Freitag, 14. Oktober 2022

Die Grenzen der Redefreiheit

Kann nun nicht mehr ganz so sorglos herumschreien: Alex Jones

"Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!"

Ein beliebter Satz in der rechten Szene, auch bei den anti-wokeness-Verfechtern. In der Tat, in vielen Ländern der Welt darf man seine Meinung frei äußern, inklusive Lügen (das nennt sich dann Politik) und Beleidigungen. Hass, Hetze und üble Nachrede stellen dagegen die Grenzen der Redefreiheit dar. Und was ist, wenn man einfach nur harmlose Behauptungen aufstellt?

Alex Jones ist mit dieser Frage konfrontiert worden. Der amerikanische Radiomoderator haut mit seinem Programm InfoWars gern Verschwörungstheorien und allerlei Humbug raus. Dazu gehören auch Unterstellungen gegen die demokratischen Politiker - alles, was sein Publikum begeistert, zu dem neben einigen incels generell Menschen gehören, die auf irgendwas schimpfen wollen und sich von der Politik allein gelassen fühlen. Quasi ein amerikanisches AfD-Programm.

Jones verdient damit viel Geld, denn in seinem Onlineshop verkauft er unter anderem Kleidung und Nahrungsergänzungsmittel, und es ist nicht von der Hand zu weisen, dass er sich an eine uwah uwah-Bevölkerung richtet, tendenziell eher niedriges Bildungsniveau, blue collar workers, sozial Abgehängte, und dass er ihre Lage eiskalt ausnutzt.

Darf er das einfach? Seine Karriere auf Lügen aufbauen? Na klar, so lange es ein Publikum gibt, das bereit ist, dafür zu zahlen. Allerdings wurden ihm jüngst die Grenzen dessen aufgezeigt, was er behaupten darf.

Sandy Hook - einer der vielen Namen in der Reihe von Columbine, Stoneman Douglas und Hunderten mehr. Schulen, in denen ein Amokläufer Menschen erschossen hat. Diese Amokläufer sind durchgehend Männer - macht daraus, was Ihr wollt. Die Schicksale der Familien, die ein Kind verloren haben, sind sehr berührend; ich kann da nicht anders, als Mitleid zu empfinden (ja, sowas kann ein Aspi auf seine eigene Art).

Auftritt Alex Jones, der über zehn Jahre lang immer wieder behauptet hat, Sandy Hook sei eine false flag attack gewesen, eine Inszenierung mit Schauspielern, von der Regierung organisiert als Gehirnwäsche. Er hat das in seinen Sendungen auch sehr gründlich bearbeitet - dieser Mann zeigt zu wenig Emotionen, jener Mann zu viel, und außerdem habe man ja die angeblich ermordeten Menschen danach durch die Stadt gehen sehen. Alle haben sie gesehen! Das weiß doch jeder!

Verschwörungstheoretiker fahren darauf ab. Klicken auf InfoWars. Kaufen im Onlineshop ein. Machen Alex Jones reich. Für die tatsächlich Betroffenen dieser (natürlich) realen Katastrophen ist diese Masche ein Schlag in's Gesicht. Nicht nur, dass geleugnet wird, dass man einen Mitmenschen verloren hat; die Familien der Opfer werden bedroht und öffentlich lächerlich gemacht. 

In dieser Sache zumindest ist jetzt Schluss. Die Familien der Sandy Hook-Opfer haben Zivilklage erhoben, und Jones war im Gericht so dämlich, wie man nur sein kann; die Jury durfte live erleben, was für ein Mensch er ist. Das Urteil tut richtig weh: Jones muss insgesamt neunhundertfünfundsechzig Millionen Dollar Schadensersatz an die Familien zahlen. Ob ihm das wehtut? Ob ihn das nachdenken lässt?

Natürlich nicht. Er hat sich direkt in Videos über das Strafmaß lustig gemacht, die Familien hätten Pech, denn sein Unternehmen habe Insolvenz erklärt und wo soll dann das Geld herkommen?

Aber das Signal an die Öffentlichkeit ist wichtig: Redefreiheit hat ihre Grenzen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen