Donnerstag, 28. Februar 2019

Du kommst hier nich' rein!

Blutspender sind Lebensretter... ich nicht.

Oberstufe Berufsfachschule III, junge Erwachsene. Lernen etwas in einem Vortrag des DRK, und ich frage aus Neugier, worum es denn so geht, und erfahre, dass es um Blut ging. Mehr schienen sie nicht mehr erinnern zu können, und dann entsponn sich folgender Wortwechsel (oder so ungefähr):

S: "Ja, und wer wollte, konnte sich dann zum Blutspenden anmelden. Gehen sie denn auch zum Blutspenden?"
L: "Nein, das darf ich leider nicht."
S: "Was? Warum das denn?"
L: "Weil ich schul bin."
S: "Was? Also das ist aber echt eine blöde Ausrede!"
L: "Liebe Klöthilde. Du hast vollkommen Recht. Aber so ist es nun mal leider. Ich bin Teil einer Risikogruppe und darf nicht zum Blutspenden gehen, das ist extra explizit in den Richtlinien schriftlich festgehalten worden."
S: "Und was ist, wenn ich jetzt auch schwul bin?"
L: "Wenn du tatsächlich ein schwules Mädchen bist, sorry, dann darfst auch du nicht zum Blutspenden gehen. Tut mir Leid, so sind leider die Regeln."

Und ja, so sind sie tatsächlich. Weil ich schwul bin, darf ich kein Blut spenden, denn ich könnte ja infiziert sein. HIV. Vollkommen irrelevant, ob und wie oft ich Sex habe, es reicht schon, dass ich auf Männer stehe. Denn Heteros bekommen sowas ja nicht, bei denen taucht das nicht auf. Die dürfen auch zum Blutspenden, wenn sie promiskuitiv leben, reihenweise Sexpartner von Tag zu Tag vernaschen, das ist dann was Anderes.

Ich weiß nicht, wie ich mit diesem Umstand umgehen soll. Aber er fühlt sich scheiße an, das wollte ich nur einmal loswerden. Selbst wenn ich die Logik dahinter irgendwo nachvollziehen kann, fühle ich mich behandelt, als wäre ich ein schlechterer Mensch.

Ja, ich weiß.

Mein Problem.

Mittwoch, 27. Februar 2019

"Do you want to be my friend?"

Kann eine künstliche Intelligenz Dein Freund sein?

Ich glaube, ich bin mit meiner Oberstufe endlich in einem Abitur-Themenkorridor angekommen, der mich interessiert. Sehr sogar: Es geht um Science & Technology. Ist ja nicht so, dass mich das Andere alles gar nicht interessiert, aber es fühlt sich halt anders an. In Eckernförde musste ich eine Unterrichtseinheit zu Irland zusammenklöppeln, mit Abschlussklausur. Das hat zwar auch geklappt, aber ich habe gemerkt, wie wenig ich daran interessiert bin. Es hat trotzdem Spaß gemacht, sich eine Klausur dazu auszudenken, und ich habe selbst eine ganze Menge über die Troubles und vieles mehr gelernt, aber das war eher Pflichterfüllung. Das hier ist Leidenschaft. Oder so.

Heute ging es um das Thema Transhumanismus, also die Tatsache, dass wir Teile unseres Körpers immer mehr, immer besser mit Technologie ersetzen oder aufrüsten können. Das fängt beim Doping an, geht über Tattoos und diverse andere Bodymods weiter Richtung künstliche Gelenke und schließlich Themen wie upload of consciousness - Das eigene Bewusstsein auf einen Rechner hochzuladen, in ein Netzwerk, um seinen eigenen Tod zu überstehen. Wir sind noch nicht so weit mit der Forschung, aber eben deswegen ist es ja Science Fiction. Johnny Depp hat in Transcendence (2014) einen Wissenschaftler gespielt, der angesichts einer tödlichen Krankheit sein Bewusstsein "online bringt". Den Film kann man gut oder schlecht finden, er gibt auf jeden Fall einige Denkanstöße.

Überhaupt ist mir aufgefallen, dass ich den Schülern in diesem Korridorthema viele Filmtipps geben kann. Das ist nicht weiter überraschend, da SciFi eines meiner Lieblingsgenres ist. Und klar wurde im Schulbuch heute auch auf den Film Matrix (1999) verwiesen. Sind alles interessante Ideen, allerdings stehen bei diesen Filmen irgendwann die üblichen Actionsequenzen und shootouts an und man driftet etwas ab vom Ideenanregen. Die besten SciFi-Filme beschäftigen sich vollumfänglich mit Ideen. Dazu gehört auch der Film, den ich zur Zeit mit meinen Schülern schaue - Ex Machina (2014).

Hier geht es um einen hochintelligenten Mann, der eine künstliche Intelligenz (KI) entwickelt hat. Er nennt sie "Ava", und bis zum Zeitpunkt des Films hat noch kein Mensch außer ihm Ava gesehen. Der Film dreht sich um einen Mitarbeiter, Caleb, der als erster "Externer" mit Ava in Kontakt treten soll (quasi Turing-Test). Nachdem Caleb schon einmal durch die Ausmaße der Forschungseinrichtung eingeschüchtert ist, kommt er schließlich in eine kleine Kammer mit Glaswänden, an drei Seiten umringt von einem großen "Wohnzimmer" - Avas Funktionsbereich.

Und dann tritt Ava auf. Schaut sich Caleb an, vorsichtig, neugierig. "Hello." ist ihr erstes Wort in der Szene, und dann traut Caleb sich, aus der Einschüchterung auszubrechen und beginnt ein Gespräch mit Ava, in dem sie unter Anderem fragt, ob sie Calebs Freund werden kann.

Im Klassenraum ist es mucksmäuschenstill: Die Schüler befinden sich vollkommen in Calebs Position - sprachlos, neugierig. Sie sind ebenso gespannt wie er, zu sehen, was dann passiert. Und das ist eine wunderbare Ausgangslage für weiterführende Arbeit an dem Film im Unterricht, denn die Schüler sind wirklich interessiert. Wir haben heute nur etwa eine halbe Stunde gesehen, und ich bekomme zu hören, dass wir den hoffentlich bald weiterschauen, weil es wirklich aufregend ist. Anregend. Inspirierend. Und ich gebe ihnen eine Hausaufgabe: "Ava has a right to be freed from this place / capitivity. Comment on this statement." Und eine Rückmeldung dazu fand ich besonders gut - "Das ist das erste Mal, dass ich eine Textproduktion wirklich machen will und nicht muss."

Großartig. Ich weiß nicht, warum ich den Film nicht schon beim ersten Ansehen in meinen Schulkanon aufgenommen habe. Und die Spezialeffekte sind wirklich genial (dafür gab es dann auch einen Academy Award), aber im Mittelpunkt stehen all' diese Gedankenzüge, die durch den Film in Gang gesetzt werden.

Ich bin fasziniert.

Dienstag, 26. Februar 2019

Sonst nix zu tun

Sie hat mir das alles gesagt, aber ich habe mal wieder nichts mitbekommen...

Einmal in den Ferien besuche ich die Sannitanic, oder sie mich, einfach mal updaten und soziales Leben spielen, sonst machen wir das per Internet - nicht, dass sie mich noch zu sehr auf den Boden der Tatsachen zurückholt, ich hatte einst darüber geschrieben, dass sie diejenige ist, die meine geistigen Höhenflüge problemlos zum Absturz bringen kann. Kentern ist auch das richtige Stichwort, denn neulich hatte ich ja geschrieben, dass die Sannitanic zum zweiten Mal untergeht - soll heißen, dass ein zweites kleines Monster unterwegs ist, den Fortbestand der Welt zu sichern.

Davon konnte ich mich vor ein paar Tagen überzeugen, als wir eine Shoppingtour durch die Kieler Innenstadt gemacht haben; sie sollte zu einer Hochzeit und brauchte noch ein passendes Outfit - und dafür wollte sie ausgerechnet meine Meinung haben, naja, Trash und so weiter, aber gut, war schön, sich mal wieder zu sehen. Wir haben dann auch eine schöne Jacke zum Kleid gefunden, dann zurück zum Bus, knuddeln, mach' mal ein Foto, wenn Ihr auf der Hochzeit seid, ich will das dann mal "in Action" sehen!

Ja, die Fotos hat sie dann auch gemacht, und mir zugeschickt. Zusammen mit ihrem Freund, beide wirklich sehr hübsch, solche Gäste möchte ich bei meiner eigenen niemals stattfindenden Hochzeit auch mal haben. Und dann hat sie noch ein Foto dazu geschickt, von einer Hand, mit einem Ring am Ringfinger. Nun sei erwähnt, ich habe ein Talent dafür, auf der Leitung zu stehen. So lange, bis das Kabel schmilzt. Und dann erst realisiere ich wirklich, dass es die ganze Zeit um ihre eigene Hochzeit ging. Da war zwar dieser eine misstrauische Moment, als sie mir ausgewichen ist auf die Frage, wo diese Hochzeit denn sein sollte, und um wen es geht, aber ich bin ja verlässlich egozentrisch genug, sodass ich darauf nicht weiter eingegangen bin.

Sanni, Du blöde Fotze, Du miese Kuh, Du schließt mich aus...

Ob sie wohl geglaubt hat, dass ich das denken würde? Jedenfalls hofft sie, dass ich nicht böse bin, dass sie mir nichts gesagt hat. Dabei bin ich heilfroh, dass es so gekommen ist. After the fact, darauf versuche ich ja gerade selbst mein Leben umzustellen. Den Leuten danach erzählen, was ich gemacht habe. Sonst kommen blöde Fragen, nervige Erwartungen, kann ich alles nicht haben, und ich hätte mir vermutlich zu sehr den Kopf zerbrochen. Es war genau richtig so, und ich freue mich riesig für die Beiden, auch wenn es sich für mich jetzt gar nicht so sehr wie ein besonderer Moment anfühlt. Denn die Beiden lieben sich seit vielen Jahren, ich kenne sie nicht ohne einander, und ich hätte mir niemals vorstellen können, dass einmal der Moment käme, an dem sie sagen "Nö, lieber doch nicht."

