun blieb mir nichts Anderes übrig, denn mein neues Notebook hat das Wochenende dort in der Packstation verbracht. Unbekannte Strecken zu fahren ist nicht so meins, aber diese Strecke war wirklich kurz und einfach, und so hatte ich fix ein großes Paket im Kofferraum. Dieses große Paket liegt jetzt auf meinem Bett - verschlossen.

Das war mal anders - wenn ich irgendwelche Post bekommen habe, musste ich das sofort auspacken und ausprobieren. Heute geht das nicht, und auch morgen wird das nicht gehen, weil gerade zuviel Wichtiges in meinem Kopf unterwegs ist und da passt ein neuer Rechner gerade nicht rein. Morgen stehen wichtige Dinge an, Geburtstag meiner Mutter, Projektpräsentation, Dienstversammlung, neue Wochenpläne für die Schüler. Und ich brauche recht viel Zeit für neue Technik in meiner Wohnung, weil ich die Bedienungsanleitungen komplett durchlese und auch einfach, weil es meinem Aspi-Kopf schwerfällt, neue Arbeitsumstände zu akzeptieren.

Dann muss ich eben geistige Prioritäten setzen - das Notebook kann warten, denn den morgigen Tag kann ich auch noch mit dem aktuellen Equipment bestreiten. Es ist derzeit schwer vorstellbar, dass ich gen Ende des Studiums kein Problem damit hatte, mehrere Dinge parallel zu wuppen, eine Fachschaft zu leiten, Saturnalien zu organisieren, den Haushaltsausschuss der Kieler Studierendenschaft zu leiten, regelmäßig zu den Sitzungen der Fachschaftsvertreterkonferenz und des Studierendenparlaments zu gehen, und jeden zweiten Tag in's Fitnessstudio zu gehen.

Ich sehne mich nach jenem Zustand. Es kann klappen, aber momentan bin ich mehr Autist als sonst. Bear with me.

Dienstag, 24. November 2020

Elektrisierte Heimfahrt


Kiel hat seinen ersten Elektrobus. Hybridbusse, die großen weißen, gibt es schon eine Weile länger, aber dieser hier fährt ausschließlich mit Strom und hat auch den dementsprechenden Hinweis Elektrobus #0001 aufgedruckt. Man merkt, dass wir im Probebetrieb sind; der Bus ist größer als die anderen weißen Busse, weil auf dem Dach Stromabnehmer angebracht sind. Dieser Anblick hat bei mir Gedankenzüge abfahren lassen.

Ich denke darüber nach, wie toll es doch sein könnte. Eine quasi autofreie Stadt. Naja, und wenn wir nicht ganz so weit gehen können, dann immerhin... nein. Lass' mich träumen. Es wäre so viel entspannter! Weniger Unfälle, CO²-Neutralität, das Bild von einem richtig gut funktionierenden ÖPNV in Kiel passt, vielleicht mit Stromtrassen, an denen die Elektrobusse oder die Stadtbahn entlang fahren... sehen zwar nicht toll aus, aber geschenkt, es geht nicht um Ästhetik, sondern um Pragmatik, ach, und ganz nebenbei geht es um unsere Welt.

Ich werde die Klimakatastrophe nicht mehr miterleben, könnte mich also wie im Speck fühlen, scheiß auf die Menschen, die nach mir kommen. Aber so langsam werde ich etwas grüner. So langsam bedeutet mir unser Planet dann doch etwas. Ob es das Alter ist? Oder so grandiose - und herzzerreißende - Dokumentationen wie Chasing Coral (2017), bei der ich tatsächlich Tränen in den Augen hatte? Oder weil ich endlich eine Stadtbahn in Kiel haben möchte?

Oder vielleicht reicht eben auch schon der Anblick eines Elektrobusses als Impuls, das eigene Verhalten einmal zu überdenken.

Mittwoch, 18. November 2020

Bleibt alles anders


Als ich nach Kiel gezogen bin, gab es die Buslinie 12. Genau wie die Linie 11 startete sie in Dietrichsdorf, fuhr dann aber nicht in die Wik hoch, sondern nach Suchsdorf zum Rungholtplatz. Die Linie 12 ist während meines Studiums eingestampft worden, und keiner vermisst sie; stattdessen fährt jetzt die 22 zum Rungholtplatz und die Taktung der 11 wurde erhöht.

