Posts mit dem Label Freizeitparks werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Freizeitparks werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Montag, 27. April 2020

Lichtempfindlichkeit


vorweg: Ich denke, dass dies hier der letzte Beitrag zu Asperger-Symptomen wird - für den Moment jedenfalls. Es gibt so viele andere schöne Themen, über die ich schreiben könnte, aber die ganze Sache beschäftigt mich zur Zeit wirklich sehr, und deswegen war der Blog etwas einseitig. Aber vielleicht kann ich daraus ja später auch eine Art "Nachschlagewerk" basteln, damit jemand, der sich für das Thema interessiert, schnell mal nachlesen kann, ohne sich ein Buch zu kaufen.

"Huch, das ist ja so duster hier drin, du musst dir doch mal etwas Licht anmachen!"

Ich weiß nicht, wie oft ich diesen Satz von meiner Mutter gehört habe - unzählige Male während meiner Kindheit, meiner Jugend und auch heute noch manchmal, wenn ich sie besuche - wobei sie mittlerweile aber weiß, dass ich nun mal so bin. Ich mochte es nie so ganz hell, lieber schummerig, lieber mit schwacher künstlicher Beleuchtung, warmes Licht - deswegen ist es in meiner Wohnung die meiste Zeit dunkel.

Dunkel ist schön, da fühle ich mich geborgen

Wenn Lampen an sind, dann nur mit niedriger Leuchtkraft

Ich finde das angenehm. Helles Licht wirkt auf mich irgendwie aggressiv, und ich gehe instinktiv in eine Art Verteidigungshaltung; man kann das noch immer an mir beobachten, wenn ich aus meiner Wohnung nach draußen gehe und es taghell ist. Zwar liebe ich die Sonne und das, was sie mit meiner Stimmung anstellt, und bin ein Kind des Sommers - aber die Sonne darf bitte gern draußen bleiben. Das ist einer der Gründe, warum ich immer eine schwarze Sonnenbrille trage und froh bin, wenn ich wieder reingehen kann.

Scheint ein Paradoxon zu sein, dass ich "dennoch" so gern in Freizeitparks gehe, die ja in vielen Fällen im Freien liegen. Und in der Tat ist es für mich unangenehm, in der Sonne anstehen zu müssen, und ich genieße sogenannte dark rides ganz besonders, die im Dunklen sind, wie zum Beispiel Geisterhäuser oder Dunkelachterbahnen. Damals in Kings Island bin ich in der knalligen Mittagssonne immer wieder gern zu der Achterbahn Flight of Fear gegangen, weil dort auch der gesamte Wartebereich im Dunklen lag.

In meiner Wohnung habe ich über dreißig verschiedene Lampen, die meistens abgeschaltet sind. Dass ich so viele Lampen habe, liegt daran, dass ich mit den unterschiedlichen Modellen ganz unterschiedliche Atmosphären erzeugen kann - und möchte. Duster, aber trotzdem alles sehen können. Und wenn möglich, dann nur indirekte Beleuchtung, so dass ich keine Lämpchen direkt sehen kann.

Ich dachte bisher eigentlich immer, dass das nur wieder eine Eigenart von mir ist, doch jetzt lese ich, dass das tatsächlich Methode haben könnte: Viele Menschen mit dem Asperger-Syndrom sind lichtempfindlich. Wobei das differenziert werden muss: In verschiedenen Belangen sind Aspis oft entweder überempfindlich oder empfinden kaum etwas. Das gilt für Licht, Hitze, Kälte - oder auch Schmerzen; als ich mir den Finger im rechten Winkel gebrochen hatte, hatte ich kein Problem damit, das einfach wieder zurückzubrechen. Klar, Schock, mag man sagen. Aber auch bei allem, was in den Tagen und Wochen danach kam, hatte ich keine Probleme mit den Schmerzen. Die langjährige Meditation verstärkt diese stoische Ruhe noch etwas.

Aspis können Situationen aushalten, die für normale Menschen unerträglich sind - oder aber überempfindlich gegenüber dem Tageslicht sein. Ich habe sowieso nie verstanden, warum Menschen an den Strand gehen: Da ist überall Sonne, selbst mit Sonnenschirm ist es überall viel zu hell, und mein Kopf hat gar nichts zu tun. Warum Menschen so gern an den Strand gehen, verstehe ich bis heute nicht.

Viele Grüße aus meiner Grotte! ;-)

Dienstag, 24. März 2020

...und die Arme gehen hoch!

...naja, zumindest bei Dr Hilarius.

Da töne ich vor ein paar Tagen noch groß rum, dass es mir ja überhaupt nichts ausmacht, dass das soziale Leben durch die Krise eingeschränkt wird - ich bin ja eh' die meiste Zeit allein in meiner Wohnung (und genieße das sehr). Was ich da aber noch nicht bedacht hatte: Die Freizeitparks, die normalerweise mit den Osterferien öffnen, werden erstmal geschlossen bleiben.

Hoffentlich nicht zu lange! Denn der Besuch im Freizeitpark ist für mich quasi lebensnotwendig. Ich brauche airtime, ich brauche das Gefühl, gesichert zu sein und trotzdem herumgeschleudert zu werden, ich brauche die Überwindung, mich in einer Achterbahn nicht mehr krampfhaft festzuhalten, sondern die Arme nach oben zu strecken und aus dem Sitz gehoben zu werden.

Das ist eine Möglichkeit der Transgression, bei der ich niemandem schade, und ich habe in den Jahren gemerkt, dass ich die Extreme ab und an brauche, egal ob es um Emotionen geht, um die Backofentemperaturen in meiner Wohnung während des Sommers, oder eben um einen senkrechten Absturz aus einem Turm hinaus mit hundertzwanzig Sachen.

Dieser Tage überlege ich normalerweise, ob ich einen Freizeitparkurlaub im Sommer mache. Beliebtes Ziel ist der Europa-Park, aber ich würde gern endlich das Phantasialand besuchen. Zwei Tage im Park, je einen Tag An- und Abreise, Übernachtung im Hotelzimmer. Flow-Erleben (Flo-Erleben?) pur. Da ich aber nicht weiß, ab wann die "Ausgangssperren" wieder aufgehoben werden dürfen, fällt die Planung flach. Das fehlt mir sehr - das ist dann quasi meine "große" Einschränkung durch das Coronavirus.

Aber - Gesundheit geht vor, gelle?

Montag, 22. Juli 2019

Der Schwur des Kärnan: Eine Analyse

Damals noch recht kahl, aber bereits voller Action

"Sie strahlen mich so fröhlich an, und jetzt funktioniert die blöde Kamera nicht."

Teil A: Zur Geschichte

Vor zehn Jahren hat Christoph Leicht auf den Tisch gehauen. Also, nicht wörtlich, sondern im übertragenen Sinne - Zweitausendneun eröffnete die Achterbahn Der Fluch von Novgorod im Hansa-Park. Das war aus mehreren Gründen ein Schlag auf den Tisch; FvN wurde damit zur ersten Katapultachterbahn Deutschlands. Sowas hatten wir vorher nicht wirklich, wobei es die LSM/LIM-Launches schon seit Neunzehnsechsundneunzig gibt. Damals haben zwei amerikanische Freizeitparks mit der Achterbahn Flight of Fear neue Maßstäbe gesetzt, und ich bin sehr glücklich, dass ich damit bereits fahren durfte.

Also hingen wir in Deutschland ein bisschen hinterher - und dann gab es nicht nur eine, sondern gleich drei Achterbahnen mit Abschuss; Desert Race im Heide-Park und, ein klein wenig familienfreundlicher, Blue Fire im Europa-Park. Drei Katapultstarts von drei unterschiedlichen Achterbahnherstellern, Mack, das Schweizer Unternehmen Intamin und bei uns im Norden der Hersteller aus dem Süden Gerstlauer. Und das kam gut an; so hat sich der HaPa ein bisschen zu einem Gerstlauer-Showcase entwickelt. Drei Achterbahnen, dazu flat rides, ich denke, die Romanze zwischen diesen beiden Parteien könnte noch weitere Früchte tragen.

Der erste Schlag auf den Tisch war also einer der ersten launch coasters in Deutschland, und der zweite Schlag, der noch viel wichtiger war - und immer noch ist - ist die thematische Neuorientierung des HaPa. Bis dahin war es ein recht normaler Park, in viele kleine Themenbereiche unterteilt, die nicht unbedingt in direkter Beziehung zueinander standen. Christoph Leicht hat sich angeschaut, wie die "Großen" das machen, und so wurde beschlossen, den HaPa endlich zu einem richtigen Themenpark zur Hanse in Europa zu machen. Einige Attraktionen sind seitdem verschwunden, wie zum Beispiel der Sturmvogel oder der Hai, dafür sind andere hinzugekommen.

Eigentlich gab es damals auch noch einen dritten Schlag auf den Tisch, aber der wurde als Geheimnis gut gehütet; von dem Plan, einen Hypercoaster zu bauen (Achterbahnen mit einer Höhe zwischen zweihundert und dreihundert Fuß, also in etwa sechsundsechzig Meter Mindesthöhe - Silver Star im EP ist so ein Hypercoaster), bekam die Öffentlichkeit erst fünf Jahre später etwas mit. In dieser Zeit wurde fleißig gerechnet, und zwar von Profis; das Ingenieurbüro Stengel führt die Arbeit des mittlerweile seinen Ruhestand genießenden Achterbahn-Gurus Werner Stengel weiter. Viele der besten Achterbahnen auf der ganzen Welt sind von Stengel gerechnet worden. Es musste immer etwas Besonderes sein, Achterbahnen von der Stange holte man sich lieber woanders, zum Beispiel bei den Holländern von Vekoma (mittlerweile aber auch kreativer geworden). Fünf Jahre lang wurde gerechnet, um eine Achterbahn zu kreieren, die in ihrer Art bisher weltweit einmalig ist.

Dieses Layout ist, gelinde gesagt, polarisierend

Der Schwur des Kärnan ist Gerstlauers erster Hypercoaster, außerdem der bisher einzige Hypercoater weltweit mit einer Inversion (a.k.a. kopfüber) und Rückwärts-Freifall. Jetzt darf ich das schreiben, jetzt ist das kein Spoiler mehr. Jetzt dürfen wir einen Hypercoaster mit terrain layout genießen, der also abgesehen vom first drop und der ersten Hochfahrfigur nah am Erdboden entlang fährt - auf diese Weise wird das Gefühl von Geschwindigkeit noch verstärkt, und terrain coaster gehören zu meinen absoluten Favoriten, weil man vor der ersten Fahrt nie genau weiß, wie sich die Geschwindigkeit über die Strecke verteilt und wo man mit airtime rechnen darf - dem Gefühl, aus dem Sitz gehoben zu werden.