Irgendwie durchleben wir gerade chaotische, aber ziemlich glückliche Zeiten.

post scriptum: Dieser Text lag schon eine ganze Weile in den Entwürfen, ich weiß gar nicht, warum ich ihn nicht gepostet habe. Der Beitrag ist herrlich symptomatisch für einen Hochbegabten, der keine Ahnung hat, wie er mit der Information umgehen soll, dass seine beste Freundin geheiratet hat - ob er das in seinem Blog schreiben sollte oder überhaupt darf, und wann, und schickt man dann eine Glückwunschkarte? Normalerweise macht man das wohl, ich habe mich mit diesen Konventionen nie richtig arrangieren können und sage deswegen auf diesem verqueren Weg, wie sehr ich mich freue, dass die Sannitanic geheiratet hat, dass sie jetzt zwei Kinder hat, dass sie jetzt richtig in's Familienleben startet. Dass sie spießig geworden ist. Ich bin so glücklich!

Montag, 25. Februar 2019

Das Om-nom-nom-Klavier


Horror und Albernheit können in Filmen wunderbar Hand in Hand gehen, so war ich von The Evil Dead (1981) und seinem Nachfolger sehr begeistert, und ich glaube, dass auch die große Buba ihren Spaß hatte, wenn die Untoten Erbsensuppe kotzen oder wie Schießbudenfiguren durch die Luft fliegen. Jedenfalls gab es bei'm gemeinsamen Ansehen mehrere "Nochmal!"-Momente. Auch vor Neunzehneinundachtzig gab es sowas schonmal, und dem habe ich mich heute gewidmet: die japanische Horrorkomödie House (Hausu, 1977), aus dem Kopf von Nobuhiko Obayashi.

Es ist faszinierend, was so alles aus Japan kommt. Hochentwickelte Technologien, leuchtende Klos mit Hintergrundgeräuschen, falls einem das peinlich ist, schaurige oder epische Videospiele mit zahllosen sexuellen Anspielungen, eine Architekturmentalität, die ich bewundere: Statt wie in der westlichen Welt immer weiter in die Höhe zu bauen, hält man sich in Ostasien eher am Erdboden, baut Häuser in die Breite und nimmt Mahlzeiten auf dem Fußboden ein. Finde ich großartig, erdnaher.

Und so kommt dieser Film daher, und ich weiß gar nicht, wie ich anfangen soll. Die Bluray ist bereits unterwegs; der Film ist in die Criterion Collection aufgenommen worden, weil... ja, warum eigentlich? Vielleicht, weil er so vollkommen durchgeknallt ist, dass man ihn nicht so sehr als Film denn vielmehr als Erlebnis bezeichnen sollte. Im Westen hätte wohl niemand jemals von dem Film gehört, wenn nicht in Zweitausendzehn der Film ein breites Release bekommen hätte - und es ist erstaunlich zu lesen, dass neunzig Prozent der Rezensionen positiv ausfallen.

Erstaunlich, weil der Plot... lassen wir den Plot beiseite. Eine Gruppe Mädchen besucht das Haus von Auntie - die Tante von Gorgeous. Ja, eines der Mädchen heißt Gorgeous. Andere heißen Melody, Fantasy, Kung Fu oder Mac - je nach ihren Charakterzügen, so ist Mac zum Beispiel ununterbrochen am Futtern. Man merkt sofort, dass es hier nicht um realistische Charaktere geht, sondern um solche, die in der antiken Komödie wunderbar aufgehoben wären. Sie fahren zur Tante, weil Gorgeous' verwitweter Vater eine neue Stiefmutter nach Hause bringt, und Gorgeous hasst sie auf den ersten Blick.

Dass im Haus der Tante seltsame Dinge passieren, ist zu erwarten. Was originell und kreativ ist, ist die Frage, wie sie passieren. Da futtert ein Klavier ein Mädchen auf, und danach spielen ihre körperlosen Finger das Lied weiter, das sie gerade für die anderen spielte. Eine dämonische, fette weiße Perserkatze wirkt längst nicht unpassend in einem Haus, in dem tollwütige Matratzen eines der Mädchen anfallen. Einer der Charaktere stribt an... zuviel Bananen?

Das kann man gar nicht beschreiben, das muss man sehen. Die Spezialeffekte sind mit Absicht unrealistisch gestaltet worden, der gesamte Film hat ein surreales Flair, das durch die vielen Musikstücke unterstrichen wird. Und eines ist dieser Horrorfilm definitiv nicht: gruselig. Das wirkt ein bisschen wie ein Musical aus grenzdebilen Ideen, und man kann einfach nicht wegschauen. Ich habe mich schlappgelacht, als ein abgetrennter Kopf durch die Luft fliegt und ein Mädchen in den Po beißt. Hey, die goße Buba, das sollten wir uns definitiv mal geben, wenn die Bluray bei mir angekommen ist.

Man fragt sich, auf welchen Drogen die Macher unterwegs waren - aber man fragt das mit einem positiven Unterton, denn House ist herrlich unsinnige Unterhaltung.

Samstag, 23. Februar 2019

Tunnelfahrt

Berlin Gleisdreieck. Rechts vom Bild der U-Bahnhof, links die Einfahrt in den Apartmentblock und dann schließlich unter die Erde. Eine der ungewöhnlichen Sehenswürdigkeiten in Berlin.

Das wird jetzt wieder nerdig, so wie damals die S-Bahn-Fahrt (HB-Style) oder der Beitrag Ich hör' nur Bahnhof! - es geht also mal wieder um Zugfahrten, wobei der Fairness halber gesagt sein sollte, dass auch Autofahrten durch einen Tunnel aufregend sein können.

Es geht aber nichts darüber, in einem Zug zu sitzen, selbstverständlich in Fahrtrichtung, um immer sicher sein zu können, was kommt (seid Ihr schon einmal rückwärts in einen Tunnel gefahren? Grauenhaft!) und um die Antizipation zu steigern: Es ist ein unglaublich spannendes Erlebnis, im Zug auf einen Berg zuzufahren: Erst noch zwei, drei Kilometer entfernt, und ich frage mich, ob der Zug wohl daran vorbeifahren wird? Oder mittendurch, hinein in die Finsternis, mit Druck auf den Ohren (Druhck sagt die große Buba) und dem Gefühl, in das eigene Verschwinden hineinzufahren?

Die Gleise driften nach links, nach rechts, der Berg wird an die Seite geschoben, nein, es geht wohl doch daran vorbei, jetzt ist es noch ein Kilometer. Aber langsam wird mir bewusst, dass es kein vorbei gibt, denn der gesamte Bergkamm ist wesentlich höher als das Niveau, auf dem der Zug sich gerade befindet. Wie aufregend, es bleibt nur der Weg direkt durch den Berg, es muss ein Tunnel kommen, kann ich die Einfahrt schon sehen?

Natürlich kann ich das nicht, denn ich sitze auf der rechten Seite, weil ich unbedingt sehen will, wie der Tunnel heißt, und es findet sich nun einmal bei den meisten Tunnels an der Tunneleinfahrt auf der rechten Seite ein kleines Schild, das den Namen angibt und bei über zweihundert Sachen nur für den Bruchteil einer Sekunde zu lesen ist. Welcher Tunnel wird es wohl sein? Ist es etwa der Mündener Tunnel, auf den ich die ganze Zugfahrt schon warte, weil es der zweitlängste Eisenbahntunnel Deutschlands ist? Oder sogar der Landrückentunnel, die Nummer Eins, beide gute zehn Kilometer lang?

Diese letzten drei, zwei Sekunden vor der Einfahrt in den Tunnel sind aufregend, extrem schnell und ich bin extrem konzentriert: Wie heißt der Tunnel, wie sieht das Tunnelportal aus, wie steil ist das Gefälle der Bergwand, wie lang ist der Einfahrtsbereich des Tunnels? Alles innerhalb von einem blitzschnellen Moment wahrnehmen und dann die Informationen auswerten, während wir in die Dunkelheit rauschen, der Klang der Zugfahrt wird immer dumpfer, der Druck auf den Ohren steigt...

...und dabei empfinde ich Tunnelfahrten im ICE noch als recht uninteressant - was mich trotzdem nie davon abgehalten hat, in meiner Kindheit, als wir im Sommer in den Schwarzwald gefahren sind, zu Ferien auf dem Bauernhof, alle Tunnels der Strecke zwischen Hamburg und - mit Umsteigen - Freiburg auswendig zu lernen, selbstverständlich in der richtigen Reihenfolge und mit der exakten Länge in Metern.

Spannender finde ich Tunnelfahrten im ÖPNV, in der S- oder U-Bahn. Die Fahrt ist deutlich langsamer, ich habe mehr Zeit, um aufzunehmen, ob wir einfach nur zwischen zwei Straßen in einen Tunnel abtauchen, oder ob es vielleicht etwas aufregender wird, so wie bei der Einfahrt der U1 in Berlin, nach dem Bahnhof Gleisdreieck, wenn der Zug in ein Wohngebäude abtaucht (das Bild am Beitragskopf). Nicht ganz so irre wie in China, wo eine S-Bahn im achten Stock mitten durch ein Wohnhaus fährt - und dort auch anhält - aber trotzdem recht unkonventionell.

Wie aufregend!


Mich interessieren längere Tunnelfahrten - nehmen wir das Beispiel des Nord-Süd-Tunnels der Linien S1 und S2/25 in Berlin. Vom langsamen Gefälle nach dem letzten oberirdischen Bahnhof Yorckstraße aus kann man sehen, dass man in eine Art Niemandsland abtaucht - früher war es zumindest so: Ein Tunnel mitten in der Wildnis, Müll, Gestrüpp, unspannend. Dann aber kam der Neubau des Berliner Hauptbahnhofs auf dem Gelände des ehemaligen Lehrter Stadtbahnhof. Fünf Etagen, davon zwei unterirdisch, eine riesige Glaskuppel, zwei den Bahhof überspannende Bürogebäude - und etwa drei Kilometer südlich davon taucht man in den Untergrund ein. Man kann den Hauptbahnhof in der Ferne erkennen, und seitdem die Fernbahngleise von Nord nach Süd durch das Tiefgeschoss des Hauptbahnhofs führen, taucht man nicht mehr in die Wildnis ein, sondern unter der Tunneleinfahrt der Fernbahn, und ich stelle mir dabei vor, wie verschlungen die Kellergewölbe dort sein müssen.

Klar ist es irgendwie blöd, dass die S1/2/25 als eine der Hauptaorten des Berliner ÖPNV nicht an den Hauptbahnhof angeschlossen sind, und dass die U55 bisher auch nur ein Randdasein führt. Aber irgendwann wird das anders sein, und dann werden die Tunnel noch spannender. Irgendwann. Genauso wie irgendwann der BER eröffnet wird.