Ab dem nächsten Jahr Zwanzig Einundzwanzig wird es aber wieder eine Buslinie 12 geben - und nicht nur die; 13, 14, 15 kommen hinzu, und noch viele weitere, und überhaupt werden sich die Kieler Busverhältnisse im kommenden Jahr sehr deutlich verändern. Grund dafür ist, dass das Kieler Liniennetz jetzt in Stadtverkehr und Regionalverkehr aufgeteilt werden soll. Der Stadtverkehr wird künftig von der KVG bedient, der Regionalverkehr wird von der Autokraft übernommen. Im Zuge werden die Linien 100 und 500 gestrichen. Hier ein paar der wichtigsten Änderungen:

Linie 12 von Strande nach Schulensee (via Eiche)

Linie 13 von Strande nach Schulensee (via Brauner Berg)

Linie 14 von Mettenhof nach Laboe

Linie 15 von Mettehof nach Heikendorf

Linie 45 vom Hauptbahnhof nach Rönne

Linie 740 von Kiel über Altenholz nach Surendorf

Linie 780 von Kiel nach Nortorf (via Flintbek)

Linie 790 von Kiel nach Flintbek

Dazu wird die Taktung einiger Linien weiter erhöht. Kombiniert mit der Erhöhung des Nachtbusverkehrs seit diesem Sommer muss man sagen, dass Kiel sich wieder einmal einen Schritt Richtung Verbesserung des ÖPNV voranbewegt hat. Wir sind zwar noch nicht ganz bei der Stadtbahn angekommen, aber das wird nur eine Frage der Zeit sein, und bis dahin gibt es bald noch mehr Alternativen zum Auto.

Findet so ein Liniennetznerd wie ich natürlich toll! Ich hoffe nur, dass die Kosten für die Monatskarte dadurch nicht irgendwie explodieren. Und ich könnte mir vorstellen, dass mir der Name Fünfhunderteins fehlen wird.

Hier kann man sich das zukünftige Liniennetz ansehen.

Sonntag, 18. Oktober 2020

Ungewisse Zeiten


Liebe Leute, wir sind am Ende der Herbstferien angekommen. Morgen geht es in S-H zurück in die Schule, und ich bin sehr gespannt, wie das werden wird, angesichts dieser rapide steigenden Infektionszahlen. Kommt es zu einem weiteren Lockdown? Distance Learning? Oder kommen wir gut durch? Das sind sicherlich ungewisse Zeiten.

Für mich wird es spannend, ab morgen mit dem Bus zur Arbeit zu fahren, weil das Auto in der Werkstatt auf seine TÜV-Prüfung vorbereitet wird. Ich fahre mit dem Bus nur unmerklich länger zur Schule, der Rückweg könnte sogar schneller gehen, und ich werde sehr genau darauf achten, wie es klappt, denn sollte ich an dieser Schule bleiben können, rückt eine längerfristige Perspektive ohne Auto in den Blick. Weil es für die Umwelt besser ist, und weil ich es nicht gut schaffe, ein Auto zu pflegen.

Es wird also eine aus mehrerlei Sicht sehr interessante erste Woche. Meine Schüler in Neun sind im Praktikum und machen ihre ersten Erfahrungen in der Arbeitswelt da draußen - für sie wird es also auch interessant werden. Für die anderen Lerngruppen stehen in dieser ersten Woche einige ernste Worte an: Die Klassenarbeit wird zurückgegeben, und in Einzelgesprächen sondieren wir einmal den Leistungsstand. 

Kommt gut in die neue Woche, und bleibt gesund! 

Und: In der Ruhe liegt die Kraft.

Freitag, 8. Mai 2020

"Atmen Sie eine Tasse Kaffee aus!"