Okay, man merkt, hier schreibt ein Nerd. Aber das gönne ich mir jetzt einfach, denn ich wollte diesen Beitrag schon seit Jahren verfassen, aber erst jetzt habe ich das vollständige Kärnan-Erlebnis gehabt. Das hat einen guten Grund: Wie auch schon bei FvN wurde eine immersive Thematisierung für die Achterbahn erstellt, eine Geschichte, die in Helsingborg gespielt hat und auch heute noch spielt. Für diese Bahn wurde eine komplette Reportage gedreht, vor Ort in Dänemark, die spielerisch zwischen Gegenwart und Vergangenheit wechselt. Ich liebe so etwas ja, das hatten sie damals in den USA auch für Flight of Fear gemacht, sowas zieht mich noch stärker in die Welt der Achterbahn hinein. Einfach mal die Realität loslassen, einfach eintauchen in's Mittelalter. Dank der Neuorientierung des HaPa vor zehn Jahren gelingt das immer besser; Barcelona und Lissabon sollen in naher Zukunft erschaffen werden.

Und so steht seit ein paar Jahren ein achtzig Meter hoher Burgturm mitsamt Festung im Hansa-Park, von der Ostsee gut sichtbar als neues Wahrzeichen des Parks. Dieser Turm macht Kärnan ebenfalls einzigartig: Weltweit gibt es bisher keine Achterbahn, die einen siebzig Meter hohen lifthill inklusive der ersten Abfahrt vollständig eingehaust hat; das ist finanzieller Selbstmord, theoretisch (man könnte hier Cannibal im amerikanischen Park Lagoon nennen, aber das ist quasi die Aldi-Variante eines eingehausten Lifthills - trotzdem eine verdammt geile Achterbahn, nach allem, was ich so sehe und lese). In diesem Fall ist es ein Erlebnis, das mit mehreren Sinnen genossen werden kann. Durch die Dunkelheit im Turm kann mittlerweile eine Videoprojektion abgespielt werden, und als sound tube verstärkt der Turm die Schreie der Fahrgäste bei der Abfahrt um ein Vielfaches. Eine geniale Idee. Und ich kann den HaPa seither nicht verlassen, ohne mindestens einmal auf dem Schwur des Kärnan gewesen zu sein. Zu ungewöhnlich, zu speziell ist das Teil, das sich eine große Freizeitparkkette niemals in den Park gestellt hätte; der Rückwärts-Freifall auf dem Lift verwandelt die Bahn in einen capacity nightmare, was aber nicht schlimm ist, denn die Besucherzahlen des Parks sind stabil auf einem niedrigen Niveau im Vergleich zu den ganz Großen, und so musste ich auch heute, an einem sehr vollen Tag im Park nur eine gute Dreiviertelstunde warten (wesentlich schneller ging es am Service-Point, wo die nette Dame mir meine neue Saisonkarte nach etwas Kameraterror ausgedruckt hat, nach vier Jahren war mal eine Aktualisierung fällig). Nur? Naja, die Thematisierung führt bei mir dazu, dass meine Gedanken schon vor dem Erlebnis Achterbahn fahren. Details gefällig?

Hinab in die Finsternis

Teil B: Das Erlebnis

Spoilerwarnung! Ab hier folgt eine (fast) lückenlose Beschreibung des gesamten Erlebnisses!

Naja, dabei beginnt das Erlebnis ja nicht erst in dem Moment, an dem man die Warteschlange betritt. Es beginnt schon bei der Anfahrt zum Park, denn bereits in etwa zwei Kilometern Entfernung ist der Turm über den Baumwipfeln zu erkennen. Und dieser Blick löst etwas im Gehirn aus. Wenn ich noch nie auf dieser Achterbahn war, dann erstmal etwas Erleichterung oder Ernüchterung, je nachdem; es sind nämlich, da man sich im Auto in dieser Entfernung auf einer Anhöhe befindet, nur etwa die obersten zehn Meter des Turmes zu sehen, und dadurch wirkt er sehr klein. Der Effekt gewinnt dann durch die Abfahrt von der Anhöhe und die Annäherung an den Park, denn der Turm scheint nach und nach größer zu werden, quasi in den Himmel zu wachsen. Wenn man schließlich an seinem Fuße steht, dann kommt ein wenig Ehrfurcht auf, vielleicht etwas angenehme Panik, möglicherweise viel Vorfreude und Spannung. Diese Ehrfurcht wird noch weiter verstärkt durch den Beginn des Wartebereichs, der etwa zwanzig Meter vor dem Turm liegt und dann direkt unter dem First Drop hindurch führt. Ich gehe durch den hölzernen Torbogen, der mir die ungefähre Wartezeit anzeigt, sowie die Mindestgröße für Fahrgäste. Familie Leicht orientiert sich in vielerlei Hinsicht an den richtig großen Freizeitparks - erkennbar zum Beispiel daran, dass ein Testsitz bereits am Eingang der Warteschlang genutzt werden kann, um zu sehen, ob man gut in der Achterbahn Platz nehmen kann. Das geschieht nicht ohne Grund - vor einigen Jahren gab es in einem amerikanischen Freizeitpark einen Zwischenfall, als eine zu dicke Frau in einer neueren Achterbahn mitgefahren ist; diese tendieren dahin, eng am Körper anzuliegen, damit man sicher und ohne blaue Flecken das Erlebnis genießen kann. Jedenfalls ist diese Frau während der Fahrt aus der Achterbahn gefallen und um's Leben gekommen. Deswegen gehören Achterbahnen mittlerweile zu den sichersten Freizeitparkattraktionen, das muss so sein. In Deutschland sorgt der TÜV dafür. In manchen Ländern niemand - so hatte China eine nicht unbedingt angenehme Bilanz von Unfällen in Freizeitparks. All' solche Bedenken wische ich zur Seite und gehe den schmalen Pfad neben dem Hüpfberg entlang, direkt auf den riesigen Turm zu.

Ich stehe also zehn bis fünfzehn Meter unterhalb der Achterbahnschienen, verfolge, wie sie nach oben im Turm verschwinden, in die Dunkelheit. Ich kann nur ahnen, was an der Spitze dieses Turms sein mag, und ich rechne mir aus, dass die Abfahrt sehr, sehr steil werden dürfte. Und da die Ausfahrt zur Richtung des Lifts um neunzig Grad gedreht liegt, muss ich annehmen, dass der Drop mit einer Drehung ausgestattet ist. Sehen kann ich davon nichts; dafür kann ich, während ich unter der Ausfahrt stehe, Geräusche hören. Im Abstand von etwa zwei bis drei Minuten höre ich ein lautes Donnern, dann leicht gedämpfte Schreie - aber nichts passiert. Stattdessen wird es wieder still, für ungefähr zwanzig Sekunden, und dann dröhnen die Schreie der Fahrgäste, durch die Turmarchitektur um ein Vielfaches verstärkt, aus der Öffnung und der Achterbahnzug rast über mich hinweg, ganz knapp über den Erdboden und dann wieder sechzig Meter hinauf in eine Figur, die ebenso ungewöhnlich ist wie die gesamte Bahn selbst.

Das Stützengewirr, das erbaut wurde, um die Schienen zu führen und zu stabilisieren - bei knapp hundertdreißig km/h braucht man da etwas mehr - sorgt seit der Eröffnung in der Regel für Verwirrung und besonders bei Coasterfans für etwas Gespött, denn die Ästhetik ist tatsächlich fragwürdig. Hinzu kommt, dass man theoretisch das klassische Element der Sea Serpent Roll (SSR) hätte bauen können: Halber Loop nach oben, kleiner Korkenzieher in die Gerade und wieder kopfüber, zweiter Halblooping zurück auf den Erdboden. Das Element kann man zum Beispiel bei Gerstlauers The Smiler finden, im englischen Alton Towers. Leicht, Stengel und Gerstlauer haben sich aber entschieden, die beiden Inversionen zu streichen und mittels einiger scharfer Windungen ein nicht-invertierendes Element zu erstellen, das aus der Ferne im richtigen Winkel an eine Herzfigur erinnert. Keine Ahnung, wie sich das anfühlen muss, vermutlich deutlich intensiver als eine ziemlich angenehme SSR.

Okay, die Aufregung steigt also bereits, während ich noch an der Burgmauer stehe und ein Fußweg mit drei Spuren langsam nach oben führt. Zwei sind eindeutig - links die Warteschlange, rechts daneben der Notausweg - die dritte Spur ganz rechts war ursprünglich für die single rider line gedacht. Da aber viele deutsche Parkbesucher keine Ahnung haben, dass man sich dort in der Regel allein hinstellt, um bei einem nicht voll ausgelasteten Zug auf leere Plätze verteilt zu werden, haben sich viele bei der offensichtlich kürzeren Schlange angestellt und dann lauthals beschwert, wenn ihre Gruppen geteilt wurden. Diese Form des Wartebereichs muss sich in Deutschland erst noch etablieren, so langsam nach und nach. Auch das haben die Leichts aus Amerika importiert, dem Geburtsland der damals ursprünglich als trolley parks bekannten Erholungsgebiete an den Endstationen der Straßenbahnlinien.

Okay, das hat nicht funktioniert, also stellen wir uns alle an der linken Schlange an und treten unter einem Burgtor mit Fallgitter hindurch auf den Weg, der innerhalb der Außenwand der Festung langsam zwei Etagen nach oben führt. Von hier aus kann ich noch immer die aus dem Turm jagenden Züge beobachten, oder aber die umliegenden Fahrgeschäfte, besonders Die Glocke oder das Kärnapulten und die Familienachterbahn Die Schlange von Midgard (ebenfalls aus dem Hause Gerstlauer).

Kärnan Museum TV: Der junge Erik wird zum König Dänemarks gekrönt

Schließlich oben angekommen wandern wir um ein kleines Gebäude herum, über einen Weg, der von Flachbildschirmen gesäumt ist, die alle Episoden des Kärnan Museum TV in Schleife abspielen. Wenn ich die Geschichte um einen mittelalterlichen König noch nicht kenne, der eine uneinnehmbare Festung mit einem mächtigen Bannzauber angeblich mit seinem Leben bezahlt haben soll, dann werden die nächsten Minuten Wartezeit sehr kurzweilig, die mich in das Gebäude hinein und eine breite Treppe hinunter in's Dunkel führen, in das Museum des Kärnan. Spätestens hier verliere ich jeglichen Bezug zur Realität, höre immer weiter die Dokumentation mit den Figuren Christian Schröder und Jenny Fridh und lese, dass das Pergament mit dem Bannzauber gefunden worden sein soll. Ich biege um eine scharfe Kurve nach rechts in einen neuen Raum ab und verabschiede mich von dem letzten bisschen Tageslicht.