Und ein Punkt, der noch sehr aufregend ist, ist die Frage: Wie sieht die Landschaft wohl aus, wenn wir mehrere Kilometer entfernt wieder aus dem Untergrund auftauchen? Ein komplett neuer Stadtteil, wird es dort Villen geben? Oder Sozialbauten? Sieht es dort anders aus als an dem Ort, wo wir in die Finsternis eingetaucht sind? Hat sich mittlerweile vielleicht sogar das Wetter geändert? Irgendwie kann ich jedem Moment der Tunnelfahrt etwas Spannendes abgewinnen; über die Konstruktion der unterirdischen Bahnhöfe hatte ich ja damals im Ansatz schon einmal berichtet (obwohl Rainer G. Rümmler definitiv noch seinen eigenen Eintrag in diesem Blog bekommen wird, denn das ist U-Bahn-Architektur auf einem ganz anderen Niveau!) - und ich merke, es wird Zeit, dass ich wieder einmal nach Berlin fahre.

Andere interessante Tunneleinfahrten? Die U5 taucht hinter der Haltestelle Tierpark Richtung Hellersdorf auf und fährt dabei direkt am Tierparkgelände entlang, es ist spannend, die großen Volieren zu beobachten. Die U2 hat als Besonderheit, dass der Bahnhof Mendelssohn-Bartholdy-Park direkt den Übergang zwischen ober- und unterirdischer Gleisführung bildet. Die U6 taucht in Tegel kurz auf, und am Bahnhof Otisstraße (ehemals Seidelstraße) kann man das Flughafengelände beobachten. Es wird spannend werden, wie sich der Flughafen BER entwickelt. Die S-Bahn-Anbindung vom alten Flughafen über Waßmannsdorf führt in einen unterirdischen Bahnhof, und wenn man sich aus einem Anfall von Vernunft doch noch entscheiden sollte, die U7 von Rudow aus zum Flughafen weiterzuführen, wird der letzte Streckenabschnitt oberirdisch verlaufen.

Bleiben noch Tunnelfahrten auf Achterbahnen; sie sind selten, leider, weil sie die Kontruktion einer Achterbahn extrem verteuern können - besonders wenn es unterirdisch sein soll und nicht nur eingehaust. Dennoch werten sie jede Bahn ungemein auf, besonders, wenn es höchst unkonventionelle Dunkelfahrten sind wie bei'm Schwur des Kärnan oder Flight of Fear. Es ist ein tolles Gefühl, jeglichen Bezug zur Realität draußen zu verlieren, sich in den Achterbahnzug zu setzen und einfach darauf zu vertrauen, dass man irgendwann wieder an's Tageslicht kommen wird. Das intensiviert den Effekt der Achterbahnfahrt, etwas Ungewöhnliches zu erleben. Und deswegen steigen wir schließlich (meistens) in die Achterbahn.

Ich sollte an dieser Stelle nicht das Erlebnis im amerikanischen Park Kings Island vergessen. Dort steht mit The Beast die längste Holzachterbahn der Welt, ein Rekord, der seit exakt vierzig Jahren gehalten wird. Mehrere Teile der fast zweieinhalb Kilometer langen Strecke verlaufen unterirdisch und entführen den Fahrgast in die Wildnis und durch die Wälder von Ohio - ein Erlebnis, das umwerfend und schwer in Worte zu fassen ist - trotzdem hat ein coaster enthusiast das damals zum dreißigjährigen Jubiläum in einer philosophisch angehauchten Untersuchung gemacht.

The Beast führt durch die Wälder, deswegen ist nur ein minimaler Teil aus der Vogelperspektive zu erkennen.
post scriptum: Wow, ich komme gerade aus dem Film "Searching" (2018), einem richtig spannenden Film für die Generation "digital natives". Das dürfte Schülern gefallen: Ein Vater macht sich auf die Suche nach seiner vermissten Tochter, und fast der gesamte Film spielt aus des Vaters Perspektive auf dem Bildschirm seines Laptops. Das ist, wie ich lese, schon häufiger gemacht worden, aber selten so gut. Ich fand den Film extrem spannend, die gesamte Klaviatur der Emotionen wird mit Hilfe der schönen Filmmusik durchgespielt, und ich könnte mir vorstellen, dass Schüler den Film lieben werden - weil jeder von uns in diesem Film Online-Verhaltensweisen wiedererkennen kann. Ich nehme meine Begeisterung mit in die Meditation; das war definitiv eine gute Entscheidung heute. Was mich aber wieder fasziniert hat - öfters taucht der Ausdruck "Suche nach vermisster Teenagerin" auf, zum Beispiel als Google-Suchergebnis - als hätte Aristophanes die krampfhafte Feminisierung jeglicher Wörter vor über zweitausend Jahren erahnt, als er in seiner Komödie "Die Wolken" ("Nephelai", Herr Leinhos schenkt mir die griechischen Buchstaben, ich bin dazu zu unbedarft) über die "Schüsselin" schrieb...

Freitag, 22. Februar 2019

Überholmanöver

Wenn nur die unschuldigen Verkehrsopfer nicht wären, könnten gern noch mehrere Raser den Abgang machen...

Seitdem ich wieder das Auto für die Fahrt zur Arbeit benutze, überhole ich nicht mehr. Einzige Ausnahme: Das Hindernis vor mir bewegt sich nur mit dreißig Kilometern in der Stunde voran und ich habe komplett freie Bahn. Aber so eine Scheiße wie Überholen mit Hundertdreißig, wenn Achtzig erlaubt sind, vor einer Kurve, die ich nicht einsehen kann, bei Regen und Berufsverkehr, so etwas mache ich nicht.

Ich bin lange Zeit lange Strecken gefahren, von St.Peter-Ording nach Kiel und zurück, allerdings waren das erstaunlich friedliche Strecken. Ich wusste gar nicht, dass eine Straße "friedlich" sein kann, nicht einmal, als ich zwischen Kiel und Neumünster gependelt bin. Seitdem ich aber auf der B Sechsundsiebzig an vier Tagen in der Woche von Kiel nach Plön pendele, bin ich verdammt geduldig geworden, sehe überhaupt keinen Bedarf mehr zu überholen oder irgendwo schneller zu fahren, als es erlaubt ist.

Das macht nämlich bereits mehr als die Hälfte der anderen Autofahrer, da muss ich nicht mitziehen. Etwa drei Viertel der Autofahrer hält sich nicht an die Höchstgeschwindigkeiten. Da wird gedrängelt, man wird mit Lichthupe gedrängt nach dem Motto "Da steht zwar Achtzig, aber ich will Hundertzwanzig fahren, also brems' mich nicht runter!" und es wird überholt, egal ob da links eine fest installierte, auf einen Kilometer weit sichtbare fest installierte Blitzersäule steht, die nicht nur in eine Richtung blitzt. Idioten.

Ehrlich, ich finde die Strecke absolut nicht schön. Die Landschaft ist toll, die Straße ist in einem sehr maroden Zustand, aber die Art und Weise, wie viele Autofahrer dort miteinander umspringen, finde ich bedenklich. Schön, wenn dabei nichts passiert. Vor Kurzem aber meinte ein Mercedes-Fahrer, ein paar Wagen vor sich überholen zu müssen, innerhalb einer Kurve. Blöd nur, dass ich mit voller Geschwindigkeit entgegengekommen bin und er keine Anstalten machte, irgendwo einzuscheren. Ich hatte bereits einmal einen Unfall, selbst verursacht. Solche beschissenen Situationen versauen mir dann den kompletten Tag, ich sehe in dem Moment mit Glück nur das Krankenhaus auf mich zurasen, ich kann darauf verzichten, und wenn ich heute schon wieder von drei Toten bei einem missglückten Überholmanöver lese, dann geht mir voller Wut, voller Angst, voller Hilflosigkeit und voller Hoffnung darauf durch den Kopf, dass ich vielleicht auch weiterhin nicht in einen solchen Unfall verwickelt werde:

Chill' doch mal...!

post scriptum: So, und nun brauche ich Eure Hilfe - wie bringe ich ein Auto in die Werkstatt? Bzw., welche Werkstatt soll ich nehmen? Die erstbeste? Hier ist eine quer über die Straße, und ich mein', es geht ja nur um einen defekten Blinker. Fahre ich da einfach auf den Hof und suche nach jemandem, der mir weiterhelfen kann? Herrlich, wie unbedarft man sein kann...

Donnerstag, 21. Februar 2019

Wie wäre das?

Wir können nicht wissen, wie das ist. Und dafür sollten wir sehr dankbar sein.

Wie wäre das wohl?

Wenn Du Schüler durch den Themenkorridor Globalisation bringen sollst und ihnen erstmal die Grundlagen erklärst? Wenn Du mit ihnen ein kleines Experiment durchführst, um bei ihnen ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es einen Unterschied geben kann zwischen personal values, den für jeden persönlich wichtigen Werten, und den global values, jenen Werten, die es ermöglichen können, in einer friedlichen Welt zu leben? Und wenn sie dann ihre persönlichen TOP3-Werte ankreuzen sollten? Und Du sammelst die Ergebnisse dann auf einer Folie und wirfst sie an die Wand, wie wäre das?

Wie wäre das, wenn Du dann siehst, dass ganz viele von ihnen die persönliche Gesundheit als sehr wichtig einschätzen, dass nur wenige von ihnen persönlichen Reichtum für wichtig erachten, das ebenso wenige von ihnen den Punkt intact nature angekreuzt haben? Wenn viele großen Wert auf friendship legen, oder auf career? Und scheinbar oberflächliche Werte wie beauty kaum eine Rolle spielen, und vielleicht nur vereinzelte Schüler den Mut oder den Grund haben, zu sagen, dass die Welt ohne Schönheit doch ein ärmerer Ort wäre? Und dann zu sehen, dass nur ein Mitglied der Klassengemeinschaft ein Kreuz gesetzt hat bei peace, wie wäre das?

Wie wäre das wohl, wenn Du dann Deine knapp dreißig Schüler fragst, warum nur ein Kreuz bei Frieden gesetzt wurde, was würden sie wohl antworten? Und wenn die Diskussion an der Stelle durch das Ende der Stunde abgebrochen würde? Und alle im üblichen Tempo in die Pause sprinteten und nur ein einziger Schüler noch einmal nach vorne käme?