Es ist immer wieder ein Abenteuer, am frühen Freitagnachmittag auf dem Kieler Ostring oder B76/Theodor-Heuss-Ring/Olof-Palme-Damm mit dem Auto unterwegs zu sein. Selbst in Zeiten von Corona Släsch Zuhausebleiben ist dort die Hölle los und man muss mit Stau und Geschiebe rechnen. Doch auch wenn diese Straßen frei sind, gibt es dort bemerkenswerte Verkehrsteilnehmer.

Meistens fahren sie zu schnell, manchmal drängeln sie mich oder überholen mich rechts (das Fahrverhalten mancher Menschen lässt glauben, sie hätten nicht gelernt, dass man das nicht darf). Wenn dann jemand hinter mir mit Lichthupe arbeitet oder ich einen genervten Verkehrsteilnehmer überholen sehe, dann könnte ich mich aufregen - mache ich endlich so gut wie nicht mehr. Ich bin einen großen Schritt weiter als damals noch im Beitrag Entschleunigung.

Ich denke jetzt nämlich anders. Ich versuche zu verstehen, dass die Menschen, die sich so verhalten, Probleme haben. Sie müssen dringend irgendwohin, sie sind zu spät aufgestanden oder sie sind einfach uneingedenk ihrer eigenen Fehler. Das gibt es überall und ist ein wunderbarer Impuls für die Praxis des Tonglen, die Praxis des "Nehmens und Gebens im Wechsel".

Konzentration auf die Atmung ist in jeder Meditation sehr wichtig. Bei'm Einatmen denken wir an alle Menschen, die diese Probleme haben, diesen Stress, die Belastung, und wir nehmen es von ihnen. Wir atmen ihren Stress ein, ihre Genervtheit und was es noch an Problemen der Mitmenschen gibt. Bei'm Ausatmen senden wir etwas, das ihnen Freude bringt, ein Glücksgefühl, und das muss keine große Sache sein - vielleicht ist es einfach nur eine wärmende Tasse Kaffee. Daran denken wir bei'm Ausatmen - auch Pema Chödrön erklärt es unten im Video. Kann ich empfehlen, es wirkt!

Und für Dich, die große Buba, atme ich Keksteig aus ;-)

post scriptum: In dieser Woche habe ich eine zehnte Klasse auf den MSA Englisch vorbereitet, und mir ist so sehr bewusst geworden, wie es mir fehlt, in der Mittelstufe zu unterrichten. Ich habe wirklich Probleme, zu den Lütten den richtigen Draht zu finden. War eine schöne Erfahrung, diese Vorbereitung.

Dienstag, 1. Oktober 2019

Autobahn-Sulli

1986 geschlossen, ich war drei Jahre alt, als wir auf der neuen Brücke daneben vorbeigefahren sind - Sulli anyone?

Autobahn-Sulli - was sich anhört wie das debile Gebrabbel eines nicht mehr ganz zurechnungsfähigen Sechsundneunzigjährigen auf dem Weg in die geschlossene Anstalt, ist in Wahrheit das unverständliche Gebrabbel eines noch nicht ganz zurechnungsfähigen Sechsjährigen auf der Autofahrt zum regulären Besuch bei'm Hautarzt.

Wer von Euch ebenfalls Neurodermitiker ist (und nicht war, denn die Erkrankung ist nicht heilbar) - und jetzt vielleicht überhaupt keine der Symptome mehr ertragen muss - kann sich womöglich noch gut an seine Kindheit erinnern, in der er vielleicht mit ebenso stark ausgeprägter Symptomatik zu kämpfen hatte wie ich: Pusteln, Flechte, Schuppen, Entzündungen, blutige Kratzer, Verkrustungen - für Eltern eine gewaltige Herausforderung, zumindest damals, wenn man auf dem Land lebte und ein guter Kinder-Facharzt seine Praxis eine Autostunde entfernt hatte.

Viele, lange, mühselige Autofahrten. Und jedesmal über den Nord-Ostsee-Kanal (NOK). Damals noch über die alte NOK-Hochbrücke bei... irgendwo bei Beldorf in der Nähe. Heute über das neue, ästhetisch doch deutlich langweiligere Bauwerk. Und das war nicht die einzige Brücke der A Dreiundzwanzig. Und aus irgendeinem Grund war ich ungaublich fasziniert von der Architektur dieser Brücken, besonders von den Bogenkonstruktionen. Genau wie bei Bahnfahrten: Tunnels und Brücken waren unglaublich spannend, auch wenn ich schon zum xten Mal durch diesen Tunnel oder über jene Brücke gefahren bin.