Der nächste Saal, nur mit wenigen wohl platzierten Spots beleuchtet und im Hintergrund von der extra für die Attraktion komponierten und mit einem Sinfonieorchester eingespielten Musik begleitet, ist eine Exponatausstellung des Museums im Thronsaal der Festung. Wir sehen die Reichsinsignien, den Thron und das Pergament, als plötzlich die Lichter nach und nach ausgehen. Die Schrift des Pergaments fängt langsam an, zu wabern, eine unheimliche Musik setzt ein - und langsam realisieren wir, dass Videoprojektionen in Freizeitparks Tolles bewirken können: Die Schriftzeichen des Zaubers leuchten in grün auf und verlassen das Pergament, sie wabern über die Wände durch ein Gemälde des Königs Erik Menved hindurch zu dem Hauptsymbol der gesamten Anlage, einem Unendlichkeitszeichen auf dem Thron. Die Musik steigert sich immer weiter, ein Donnern ertönt, bis... ach schade. Ich kann mich nicht mehr erinnern, was dann passiert. Nur, dass wir den Saal durch einen sehr engen Gang verlassen, durch nur schwach beleuchtete Gewölbe.

Der Thron mit dem Symbol des Kärnan

Der nächste Raum ist eine Burgküche, angemessen verstaubt, mit Knacken und Krachen, das aus den Mauern zu kommen scheint, und einen oder zwei Räume vor uns scheint eine Stimme zu ertönen - aber davon sehen wir nichts; nach der kleinen Waffenkammer kommen wir in einen Teil des Ganges, der so verschlungen ist, dass wir nicht mehr als drei oder vier Personen vor uns sehen können. Hier sind mehrere Bildschirme aufgestellt, die von den Ausgrabungen des Kärnan stammen, auf denen einer der Vorarbeiter mit jemandem zu telefonieren scheint und berichtet von ungewöhnlichen Vorkommnissen... an die ich mich auch nicht mehr erinnern kann, Mist. Das macht aber nichts, der Hauptzweck dieser Videos ist neben der Steigerung der Atmosphäre der Hinweis darauf, dass die Fahrgäste alle Gegenstände, die sie mit sich führen, in der Kammer des Architekten werden abgeben müssen. Wirklich alles, auch Tascheninhalte, und wir werden noch erfahren, wieso das so ist.

Dann geht es erstmal nicht weiter. Ein Wächter kontrolliert die kleine Treppe, die in besagte Kammer führt. Schubweise werden immer sechzehn Personen hineingelassen. Dort hören wir noch einmal von der Abgabepflicht aller irgendwie losen Gegenstände, erst aus dem Bildschirm, dann von einem weiteren Mitarbeiter, bis sich im Dunkel ein geheimes Wandregal öffnet, das viel Platz für alle Gegenstände zur Aufbewahrung bietet - großartig. Das Fach wird wieder verschlossen, Verwechslungsgefahr mit anderen Reisegruppen ausgeschlossen. Wenn alles verstaut ist, verlassen wir die Kammer, um durch noch düsterere, engere, verworrenere Gänge in eine runde Kammer mit Kuppeldach zu kommen. Es ist stockfinster, nur das Kärnansymbol leuchtet als Quasi-Bordüre unter der Kuppeldecke.

Hier befinden sich vier Warteschlangen, die offensichtlich für die vier Sitzreihen je Zug gedacht sind. Vielleicht möchte man gern in die erste Reihe, und stellt sich dort an, doch hat man die Rechnung ohne die kreativen Köpfe hinter der Bahn gemacht. Die Lichter gehen aus, ein einziges der Symbole leuchtet noch, unheimlichere Musik wird immer lauter, dann vollkommene Finsternis und... Blackout. Das nächste, an das ich mich erinnere, ist, dass ich in meinem Sitz Platz nehme. Ich bin nicht in der ersten Reihe, sondern in der dritten. What the...? Ein so einfaches und gleichzeitig geniales Feature, das gern jeder für sich selbst erleben darf.

Für Erstfahrer sehr verwirrend, besonders wenn man so gern hinten sitzen wollte und plötzlich in der ersten Reihe gelandet ist - der Puls schnellt in die Höhe und es wird immer aufregender. Der Bahnhof ist sehr geräumig und ebenfalls natürlich sehr duster, nur von schwachem blauen Licht erleuchtet. Die Sitze sind eine Weiterentwicklung aus Gerstlauers Eurofighter-Achterbahnen mit den Schulterbügeln: Im Stil der B&M-Hypercoaster sitzt man hier sehr bequem, einzig ein Hüftbügel hält mich im Sitz. Komplette Freiheit für den Oberkörper, seither auch neuer Gerstlauer-Standard, gerade auf ihren neuen Infinity Coasters, wie es auch Kärnan ist. Die Bügel werden kontrolliert, die Mitarbeiter wünschen uns viel Spaß und der Zug fährt ab in's Dunkel.

Eine scharfe Kurve nach links, und das einzige Licht dringt weit über unseren Köpfen in das Gemäuer - dort befindet sich die Wiedereinfahrt der Schienen in das Gebäude am Ende der Fahrt. Ich kann mich nicht gegen den Impuls wehren, nach oben zu schauen, und sehe dort die leere Schiene - kopfüber verdreht, und mir schwant, dass wir da durchfahren werden. Es wird noch aufregender, der Puls steigt weiter, doch bevor ich weiter darüber nachdenken kann, folgt ein kleiner bunny hill in die Finsternis. Es ist nur eine kleine Abfahrt von ein paar Metern, aber sie ist unvorhersehbar und erstaunlich erfrischend, sie zieht mich geradezu aus meinen Gedanken hinein in die Finsternis und um eine sehr scharfe Kurve auf eine Blockbremse. Es wird lauter, und einige Meter vor uns wandern die Schienen senkrecht nach oben.

Ein großartiger Moment, den wir schon im FvN genießen durften - der Zug steht still, es klappert hier und dort, es rumpelt, und wir wissen, dass es gleich in Rückenlage nach oben geht, nur diesmal sind es gut siebzig Meter, beim FvN ist es deutlich weniger. Langsam wird der Zug hinaufgezogen und die Fahrgäste in die Rückenlage gekippt, der Blick nach oben Richtung Turmspitze. Ich bin fasziniert: Dadurch, dass alles so dunkel ist und wir keine Vergleichswerte mehr in der Realität haben, wirkt es, als sei der Anstieg gar nicht so hoch. Hinzu kommt, dass der Lift uns zügig nach oben zieht, dabei aber langsamer wirkt - eigentlich vom Umfang her genau wie im Fluch. Allerdings ist der Hall sämtlicher Liftgeräusche deutlich intensiver, während wir uns der Kuppe nähern, und dann einige Mete unterhalb der Kuppe zum Stillstand kommen.

Stille. Ich habe das Gefühl, ich würde langsam nach hinten aus meinem Sitz rutschen, gehört das so? Ich bin sowieso schon tierisch aufgeregt und die Ungewissheit treibt mich noch weiter. Das muss ich dem HaPa lassen: Sie wissen, dass spannende Momente gern langsam ausgekostet werden dürfen - das ist auch ein Grund, warum die Fahrt an die Spitze des Gyro-Drop-Towers "Highlander" etwa zwei Minuten dauert. Ganz langsam, in aller Ruhe das Schauern und das Kribbeln genießen. Okay, im Falle des Kärnan hat das auch noch betriebsbedingte Gründe, aber darüber denke ich bei meiner ersten Fahrt nicht nach.

In dem Moment, als ich dann doch ernsthaft nachdenken möchte, flammt eine große Videoprojektion donnernd über der Turmkuppe auf, und ich sehe ein altbekanntes Gesicht wieder... glaube ich zumindest, denn auch hier setzt wieder der durchaus praktische Gedächtnisverlust ein. Wir werden jetzt bis ganz zur Kuppe hinauf gezogen, und während in diesem Moment bei FvN die Fahrt langsamer wird, um die Spannung zu steigern, ist Kärnan da rücksichtsloser und zieht den Zug mit seinen sechzehn Fahrgästen schwungvoll über die Turmspitze. Erst jetzt scheint uns wieder etwas Tageslicht entgegen, von unten. Weit unten.

Das ist der Moment, an dem ich beschließe, die Arme in die Luft zu strecken. Ich werde schon nicht aus der Bahn fallen, und ich liebe es, ohne Barrieren durch die Luft zu rauschen. Und trotzdem gibt es jedesmal wieder diesen Reflex, nur für ein paar Millisekunden, mich doch noch festzuhalten, als mir bewusst wird, dass es senkrecht bergab geht - neunzig Grad Gefälle, inklusive einer neunzig-Grad-Drehung nach rechts. Das ist der Moment, der von draußen her gut zu hören ist: Ich habe bisher keine Fahrt ohne mindestens eine Person erlebt, die in diesem Moment schreit, der Klang, durch das Echo von den Turmwänden um ein Vielfaches verstärkt, den die Wartenden hören können.

Der Drop ist ein Erlebnis. Drops mit einer Drehung haben wir in Deutschland noch nicht so oft - das wohl weltweit bekannteste Beispiel dafür ist die Expedition GeForce im Holiday Park in Haßloch. Nun, hier ist nun also eine Konkurrenz entstanden. Es ist schwer zu beschreiben, wie sich der Absturz anfühlt. Er ist lang, und selbst als ich glaube, bereits im Tageslicht angekommen zu sein, geht es noch weiter hinunter. Nach der langen Wartezeit im Dunklen der Festung müssen sich die Augen erstmal an die neuen Lichtverhältnisse gewöhnen, und bevor sie das können, befinden wir uns schon wieder auf dem Flug nach oben in die Herzfigur.

Jetzt machen sich die Folgen bemerkbar, dieser ungewöhnlichen Entscheidung der Designer, nicht in eine SSR zu gehen: An den beiden Spitzen der Herzfigur sitzen wir aufrecht, mit einem kilometerweiten Ausblick am Turm vorbei über den Strand hinweg Richtung Ostsee. Damit können nicht viele Parks mithalten (aber es gibt sie, zum Beispiel Cedar Point in den USA mit der Millennium Force), aber ich habe nicht viel Zeit, den Blick zu genießen, denn nach etwas Herumschleuderei geht es schon wieder fast kopfüber in den zweiten Absturz Richtung Erdboden. Danach geht es mit vollem Tempo in eine überneigte Kurve (die es in mein Profilbild bei Facebook geschafft hat), und was danach kommt, war lange Zeit eine Seltenheit auf dem weltweiten Achterbahn-Kompass.

Hypercoaster werden klassifiziert nach ihrer Höhe, und in den meisten Fällen haben sie zumindest in der ersten Hälfte der Fahrt das immer gleiche Layout: Von ganz oben der main drop bis auf den Erdboden, dann wieder fast ganz nach oben auf den ersten Hügel, auf dem man je nach Sitzplatz ejector oder floater airtime genießen kann (ich bevorzuge Letzteres, gibt aber auch Ausnahmen). Das wiederholt sich noch mehrfach: runter, rauf, runter, rauf, Kurve und dann das Gleiche wieder zurück Richtung Station. Gibt unzähle Bahnen mit diesem Layout (Colossos, Silver Star, Diamondback, Apollo's Chariot, Magnum XL-200, Steel Eel, um nur ein paar zu nennen), und sie sind ja auch nicht schlecht, im Gegenteil. Allerdings findet gegenwärtig eine Neuorientierung statt in Richtung der bereits erwähnten terrain coasters, die über einen Großteil ihrer Strecke nahe am Erdboden bleiben (zum Beispiel Fury 325 in Carowinds, die mittlerweile zu den besten Stahlachterbahnen der Welt gezählt wird; kein Hyper, sondern ein Gigacoaster, aber lassen wir die Haarspaltereien). Der Effekt ist sagenhaft - ein Geschwindigkeitsrausch, wie im Porsche über die Autobahn zu fahren, nur mit mehr Action. Es fühlt sich an wie eine Jagd, wobei nicht klar wird, ob wir die Jäger sind oder die Gejagten. So hat Kärnan kleinere Hügel, schnelle Umschwünge, viele Kurven, alles, um ein Maximum aus der Maximalgeschwindigkeit von hundertdreißig km/h herauszuholen. Keine Zeit zum Durchatmen - bis zum final brake run, der Passage kurz vor Wiedereintritt in die Burg, in der der Zug bis fast zum Stillstand heruntergebremst wird.