Wie wäre das, wenn Du sofort sehen könntest, dass es der einzige Schüler mit Migrationshintergrund ist, der jetzt zu Dir kommt, und natürlich wüsstest Du, dass das Friedenskreuz aus seiner Feder stammt, weil er vor drei Jahren aus einem Land geflohen ist, in dem Krieg herrscht? Und wie wäre es, wenn ausgerechnet dieser Schüler dann zu Dir sagt: "Wissen sie, ich glaube, es hat keiner ein Kreuz bei Frieden gemacht, weil das für alle hier so selbstverständlich ist. Ich komme ja aus einem Land, in dem es nicht so schön ist, und ich bin so glücklich, endlich Frieden zu haben." Und Du lächelst ihn an, denn natürlich kennst Du diese Erklärung - aber trotzdem kommt er zu Dir und versucht das Verhalten seiner Mitschüler zu erklären, auf eine Art, die den Anderen an Reife weit voraus ist.

Wie wäre das wohl...?

post scriptum: Ich habe heute den Film "The Wicker Man" (1973) gesehen. Ein Film über eine Insel, auf der ein ungewöhnlicher Fruchtbarkeitskult zelebriert wird - und ein Polizist vom Festland, der dort hineingerät, um ein vermisstes Mädchen aufzufinden. Wirkt ein bisschen wie eine authentische Dokumentation, bis es dann zu einem unerwarteten Ende kommt, das ich wahrscheinlich nicht mehr vergessen werde. Großartig!

Mittwoch, 20. Februar 2019

Zuviel Input und kein Ausweg

Wenn der Kopf kurz vor der Explosion steht...

"Sachen sofort erledigen!" a.k.a. "iucundi acti labores"


Immer wieder erzähle ich meinen Mitmenschen, dass ich ein Schild in der Wohnung brauche, das mich daran erinnert, Anstehendes sofort zu bearbeiten. Ich brauche dieses Schild wirklich, denn ich bin sehr gut darin, Sachen auf die lange Bank zu schieben. Geht echt gar nicht mehr; am Wochenende bastele ich mir ein hübsches Schild zurecht - laminatio delectat, habe ich mal gehört.

So habe ich zum Beispiel Klaus nicht auf ihre letzte Mail geantwortet, obwohl hier ein Post It herumfliegt, auf dem fett Klausmail steht. Und der Blinker des Wagens muss repariert werden, ist wahrscheinlich eine Kleinigkeit, aber ich habe das noch nicht erledigt, weil ich nicht "bereit" dafür war. Was für ein Schwachsinn. Aber es scheint so zu sein, dass für Hochbegabte immer alles passen muss, und schon machen sie sich das Leben schwer. Und meine Nachbarin, zwei Etagen tiefer, hat Montag ein Päckchen für mich angenommen, das liegt immer noch dort.

Woran das liegt?

A) Es muss der perfekte Moment dafür sein
B) Das dauert so lange, ich mache lieber Dinge, die schnell gehen
C) Mein Gehirn macht nur das, wozu es Lust hat

So sammeln sich also unerledigte Arbeiten an, die Haufen werden größer - sowohl die sichtbaren in der Wohnung als auch die unsichtbaren in meinem Kopf. Und je mehr Dinge unerledigt sind, umso größer ist die Angst vor Zurechtweisungen a la "Warum hast du dich so lange nicht gemeldet?". Und diese Angst führt leider nicht dazu, dass ich die Arbeiten erledige, sondern dass ich komplett dichtmache und gar nichts mehr erledige.

Das Problem kennen sicherlich auch Nicht-Hochbegabte. Aber für den HB ist es noch deutlich schlimmer, weil der Kopf ja die ganze Zeit daüber nachdenkt, dass Sachen nicht erledigt sind, dass Beschwerden kommen könnten und so weiter. Ich bin immer wieder beeindruckt, welche Geduld die Menschen, die ich liebe, mit mir haben.

Und dann gibt es die komischen Blicke, wenn ich Hochbegabung mit geistiger Behinderung gleichsetze. Ich bräuchte so eine Situation wie jetzt, immer als Beispiel parat, um zu erklären, was die HB in diesem Kontext für mich bedeutet.

Sonntag, 17. Februar 2019

Ein Gefühl von früher


Die Fenster sind geöffnet, die Rollos sind oben, Sonnenlicht durchflutet die Wohnung und es ist der erste Morgen sei Langem, an dem ich ausgeschlafen bin und mich nicht mit Musik in Form bringe. Die einzige Geräuschkulisse rauscht von der Hamburger Chaussee unten herein, und hier und da ein, zwei Vögel. Bevor ich irgendwas Anderes an diesem Tag mache, nehme ich mir das neue Buch zur Hand, We Have Always Lived In The Castle von Shirley Jackson. Ich habe seit gefühlten - und tatsächlichen - Ewigkeiten kein Buch mehr gelesen. Im Studium war das anders; ich habe nicht wirklich viel gelesen, aber wichtige und oftmals nicht einfache Werke englischsprachiger Literatur. Herrliche Werke, gern (aber nicht nur) etwas abseits des Mainstream gelegen. Joseph Heller, Thomas Pynchon, Bret Easton Ellis, Jay McInerney, Tama Janowitz, Douglas Coupland, Poppy Z Brite, Philip Roth und mehr. Heute habe ich ein Gefühl wie von damals, wie ich es lange nicht mehr hatte. Es mag zwar erst Mitte Februar sein, aber es ist hell und sonnig draußen, die Luft ist erstaunlich mild und weht über Eck durch die Wohnung, erfrischend, aber nicht kalt, und ich liege mit Jacksons Buch auf dem Bett und lasse mich in ihre Beschreibungen fallen, die - wie immer in ihren Geschichten - wunderbar nachvollziehbar, lebendig und emotional sind. Ich habe ein Gefühl von Freiheit, die Zeit gerät völlig in den Hintergrund, keine Geräusche von Musik, von Videospielen oder politischer Satire, keine Texte, die mit Schule zu tun haben, keine künstliche Beleuchtung, ein Gefühl von Leichtigkeit, von unbeschwertem, zwanglosem Lesen, das ich so lange nicht mehr hatte, weil ich mir immer eingeredet habe, dass ich ja viel lieber Verfilmungen sehe, weil sie auf mehreren Kanälen wirken. Dabei ist es ganz angenehm, eine Welt mal wieder vor dem geistigen Auge entstehen zu lassen, meine eigene Auswahl an Stimmen zu treffen, meine eigenen Kameraperspektiven und Blickwinkel zu wählen, unterstützt von Shirley Jacksons Wortwahl. Ich fühle mich zurückversetzt in eine Zeit, in der ich noch nicht berufstätig war, sondern die Freiheit der Universität genießen konnte, das Gefühl von Unendlichkeit, in meinem Zimmer in den Kronshagener Bergen liegen, lesen, in den Frühlingshimmel hinausschauen aus dem fünfzehnten Stock, kilometerweit, Dutzende von Kilometern weit sehen zu können, über den Dingen zu stehen, meine eigenen Wege durch die englische Literaturwissenschaft zu finden. Freiheit entdecken.

Diese Stunde Literatur heute mittag war herrlich, und ich freue mich schon auf weitere Gedankenspaziergänge mit Ms Jackson. Manche Erlebnisse lassen sich eben nicht vor dem Bildschirm erleben...

post scriptum: ...und auch deswegen bin ich froh, noch nicht zur Generation "Smombie" zu gehören.

Samstag, 16. Februar 2019

Auf in's Ungewisse!


Meditationstag. Dieser Tag gehört mir, ich genieße jede Phase. Alles ist genau durchkalkuliert. Und auch wenn ich mir vornehme, jeden Abschnitt im Hier und Jetzt zu erleben, so komme ich nicht immer gegen die Hochbegabung an. So bin ich, während ich den neuen Film schaue, im Kopf schon ein paar Schritte weiter, denke an das Entspannungsbad, die Meditation und den Blogeintrag. Trotzdem ist es ein entspannter Nachmittag und Abend, und das Highlight ist, wie immer, die Meditation. Es ist unglaublich befreiend, für eine Stunde alle Fesseln abzuschütteln und den Gedanken freien Lauf zu lassen, begleitet von faszinierenden Klangwelten. Diese Meditation ist so herrlich, dass ich sie auf keinen Fall die Atmosphäre beeinträchtigen möchte.

Ich habe ein paar ausgewählte Musikalben, die mich in komplexe Welten entführen. Schon seit Monaten möchte ich einen Blogartikel schreiben, in dem ich einen Überblick über diese Musik gebe, quasi als Ideenfundus. Ich möchte den Beitrag dann ebenso als ständig erweiterbare Sammlung links anpinnen wie die Mindfuck Movies. Vereinzelt habe ich auch schon über das eine oder andere Album geschrieben, zum Beispiel über Polarity oder Oxycanta. Das sind Alben, auf die ich mich verlassen kann; ich begebe mich quasi in die Hände des Künstlers und vertraue darauf, dass er mir eine wunderbare Gedankenreise beschert. Und so lege ich auch heute wieder eines dieser verlässlichen Alben ein, Enfold-01 aus dem Hause ultimae records.

Wird mir das nicht langweilig, mit immer der gleichen Musik? Nein. Die Downtempo-Konzeptalben sind so komplex durchdacht und abgemischt, dass ich davon nicht genug bekommen kann. Und ich gehe keine Risiken ein: Ich weiß, dass die Meditation von guter Musik begleitet wird. Es gibt allerdings auch Tage, sehr, sehr selten, an denen ich etwas Neues ausprobiere.

Sehr selten deswegen, weil die Hochbegabung mir einredet, dass Veränderungen und Neues negativ sein könnten und ich das deswegen unbedingt vermeiden sollte. Fragt mal die Autisten und Asperger. Für die Meditationen habe ich ein Jahr lang nur ein einziges Album gehört - wie gesagt, bloß keine Risiken eingehen.

Ach Dr Hilarius. Mach' Dich mal etwas locker. Sei mal mutig, probiere doch einfach mal ein völlig unbekanntes Album in der Meditation aus! Wer weiß, vielleicht ist da ja sogar etwas richtig Tolles dabei - und auf Dein Lieblingslabel kannst Du dich doch eigentlich immer verlassen. Verschließ' Dich nicht gegenüber allem Unbekannten!