Ich war so fasziniert von dieser Brückenkonstruktion, dass mir dazu wohl das Wort "Autobahn-Sulli" eingefallen sein muss. Und nicht einfach nur als einmalige Wortkonstruktion eines Kindes, das zuviel redet; meine Mutter weiß bis heute, und erinnert mich auch bis heute daran, wie ich immer, wenn wir an einer bestimmten Brücke vorbeigekommen sind, "Autobahn-Sulli" gesagt habe.

Nun sind kreative Wortexperimente bei Kleinkindern nicht ungewöhnlich, aber meistens haben sie einen Bezug zur Realität - oder nicht? Eltern, fühlt Euch angesprochen, denn Ihr kennt diese Sachen wie "Nudel-Nam", und irgendwie kann man sich das ja auch erklären - denn "mjamjamjam" ist weit verbreitet. Allerdings kann ich mir bis heute nicht erklären, wie ich auf "Autobahn-Sulli" gekommen bin; der einzige Ansatz, der sich mir bietet: Ich habe schon früh viel gelesen, und es kann sein, dass ich das Wort "Säule" bereits irgendwo gelesen hatte, und wenn man an diesen Bogenkonstruktionen mit senkrechten Stützstreben vorbeifährt, könnten die tatsächlich wie Säulen ausgesehen haben.

Ich muss bei der Geschichte immer an das Konzept der Synästhesie denken - dass mehrere Sinne sich gegenseitig beeinflussen, dass man zum Beispiel Farben hören kann - ich hatte einmal darüber geschrieben (Ich hör' nur Bahnhof).

Haben Eure Kinder auch scheinbar unerklärliche Wortgebilde anzubieten, die sie mit einer solchen Beharrlichkeit immer wiederholen? ;-)

Samstag, 31. August 2019

Die Rossmann-Sauberei

"Hallo! Wir hätten gerne Spülmittel. Ach deidhe. Sphüwbhitthew!"

Heute möchte ich ein Gefühl mit Euch teilen; vielleicht erkennt sich ja jemand wieder. Ich weiß, die große Buba kennt das, denn wir haben das festgestellt.

Putzen. Das ist großartig, wenn man es denn macht, ich denke da so selten dran. Und dennoch gehen mir nach und nach Drogerieartikel aus. Kein Badesalz mehr, kein Spülmittel mehr, Küchenrolle ist alle, Duschbomben auch, und ich brauche Textmarker für mein Psych-Notizbuch, Luftpolstertaschen - es kommt der Moment, an dem der Einkaufszettel für die Drogerie so voll ist, dass es sich nicht mehr aufschieben lässt.

Dann machen wir doch geich ein Happening daraus, denken sich das alte Frettchen und die fette Schnecke, springen in's Auto und fahren nach Bettendorf (oder so ähnlich), um dort eine kleine Shoppingtour zu erledigen. So oft waren wir da noch nicht, bisher haben wir da noch kein Hausverbot. Klar, natürlich schauen uns die Leute auch da an, als wären wir Außerirdische, aber daran sind wir gewöhnt. Wer den Artikel Buba-Revenge gelesen hat, kennt unsere non-sequitur-Gespräche.

Gut, alles erledigt, Bettendorf leergekauft, ab nach Hause, die Einkäufe wegräumen. Und da tritt ein interessanter Effekt ein: Ich fühle mich unglaublich gut, wenn ich meine Drogerieeinkäufe an ihren Platz wegsortiere. Klovorräte aufgefüllt, endlich wieder Interdentalbürsten und Kaugummis. Wenn ich mit dem Wegräumen fertig bin, die Einkaufstaschen wieder weggehängt habe, fühle ich mich so stolz, als hätte ich die ganze Wohnung geputzt! Wie verzaubert, ich meine, versaubert...