Viele Fahrgäste nutzen diesen Moment, um einmal durchzuatmen. Einmal durch die Haare fahren. Einmal gröhlen, einmal klatschen, endlich die Anspannung aus dem Körper zu entlassen (die bei'm Herumschleudern während der Fahrt nötig ist). Vor uns das Holztor, das zurück in die Dunkelheit führt. Es öffnet sich und die Bremsen entlassen uns in die letzten Meter der Bahn, direkt hinein in die zero g roll, die wir ganz zu Beginn der Fahrt aus der unteren Etage beobachten konnten. Ganz langsam werden wir kopfüber gedreht, einige Sekunden totale hangtime, ein irres Gefühl, wesentlich intensiver als im Fluch von Novgorod. Während wir einmal um die eigene Achse gedreht werden, schließt sich das Tor hinter uns, und noch bevor wieder aufrecht sitzen, ist es stockfinster. Wir gleiten durch eine scharfe Rechtskurve und das Schlussthema des Kärnan-Soundtracks dröhnt durch die Finsternis. Eine weitere Rechtskurve und wir fahren wieder in den Bahnhof ein. Durchgeschüttelt, herumgeschleudert, außer Atem, aufgeregt, geschafft - aber glücklich. Ich steige aus dem Zug und vor uns öffnet sich unser Gepäckfach. Schließlich geht es noch durch einen dunklen Gang, diesmal nicht als Labyrinth gestaltet, ein paar Meter in die Realität zurück.

Wir gelangen in die Kärnan Butiken, wo es Fotos und diverses Merchandise zu erwerben gibt. Ja richtig, auch während dieser Fahrt werden Fotos geschossen, aber ich kann mich um nichts in der Welt erinnern, wo das war... ich weiß noch, dass es eine unerwartete Stelle war, die für weitere Polarisierungen in der Coaster-Gemeinde sorgt. Und dann trete ich hinaus in die strahlende Sonne auf dem Kungstorget, und mein Erlebnis mit dem Schwur des Kärnan ist vorbei.

Nein, ist es natürlich nicht, das ist ein Erlebnis, was man einige Zeit mit sich im Kopf herumträgt, aber für den Moment war es das erstmal, und ich fühle mich mutig und stolz, diese Reise angetreten zu sein. Und nun wird es Zeit für ein wenig Objektivität nach dieser sehr subjektiven Beschreibung. Das hier soll schließlich eine Analyse sein, und es gibt tatsächlich eine ganze Menge Stimmen gegen diese Achterbahn.

Teil C: Ein Urteil?

Der Schwur des Kärnan polarisiert, und seine Einzigartigkeit findet große Fans und überzeugte Hasser. Es wäre ziemlich unsinnig, wenn ich hier eine Wertung abgeben würde, denn dazu fehlt mir die Expertise, ganz klar. Dafür möchte ich im Folgenden die Argumente gegen und für die Bahn nennen und kurz kommentieren, denn überall ist ein Fünkchen Wahrheit enthalten.

Weiter oben hatte ich bereits erwähnt, dass Kärnan ein capacity nightmare ist. Große Achterbahnen dieses Formats haben normalerweise den Anspruch, möglichst viele Fahrgäste in möglichst kurzer Zeit durchzuschleusen. Der Durchschnitt liegt, um endlich ein paar Zahlen zu nennen, bei 1600 bis 1800 Fahrgästen pro Stunde. Kärnan ist davon meilenweit entfernt, und das ist vollkommen verständlich, weil ein Rückwärtsfreifall auf einem full circuit coaster zur Konsequenz hat, dass ein folgender Achterbahnzug den Lifthill erst erklimmen kann, wenn der vorherige einmal hochgefahren ist und dann, yeah, was auch immer da genau passiert, und dann den Turm verlässt. Das passiert in etwa alle zwei Minuten. Das führt zu einer ungefähren Fahrgastkapazität von 480 pro Stunde; dazu sollte man erwähnen, dass das in dieser Saison der Fall ist - jetzt funktionieren alle Abläufe der Bahn reibungslos, aber am Anfang war das alles neu und musste erstmal eingeübt werden. So musste man in der ersten Saison noch viel länger warten, bis man endlich im Zug sitzen durfte. Die Kritik ist also vollkommen berechtigt, die Frage ist nur, ob das in's Gewicht fallen dürfte - ich habe an einem vollen Tag in dieser Saison knapp eine Stunde gewartet, und das ist vollkommen in Ordnung - erst recht, wenn man bedenkt, wie immersiv der Wartebereich thematisiert wurde.

Viele Stimmen ärgern sich darüber, dass in der Herzfigur keine Inversionen verarbeitet wurden. Wie oben beschrieben, wäre das wohl der "Normalfall" gewesen. Kärnan hat ein anderes Layout, nicht nur, um einzigartig zu sein, sondern um an der Stelle eine möglichst starke ejector airtime zu erzeugen, die den Fahrgast aus dem Sitz hebt, während man gleichzeitig den flüchtigen Blick über die Ostsee genießen kann. Man weiß das wertzuschätzen - oder eben nicht.

Die Tatsache, dass man sich seine Sitzreihe nicht aussuchen kann, spaltet die Community. Ich kann die Argumente verstehen - viele Fahrer denken sich "Die letzte Reihe ist mir zu intensiv" oder "Die erste Reihe ist mir nicht intensiv genug" oder "Ich möchte den freien Blick auf die Strecke haben" - und das ist vollkommen natürlich: Bei Nessie möchte ich gern immer in der letzten Reihe sitzen, um die floater airtime zu genießen, bei der mir der Sitz nach unten weggezogen wird. Ich gehöre zu den Fans dieser Zufallsverteilung, weil ich den Mechanismus toll finde, nach dem das läuft, völlig ohne Worte oder Erklärungen, dazu spannend mit Musik und Licht unterlegt. Muss jeder für sich entscheiden.

Der Rückwärtsfreifall hat besonders in der ersten Saison viel Kritik geerntet: Nicht intensiv genug, zu langsam, nicht lang genug, dauert viel zu lange, bis er ausgelöst wird, dauert viel zu lange, danach wieder auf die Spitze zu kommen. Damals wussten die meisten Besucher noch nicht, dass das Turmelement erst zwei Jahre später würde komplettiert werden. Jetzt ist dieser Teil der Bahn komplett mit Soundtrack und... naja, halt irgendwas, auf jeden Fall geht es jetzt schneller, tiefer hinab und flüssiger. Ich finde es toll, dass dieses Element immerhin weltweit in die Diskussion gekommen ist.

"Das ist keine Bahn für die ganze Familie!" - so kamen einige erschrockene Stimmen im Lauf der ersten Saison, weil Familie Leicht auch diesmal Wert darauf gelegt hat, die Familientauglichkeit herauszustreichen, für die der HaPa schon mehrfach ausgezeichnet worden ist; "familientauglich" heißt hier wohl, dass jeder ab 1,40m Körpergröße mitfahren kann - denn die Intensität der Bahn ist Geschmackssache. Ich persönlich finde es toll, dass man endlich mal den Mut zeigt, es mit amerikanischen Verhältnissen aufzunehmen (es heißt nicht ohne Grund höher, schneller, weiter). Bei Eröffnung konnte Kärnan mit gutem Gewissen als eine der intensivsten Achterbahnen Deutschlands bezeichnet werden, und das ist sie auch heute noch. Ich persönlich mag das, ich finde es etwas schade, wenn Coaster wie zum Beispiel im Europa-Park künstlich "abgemildert" werden. Das macht sie nicht schlecht, aber eine der Faszinationen von Achterbahnen liegt für mich in dem Gefühl von "Entfesselung" der potentiellen Energie, die durch einen Lifthill aufgeladen wird. Geschmackssache.

Auch auf dieser Achterbahn gibt es einen Bereich für ein onride photo; die wenigsten Fahrgäste kaufen sich das Bild zur Erinnerung, aber es ist immer wieder ein Spaß zu sehen, wie man in dem Moment wohl geschaut hat. Die Positionierung des Elements ist bei Kärnan... ungewöhnlich. Ich kann verstehen, warum man sich dafür entschieden hat (Überraschungseffekt), aber ich weiß nicht, ob das die beste Option war.

Das müssten, wenn ich meinem Kopf vertrauen darf, die gängigsten Kritiken gewesen sein. Über viele der positiven Punkte habe ich oben schon geschrieben - Einzigartigkeit des Layouts, Rückwärtsfreifall, immersive Thematisierung, terrain coaster, Intensität, Soundtrack, first drop. Ich glaube, um ein Bild davon zu bekommen, ob Kärnan weltweit positiv aufgenommen wurde, sollte man den Blick Richtung Amerika lenken, dem Heimatland der großen Achterbahnen. Wenn ich in Coaster-Foren nachlese, finde ich hier und dort einige der negativen Kritikpunkte aufgegriffen, wobei das spätestens mit der Saison Zweitausendachtzehn nachgelassen hat. Stattdessen findet man mittlerweile sehr oft die überraschende Intensität erwähnt und die außergewöhnliche Thematisierung, denn beide Argumente zeigen nicht nur eine Annäherung an amerikanische Verhältnisse, sondern in der Ausgestaltung des Kärnan-Mythos ein weit überdurchschnittliches Ergebnis.

Bei den Golden Ticket Awards (GTA) der amerikanischen Zeitschrift Amusement TODAY findet sich Kärnan in den Top 50 Steel Roller Coasters nicht wieder - und falls man sagen möchte "Naja, kein Wunder, das ist eine amerikanische Zeitschrift, die sich auf amerikanische Coaster konzentriert", muss ich dagegen halten, dass in den Charts einige unserer Coaster vertreten sind: Expedition GeForce (Platz 4), Taron (Platz 15), Blue Fire (Platz 19), Black Mamba (Platz 34).

Das kann sich alles noch ändern in den nächsten Jahren, zeigt aber zumindest, dass der HaPa noch keiner der global players geworden ist, wie zum Beispiel der Europa-Park (Platz 1 der besten Parks weltweit bei den GTA) oder das Phantasialand. In anderen Coaster Rankings landet Der Schwur des Kärnan deutlich weiter oben (zum Beispiel Nr.62 in dieser Umfrage, die sich an der damaligen Mitch Hawker's coaster poll orientiert); an den Kritikpunkten ist jedenfalls Einiges dran, und jeder sollte für sich selbst herausfinden, ob ihm die Bahn gefällt oder nicht.