Und so habe ich heute dann auch wieder ein neues, schönes Album entdeckt. Liebe andere Hochbegabte da draußen: Geht es Euch auch so, dass es manchmal schwierig ist, sich auf Neues einzulassen? Besonders, wenn man die Option hat, auf etwas Bewährtes zurückzugreifen?

Freitag, 15. Februar 2019

Berberian Sound Studio

Who is that person inside you...?

Frühlingswetter und Kannibalismus in der Schule, über all' sowas könnte ich gerade schreiben, aber das muss bis zum post scriptum warten. Zumindest der Kannibalismus; wer schönes Wetter haben will, soll einfach rausgehen. Heute geht es mir um den Film, den ich gestern gesehen habe, und den ich faszinierend fand - nicht nur wegen seines komischen Namens Berberian Sound Studio (2012) [im Folgenden als BSS abgekürzt].

Der Film ist unbekannt, und dagegen möchte ich angehen. Ich habe mir tatsächlich die Mühe gemacht, an eine Bluray heranzukommen. Mit deutscher Tonspur gibt es die nicht, und das ist auch gut so, weil ein großer Teil des Effektes des Films - keine große Überraschung - vom Sound abhängt. Dieser Text wird soweit wie möglich spoilerfrei gehalten. Das ist nicht so schwer, da es in BSS keine Twists gibt, sondern "nur" eine konsequente Beobachtung eines allmählichen Nervenzusammenbruchs.

Das erinnert nicht ohne Grund an Roman Polanskis Repulsion (1965); beide Filme sind psychologische Horrorfilme bzw. Thriller, in denen sich der Schrecken im Kopf der Hauptfigur und im Kopf des Zuschauers abspielt. Nicht umsonst hat BSS in Deutschland eine Freigabe ab zwölf Jahren erhalten - trotz Szenen, in denen einer Frau die Haare ausgerissen werden, eine Frau mehrfach erstochen wird und einer weiteren Frau ein glühendes Eisen in die Vagina eingeführt wird.

Mittels eines ganz einfachen Tricks bekommen wir davon kaum etwas mit, und dieser Trick zieht sich als Stilmittel durch den gesamten Film - bedingt durch den Plot: Ein britischer Tontechniker, der sich bisher auf Naturdokumentationen spezialisiert hatte, reist zu einem neuen Arbeitsauftrag gegen Ende der Siebziger-Jahre nach Italien, um dort den Ton für einen neuen Film abzumischen. Was er vorher nicht weiß: Er soll für ein ihm unbekanntes Filmgenre tätig sein, den sogenannten Giallo.

Kurz gesagt: Gialli sind italienische Horrorfilme, die in den Siebzigern und Achtzigern extrem populär waren, mit Regisseuren wie Dario Argento, Mario Bava, Lucio Fulci und vielen weiteren. Ich mag sie sehr. Diese Filme versuchten, sich als Kunstobjekte zu positionieren, mit einem besonderen Fokus auf Sex und Nacktheit und auf intensive Szenen grafischer Gewalt.

Davon hat der Tontechniker Gilderoy, der nun die Arbeit im Berberian Sound Studio aufnimmt, vorher noch nie gehört. Während er jahrelang friedliche Naturaufnahmen mit Ton unterlegen musste, das Plätschern des Wassers, das Rauschen des Windes, so geht es nun um Schmerzensschreie, um Klingen, die durch Fleisch schneiden, um Haut, die verbrannt wird und Körperteile, die ausgerissen werden.

Anfangs verstört, später schockiert es ihn und er beginnt, den Bezug zu seinen friedlichen Werten zu verlieren (symbolisiert durch regelmäßige Briefe seiner Mutter, die von den niedlichen Vogelküken zuhause berichtet, die im Baum nisten). Nach und nach entgleitet ihm der Halt in der Realität, er wird überfordert von den Sound-Eigenarten des Giallo (sämtliche Dialoge werden zum Beispiel erst nachher eingesprochen; am Set spricht jeder in seiner Muttersprache), von der Sprachbarriere, der italienischen Arbeitsethik und er muss sich allmählich der Frage stellen, ob er diesem Sumpf, in dem er zu versinken scheint, noch entkommen kann - oder möchte.

Das erinnert an die Franzosin Carole, die in Polanskis Film Jahrzehnte zuvor von ihren eigenen Ekelgefühlen überwältigt wird, und ist ähnlich subtil und konsequent filmisch umgesetzt. Warum ist dieses wirklich gute psychologische Profil so unbekannt? Sicherlich, weil es keine Mainstream-Elemente gibt, dazu ist der Film zur Hälfte in Englisch und Italienisch und mit Untertiteln versehen (und das muss auch so sein, aus Gründen, auf die ich hier nicht näher eingehen werde), außerdem fließt trotz der Gewaltszenen kein Tropfen Blut:

So wie wir in Filmen normalerweise die Kameraperspektive einnehmen - wir sehen die Handlung, sehen aber nicht das Regieteam, die Mikros, Gaffer, Mitarbeiter usw., so invertiert BSS das Konzept und zeigt uns ausschließlich das Tonstudio. Wir sehen konsequent die Reaktionen der Figuren auf das, was in dem blutrünstigen Film gezeigt wird, und das ist zugleich genial und zielführend, weil es um die Frage geht, was dieser Gewaltfilm mit Gilderoy anstellt. Wir sehen keine einzige explizite Gewaltszene - malen uns aber gleichzeitig im Kopf aus, was wohl gerade auf der Leinwand passieren mag, während der Tontechniker eine Melone nach und nach zermatscht.

Durch die Nutzung der subjektiven Kamera fällt es dem Zuschauer im letzten Akt selbst nicht mehr leicht auszumachen, was Realität und was Wahn oder Traum ist. Die Schlussszene des Films ist konsequent und logisch, auch wenn sie für manche Zuschauer vielleicht nicht sofort zu verstehen ist. Wer den Film sehen möchte, kann ihn bei Amazon prime finden - gegen eine geringe Ausleihgebühr - mit genau dieser Konfiguration: Originalton in Englisch und Italienisch, deutsche Untertitel. Angenehm, psychologisch, spannend und eine tolle, liebevolle Hommage an die italienischen Gialli aus den Siebzigern. Und für Filmfreaks, die sich tatsächlich dafür interessieren, wie Tonarbeit an einem Film wohl aussieht, ist der Film sowieso wärmstens zu empfehlen - da sieht man zum Beispiel, wie diese "Flatsch"-Geräusche erzeugt werden, wenn im Film eine Klinge in Fleisch eindringt: Im Soundstudio sticht jemand mit einem Messer auf Kohlköpfe ein. Diese Methode (im Englischen als Foley work bezeichnet) war damals Gang und Gäbe und wird auch heute noch verwendet. Umso spitzfindiger, dass die Tontechniker in der Nachbearbeitung des Films Berberian Sound Studio die Kohlkopfszene intoniert haben, indem sie mit Küchenmessern auf Fleischstücke eingestochen haben.

post scriptum: Nun, wie versprochen, Kannibalismus in der Schule, ja, das war eine wunderhübsche Stilblüte. Aufgabe lautete "Write a comment on the decision to go to Prague for a field trip." Eines der Argumente lautete "Also you can eat well and cheaply in Prague. For example, there are really tasty citizens at reasonable prices." Na, habt Ihr eine Idee, wie der Verfasser auf diesen kannibalistischen Kommentar gekommen ist? Antworten gerne in den Kommentaren posten!

Donnerstag, 14. Februar 2019

"Anders im Kopf."


vorweg: Ich knüpfe mit diesem Beitrag an den gestrigen an, mit einem winzig kleinen schlechten Gewissen, dass ich den Verfasser des für mich hilfreichsten Kommentars nicht im Beitrag verlinkt hatte. Danke nochmal!

"Tut mir leid, Klaus, ich muss dir die drei Filme zurückgeben. Ist echt total nett, dass du sie mir ausgeliehen hast, aber ich komme im Moment einfach nicht dazu, sie zu schauen." - "Oh, hast du so wenig Zeit? Möchtest du sie noch eine Woche länger behalten?" - "Nein. Zeit ist nicht das Problem. Ich kann nur im Moment keine Komödien gebrauchen, ich bin gerade voll auf dem Mindfuck-Trip." - "Aber wird dir das nicht langweilig? Wenn du so viele dieser Filme schaust, dann durchblickst du doch sofort, wie der Hase läuft." Ob mir das langweilig wird? Nein, kann ich ganz ehrlich nicht sagen: Wenn mir etwas gefällt, kann ich mich stunden- und tagelang damit beschäftigen und noch länger. Das wird mir nicht so schnell langweilig. Und wie kann ich Klaus das am besten erklären? Denn der versteht echt nicht, warum ich das mache.

Genauso, wie ich von Kollegen in munterer Regelmäßigkeit zu hören bekomme: "Warum machst du das denn so herum? Das ist doch viel umständlicher! Ich würde das so und so machen..." - und das höre ich nicht nur von Kollegen, das höre ich mein Leben lang. Immer wieder stößt mein Verhalten auf Verwirrung. Ich habe bisher gern versucht, das mit "Hochbegabung." zu erklären, und habe fast ausschließlich missbilligende Blicke, Kommentare und was weiß ich dafür bekommen. Hochbegabung ist doch was Tolles, kann ja gar nicht sein, dass sowas eine Behinderung ist. Ich kann es den Menschen noch nicht einmal übelnehmen: Hochbegabung klingt einfach toll!

Nun, vielleicht sollte ich den Begriff dann nicht mehr benutzen. Ich versuche, im Alltagsgebrauch nicht mehr darauf zu sprechen zu kommen, und oft geht das auch gut, aber irgendwann fällt dann doch auf, dass ich manche Dinge wesentlich anders mache als Otto Normalbürger. Dann kommen wieder die verständnislosen Fragen, und mir ist heute ein Gedanke durch den Kopf geschossen, den ich tatsächlich einmal verfolgen möchte, denn es geht um eine neue Antwort auf diese ganzen "Warum...?"-Fragen: "Naja, ich bin ein bisschen anders im Kopf."

Ich könnte mir vorstellen, dass ich dann eher Verständnis bekomme. Und wenn jemand dann nachfragt und wissen möchte, was genau anders ist, dann sage ich, dass ich darüber nicht reden möchte. Gar nicht erst den Begriff Hochbegabung in's Spiel bringen, gar nicht erst vorbelastete Klischees auf den Tisch bringen. Sondern lieber gleich suggerieren, dass ich eine geistige Behinderung habe. Wenn sie es denn unbedingt wissen wollen, warum ich mich oft so komisch verhalte.

