Freitag, 14. Dezember 2018

UFO über Plön


Theoretisch könnte das heute ein Beitrag über Hochbegabte werden, aber ich wette, jede "stinknormale" HSP kann das nachvollziehen. Und eigentlich überhaupt jeder Autofahrer.

Denn es geht um das Autofahren. Das ist ein Teil meines Lebens geworden, spätestens seit meiner Anstellung an der Nordseeschule in St.Peter-Ording. Jeden Morgen ging es ganz früh los, Tasche in den Kofferraum geworfen - bzw. damals noch auf den Beifahrersitz, der jetzt mit meinem MusicMan besetzt ist - je nach Jahreszeit erstmal die nötigen Einstellungen gegen die Kälte treffen, und los ging es.

Ich finde es toll, eine Fahrstrecke zu meinem Arbeitsplatz zu haben. Ich habe gemerkt, dass die perfekte Fahrzeit so um die dreißig Minuten liegt, eher ein bisschen mehr. Ich nutze diese Zeit, um nach dem drömeligen Aufstehen klarer im Kopf zu werden, was im Winter durch die Kälte besonders gut klappt. Ich gehe meinen geplanten Unterricht im Kopf durch, ich habe genug Zeit, um meinen Schultag nochmal durchzuüben. So steige ich nun in Plön aus meinem Auto aus und fühle mich bereit für die Schule, für die Kollegen, für meine Schüler. So fällt es mir viel leichter, das Lächeln aufzusetzen, für den Gang durch die Schulflure (auch wenn manchen diese scheiß Fröhlichkeit auf den Geist gehen kann, und damit meine ich diesmal ausnahmsweise nicht die Sannitanic).

Und nach dem Unterricht? Wunderbar, das ist quasi eine Mini-Meditation, ich fahre zurück und kann alles, was ich am Vormittag erlebt habe, noch einmal durchgehen, verarbeiten, auswerten. "Aber du musst doch auf die Straße achten!" Ist richtig, aber das klappt. Das Erlebte fährt sozusagen als Film im Hintergrund in meinem Kopf mit. Geht gar nicht anders: Ich kann nicht nicht denken. Und auf diese Weise habe ich die abendliche Meditation schon einmal vorentlastet (witzig, bevor ich in's Referendariat gegangen bin, hatte ich noch die den Ausdruck Vorentlastung gehört, und nun kann ich ihn mir nicht mehr wegdenken. Das ist fast wie Die Schüler da abholen, wo sie stehen).

In der SPO-Phase hatte ich meistens das Radio an, wenn ich im Auto unterwegs war. DrH war ein treuer R.SH-Hörer, und das hatte zwei Vorteile: Zum einen wurde ich mit Mainstream-Musik versorgt. Das war hilfreich, um bei den Schülern mal ein bisschen mitreden zu können, denn das ist gar nicht so leicht, wenn man fast nur noch Downtempo hört. Zum anderen war es toll, von den Sprechern begrüßt zu werden. Die Stimmen wurden mir schnell vertraut, der Humor auch, und auch die Zeiten der einzelnen Radioprogramme hatte ich schnell im Kopf. Wenn ich in's Auto gestiegen bin und das Radio eingeschaltet habe, hat es sich angefühlt, als würde ich gute Freunde neben mir in der Karre haben - als wäre ich ein Teil ihrer Gesprächsrunde, und das hat sich toll angefühlt. Das hat alles zur Entspannung beigetragen. Aber warum ist mir Entspannung bei der Autofahrt so wichtig?

Ich bin in diesem Schuljahr immer erst zur dritten Stunde in der Schule. So kann ich etwas länger schlafen, und wenn ich auf die B-Sechsundsiebzig einbiege (eine Straße, die bald ihren eigenen Eintrag verdient, und zwar etwas ausführlicher als meine damalige Raserei), ist es bereits hell draußen und der Berufsverkehr hat seine Hauptzeit beendet. Herrlich entspannend, das kenne ich irgendwie so gar nicht. Es geht nämlich auch unentspannt - zum Beispiel, wenn es so läuft, wie in dieser Woche.