...was natürlich dazu führt, dass ich mir denke, so, jetzt ist die Wohnung wieder frisch, dann muss ich ja nichts mehr machen. Und so gammelt das alles weiter vor sich hin, so floriert das Badreich, der Mount Trasherest und auch der Mount Waschmore. Als ob der Einkauf von Putzmitteln bedeutete, die Wohnung geputzt zu haben. Völlig unsinniger Zusammenhang, aber jedesmal wieder.

"Ich wiehbe es!"

Donnerstag, 16. Mai 2019

Himmlisch oder höllisch?


Morgendliche Autofahrt zur Schule, in Schwentinental fährt direkt hinter mir ein Polizeiauto auf die B76.

Himmlisch

Das ist so großartig und entspannend, denn kaum ist ein Polizeiauto zu sehen, halten sich die Raser zurück. Endlich keine gefährlichen Überholmanöver mehr, alle halten sich an die erlaubte Höchstgeschwindigkeit. Niemand, der mich von hinten drängelt, endlich kann ich die Autofahrt richtig genießen. Ich rege mich nicht mehr auf, mein Blutdruck bleibt, wo er sein soll und ich komme gut gelaunt in der Schule an, ausgeglichen und freundlich strahlend. Und bestimmt sind die Polizisten in dem Wagen zufrieden, dass ich so vorbildlich gefahren bin.

Höllisch

Ach du Scheiße! Jetzt habe ich die Polizei hinter mir, ohgott, hoffentlich sind alle Lampen in Ordnung. Krampfhaft achte ich drauf, maximal drei km/h über Strich zu fahren, nicht zu langsam fahren, hoffentlich werde ich nicht gleich rausgewunken! Ob die rote Anzeige auf dem Autodach gleich aufleuchtet? Hoffentlich nehme ich niemandem die Vorfahrt, hoffentlich springt der Wagen gleich wieder an, wenn ich an der Baustelle gewartet habe. Hoffentlich mache ich nichts falsch! Ich kann den Wagen hinter mir nicht ausblenden, ich halte mich verkrampft am Lenkrad fest. Ich möchte, dass diese Autofahrt einfach nur vorbei ist. Kann die Polizei nicht abbiegen? Oder jemand Anderes schwenkt zwischen Polizei und mir ein? Nein, die gesamte Strecke entlang sehe ich den Wagen hinter mir und male mir allerlei Horrorszenarien aus. Als ich an der Schule ankomme, wische ich mir den Schweiß von der Stirn und versuche, meine zittrigen Hände zu beruhigen.

Fazit

HSP (Hochsensibilität) kann der reinste Horror sein. Viele Hochbegabte und HSPs merken das, wenn sie ihre ersten Fahrstunden haben. Ich würde so gern einfach ausblenden, dass die Polizei hinter mir ist, Hörspiel hören, Fahrt genießen, aber es geht nicht. Die visuelle Wahrnehmung ist gesteigert und ich kann solche Sachen nicht nicht wahrnehmen.

Kennt Ihr das?

Freitag, 10. Mai 2019

Umleitung

Gegen das Gedankengewitter

Hochbegabung und Buddhismus gehen gut zusammen.

Vor Kurzem habe ich im Schleswig-Holstein-Magazin gelernt, dass die B-Sechsundsiebzig die meistbefahrene Bundesstraße unseres Landes zwischen den Meeren ist. Das bestätigt meine Eindrücke bei'm Autofahren. Und eine so starke Belastung sorgt für Abrieb, Aufbruch, was auch immer: Die Straße geht kaputt. Hier, da, dort. Vor einem Jahr, vor einer Woche, in sechs Monaten, immer wieder; dann wird es Zeit für eine Ausbesserung. Dazu muss die Straße gesperrt werden, und zwar genau so, wie es jetzt der Fall ist zwischen dem Ostring und Elmschenhagen: Eine Fahrtrichtung wurde komplett gesperrt, die andere wurde so eingerichtet, dass Autos nach Kiel und auch wieder heraus kommen.