Ich möchte das einfach mal ausprobieren. Ich werde zu gegebener Zeit hier berichten, welche Reaktionen das hervorruft.

Ich bin halt ein bisschen anders im Kopf.

nachweg: Ich habe heute einen tollen Film gesehen, der leider viel zu unbekannt ist, und ich freue mich schon darauf, ihm einen Blogeintrag zu widmen - vielleicht sogar den nächsten!

Mittwoch, 13. Februar 2019

"Gewissheit - und was bringt dir das?"


Ich könnte mir vorstellen, dass es vielen Hochbegabten so geht: Irgendwann möchte man einen Intelligenztest machen, damit man es schwarz auf weiß hat. Wenn ich Kollegen davon erzähle, oder überhaupt irgendwelchen Mitmenschen, dann bekomme ich eine Reaktion besonders häufig: "Und was bringt dir das dann, wenn du weißt, ob du hochbegabt bist? Da ändert sich doch nichts für dich, deine Intelligenz wird dadurch nicht höher oder niedriger. Wird nach diesem Test irgendwas bei dir anders?"

Erste Reaktion, impulsiv und blöd - ich fasse das als Angriff auf. Ich habe ja sowieso den Eindruck, dass viele Menschen nicht gern über das Thema Hochbegabung sprechen. Vielleicht, weil sie sich dann herabgesetzt fühlen? Jedenfalls hat man sich bisher in jedem Kollegium über mich das Maul zerrissen. Aber dass ich arrogant und überheblich wirke, das hat mir ja schon meine erste Schulleitung expressis verbis mitgeteilt. "Was bringt dir das?" klingt wie "Völlig unnötig, willst du dich selbst beweihräuchern?" Wie gesagt, impulsiv und blöd.

Zweite Reaktion - ich nehme die Frage ernst, denn da ist ja Einiges dran: Wenn ich tatsächlich hochbegabt bin, dann wird sich an diesem Zustand nichts ändern durch eine dreistellige Zahl in einem Gutachten. Warum also möchte ich die Gewissheit haben? Was möchte ich damit bewirken? Ist das wirklich völlig unnötig? Was ändert sich für mich und mein Leben, wenn ich wissenschaftlich positiv auf Hochbegabung getestet worden bin?

Es gibt mir Ruhe.

Es nimmt mir die vielen Jahre Selbstvorwürfe - "Du benimmst dich vollkommen komisch, schau mal die anderen Menschen an, du bist ein komisches Kind." - "Na toll, und schon wieder stichst du aus der Masse heraus." - "Bist du einfach zu blöd, dich anzupassen?"

Als hätte ich es in der Hand gehabt. Als hätte ich den Umstand bewirkt, dass ich aus der Masse heraussteche, dass ich irgendwie anders bin. Als hätte ich jahrelang die Möglichkeit gehabt, normal zu sein und war einfach nur zu blöd dazu. Ich weiß nicht, wie es anderen HBs da draußen geht, aber ich habe mir oft Vorwürfe gemacht - dass ich alles falsch mache. Ich habe mich selbst dadurch kleingeredet. Ich habe auf Krampf versucht, kein Streber zu sein, und auf Krampf habe ich versucht, mir selbst einzureden, dass ich ja vollkommen normal bin. Jahrelang. Jahrzehntelang.

Dieses Gutachten, dieses Testergebnis würde mir die Gewissheit geben, dass ich nichts falsch gemacht habe. Dass ich ein freak of nature bin, so wie etwa zwei bis drei Prozent der Bevölkerung. Dass ich nichts dafür kann. Dass die Natur mich so konfiguriert hat. Dass es nicht meine Schuld ist. Und dass ich OK bin, so wie ich bin.

Ich weiß nicht, ob man das nachvollziehen kann. Dieses Gefühl der Erleichterung, wenn all' diese Selbstzweifel abfallen. Ich hatte das damals, vor fünf Jahren, in einem Pädagogikmodul bei Biethahn (Besondere Lernausgangslagen), dass es mir wie Schuppen von den Augen gefallen ist. Ich fühle mich seitdem freier, richtiger in dieser Welt. Dieses Gefühl kann ich nicht mit Geld aufwiegen.

Das ändert sich, wenn ich die Gewissheit habe.

Dienstag, 12. Februar 2019

Gestatten? Vonovia.


Schon vor einer Weile hat der Vermieter unseres Hauses gewechselt von privat zu Vonovia. Meine erste Reaktion: "Wann kommt wohl die erste Mieterhöhung?" Sannitanics erste Reaktion: "Mieterhöhung dürfte dein geringstes Problem sein." Recht hat sie.

Der erste Auftritt des Unternehmens in unserem Haus sah so aus, dass plötzlich ein Putzplan im Eingangsflur hing. Das ist an sich nichts Ungewöhnliches, und der Plan besagt, dass abwechselnd die Wohnungen "links" und "rechts" Flurwoche haben. Wer auch immer das da aufgehängt hat, hätte nur eine Treppe hinaufgehen müssen, um zu sehen, dass in unserem Haus drei Wohnungen pro Etage existieren - ich wohne Mitte. Da frage ich mich doch, ob sich das Unternehmen auch nur im Geringsten für dieses Objekt interessiert. Ein heute eingeflogener Brief macht mir die Antwort recht harsch deutlich: Nein.

Post von den Stadtwerken ist immer ein zweischneidiges Schwert. Gut, wenn man einen Teil der Vorauszahlungen für Strom und Konsorten zurückbekommt - schlecht, wenn man eine gewaltige Nachzahlung tätigen muss. Wenn ich aber den Stadtwerke-Brief öffne und mir als erstes der fettgedruckte Begriff Forderungsmanagement in's Auge springt, dann ist das kein gutes Signal. Der Brief ist an alle Bewohner des Hauses adressiert, immerhin, diesmal habe ich es nicht verbockt.

"Sehr geehrte Damen und Herren,

leider hat Ihre Hausverwaltung ihre vertraglichen Pflichten für die allgemeine Strom-, Wasser- und Wärmeversorgung nicht erfüllt."

Machen wir es kurz: Wenn das nicht fix geklärt wird, habe ich ab letzter Februarwoche kein Wasser mehr. Ich könnte nun natürlich panisch werden - Hochbegabte können das unglaublich gut - oder ich lege den Zettel erstmal zur Seite, bringe morgen den Schultag rum und besuche dann die Mädels unten im Haus, meine Friseusen. Ich könnte mir vorstellen, dass jemand Anderes sich bereits darum kümmert - wofür ich dankbar wäre, denn ich hasse Bürokratie.

Sorry, aber das ist echt mal ein schlechter Einstand für Vonovia, und das überrascht auch nicht wirklich. Wer durch Gaarden bummelt, findet an fast jedem Lampenpfahl Aufkleber, die gegen Vonovia hetzen. Klasse! Mal schauen, was daraus noch so wird...

Sonntag, 10. Februar 2019

( m / w / d )


"Wir suchen Dich (m/w/d) als Filialleiter!"

Ich hänge ja gerne ordentlich hinterher, was gesellschaftliche Veränderungen angeht. Was, Schwule dürfen heiraten? Gar nicht mitbekommen! Und so sortiere ich bei LIDL meine Dosensuppe und die Trullinudeln hinter der Kasse in meine Einkaufstasche ein und blicke auf den Bewerbungsaufruf. Klasse, jetzt können sich junge Männer und Frauen... und... d??? Deutsche? Dicke? An WEN geht dieser Aufruf?

Ich musste tatsächlich googeln, wie peinlich. Immerhin weiß ich nun, dass es alternative Formen gibt, neben m/w/d existieren auch m/w/gn, m/w/inter, m/w/x. Das D steht für divers, und das ist großartig und eigentlich war das auch längst überfällig, dass das in unseren Alltag eingeht. Gegen Diskriminierung und Versteckenmüssen für alle Menschen, die D sind. Aber natürlich kommen auch hier wieder die Unkenrufe, die sagen, dass es doch nun wirklich wichtigere Probleme in unserer Gesellschaft gibt, als Rücksicht auf so eine Minderheit.

Ja, es gibt definitiv wichtigere Probleme - zum Beispiel die Scheinheiligkeit oder mangelnde Akzeptanz der Urheber dieser Unkenrufe. Ich finde das extrem unangenehm, gehört für mich in die Kategorie AfD-Mitglieder, die sich beschweren, dass ihre Meinungsfreiheit eingeschränkt wird. Und es gibt auch andere wichtigere Probleme, das ist unbestritten - aber deswegen sollte man eine Kleinigkeit wie Rücksichtnahme auf die Geschlechtervielfalt nicht vollkommen ignorieren. Gilt auch für einen Björn Höcke, der gegen den Genderwahnsinn wettert.

Samstag, 9. Februar 2019

Korrektursport

So, liebe Kinderchen, jetzt schauen wir mal, wie scheiße Klaus' Text geworden ist...

Es geht um eine Unterrichtsmethode, also seid Ihr herzlich eingeladen, passende Kommentare zu hinterlassen.

Ich habe die Beobachtung gemacht, dass der Anspruch im Fach Englisch nach dem ESA und MSA doch deutlich anzieht. Bis dahin reicht es vollkommen aus, wenn die Schüler Lückentexte ausfüllen können, Verben konjugieren und Ankreuzfragen zu Texten hinter sich bringen. Die größte Herausforderung stellt bereits da die Textproduktion dar, in der sie oft eine kurze Email schreiben sollen, in der sie einem Freund vom letzten Urlaub berichten, oder etwas ähnlich "Anspruchsvolles".

Aus irgendeinem Grund hassen es die Schüler, englische Texte zu schreiben. Da muss man ja englische Wortstellung lernen, und da muss man ja Grammatik anwenden und niemand sagt einem, welche Formen man einsetzen muss, und wo überhaupt. Nicht wenige verfallen dann in eine Art Schockstarre und schreiben, quasi als stream of German consciousness ihre Gedanken direkt aus dem Kopf auf das Papier, in deutscher Wortstellung, ohne Punkt und Komma, jedes Wort einzeln direkt in's Englische übersetzt. Und im MSA reicht das erstaunlich oft bereits wunderbar aus.