Es gibt wesentlich angenehmere Hypercoaster, ganz klar, aber wir haben hier eben keine Bahn von der Stange. Hier wurde der Mut bewiesen, etwas Ungewöhnliches zu machen, und dafür bin ich genau der richtige Mann. Abseits vom Mainstream.

Eine grandiose Achterbahn.

post scriptum: Wer jetzt aus der Ankündigung heraus gedacht hatte, hier würde ein hochphilosophischer oder psychologischer Beitrag kommen, um den tut es mir Leid; ist halt so, dass ich, wenn mich ein Thema wirklich interessiert, alle Bremsen bei'm Schreiben lösen kann, während ich bei Themen, die eher "nebensächlich" für mich sind, in der Regel nur recht knappe Beiträge verfasse. Kennen sicherlich einige von Euch auch von sich.

Samstag, 13. April 2019

Kontrollverlust

Eine wunderbare Illusion

"I like to play the audience like a piano."

Diesen Satz soll Alfred Hitchcock einmal gesagt haben, und ich finde ihn großartig. Hitch wusste genau, mit welchen Blickwinkeln, Schnitten und Einstellungen er welche Reaktion bei dem Publikum erzeugen konnte. Und er hatte ja Recht: Auch Jahrzehnte später schaffen seine Filme es immer noch, mich als Zuschauer zu verwirren, mitzunehmen, immer wieder ist es für mich faszinierend, wie der Plot im Film North by Northwest (1959) vorangetrieben wird, ohne dass ich es bewusst mitbekomme.

Ich frage mich, ob das eine Eigenart von Hochbegabten ist: Alles unter Kontrolle haben wollen, um sicher sein zu können, was passiert, und nicht von Unvorhergesehenem aus der Bahn gebracht zu werden. Als ich Mitglied der Saturnalien war, war es für mich sehr wichtig, den Ablauf der Theateraufführung immer unter Kontrolle zu haben; das hat mir nicht gerade Begeisterung der anderen Teilnehmer eingebracht. Erst bei meiner letzten Aufführung Zweitausendelf habe ich es geschafft, die Anderen machen zu lassen.

Kennt Ihr das Gefühl?

Wenigstens habe ich gelernt, dass es auch mal ganz entspannend, bzw. bereichernd sein kann, wenn jemand Anderes die Zügel in der Hand hält. Jemandem zu vertrauen, dass er das Richtige tut - so geht es mir in Hitchcocks Filmen, oder auch in Vergnügungsparks: In Kings Island gibt es eine Dunkelachterbahn namens Flight of Fear. Von außen sieht man nichts, nur einen mittelgroßen Hangar einer Militärbasis, den man betritt. Das ist der Punkt, an dem ich die Kontrolle abgebe; ich lasse mich in eine andere Welt entführen, und das ist toll. Als ich im Inneren des Hangar angekommen war, stand dort ein UFO, und die Warteschlange führte am einen Ende hinein und auf der anderen Seite wieder hinaus, dann wahrscheinlich zum Bahnhof.

Ich konnte mich in diesem Hangar gar nicht sattsehen, über Fernseher liefen mock documentaries über eventuelles Leben im Weltall, und nach und nach bin ich immer näher an den Einstieg des UFOs gekommen. Dann eine Treppe hinauf, und in dem Raumschiff einmal rundherum - und dann müsste es wieder nach draußen gehen. Dachte ich - aber ich trat durch die nächste Tür, immer noch in diesem Raumschiff, und plötzlich war da vor mir die Achterbahn-Station! What the...?! Nachdenken unmöglich, denn ich konnte sehen, wie vor mir ein voller Zug in die Finsternis rauschte - und leer wieder im Bahnhof ankam! Aufregung, Verwirrung, und ich habe es genossen, es war ein absolut tolles Erlebnis.

Mittlerweile weiß ich, dass der Hangar nur zur Hälfte existierte; die eine riesige Wand war komplett verspiegelt und lief mitten durch das Raumschiff, so dass man denken konnte, dass man aus dem Raumschiff wieder hinaustritt. Stattdessen befindet sich hinter dieser Spiegelwand der Bahnhof. Großartig! Man nennt sowas wohl misdirection in der Illusionistenszene, ich werde manipuliert und komplett an der Nase herumgeführt - und wenn das zu so einem tollen Erlebnis führen kann, finde ich den Kontrollverlust wunderbar.

Ich bin darauf gekommen, weil ich heute Now You See Me (2013) gesehen habe, in dem es um genau jene Illusionistenszene geht. Manchmal ist es wirklich schön, nicht total abgebrüht in so ein Erlebnis zu gehen.

Montag, 18. März 2019

Ferien...

Nessies neuer Bahnhof kommt voran!

Ich sehne mich nach den Osterferien.

Mir hängt diese ganze Geschichte mit den Abschlussprüfungen mittlerweile zum Hals heraus. Das Hauptproblem ist die Bürokratie, natürlich, und die Technik, mit der ich nicht klarkomme. Ich habe mich lange nicht so unfähig gefühlt wie dieser Tage, und ich beneide schon fast jene Kollegen, die das Zentralabi schreiben und nicht selbst Prüfungsvorschläge einreichen müssen. Aber gut. Neue Schulart. Erstes Mal ist immer hart. Bleibt zu hoffen, dass es nächstes Mal einfacher wird.

Ich hasse es ja, unter Druck gesetzt zu werden, und trotzdem muss ich wohl meiner Mutter zustimmen, die mir geraten hat, die Klassenarbeiten vor den Ferien durchzubekommen. Eigentlich war mein Hauptziel nur, die Ferien überhaupt zu erreichen, aber ich sehe das schon wieder kommen: Ich nehme mehrere Stapel Klausuren mit in die Ferien, denn "da habe ich ja genug Zeit dafür". Als ob ich die nutzen würde! Zuviel Ablenkungen stehen an, und ich schiebe die Arbeit dann wieder nur vor mir her, bis es am Ende der Ferien wirklich eng wird und mein schlechtes Gewissen mich auffrisst.

Also werde ich mich jetzt etwas intensiver an die Schularbeit setzen. Iucundi acti labores, sollen mal irgendwelche Leute gesagt haben, und deswegen wäre es schön, wenn ich mit acti labores in die Ferien starten könnte. Schließlich wird es nach den Ferien nicht einfacher - dann beginnen die Prüfungswochen, dann wird es eine Menge zu tun geben, also sollte ich lieber in den Ferien etwas Energie tanken. Mit der großen Buba, aber die tankt Edhergighie.

Und es warten ja schöne Dinge in den Ferien auf mich. Der neue Newsletter des Hansa-Park ist gekommen, der Baublog ihres geplanten Freifallturms Highlander geht voran und das sieht spannend und toll aus. Toll auch deswegen, weil der Turm mitten auf dem Nessie-Gelände stehen und inmitten der Doppelhelix der Achterbahn in die Höhe ragen wird. Und Nessie bekommt einen neuen Bahnhof - siehe oben - darauf freue ich mich genauso wie auf Suspiria und Tales of Vesperia.

Also, Augen zu und durch, jetzt nochmal richtig durchstarten!

Samstag, 23. Februar 2019

Tunnelfahrt

Berlin Gleisdreieck. Rechts vom Bild der U-Bahnhof, links die Einfahrt in den Apartmentblock und dann schließlich unter die Erde. Eine der ungewöhnlichen Sehenswürdigkeiten in Berlin.

Das wird jetzt wieder nerdig, so wie damals die S-Bahn-Fahrt (HB-Style) oder der Beitrag Ich hör' nur Bahnhof! - es geht also mal wieder um Zugfahrten, wobei der Fairness halber gesagt sein sollte, dass auch Autofahrten durch einen Tunnel aufregend sein können.

Es geht aber nichts darüber, in einem Zug zu sitzen, selbstverständlich in Fahrtrichtung, um immer sicher sein zu können, was kommt (seid Ihr schon einmal rückwärts in einen Tunnel gefahren? Grauenhaft!) und um die Antizipation zu steigern: Es ist ein unglaublich spannendes Erlebnis, im Zug auf einen Berg zuzufahren: Erst noch zwei, drei Kilometer entfernt, und ich frage mich, ob der Zug wohl daran vorbeifahren wird? Oder mittendurch, hinein in die Finsternis, mit Druck auf den Ohren (Druhck sagt die große Buba) und dem Gefühl, in das eigene Verschwinden hineinzufahren?

Die Gleise driften nach links, nach rechts, der Berg wird an die Seite geschoben, nein, es geht wohl doch daran vorbei, jetzt ist es noch ein Kilometer. Aber langsam wird mir bewusst, dass es kein vorbei gibt, denn der gesamte Bergkamm ist wesentlich höher als das Niveau, auf dem der Zug sich gerade befindet. Wie aufregend, es bleibt nur der Weg direkt durch den Berg, es muss ein Tunnel kommen, kann ich die Einfahrt schon sehen?

Natürlich kann ich das nicht, denn ich sitze auf der rechten Seite, weil ich unbedingt sehen will, wie der Tunnel heißt, und es findet sich nun einmal bei den meisten Tunnels an der Tunneleinfahrt auf der rechten Seite ein kleines Schild, das den Namen angibt und bei über zweihundert Sachen nur für den Bruchteil einer Sekunde zu lesen ist. Welcher Tunnel wird es wohl sein? Ist es etwa der Mündener Tunnel, auf den ich die ganze Zugfahrt schon warte, weil es der zweitlängste Eisenbahntunnel Deutschlands ist? Oder sogar der Landrückentunnel, die Nummer Eins, beide gute zehn Kilometer lang?

Diese letzten drei, zwei Sekunden vor der Einfahrt in den Tunnel sind aufregend, extrem schnell und ich bin extrem konzentriert: Wie heißt der Tunnel, wie sieht das Tunnelportal aus, wie steil ist das Gefälle der Bergwand, wie lang ist der Einfahrtsbereich des Tunnels? Alles innerhalb von einem blitzschnellen Moment wahrnehmen und dann die Informationen auswerten, während wir in die Dunkelheit rauschen, der Klang der Zugfahrt wird immer dumpfer, der Druck auf den Ohren steigt...

...und dabei empfinde ich Tunnelfahrten im ICE noch als recht uninteressant - was mich trotzdem nie davon abgehalten hat, in meiner Kindheit, als wir im Sommer in den Schwarzwald gefahren sind, zu Ferien auf dem Bauernhof, alle Tunnels der Strecke zwischen Hamburg und - mit Umsteigen - Freiburg auswendig zu lernen, selbstverständlich in der richtigen Reihenfolge und mit der exakten Länge in Metern.

