Physische Anwesenheit allein reicht nicht aus. |
Ich hasse das pädagogische Zähneziehen. Ist aber nötig, wenn folgender Schülertyp mir begegnet:
"Klaus" ist der Meinung, es reicht zum Erlangen der Allgemeinen Hochschulreife, wenn er fünf Unterrichtsstunden je Woche anwesend ist. Vor- und Nachbereitung der Stunden ist nicht nötig. Hausaufgaben, in denen es um's Lernen geht, macht er nicht, denn es reicht ja, wenn man am Wochenende vor der Klausur lernt. Dementsprechend sind Unterrichtsinhalte in nachfolgenden Stunden nicht abrufbar, sondern nur vorlesbar.
Klaus nimmt den Unterricht insgesamt nicht so ernst. Berufsschule, ist ja alles irgendwie ein Selbstläufer. Hausaufgaben abgeben, damit der Lehrer mal drüberschaut, ist auch nicht so sein Ding. Das wird schon alles irgendwie klappen, wenn er im Unterricht immer gut zuhört. Wenn er zuhört. Denn er lässt sich sehr gern ablenken, albert dann mit Mitschülern herum, die es sich definitiv nicht leisten können, abgelenkt zu werden.
In der Klausur dann gibt es Probleme, wenn Klaus die Aufgabenstellung nicht schon einmal vorher im genauen Wortlaut erlebt hat. Selbst denken, was mit der Aufgabenstellung gemeint ist? Ne, lass' mal. "Selber denken macht fett", hat Herr Kries immer gesagt. Und nach der Klausur wird es erst richtig interessant, denn dann kommt Klaus und beschwert sich, dass man das alles gar nicht schaffen konnte. Dann kommen Sätze wie "Vielleicht wäre es gut gewesen, wenn wir das mal im Unterricht geübt hätten", und dann habe ich zum Glück Buddha bei mir.
Sonst würde ich platzen, würde Klaus intensiv zusammenfalten, ihm sein Unterrichtsverhalten vor Augen führen, ich würde ihm erklären, dass Hör- und Leseverstehensaufgaben zu den grundlegenden Kompetenzen gehören, festgelegt in den Bildungsstandards, und dass ein Schüler durch den Erwerb des Mittleren Bildungsabschlusses nachweist, dass er diese Kompetenzen erworben hat.
Und bis auf das Platzen mache ich das auch. Ich erkläre ihm, dass Schule Vor- und Nachbereitung braucht, und dass er an einer Hochschule genau damit konfrontiert werden wird. Ich erkläre ihm, was das bedeutet, Verantwortung für den eigenen Lernprozess zu übernehmen. Dass er nämlich selbst seinen Erfolg in der Hand hat, denn aus dem Alter der Orientierungsstufe, in der viele Lehrkräfte den Lernenden alles hinterhertragen, ist er mittlerweile hinaus.
Hoffentlich sieht er es ein, und erwartet von mir nicht die 1 auf dem Silbertablett ohne eigenen Einsatz, und fängt dann direkt an, Gründe für sein schlechtes Abschneiden überall zu suchen, nur nicht bei sich selbst. Mal schauen. Das ist mein erstes Jahr an einer Berufsschule, und vielleicht finde ich für die Zukunft noch gute Kniffe.
post scriptum: Ich habe mir heute "Los Cronocrimenes" (Timecrimes, 2007) angeschaut, und ich stelle fest, dass ich Filme liebe, die sich mit Zeitreisen und den damit verbundenen Paradoxa auseinandersetzen. Das kitzelt mein Gehirn, das ist ein echter Genuss, und deswegen habe ich auch "Predestination", "Looper" und "Back To The Future II" geliebt. Und ich freue mich jetzt schon drauf, mir endlich einmal "Primer" anzuschauen - ist leider nicht bei Amazon prime verfügbar, kommt aber sicher noch.
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