Diese Spuren sind recht eng, und dann sind da ja auch noch so viele Auf- und Abfahrten, an denen auch andere Verkehrsteilnehmer gern reinrumpeln würden. Machen wir es kurz: Man braucht Einiges an Geduld für dieses Stück, das in der Regel immer in einer Richtung einen Stau hat. Ich habe langsam realisiert, dass ich zwanzig Minuten mehr einplanen muss, kein Problem. Wobei, warte...

...denn ein Problem gibt es doch, und zwar kann ich mich im Stau so gut aufregen - zum Beispiel über die Verkehrsteilnehmer, die zu schnell fahren, rechts überholen und auch jene, die versuchen, die Sperrung per Straße direkt daneben zu umfahren (Elmschenhagener kennen das Szenario) - nur um dann wiederum zu warten, bis sie sich endlich wieder in den Stau einfädeln dürfen. "Wow", sage ich dann, "jetzt hast Du drei Autos aufgeholt und kommst zwei Minuten vor mir am Ziel an, und dafür diese ganze Rücksichtslosigkeit?" Ja, darüber kann ich mich aufregen, denn ein Stau dauert und bietet perfekte Gelegenheit, über alles Mögliche nachzudenken.

Und manchmal sind Streckenabschnitte der beliebten Bundesstraße komplett gesperrt, so dass man eine Umleitung fahren muss. Horror! Ich soll plötzlich irgendwo langfahren, wo ich vorher noch nie war? Immer schauen, ob irgendwo diese gelben U-Schilder leuchten? Dazu muss ich etwas langsamer fahren, sonst übersehe ich die vielleicht und bin dann komplett verloren - tja, und dann dieses Gefühl, von dem Hintermann gedrängt zu werden, denn ich bin ja nicht der Einzige, der diese Strecke umfahren muss. Wenn ich Horror sage, dann meine ich es wirklich so. Panikattacken stehen vor der Tür.

Das sind die Momente, in denen ich froh bin, dass der Dalai Lama vollkommen zurecht festgestellt hat: Nichts ist entspannender, als das anzunehmen, was kommt. Ich bin so dankbar für diese Erkenntnis, denn der Autohorror spielt sich ja nur in meinem Kopf ab. Endlich kann ich sagen "Stau? Dann ist das eben so." und mich entspannt zurücklehnen, anstatt wie andere Fahrer nach jeglicher Möglichkeit zu suchen, etwas schneller voranzukommen. Und eine Umleitung? Ist doch klasse, dann sehe ich etwas mehr von meinem schönen Bundesland.

Entschleunigung, Ihr kennt das. Und für diesen Hochbegabten ist es verdammt wichtig, sich zu entschleunigen und mit Ruhe auf anstehende Probleme zuzugehen. Buddhismus hilft mir gegen das Tempo in meinem Kopf.

Hochbegabung und Buddhismus gehen gut zusammen.

post scriptum: Heute gab es einen richtig guten Film - "The Village of the Damned", und zwar das Original von Neunzehnsechzig. Das ist quasi Science Fiction, weil der Film sehr ernsthaft rangeht an die Frage, wie Menschen reagieren, wenn sie realisieren, dass ihr eigenes Kind "nicht normal" ist (zum Beispiel Asperger). Der Film ist mit knapp über siebzig Minuten kurz und kompakt, und bietet reichlich Diskussionsstoff. Ich dachte immer "Das Dorf der Verdammten" sei ein alberner Film über Kinder, die alle gleich aussehen, aber da steckt wesentlich mehr drin.

Montag, 8. April 2019

Männer und Autos


Was ist das nur mit Männern und ihren Autos? Es gab zwei Denkanstöße, die mich auf dieses Thema gebracht haben - so hat die große Buba berichtet, dass Er unlängst ihr gegenüber am Bahnhof stand. Ich hatte mich gefragt, was Er wohl am Bahnhof macht, und dann ist mir eingefallen, dass Er schon vor ein paar Jahren darüber nachgedacht hat, seinen BMW zu verkaufen. Das waren keine einfachen Gedanken, denn Er hat den Wagen richtig liebgewonnen, daran rumgeschraubt und geklebt, ich habe auch mal dringesessen. Ich fand es toll, wie Er sich für sein Auto begeistern konnte.