Spannender finde ich Tunnelfahrten im ÖPNV, in der S- oder U-Bahn. Die Fahrt ist deutlich langsamer, ich habe mehr Zeit, um aufzunehmen, ob wir einfach nur zwischen zwei Straßen in einen Tunnel abtauchen, oder ob es vielleicht etwas aufregender wird, so wie bei der Einfahrt der U1 in Berlin, nach dem Bahnhof Gleisdreieck, wenn der Zug in ein Wohngebäude abtaucht (das Bild am Beitragskopf). Nicht ganz so irre wie in China, wo eine S-Bahn im achten Stock mitten durch ein Wohnhaus fährt - und dort auch anhält - aber trotzdem recht unkonventionell.

Wie aufregend!


Mich interessieren längere Tunnelfahrten - nehmen wir das Beispiel des Nord-Süd-Tunnels der Linien S1 und S2/25 in Berlin. Vom langsamen Gefälle nach dem letzten oberirdischen Bahnhof Yorckstraße aus kann man sehen, dass man in eine Art Niemandsland abtaucht - früher war es zumindest so: Ein Tunnel mitten in der Wildnis, Müll, Gestrüpp, unspannend. Dann aber kam der Neubau des Berliner Hauptbahnhofs auf dem Gelände des ehemaligen Lehrter Stadtbahnhof. Fünf Etagen, davon zwei unterirdisch, eine riesige Glaskuppel, zwei den Bahhof überspannende Bürogebäude - und etwa drei Kilometer südlich davon taucht man in den Untergrund ein. Man kann den Hauptbahnhof in der Ferne erkennen, und seitdem die Fernbahngleise von Nord nach Süd durch das Tiefgeschoss des Hauptbahnhofs führen, taucht man nicht mehr in die Wildnis ein, sondern unter der Tunneleinfahrt der Fernbahn, und ich stelle mir dabei vor, wie verschlungen die Kellergewölbe dort sein müssen.

Klar ist es irgendwie blöd, dass die S1/2/25 als eine der Hauptaorten des Berliner ÖPNV nicht an den Hauptbahnhof angeschlossen sind, und dass die U55 bisher auch nur ein Randdasein führt. Aber irgendwann wird das anders sein, und dann werden die Tunnel noch spannender. Irgendwann. Genauso wie irgendwann der BER eröffnet wird.

Und ein Punkt, der noch sehr aufregend ist, ist die Frage: Wie sieht die Landschaft wohl aus, wenn wir mehrere Kilometer entfernt wieder aus dem Untergrund auftauchen? Ein komplett neuer Stadtteil, wird es dort Villen geben? Oder Sozialbauten? Sieht es dort anders aus als an dem Ort, wo wir in die Finsternis eingetaucht sind? Hat sich mittlerweile vielleicht sogar das Wetter geändert? Irgendwie kann ich jedem Moment der Tunnelfahrt etwas Spannendes abgewinnen; über die Konstruktion der unterirdischen Bahnhöfe hatte ich ja damals im Ansatz schon einmal berichtet (obwohl Rainer G. Rümmler definitiv noch seinen eigenen Eintrag in diesem Blog bekommen wird, denn das ist U-Bahn-Architektur auf einem ganz anderen Niveau!) - und ich merke, es wird Zeit, dass ich wieder einmal nach Berlin fahre.

Andere interessante Tunneleinfahrten? Die U5 taucht hinter der Haltestelle Tierpark Richtung Hellersdorf auf und fährt dabei direkt am Tierparkgelände entlang, es ist spannend, die großen Volieren zu beobachten. Die U2 hat als Besonderheit, dass der Bahnhof Mendelssohn-Bartholdy-Park direkt den Übergang zwischen ober- und unterirdischer Gleisführung bildet. Die U6 taucht in Tegel kurz auf, und am Bahnhof Otisstraße (ehemals Seidelstraße) kann man das Flughafengelände beobachten. Es wird spannend werden, wie sich der Flughafen BER entwickelt. Die S-Bahn-Anbindung vom alten Flughafen über Waßmannsdorf führt in einen unterirdischen Bahnhof, und wenn man sich aus einem Anfall von Vernunft doch noch entscheiden sollte, die U7 von Rudow aus zum Flughafen weiterzuführen, wird der letzte Streckenabschnitt oberirdisch verlaufen.

Bleiben noch Tunnelfahrten auf Achterbahnen; sie sind selten, leider, weil sie die Kontruktion einer Achterbahn extrem verteuern können - besonders wenn es unterirdisch sein soll und nicht nur eingehaust. Dennoch werten sie jede Bahn ungemein auf, besonders, wenn es höchst unkonventionelle Dunkelfahrten sind wie bei'm Schwur des Kärnan oder Flight of Fear. Es ist ein tolles Gefühl, jeglichen Bezug zur Realität draußen zu verlieren, sich in den Achterbahnzug zu setzen und einfach darauf zu vertrauen, dass man irgendwann wieder an's Tageslicht kommen wird. Das intensiviert den Effekt der Achterbahnfahrt, etwas Ungewöhnliches zu erleben. Und deswegen steigen wir schließlich (meistens) in die Achterbahn.

Ich sollte an dieser Stelle nicht das Erlebnis im amerikanischen Park Kings Island vergessen. Dort steht mit The Beast die längste Holzachterbahn der Welt, ein Rekord, der seit exakt vierzig Jahren gehalten wird. Mehrere Teile der fast zweieinhalb Kilometer langen Strecke verlaufen unterirdisch und entführen den Fahrgast in die Wildnis und durch die Wälder von Ohio - ein Erlebnis, das umwerfend und schwer in Worte zu fassen ist - trotzdem hat ein coaster enthusiast das damals zum dreißigjährigen Jubiläum in einer philosophisch angehauchten Untersuchung gemacht.

The Beast führt durch die Wälder, deswegen ist nur ein minimaler Teil aus der Vogelperspektive zu erkennen.
post scriptum: Wow, ich komme gerade aus dem Film "Searching" (2018), einem richtig spannenden Film für die Generation "digital natives". Das dürfte Schülern gefallen: Ein Vater macht sich auf die Suche nach seiner vermissten Tochter, und fast der gesamte Film spielt aus des Vaters Perspektive auf dem Bildschirm seines Laptops. Das ist, wie ich lese, schon häufiger gemacht worden, aber selten so gut. Ich fand den Film extrem spannend, die gesamte Klaviatur der Emotionen wird mit Hilfe der schönen Filmmusik durchgespielt, und ich könnte mir vorstellen, dass Schüler den Film lieben werden - weil jeder von uns in diesem Film Online-Verhaltensweisen wiedererkennen kann. Ich nehme meine Begeisterung mit in die Meditation; das war definitiv eine gute Entscheidung heute. Was mich aber wieder fasziniert hat - öfters taucht der Ausdruck "Suche nach vermisster Teenagerin" auf, zum Beispiel als Google-Suchergebnis - als hätte Aristophanes die krampfhafte Feminisierung jeglicher Wörter vor über zweitausend Jahren erahnt, als er in seiner Komödie "Die Wolken" ("Nephelai", Herr Leinhos schenkt mir die griechischen Buchstaben, ich bin dazu zu unbedarft) über die "Schüsselin" schrieb...

Donnerstag, 11. Oktober 2018

Die letzte Zugfahrt

Manches lässt sich nicht trennen

Wir sitzen am Bahnhof, niemand sonst wartet auf den Zug nach Freiburg. Niemand da, der stören könnte, und trotzdem sprechen wir nicht miteinander. Wir blicken beide traurig abwechselnd auf den Boden oder in die Richtung, aus der der Zug kommen sollte. Wir haben beide rote Augen. Ich vom Weinen, Er von der durchgemachten Nacht. Wir sind beide übermüdet; vielleicht ist auch das einer der Gründe, warum wir nicht miteinander reden. Was sollten wir denn auch besprechen? Worüber unterhält man sich auf der letzten gemeinsamen Zugfahrt? Was sagt man sich, wenn man sich am Zielbahnhof ein letztes Mal in den Arm nimmt? Was sind die letzten Worte, die man dem Menschen sagen soll, der einem so sehr ans Herz gewachsen ist, wenn man weiß, dass man sich nicht mehr wiedersehen wird?

Ich habe mich bereits die letzten zwei Nächte über mit dem Gedanken auseinandergesetzt – aber Er ist sich erst spät, bzw. heute in aller Frühe dieser Realität bewusst geworden. Und dabei hätte es alles toll sein können. Wir beide sind für vier Tage von zuhause geflohen, quer durch Deutschland gefahren und den Europa-Park besucht. Ich hatte versucht, für alles zu sorgen, und Er meinte, dass das ein echtes Erlebnis ist.

Ich will auch gar nicht weiter darüber nachdenken, was zu dieser beschissenen Situation geführt hat. Und nun kommt der Zug, wir steigen ein und zwanzig Minuten später schon wieder aus. Und reden immer noch nicht miteinander. Dann fährt der ICE Richtung Norden ein, wir suchen unsere reservierten Plätze, ein Vierer, und uns gegenüber sitzt eine Frau mit ihrer Tochter. Die Kleine ist so niedlich, dass wir beide lächeln und ein bisschen mit ihr spielen.

Der Zug fährt ab, und ich schaue ihn zum ersten Mal an diesem Tag direkt an, und Er schaut zurück. „Hey, wollen wir uns jetzt stundenlang anschweigen?“ fragt sein Blick mich. Ich lächele traurig, Er auch. Er nimmt sich seinen MP3-Player und setzt die Kopfhörer auf. Ich fasse nach seiner Schulter, bitte noch nicht, bitte lass' uns wenigstens ein bisschen reden. Das tun wir. Unauffällig, weil wir dem kleinen Mädchen nicht alle Details der letzten Nacht servieren wollen.

Aber worüber reden wir nun? Ich schaue auf die Uhr, noch sechs Stunden, dann heißt es Abschied nehmen. Wir schauen uns seit Minuten an, ununterbrochen. Ich möchte nicht mehr wegschauen, und Er auch nicht. „Mama, warum sind die beiden Männer so still?“ Wir lächeln. „Tina, die Männer sind bestimmt sehr müde, lass' sie mal ein bisschen in Ruhe.“ Die Mutter lächelt uns an, und ich verwette mein Gehirn, dass sie genau weiß, woran Er und ich gerade denken. Sie sieht, dass wir traurig sind. Man könnte denken, dass wir uns lieben, ich ihn und Er mich. Und die Mutter lächelt hilflos, denn sie würde uns gern etwas Gutes tun.

Nach einer gefühlten Ewigkeit den Anschauens fragt Er mich, ob es okay ist, wenn Er eine Weile Musik hört. Natürlich ist es das, und wir schließen die Augen und lehnen uns zurück. Ich nehme meine Armbanduhr ab, ich möchte nicht sehen,wie unsere letzte gemeinsame Zeit verrinnt.