Haufenweise Stundenplanänderungen - was angesichts der Jahreszeit nicht verwundert - verlangen, dass ich zur ersten Stunde in Plön sein soll. Kein Problem, Wecker früher gestellt, Tagesrhythmus lässt sich allerdings nicht so schnell umstellen, und so steige ich noch recht dösig in's Auto. Draußen alles dunkel. Schwarz. Sonne? Nosirree! Und auf einmal ist der Blick durch die Windschutzscheibe völlig anders. Etwas, das ich lange nicht mehr gesehen habe: Es ist stockfinster, und die Straße ist nicht gerade hell beleuchtet, wenn man Schwentinental erst einmal verlassen hat. Hinzu kommt, dass jetzt der Berufsverkehr auf vollen Touren trötet: Unzählige Pendler fahren nach Kiel zu ihrer Arbeit, fast pausenlos blicke ich ihre Frontscheinwerfer an, ein Auto nach dem anderen. Draußen alles schwarz, nur die Scheinwerfer knallen mir entgegen.

Und wenn man dann halt ein bisschen HSP mit sich trägt, dann ist das verdammt anstrengend für die Augen. Den Rückspiegel habe ich bereits umgeklappt, damit es von dort nicht auch noch blendet, aber das Dauerfeuer der entgegenkommenden Lampen verunsichert mich, und ich kann in der Dunkelheit leider nicht ein einziges dieser Lichter aus meiner Wahrnehmung ausblenden. Die Nacht wirkt noch schwärzer als sowieso schon, ich sehe außer den Frontlampen der Autos nichts mehr. Mit Müh' und Not noch die Straßenmarkierun... ach ne, ist ja die B-Sechsundsiebzig, da sind Fahrbahnmarkierungen ein echter Luxus.

Und dann kommt ein Anblick, der mich vollkommen verwirrt, und ich überlege fast, an die Bushaltestelle zu fahren und kurz zu pausieren. Für eine Weile kommen mir gerade keine Autos mehr entgegen, es ist also alles schwarz draußen, wohin ich nur sehe. Nur ein leuchtendes Objekt schwebt höher, als es das eigentlich sollte. Wie kann das sein? Alles schwarz, nur ein beleuchtetes UFO so weit oben? Habe ich irgendeine Abfahrt verpasst und fahre gerade in die Twilight Zone?

Nein, natürlich nicht. Es ist das Schloss Plön, das im Dunklen immer beleuchtet wird. Es steht hoch auf einem Hügel; kombiniert mit dem Umstand, dass man gerade in weiter Entfernung bergab fährt, wenn man es sieht, wirkt es für einen kurzen Moment tatsächlich wie ein UFO. Seit Dienstag bekomme ich das Bild nicht mehr aus meinem Kopf, und irgendwie muss ich mir immer vorstellen, dass da tatsächlich ein UFO über dem Gymnasium Schloss Plön schwebt und Außerirdische die Schulleiterin Anne Paulsen entführen wollen. Ich habe keine Ahnung, wie ich auf diese Idee (bzw. gerade diese Person) komme. Aber es ist ein echtes Erlebnis, das UFO über Plön morgens im Dunklen zu erleben.

post scriptum: Ich HASSE Menschen in der Weihnachtszeit. Wie sie den Weihnachtsmarkt überfluten und ich nicht mehr durch die Nase atmen kann wegen der unzähligen, viel zu intensiven Gerüche. Wie sie zu zweit den halben Sophienhof blockieren, so dass man nicht mehr vorbeikommt, und im Schneckentempo wandern, ohne Vorwarnung stehenbleiben und plötzlich wirklich den gesamten Weg blockieren. Wie sie tonnenweise Sachen einkaufen müssen, denn nach Weihnachten wird es nie wieder was geben, und deswegen Kassenmarathonwarten angesagt ist. Wie sie nur auf sich bedacht sind, oder vielleicht noch auf die Stimmen in ihren Kopf a.k.a. Handy, auf das sie ununterbrochen schauen, während sie in mich hineinrennen, usw...

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