Der zweite Denkanstoß ist leider nicht mehr ganz so fröhlich; es ist der Fall der Kudamm-Raser, der wieder aufgerollt wird: Zwei junge Männer waren vor einiger Zeit nachts ein Rennen auf dem Berliner Kudamm gefahren, mit bis zu hundertsiebzig km/h - was nicht ganz so schlimm wäre, wenn dabei nicht ein dritter Fahrer in seinem Auto um's Leben gekommen wäre. Interessant die Aussagen der jungen Raser, die ihre Autos natürlich auch liebten, aufgemotzt hatten und sich hinter dem Steuer für die perfekten Fahrer hielten (die Anklage bleibt Mord). Leichtsinn und Dummheit, Männer und Autos.

Natürlich ist das ein heteronormatives Klischee - Jungs spielen mit Autos, Mädchen mit Puppen - aber es scheint ja etwas daran zu sein. Der Großteil an Autounfällen wird von Männern verursacht, die sich überschätzen. Ich frage mich, was am Autofahren so "männlich" ist. Das Gefühl, eine große, schwere Karre unter Kontrolle zu haben? Der Wunsch nach Aufmerksamkeit, die anders nicht zu bekommen ist? Eigene Schwächen ausgleichen? Selbstwertgefühl steigern?

Irgendwann werde ich ja einen unbefristeten Job haben (schweig' Stulle, ich sage das zu Argumentationszwecken), und ich möchte dann auch gern ein auffälliges Auto haben. Allerdings kommen für mich - scheinbar aus Prinzip? - BMW, Mercedes und Audi nicht in Frage. Ich hoffe nur, wenn ich dann irgendwann mal mein eigenes Auto habe, dass ich dann nicht auch so werde...

Freitag, 8. März 2019

Double Clap

klatschklatsch - Kopf aus

1998

Ich sitze in der Nacht vor dem Fernseher, habe gerade einen aufregenden Psychothriller zuende geschaut. Ein wenig müde, aber trotzdem zappe ich noch durch die Kanäle - wer weiß, vielleicht finde ich ja irgendwo zufällig einen Erotikfilm. Schließlich bin ich fünfzehn, und das Internet ist noch nicht so wirklich. Da muss man nehmen, was man kriegen kann, allerdings werde ich in dieser Nacht nicht fündig. Stattdessen bleibe ich beim Homeshopping hängen, und dort liegt eine ältere Dame gerade in ihrem Bett - sie realisiert, dass sie vergessen hat, das Licht auszumachen, aber sie kommt nicht mehr so gut aus dem Bett. Sie schaut etwas hilflos, dann genervt, und dann klatscht sie zweimal in die Hände und das Licht geht aus. Ich weiß zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass die Idee aus Amerika kommt, und dass dort schon seit den Achtzigern diese ClapApps weit verbreitet sind. Aus Bequemlichkeit: Wie schön, dass man nicht mehr zum Schalter gehen muss, einfach an Ort und Stelle doppelt klatschen und die Sache ist erledigt. Ich bin auf der Suche nach Sex, finde aber etwas, das mir wesentlich länger im Kopf hängen bleibt.

2019

In den vergangenen Jahren habe ich das Doppelklatschen so oft in irgendwelchen Filmen gesehen, meistens mit einem ironischen Unterton, da man realisiert hat, dass diese Erfindung nur der eigenen Faulheit zuträglich ist. WALL-E und so. Aber die Idee bleibt in meinem Kopf hängen, und genau aus diesem Grund wünsche ich mir, dass ich mit einem klatschklatsch meinen Kopf ausschalten kann. Immer mal wieder, und so auch heute, als ich auf der B Sechundsiebzig unterwegs bin. Ich fahre mal wieder spießig "nur" Höchstgeschwindigkeit und werde von anderen Autos überholt.