Und dann fangen wir doch an zu reden. Wir möchten uns nicht die Schuld geben. „Es war nicht dein Fehler“, sagt Er. Dann ich. Ich nehme seine Hand. Die kleine Tina malt in einem Buch herum. Und selbst, wenn sie das nicht täte: Heute ist es uns egal, was die Menschen um uns herum denken. Wir bekommen gar nichts mehr mit, schauen uns nur wieder an. „Ich will dich nicht gehen lassen“, aber wir haben diesen Entschluss in der letzten Nacht gefällt. Seitdem hatte er nicht mehr mit mir gesprochen, hat sich im Hotel im Bett weggedreht, weil er nach und nach die Tragweite dieses Entschlusses einschätzen konnte.

Und plötzlich fangen wir an, ehrlich miteinander zu reden. Über Gefühle, über alles, was wir erlebt haben. Über die irren Nächte, über die schönen Zeiten, ich halte immer noch seine Hand. Wir würden das niemals zuhause in der Öffentlichkeit gemacht haben, denn ich war nie ein gutes Gesprächsthema in seiner Welt, und deswegen hat Er versucht, mich geheim zu halten. Aber nun, mehrere Hundert Kilometer entfernt von den Menschen, die nicht wollen, dass wir befreundet sind, nun können wir endlich authentisch sein. Wir haben noch nie so offen gesprochen wie auf dieser Zugfahrt, haben uns angeschaut und die Mutter gegenüber lächelt uns weiter an. 

Wir haben Eis gebrochen, und wir reden über alles, was in unseren Herzen vor sich geht. Wir haben Angst davor, zurückzukehren in eine Welt, in der wir wieder Rollen spielen müssen, in der wir nicht wir selbst sein dürfen. Wir würden so gern diese Zugfahrt ewig ausdehnen, denn Er redet wie ein Wasserfall von seinen Gedanken und Gefühlen, und für eine Weile wirkt es, als würden wir uns in einer leuchtenden Kugel befinden, in der wir endlich ehrlich sind und keine Blicke von außen fürchten müssen.

Dann fährt der Zug durch den Bahnhof Hamburg-Harburg, und wir realisieren, dass die Heimat immer näher kommt - und das Leuchten unserer Kugel wird schwächer. Er setzt seine Kopfhörer auf, ich lehne mich zurück und schließe die Augen. Habe ich ihn lang genug angesehen, dass ich in Zukunft ohne diesen Anblick werde auskommen können?

Time will tell...

______________________________________

Und ich erspare Euch die letzten Momente nach der Ankunft in Kiel. Warum schreibe ich das hier überhaupt? Weil Streit, unschöne Gefühle, Tiefen einfach zu jeder zwischenmenschlichen Beziehung dazugehören. Und die Geschichte zeigt uns vor allem eins: Solche traurigen, schweren Zeiten machen uns stärker. Warum würde Er sonst immer noch für mich aufgeschlossen sein?

Samstag, 14. April 2018

Make it a great day!

Time for some adventure! ...hoffentlich bald wieder ;-)

Vor ein paar Jahren bin ich zum ersten Mal in die USA geflogen. Ich hätte dort Vieles machen können, aber ich wollte eigentlich nur einen Freizeitpark besuchen. Die Reise habe ich lange und detailliert durchgeplant, und ich hatte auch ein bisschen Angst davor, denn das war etwas komplett Neues. Ja, ich war vorher auch schon einmal geflogen, vor elf Jahren zur Exkursion nach Griechenland. Aber diesmal war ich ganz allein in einer anderen Welt. Und ich erinnere mich noch sehr gut an einen Satz aus einer Mail, und zwar hatte ich wegen diverser Fragen an den Park geschrieben und hatte auch eine Antwort bekommen, die mit folgendem Satz endete:

"Make it a great day here at Kings Island!"

Das ist natürlich eine Standardphrase, eigentlich nichts Besonderes, aber sie hat bei mir damals einen Nerv getroffen - sonst würde ich mich wohl kaum Jahre danach noch daran erinnern und einen Artikel dazu schreiben. Denn dieser Satz hat mir vor Augen geführt, dass ich es selbst in der Hand habe, wie mein Tag im Park wird. Ich selbst kann daraus einen fantastischen, unvergesslichen Tag machen.

"Klingt ja schön und gut, aber stell' dir vor, es regnet, dein Portemonnaie wird geklaut, du hast einen Kreislaufzusammenbruch... das sind alles Dinge, die du nicht in der Hand hast, und dann klingt das Make it a great day! nicht mehr ganz so einfach." - Das ist vollkommen richtig. Es ist wahrlich schwer, einen Tag im Freizeitpark zu einem großartigen Tag zu machen, wenn er von Unwägbarkeiten beherrscht wird. Der Wagen springt nicht an. Das Getränk im Rucksack ist ausgelaufen. Und dann zieht auch noch Regen auf! Aber, wie ich hier im Blog mittlerweile schon mehrmals erzählt habe, helfen mir die buddhistischen Lehren, mit diesen Unwägbarkeiten umzugehen. Kopftechnisch. Denn unser Empfinden eines Tages wird durch unser Gehirn gesteuert. Und deswegen trainiere ich immer weiter, um den Dingen Positives abzugewinnen.

Natürlich habe ich großartige Tage in den USA verbracht, und diese Mail hatte mir richtig Laune darauf gemacht. Man kann nun von der Sache abstrahieren, indem man nicht nur sagt, dass ich mein Empfinden eines Tages selbst in der Hand habe, sondern dass ich mein ganzes Leben selbst in der Hand habe. Natürlich gibt es auch hier wieder die Unwägbarkeiten: Arbeitslosigkeit, Schulden, Krankheit, Unfall. Aber der Grundgedanke ist immer präsent: Ich habe mein Leben selbst in der Hand und muss mich von niemandem steuern lassen. Im grauen Alltag vergesse ich das manchmal wieder, und dann sind solche kathartischen Momente sehr hilfreich.

Es gibt diverse Medien, Bücher, Videospiele und Filme, die sich genau mit diesem Topos auseinandersetzen. Das scheint ganz beliebt zu sein. In Matrix (1999) lernt ein Hacker, die Welt nach seinen Vorstellungen auszugestalten. In Dark City (1998) macht der Held das dann auch.

Kennt Ihr das Gefühl? Diese Momente, in denen man sich endlich wieder bewusst wird, dass man sein Leben selbst kontrollieren kann? Ich hatte gerade erst über Momente geschrieben, in denen wir klarer sehen können; die Buddhisten nennen das Bodhichitta.

Nicht falsch verstehen: Natürlich gibt es auch nach dieser Einsicht noch die Unwägbarkeiten. Gab es immer, wird es immer geben. Die Frage ist, wie wir damit umgehen. Und nicht immer sind es andere Menschen, die uns zu kontrollieren scheinen; hin und wieder kann es unglaublich befreiend sein, die eigens auferlegten Fesseln abzuschütteln. Diesen Topos fand ich im Film Cloud Atlas (2012) sehr gut dargestellt.

Ich habe darüber schon einmal geschrieben, warum also dieser Beitrag? Weil ich mich selbst regelmäßig wieder daran erinnern muss. Und weil ich vor ein paar Tagen Dark City (mittlerweile dreimal) gesehen habe, der mich stark beeindruckt hat (findet sich bei mir im Kopf neben Suspiria, Cloud Atlas und Mulholland Drive wieder).

Also, liebe Kollegen, wenn übermorgen die Schule wieder beginnt: Ihr habt es in der Hand, wie Ihr die Tage erlebt!

Donnerstag, 12. April 2018

This is strange...

Endlich ist es wieder soweit!
(https://www.hansapark.de/files/bilder/Der%20Park/Attraktionen/Fahrattraktionen/Der%20Schwur%20des%20KAERNAN/Der-Schwur-des-Kaernan-6.jpg)


Sonnencreme? Check. Fotoapparat? Check. Saisonkarte? Check. Freizeitpark-Outfit? Check. Autoschlüssel, gutes Wetter, gute Laune? Check!

Here goes die neue Freizeitparksaison, ab Frühjahr erklären sich deutsche Freizeitparks bereit, Besucher zu verschlingen - abgesehen von dem einen oder anderen Europa-Park, der auch eine Wintersaison hat. Für mich ein ganz wichtiger Moment, denn mit dem ersten Besuch der Saison schüttel' ich die "Überwinterungshaut" ab, mache mich locker, fange an, das reale Leben da draußen wieder zu genießen.. Ich höre wieder Dub (jetzt gerade Otts Squirrel and Biscuits, der Gute-Laune-Song schlechthin), ich ziehe wieder luftigere Sachen an. Das ist mir wichtig, denn wenn ich dicht einklamottet bin, fühlt es sich auch figurativ wie eine Last auf mir an (deswegen habe ich bei den Meditationen auch immer so wenig Kleidung wie möglich an).

Ich fange wieder an, durch die Wohnung zu tanzen, in meinem Körper nistet sich wieder ein ständiger Beat ein, der mich dazu bringt, zu lächeln, zu nicken, mit den Füßen zu tappen, entspannter an die Dinge heranzugehen, den Blutdruck runterzufahren. Die Sonne scheint den ganzen Tag über in meine Wohnung und bringt meinen Serotoninlevel auf einen angenehmen Stand.

Ich habe diesen Tag komplett durchgestylt, vom Frühstück über Musik während der Autofahrt, die Route im Park, das Abendessen, Meditationszubehör ist vorbereitet, Wetterbericht intensiv verfolgt, aufgetankt, Ölstand kontrolliert, damit nichts mehr schiefgehen kann. Der Morgen startet mit Dub, ich springe durch die Wohnung und räume zumindest ein paar Dinge aus dem Weg - der offizielle Frühjahrsputz beginnt erst morgen.

Und dann passiert etwas. Ich kann es nicht beschreiben, ich kann nicht sagen, was es ausgelöst hat. Ich glaube, am besten kann jeder Leser das nachvollziehen, wenn ich sage: "Ein Moment, der mir die Augen geöffnet hat." Jedenfalls habe ich meine komplette Tagesplanung innerhalb weniger Minuten umgeworfen und bin zuhause geblieben. Mit diesem Moment hat eine sehr wichtige Phase begonnen, dazu unten mehr.

Obwohl der Beitrag This is strange heißt, kenne ich dieses Verhalten ja von mir. Das ist auch einer der Hauptgründe, warum ich mich ungern mit anderen Menschen verabrede: Ich weiß nicht, ob ich zu dem Zeitpunkt nicht viel lieber etwas Anderes machen würde, bin da also sehr unzuverlässig. Die Sannitanic und die große Buba haben das beide schon recht oft zu spüren bekommen (und sie sind trotzdem noch bei mir, zum Glück).

Ich glaube, es ist wichtig, wie man selbst mit seinem Verhalten umgeht - wie man es bewertet, wenn überhaupt. Vor einigen Jahren hätte ich mir dafür Vorwürfe gemacht: "Du hast dich so auf den Park gefreut, warum fährst du denn jetzt nicht los?" - "Weißt du eigentlich, was du alles verpasst?" - "Nachher bereust du es!" - und genau an dem Punkt habe ich anzusetzen gelernt: Nichts bereuen.