In St.Peter-Ording hatte ich Schüler, die echte Panik vor der englischen Textproduktion hatten, fast noch mehr als vor dem Englischreden - und wer schon einmal Haupt- und Realschüler unterrichtet hat, weiß, was für eine Herausforderung das darstellen kann. Mit Fünferkandidaten eine mündliche Englisch-ESA-Prüfung zu überstehen kann zur Tortur für alle Beteiligten werden.

Ich habe mich gefragt, wie ich ihnen die Angst vor dem Schreiben nehmen kann. Und selbst wenn sie etwas geschrieben hatten, hat sich niemand getraut, das vorzulesen oder abzugeben. Lernwert gleich null. Also habe ich es mit einer anderen Methode versucht, die ich seitdem immer wieder in Klassen anwende, um das Eis zu brechen - um die erste Angst vor englischer Textproduktion zu nehmen, auch wenn die ersten Hemmnisse sehr hoch sind.

Die Schüler bekommen eine Schreibaufgabe, möglichst einfach, muss auch nicht lang sein. Ich sage ihnen direkt an, dass sie auf dem Zettel links und rechts einen Rand lassen sollen (die meisten Zettel haben das heute praktischerweise). Ich sage ihnen die Zeitvorgabe und sage ihnen direkt, dass ich am Ende gern einen der Texte einsammeln würde. Ich erkläre ihnen, dass ich ihn für alle kopieren möchte, und dann spielen wir alle mit diesem Text Lehrer und suchen Fehler heraus - damit wir alle daraus etwas lernen können. Was ich ihnen nicht sage: Bei dem ersten Durchlauf schreibe ich sebst ebenfalls einen Text, und schreibe ihn möglichst fehlerhaft, mit klassischen Schülerfehlern im sprachlichen Bereich.

Am Anfang traut sich meistens niemand, seinen Text abzugeben - also sage ich, dass ich dann einfach meinen Text nehme, denn ich habe auch einen geschrieben und die Schüler dürfen mich dann gern in der Luft zerfetzen und alles rot anstreichen, was falsch ist. Ich lasse die Schüler kurz allein, sprinte in den Kopierraum, füge dem Text Zeilenangaben hinzu, fertige eine Kopie für jeden an und dann geht es los: Ein paar Minuten Korrekturzeit verstreichen, und dann schauen wir mal, was Dr Hilarius alles falsch gemacht hat. Das ist meistens ganz witzig, und Lachen hilft, die Angst vor so etwas zu nehmen.

Diese Methode ist äußerst fragwürdig: Hierbei entsteht bei Schülern die Angst, vor der Klasse vorgeführt zu werden, weil ihr Text besonders fehlerhaft sein könnte, und deswegen möchte vielleicht niemand abgeben. Deswegen muss ich es irgendwie schaffen, eine Basis von Vertrauen und Spaß in der Klasse zu erzeugen. Damit wir alle etwas aus den gemachten Fehlern lernen können. Dazu gehört auch, dass ich den Schülern klarmache: Wer seinen Text zur Klassenkorrektur abgibt, bekommt auf jeden Fall ein Plus, auch wenn der Text noch so fehlerhaft ist. Und ein Lernplus haben wir am Ende alle.

In manchen Klassen hat es nicht geklappt, das durchzuziehen, zugegeben. Aber dennoch glaube ich an die Sinnhaftigkeit dieser Methode und mache das auch weiter so, manchmal mit kleinen Belohnungen zusätzlich. Ich möchte die Angst vor Korekuren nehmen, ich möchte, dass die Schüler sehen, wie ich als Lehrer solche Texte korrigiere. Was wichtig ist. Was man machen darf. Und dass ein paar Fehler vollkommen in Ordnung sind.

Und warum nenne ich diesen Beitrag Korrektursport? Weil ich, seitdem ich diese Methode durchführe, oft im Unterricht aus dem Klassenraum gehe und einmal durch mehrere Gebäudeflügel laufen muss, bevor ich am Kopierraum ankomme, und wieder zurücklaufen muss. Manchmal bringt mich das richtig aus der Puste, aber irgendwie macht das Spaß und ich werde das wohl auch weiterhin ausprobieren.

post scriptum: Wer wirklich intelligente Filme sehen möchte, der sollte warten, was Shane Carruth als Nächstes raushaut. Ein genialer Kopf; sein erster Film war "Primer" (2004), ist in der Mindfuck-Liste, und heute habe ich seinen zweiten Film gesehen - "Upstream Color" (2013). Hochanspruchsvoll, das Gehirn rattert die ganze Zeit mit, aber es ist ein echter Filmgenuss.

Mittwoch, 6. Februar 2019

Beckenknochen

Ich fand sowas tatsächlich mal schön...

Es gab eine Phase in meinem Leben, in der ich fünfundzwanzig Kilo abgenommen habe, in gut einem halben Jahr. Das war mein Einstieg in's Studium; in meiner Jugend war ich eher dick, weil ich Süßes geliebt habe (immer noch, by the way, während ich hier schreibe, genieße ich ein kleines Stück Confiserieware), und irgendwann kam dieser Moment, in dem ich in den Spiegel geschaut habe und die Nase voll hatte. Von mir selbst. Ich fand diesen Körper einfach nur ekelhaft, ich wollte mit dem Beginn des Studiums eine ganze Menge anders machen.

Das hat funktioniert. Meine Mahlzeiten hatten sich fast komplett auf Nudeln reduziert, dazu zweimal am Tag Bergsteigen - ich wohnte im fünfzehnten Stock und es war ein irres Erlebnis, das Treppenhaus bis ganz nach oben zu benutzen. Das hat mir mehr gegeben als die Fahrten mit dem Fahrstuhl. Und dann habe ich beobachtet, wie die Pfunde purzelten, toll, immer weiter. Ich war so froh, diesen fetten Körper loszuwerden, dass ich beim Abnehmen kein Maß mehr kannte - bis ich schließlich achtundsiebzig Kilo wog. Auf eins sechsundneunzig ist das wirklich sehr wenig.

Aber ich fand es irgendwie schön, dass ich auf einmal meine Bauchmuskeln erkennen konnte, und noch viel mehr mochte ich es, die Hüftknochen hervortreten zu sehen. Auch wenn mir schon damals mehrere Menschen gesagt haben, ich sei ein magersüchtiges Frettchen oder ein Hungerhaken, so fand ich das tatsächlich schön; zahlreiche Fotos zeugen heute davon.

Mittlerweile denke ich ein wenig anders. Mittlerweile möchte ich kein abgemagertes Klappergestell mehr sein, und das ist mir eben deutlich vor Augen geführt worden, als ich mir The Machinist (2004) angeschaut habe. Christian Bale hat für diesen Film dreißig Kilo abgenommen, und die Kamera hält gnadenlos drauf. Zu sehen, wie die Haut über die Knochen gleitet... oder wenn er im Film rennen soll, ich mir aber Angst mache, ob er das übersteht... nun, immerhin kann ich jetzt ein wenig besser verstehen, warum recht viele Menschen diesen spindeldürren Zustand nicht für schön erachten.

Dienstag, 5. Februar 2019

Oh. Kaputt!

Oh hoppala... a.k.a. Huchherrje!

Ist mir das unangenehm. Da habe ich extra um Eure Meinung gebeten, im Schuleschwänzen-Beitrag von Sonntag, und dann nicht auf Kommentare reagiert. Sorry, hole ich direkt nach. Momentan ist einfach so viel kaputt, das nervt. Das ging los mit meinem Rechner, der Sonntagnacht komplett abgewrackt ist. Wäre jetzt nicht ganz so schlimm, wenn auf der Festplatte nicht die Aufgabenvorschläge für die Abiturklausuren gelegen hätten, und ich habe natürlich keine Sicherungskopien angefertigt. Rechner kaputt, Klausuren im Eimer, Nerven kaputt.

Es ist nämlich eine ordentliche Arbeit, die Klausuren so zu entwerfen, dass sie vom MBK genehmigt werden. Schriftart und Größe vorgegeben. Formulierungen vorgegeben. Gewichtung der Aufgaben vorgegeben. Themen vorgegeben. Alle Abstände müssen stimmen, die Seitenzahl muss stimmen. Wortzahl der Aufgabentexte vorgegeben. Dauer der Hörverstehensaufgaben vorgegeben (wehe, wenn fünfhundertfünfzig Wörter länger als fünf Minuten dauern!) - ich war so happy, wenigstens einen der Vorschläge schonmal fertig gehabt zu haben. Damit war dann die Nacht im Eimer und den halben Montag habe ich damit verbracht, die Klausuren neu zusammenzuklöppeln. Nase voll.

Ob morgen wenigstens alles heil bleibt?

Sonntag, 3. Februar 2019

Fridays for Future = Schuleschwänzen?

Nimmt kein Blatt vor den Mund: Greta Thunberg

Haben sie bei Euch auch schon gefehlt? Habt Ihr Freitags im Unterricht höhere Fehlzeiten als sonst? Weil Schüler auf die Straße gehen, mittlerweile weltweit, in einer wachsenden Bewegung für den Klimaschutz, die unter anderem unter dem Namen Fridays for Future bekannt geworden ist und deren leitendes Geicht die sechzehnjährige Greta Thunberg ist? Und selbst, wenn in Eurem Unterricht keine Schüler deswegen fehlen, ist es doch fast unmöglich, an dem Thema vorbeizukommen, da es die Nachrichten wie eine hochviskose Flüssigkeit ständig und überall durchwabert.

In meinen Klassen an der Berufsschule fehlen freitags immer ein paar Schüler mehr als sonst. Ich bin mir sehr sicher, dass - wenn überhaupt - nur ein kleiner Teil der zusätzlich Fehlenden für das Klima auf die Straße geht. Ich weiß aber auch, dass einige Schüler sich tatsächlich dafür einsetzen - zum Beispiel die, die immer eine Dose zum Kiosk mitnehmen, anstatt sich das Essen jedesmal in Plastik- und Papiertüten mitzugeben. Ich kann beobachten, dass einige meiner Schüler authentisch besorgt sind um die Zukunft der Erde. Einige wenige.

Und dann haut Donald Drumpf Sprüche raus: Die Kältewelle in den USA sei unerträglich, wo sei denn der groß beklagte Klimawandel, wo sei die globale Erderwärmung, wenn man sie mal brauche? Für ihn alles ein hoax, von den Chinesen erfunden, gibt es nicht. Knapp zwei Jahre noch, dann... ehrlich gesagt fürchte ich, dass er in zwei Jahren wiedergewählt werden könnte. Weil er den Massen leicht verdauliche Botschaften serviert. Das wollen viele hören.