Warum muss ich das wahrnehmen? Warum kann ich mich nicht einfach auf meine eigene Fahrt konzentrieren, sie genießen, zurücklehnen, an schöne Dinge denken? Warum muss dieser scheiß HSP-Kopf alles wahrnehmen, was um ihn herum abgeht? Das Aufblinken im Rückspiegel, weil ich den Laster nicht überhole. Das genervte Überholen der Anderen im Überholverbot. Warum muss mein Kopf daraufhin immer sofort reagieren? Wütend? Belustigt? Genervt? Warum kann ich das nicht einfach links liegen lassen? Ich war kurz davor, hinter dem Steuer zu klatschen, in der Hoffnung, dass mein Kopf einfach mal ausgeht. Oder HSP. Was auch immer.

Und bevor ich mich jetzt hier noch weiter aufre....clapclap

Freitag, 22. Februar 2019

Überholmanöver

Wenn nur die unschuldigen Verkehrsopfer nicht wären, könnten gern noch mehrere Raser den Abgang machen...

Seitdem ich wieder das Auto für die Fahrt zur Arbeit benutze, überhole ich nicht mehr. Einzige Ausnahme: Das Hindernis vor mir bewegt sich nur mit dreißig Kilometern in der Stunde voran und ich habe komplett freie Bahn. Aber so eine Scheiße wie Überholen mit Hundertdreißig, wenn Achtzig erlaubt sind, vor einer Kurve, die ich nicht einsehen kann, bei Regen und Berufsverkehr, so etwas mache ich nicht.

Ich bin lange Zeit lange Strecken gefahren, von St.Peter-Ording nach Kiel und zurück, allerdings waren das erstaunlich friedliche Strecken. Ich wusste gar nicht, dass eine Straße "friedlich" sein kann, nicht einmal, als ich zwischen Kiel und Neumünster gependelt bin. Seitdem ich aber auf der B Sechsundsiebzig an vier Tagen in der Woche von Kiel nach Plön pendele, bin ich verdammt geduldig geworden, sehe überhaupt keinen Bedarf mehr zu überholen oder irgendwo schneller zu fahren, als es erlaubt ist.

Das macht nämlich bereits mehr als die Hälfte der anderen Autofahrer, da muss ich nicht mitziehen. Etwa drei Viertel der Autofahrer hält sich nicht an die Höchstgeschwindigkeiten. Da wird gedrängelt, man wird mit Lichthupe gedrängt nach dem Motto "Da steht zwar Achtzig, aber ich will Hundertzwanzig fahren, also brems' mich nicht runter!" und es wird überholt, egal ob da links eine fest installierte, auf einen Kilometer weit sichtbare fest installierte Blitzersäule steht, die nicht nur in eine Richtung blitzt. Idioten.

Ehrlich, ich finde die Strecke absolut nicht schön. Die Landschaft ist toll, die Straße ist in einem sehr maroden Zustand, aber die Art und Weise, wie viele Autofahrer dort miteinander umspringen, finde ich bedenklich. Schön, wenn dabei nichts passiert. Vor Kurzem aber meinte ein Mercedes-Fahrer, ein paar Wagen vor sich überholen zu müssen, innerhalb einer Kurve. Blöd nur, dass ich mit voller Geschwindigkeit entgegengekommen bin und er keine Anstalten machte, irgendwo einzuscheren. Ich hatte bereits einmal einen Unfall, selbst verursacht. Solche beschissenen Situationen versauen mir dann den kompletten Tag, ich sehe in dem Moment mit Glück nur das Krankenhaus auf mich zurasen, ich kann darauf verzichten, und wenn ich heute schon wieder von drei Toten bei einem missglückten Überholmanöver lese, dann geht mir voller Wut, voller Angst, voller Hilflosigkeit und voller Hoffnung darauf durch den Kopf, dass ich vielleicht auch weiterhin nicht in einen solchen Unfall verwickelt werde:

Chill' doch mal...!

post scriptum: So, und nun brauche ich Eure Hilfe - wie bringe ich ein Auto in die Werkstatt? Bzw., welche Werkstatt soll ich nehmen? Die erstbeste? Hier ist eine quer über die Straße, und ich mein', es geht ja nur um einen defekten Blinker. Fahre ich da einfach auf den Hof und suche nach jemandem, der mir weiterhelfen kann? Herrlich, wie unbedarft man sein kann...