Und so bereue ich diesen Tag nicht im Geringsten. Im Gegenteil, ich habe ihn zu einem der wichtigsten Tage in diesem Jahr für mich gemacht. Der Tag, an dem ich die Winterdepressionen abschüttele. An dem ich realisiere, dass ich mein Leben selbst in der Hand habe. An dem ich realisiere, dass ich Kontrolle über meinen Körper habe, und dass Deprivation Genuss bedeuten kann, und Überfluss Last.

Das habe ich am Sonntag geschrieben. Den folgenden Teil habe ich gestern und heute erstellt.

Ich habe geschrieben, dass mit diesem Moment eine sehr wichtige Phase für mich beginnt. Diesen Moment des Augenöffnens habe ich in jedem Jahr, irgendwo im Frühjahr. Es ist der Moment, an dem ich realisiere, dass der Winter vorbei ist, und dass der Sommer kommt. Das mag nun keine große Sache sein, aber für mich ist es das eben doch, weil mein komplettes Leben und mein Denken im Sommerhalbjahr anders aussehen. Das war eigentlich schon immer so, aber gerade in meiner neuen Wohnung wird es mir noch deutlicher bewusst.

Ich wohne direkt unter dem Dach. Ich habe eine Eckwohnung, deren Fenster genau am Lauf der Sonne ausgerichtet sind. Dadurch ist meine Wohnung lichtdurchflutet und heizt sich im Sommer recht extrem auf - was wiederum dazu führt, dass ich in meiner Wohnung in der Regel nackt bin. Das klingt ungewöhnlich und vielleicht auch "unheimlich", aber ich habe gemerkt, dass es ein echter Genuss ist, den Körper nicht mit Kleidung zu belasten. Ich versuche eben, in einer eigentlich ungemütlichen Situation das Gute zu sehen.

Ich fühle mich unbeschwerter, freier, unkomplizierter. Das Leben fühlt sich für mich unbeschwerter, freier, unkomplizierter an. Es ist die Chance, etwas zu verändern, wenngleich ich mir bewusst bin, dass ich - um das durchzuhalten - mein Leben achtsamer und bewusster führen muss. Und oft genug scheitere ich irgendwann. Aber der Versuch ist es immer wieder wert.

Diese Momente des Augenöffnens werden in den buddhistischen Lehren als Aufblitzen des absoluten Bodhichitta bezeichnet. Bodhichitta bedeutet in etwa "Erwachen"; die ganzen Namen mögen überall anders sein, aber ich denke, die meisten von uns erleben diesen Moment in ihrem Leben, nicht oft, aber definitiv mehr als einmal. Und der buddhistische "Krieger" versucht, sein Leben auf diese Momente hin zu leben. Ganz so esoterisch ist es bei mir zwar nicht, aber zumindest habe ich meine Verhaltensweise ein wenig geändert.

Wenn ich merke, dass so ein Moment geschieht, dann nutze ich ihn. Ich räume alles beiseite, was diesen Moment stören könnte. Ich bremse mein Denken und Handeln herunter, um den Moment nicht zu überfahren. Ich gehe in mich, lasse kaum einen anderen Menschen in dieser Phase an mich heran. Ich erlebe die Zeit sehr intensiv - und sehr gedankenintensiv. Jeder Schritt fühlt sich "bewusster" an, auch weil ich weiß, dass es genau diese Weise ist, auf die ich mein Leben eigentlich genießen möchte: Bewusst, achtsam, meines Selbst gewahr.

Natürlich klingt das alles ein wenig abgehoben. Und für gewöhnlich verfliegt dieses Gefühl von allein wieder, spätestens nach ein paar Tagen. Dann melde ich mich auch wieder, bei meiner Familie, bei meinen Freunden. Dann kehre ich auch wieder zu diesem Blog zurück - und ich bin auf das Vertrauen der Menschen angewiesen, die mich lieben: Das Vertrauen, dass Alles in Ordnung ist. Dass ich einfach nur diese Zeit für mich selbst brauche.

Ich lasse - aus der Erfahrung heraus - in diesen Phasen nur drei Menschen an mich heran. Das Telefon ist herausgezogen. Emails müssen warten. Mit Ausnahme der Nachrichten der Sannitanic, der großen Buba, und auch Er gehört zu den wenigen Menschen, die mich in dieser Phase erreichen können. Ich weiß, Er wird das hier nicht lesen, und ich bin mir nicht sicher, ob Er sich seiner Bedeutung für mich bewusst ist, aber das macht auch gar nichts. Ich weiß, dass ich ihm vertrauen kann, und darum geht es mir, und ich weiß, dass ich der Sannitanic vertrauen kann, und auch der großen Buba. Immer.

Und so kehre ich nun heute und morgen langsam in den Alltag zurück. Ein wenig schade ist es, diese Sphäre der gedanklichen Klarheit zu verlassen - verlassen zu müssen - aber das muss sein, denn was steht nicht alles an: Ich muss einen Satz Klassenarbeiten korrigieren, am Dienstag bin ich in die Sprechprüfungen zum englischen Abitur involviert und ich muss mir meiner Haltung zur Arbeit an der KGS bewusst werden. Ich schiebe das alles auf das letzte Wochenende der Ferien. Das mache ich immer. Nicht, weil ich faul wäre, oder ein Drückeberger, oder wegen Prokrastination. Sondern, weil mir diese Momente der gedanklichen Klarheit viel wichtiger sind als die Schule, und weil die Ferien für gewöhnlich eine sehr wertvolle Chance bieten, diese Momente wahrzunehmen, mich nach ihnen auszurichten und sie nach voller Lust auszukosten.

Die Ferien bedeuten für mich Ferien. Und so möchte ich es auch meinen Schülern wünschen. Diese Einstellung ist erst mit der Zeit gekommen; anfangs habe ich den Schülern über die Ferien immer Hausaufgaben aufgegeben, sowohl schriftlich als auch Lernaufgaben. Das möchte ich eigentlich nicht mehr machen.

Und ich freue mich auch, nun dem Blog wieder Aufmerksamkeit zulassen zu können. Mir sind in der Zeit so viele tolle Ideen für Artikel durch den Kopf gegangen. Aber, um es einfach auszudrücken: In dieser Phase möchte ich bei mir sein - und nicht bei Euch.

Und meine Freunde verstehen das auch, glaube ich.

Mittwoch, 28. März 2018

Nummer Achtzehn

Ob ich jemals verbeamtet werde...?

Endlich: Die Ferien sind erreicht. Irgendwie habe ich mich noch nie so sehr nach den Ferien gesehnt wie diesmal - sonst war es eher in Richtung "Schade, dass wir uns jetzt zwei Wochen nicht sehen". In SPO hatte ich richtig Spaß am Unterrichten, da geht man dann schon etwas wehmütiger in die Ferien. Selbstverständlich freuen sich auch die Schüler - bei einigen stehen vielleicht richtig tolle Reisen an, bei mir zumindest der Hansa-Park; die Saison beginnt morgen und ich bin froh, dass ich - wenn es nötig ist - einfach mal ausbrechen kann. Muss mich dran erinnern, den ADAC zu rufen, ich brauche Starthilfe, nachdem das Auto den ganzen Winter über nur gestanden hat.

Und die Ferien sind bitter nötig, und das nicht nur aus spaßigen Gründen wie Freizeitparks oder Monster-mit-der-großen-Buba-verkloppen. Ich muss die Wohnung grundreinigen, weil ich so viel im Kopf hatte, dass ich nicht mehr an so banale Sachen wie "wegwerfen" gedacht habe. Kaum zu glauben: Alles steht überall herum - weil ich immer mit was Anderem im Kopf beschäftigt bin. Und ich muss auch mal gründlich über meine Zukunft nachdenken. Was erwarte ich von "meiner" Schule? Wie soll es weitergehen?

Und noch ein positiver Grund ist, dass gerade Ni No Kuni 2 erschienen ist - ich mag es, wenn pünktlich zu den Ferien ein neues Videospiel erscheint (an das ich aufgrund der hervorragenden Qualität des Vorgängers hohe Ansprüche stelle). Und ich werde auch noch für's Videospielen bezahlt, wenn man es so sehen will, denn...

...endlich ist der Anschlussvertrag da! Heute habe ich meinen achtzehnten Arbeitsvertrag unterschrieben, das Gehalt wird weiter gezahlt, schön. Für einen Monat. Ich hasse Bürokratie, wieder nur so ein Stückwerk, wieder fühle ich mich unsicher - ich muss mich daran gewöhnen und dagegen abhärten. Und für die Schüler ist das natürlich auch nur ansatzweise hilfreich.

Egal. Hauptsache, es geht weiter, und so starte ich jetzt in die Ferien mit einer Meditation, denn ich möchte ein Gespräch nochmals Revue passieren lassen. "Wenn ich hochbegabt bin, will ich das gar nicht wissen!" sagt heute ein Schüler zu mir. Vielleicht liest er das hier gerade. Meine Reaktion? Random-Fragen. Hast du Probleme mit Autorität? Hast du Neurodermitis? Wie stellst du die Lautstärke beim Fernsehen ein? Ich stelle meistens einfach nur Fragen und sage gar nichts weiter dazu. Informationen sammeln, Details sammeln, Puzzleteile.

Ich liebe es, Menschen kennenzulernen.
Kommt gut in die Ferien!

Freitag, 26. Januar 2018

Bonior audere eFundere

Sweet memories...

Einfach mal anders - dieser Beitrag besteht nur aus "post scriptum", Gedanken, die ich einem Beitrag hinzufügen wollte, der es nicht in die Mache geschafft hat.

post scriptum: Der Titel könnte als lateinischer Flachwitz gelesen werden - so schlecht, dass ich ihn auch siebzehn Jahre später noch im Kopf habe. Einfach mal wörtlich übersetzen: "bonior" als inkorrekte Steigerungsform wird zu "güter", audere bedeutet "wagen" und eFundere "ausGießen" - oder etwas bereinigt: "Güterwagen aus Gießen". Danke, Herr Kesslau!

ps2: Traurige News für diesen Achterbahnfan - die "Eurosat" im Europa-Park wird derzeit überarbeitet. Neben nötigen Renovierungen für die TÜV-Abnahme soll die Bahn neu thematisiert werden. Das finde ich sehr schade, denn gerade das teils trashige, teils extrem immersive Science-Fiction-Thema hat die Fahrt - und auch das Warten darauf - zu einem genialen Erlebnis gemacht. Muss ich jetzt erstmal verarbeiten; andererseits mag man diesen Schritt auch verstehen, da mit der Euro-Mir bereits eine weitere Achterbahn mit Weltraum-Thema im Park vertreten ist. Irgendwann schaue ich mir das Resultat mal an. 

ps3: Und wo wir schon bei Achterbahnen sind - "Colossos" im Heide-Park hat nun doch noch eine Zukunft vor sich. Nachdem die Bahn seit 2016 wegen erheblicher Streckenschäden geschlossen war, hat man nun beschlossen, noch einmal über zehn Millionen Euro in neue Schienen zu investieren, damit die Bahn 2019 wieder starten kann. Das wäre schon toll, denn Colossos hat tatsächlich Weltrang-Niveau.