Doch zurück zu den Schülern. Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien beklagt sich darüber, dass Schüler zu diesen Demonstrationen gehen. Das sei unentschuldigtes Fehlen, besser bekannt als Schulschwänzen. Es könne nicht sein, dass wertvolle Unterrichtszeit verloren geht, wenn diese Demonstrationen nicht sinnvoll in den Unterricht eingebunden werden. Und vor allem nicht jede Woche wieder; sie steht damit nicht allein da, mehrere Bildungsministerien schließen sich an. Schulpflicht ist das Zauberwort.

Und nun geht es mir um Eure Meinung. Es ist etwas dran an dem, was Prien sagt. Gleichzeitigt sagt mein Herz mir, dass die Schüler für ihre Zukunft auf die Straße gehen sollen. Ich weiß, dass es bei mir nur einen Teil der fehlenden Schüler ausmacht - viele schwänzen einfach so. Das tun sie aber auch an den anderen Tagen. Und was ist nicht verstehe, ist die Haltung, die mir von Seiten Priens entgegenschimmert:

Es dürfe kein wertvoller Unterricht ausfallen. Die Inhalte, wie sollen die in der restlichen Zeit vollumfänglich weitergegeben werden? Lehrplan über Allem! Gleichzeitig findet sie - wie auch Kaliczek und alles, was mit aktiver Bildungspolitik zu tun hat, keine Möglichkeit, eine hundertprozentige Unterrichtsversorgung durch mehr Lehrkräfte in kleineren Lerngruppen zu gewährleisten. Da geht es dann halt wieder nicht, weil keine Gelder zur Verfügung stehen, oder so.

Wie seht Ihr das?

Ich jedenfalls hoffe, dass die FfF-Demonstrationen noch größer werden, mehr Länder erreichen, dass mehr Schüler Gesicht zeigen und vielleicht irgendwann etwas bewegen können, damit keine Demos mehr nötig sind. Damit es keine Ausrede mehr zum unentschuldigten Schulschwänzen gibt. Ich bin im Studium in mehreren Demos auf die Straße gegangen, egal ob wir vierhundert Studenten waren, oder tausend, oder vierzehntausend (damals gegen die Schließung der medizinischen Fakultät in Lübeck). Und ich werde niemandem raten, seinen Mund zu halten. Sowas macht mich immer wieder unruhig - genau wie wenn mir jemand den Ratschlag gibt, ich solle meinen Mund halten und besser nicht über das Thema Hochbegabung reden, weil das nur für Unmut sorgt. Denn so etwas trägt zur Stigmatisierung bei.

Ich verstehe beide Seiten. Die Schüler und Karin Prien. Stehe aber selbst auf der Seite der Schüler (vorausgesetzt, dass sie die verpassten Inhalte nachholen, was sie bei mir nicht tun - aber das tun sie auch nicht, wenn sie sonst im Unterricht fehlen, da muss konzeptionell etwas geändert werden).

Und Ihr?

Samstag, 2. Februar 2019

Discoklo

Farbe frei wählbar!

Ich könnte jetzt eigentlich... nein, ich sollte jetzt eigentlich meine Mutter anrufen, oder einen Videogruß für sie aufnehmen, weil sie heute Geburtstag hat. Und außerdem sollte ich jetzt eigentlich einen Videogruß aufnehmen für Klaus (nein, das ist nicht ihr richtiger Name) und Princess Atardy (nein, das ist nicht sein richtiger Name), aber das muss auch warten, weil ich mal wieder nicht gegen mein Gehirn ankomme, das gerade vollkommen fasziniert von bunten Lichtern ist. Im Klo. Ja, im Klo.

Dass ich Beleuchtungsspielereien liebe, habe ich hier ja schon breitgetreten - was tut man nicht alles für eine spannende, interessante Atmosphäre in der eigenen Wohnung, je nach Anlass. Und der Anlass kann zum Beispiel ein schönes, entspannendes Bad sein, angestrahlt von Stimmungslicht und der Zeitanzeige meiner Waschmaschine (die ein eigenes Bewusstsein besitzt, glaube ich). Aber natürlich kann man in einem von Grund auf weißen Badezimmer noch viel mehr herumleuchten, und so wurde meine Garnison an Stimmungsspendern heute aufgerüstet durch ein WC-Nachtlicht.

Ja, sowas gibt es. Ich habe erst gedacht, ich hätte mich verlesen, aber es ist tatsächlich so. Bei Rossmann in der Allerlei-Abteilung hing dieses Gerät herum, das mit einem Bewegungsmelder ausgerüstet ist, einer warmweißen Leuchte für den Fußboden des Badezimmers und einer farbigen LED-Leuchte für das Innere der Kloschüssel. Irgendwie klingt das, als wäre die Idee direkt aus Japan importiert worden, und ich könnte mir vorstellen, dass die große Buba die Idee jetzt schon witzig findet. Scheinbar stehen wir auf solche Gadgets, die eigentlich kein Mensch braucht, die aber das Leben etwas faszinierender gestalten können.

Ich habe eine Discoleuchte im Eingangsbereich, Ethnolicht in den Wohnbereichen, Bewegungsmelder in der Abstellkammer, Unterwasserlicht für die Badewanne, Unterbaulicht für das TV-Lowboard, Schwarzlicht für den Schlafbereich und eine Laserlampe für die Couch - und dabei habe ich noch nicht einmal alles aufgebaut, was mein Licht-Vorratsschrank so hergeben würde. Wie albern - und wie drollig! Wenn ich nachts in's Bad gehe, werde ich von einem leuchtenden Klo begrüßt. Und die große Buba spült eine Runde extra.

WTF?!

Aber, einmal ganz sachlich betrachtet: Das Licht hat für mich tatsächlich einen Nutzen, und zwar nach der Meditation. Ich wache auf und kehre möglichst langsam in die Realität zurück. Die Wohnung ist komplett finster, nur die Projektoruhr oben rechts leuchtet (das war eine sinnvolle Anschaffung), und ich möchte kein helles Licht einschalten, weil meine Augen mit der Dunkelheit in dem Moment gut klarkommen. Zu helles Licht ist anstregend, unangenehm, und macht den Afterglow der Meditation kaputt. Deswegen lasse ich in den ersten Minuten nach der Meditation alle Lichter aus, wenn ich durch die Wohnung gehe, und dann könnte es ganz praktisch sein, in das dunkle Bad zu gehen und nur diesen schwachen Lichtschein vom Discoklo zu haben. Wird einfach mal ausprobiert. 

post scriptum: Ich muss den heutigen Flm erwähnen. Ich mag Horrorfilme, aber bin mittlerweile übersättigt mit den Standardformeln, Haunted House, Slasher, Zombies. Da kommt sehr erfrischend "Under the Shadow" (2016) daher. Eigentlich auch Haunted House, aber mal ganz anders, denn der Film spielt in Teheran während des Iran-Irak-Krieges, und wir, die wir gern unsere Aufmerksamkeit weglenken vom Krieg in der Welt, bekommen da einen guten Einblick serviert, wie das Leben im Krieg sein kann. Einen sehr guten Einblick sogar; neunundneunzig Prozent der Rezensionen auf rottentomatoes.com sind positiv, vollkommen zu recht. Hat mich dazu verleitet, mir heute endlich mal einen Account bei "Netflix" zuzulegen, auf diese Weise konnte ich den Film in persischer Originalsprache genießen. Ich realisiere, dass mir die Originalsprache, bzw. die originale Tonspur sehr wichtig ist. Ich liebe Sprachen.

Freitag, 1. Februar 2019

Handtuch abgebrochen

Kuschelweich war gestern!

Die große Buba weiß, worauf der Titel des Beitrags anspielt, und wer sich das hier durchliest, wird es auch wissen - es ist nur ein Abschnitt des heutigen Wochenrückblicks.

Die Ecke

Meine Wohnung ist klein, also muss ich kreativ werden, wenn ich mehr Stauraum schaffen will. In meiner Couch finden sich Decken und ein Tritt, in den Sitzwürfeln (Danke, Sanni!) Elektronik, und gerade meine Arbeitsfläche in der Küche ist eigentlich immer belegt. Sachen, die wegzuräumen ich zu faul war, Kram, und dann gehe ich heute zufällig an einem kleinen Küchenregal vorbei, billig, Glas, zwei Etagen und wunderschöne Winkel, das liebe ich ja. Also habe ich meine Küche etwas erweitert, und jetzt ist die Arbeitsfläche tatsächlich wieder frei.


Neuerungen

Fünf Jahre wohne ich jetzt hier im dritten Stock, und pünktlich macht der sky unten dicht. Nicht ganz; wir haben ja alle mitbekommen, wie sky von Rewe übernommen wurde, und das hat auch den Supermarkt direkt unten vor meiner Haustür betroffen. Knapp zwei Wochen wurde umgebaut, und ich muss zugeben, das Ergebnis ist toll. Der Laden wirkt viel größer, heller, offener. Mich würde mal interessieren, ob der Wandel Auswirkungen auf die Angestellten hat.

Brownieflut

Ich habe in dieser Woche zwei Bleche Brownies gebacken - aber selbst nichts davon gegessen. Die waren für zwei Lerngruppen, weil ich die Rückgabe der Klausuren so lange verpeilt hatte. Ich habe vor sieben Jahren damit angefangen, diese Entschädigung einzusetzen, als kleine Hilfe für mich, damit ich an zügige Korrekturen denke. Sieben Jahre später gibt es immer noch blecheweise Brownies. Zeigt mir, wie aufregend das für mich alles ist, und irgendwann in den nächsten zwei, drei Monaten könnte sich ja herausstellen, wie es mit meinem Job aussieht. Und ich gebe zum ersten Mal zwei Klausurvorschläge für die allgemeine Hochschulreife an das IQSH, mal sehen, ob die durchgehen.

Handtuch abgebrochen

Ich hatte in diesem Blog einst berichtet, dass ich gern ordentlich gestärkte Handtücher habe, auf die ich mich zur Meditation lege. Das ist wirklich super, nur werden die Fasern des Handtuchs durch das ständige Steifwerden stark belastet. So haben sich Nähte gelöst und mittlerweile ist ein Stück des Handtuchs tatsächlich abgebrochen. Klingt irgendwie witzig, finde ich.

Kommt gut in's Wochenende!