Ein Experiment. Gesprächsteilnehmer sind du und ich.
Ich: "Was isst du am liebsten?"
Du: "Spaghetti Bolognese."
Ich: "Wann kannst du am besten deinen Unterricht vorbereiten?"
Du: "In der Regel abends."
Ich: "Was ist dein Lieblingsfilm?"
Du: "Kann mich nicht festlegen, vielleicht Mulholland Drive."
Ich: "Wo würdest du gern einmal Urlaub machen?"
Du: "In Ägypten, eine Fahrt über den Nil."
Ich: "Warum gerade da?"
Du: "Weil ich mich immer schon für Ägypten begeistert habe."
Ich: "Wer ist dein Lieblingsschauspieler?"
Du: "Ich finde Christopher Plummer richtig toll, oder Tilda Swinton."
Ich: "Wie kannst du am besten schlafen?"
Du: "Auf der linken Seite."
Ich: "Okay. Dann beschreib doch mal deinen perfekten Tag."
Du: "Auf jeden Fall wäre ich ausgeschlafen, aber würde trotzdem früh aufstehen, weil ich es mag, wenn ich mittags schon ein paar Sachen erledigen konnte. Hausarbeiten oder so, oder vielleicht Einkäufe. Das Wetter wäre sonnig, aber nicht zu heiß. Den Nachmittag würde ich dann wahrscheinlich in einem Freizeitpark verbringen, weil ich Achterbahnen liebe, und abends einen tollen Film schauen, und vorher ein leckeres Abendessen. Reicht das?"
Ich: "Absolut top! Skizziere bitte den Plot deines Lieblingsfilms."
Du: "Ich kann mich da nicht entscheiden, ich nehme einfach einen Film, den ich toll finde. Das ist Mulholland Drive von David Lynch; es geht darin um eine junge Schauspielerin, die nach Hollywood geht und ihre Karriere starten möchte - allerdings findet sie in ihrer Wohnung eine unbekannte Frau vor, die ihr Gedächtnis verloren hat. Im Verlauf des Films machen sich die beiden auf die Suche nach der Erinnerung, nach der Identität der mysteriösen Frau, und dabei verschwimmt auch die Identität der Protagonistin. Am Ende..."
Ich: "Danke, das reicht schon, super! Damit ist unser Experiment beendet."
Du: "Und, konntest du etwas über mich herausfinden?"
Ich: "Ähm, sorry, aber in diesem Experiment ging es nicht um dich, sondern um mich."
Du: "Aber du hast doch so viele Dinge über mich gefragt?"
Ich: "Nicht falsch verstehen, aber es war völlig irrelevant, was gefragt und geantwortet wurde, es ging um das Wie."
Du: "Erklärung bitte."
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Ich hasse simple, unerklärte Vorschriften. Quasi Dogmen, deren Sinn sich mir nicht erschließt, denen aber alle möglichen Menschen folgen, die quasi als Standard gelten. Ich hinterfrage das nicht nur schnell, sondern empfinde eine Abneigung dem gegenüber und weigere mich, das anzunehmen. Eine dieser Grundregeln wurde mir im Referendariat übergestülpt: "Keine W-Fragen stellen!" Also kein Wer? Wo? Wann? Warum? Was? - und in fast jeder Hospitation war immer ein Refi dabei, der haargenau darauf geachtet hat, ob ich W-Fragen benutzt habe.
Das ging mir richtig auf die Nerven. Warum soll ich keine W-Fragen benutzen? Schauen wir in's obere Gespräch, finden wir die Antwort: W-Fragen entlocken dem Gefragten in der Regel kurze, knappe Antworten. Wenn dagegen Operatoren benutzt werden, wird der Gefragte oft dazu bewegt, mehrere Sätze zu sprechen, und auch mal Nebensätze zu benutzen. Das ist im Fremdsprachenunterricht ungemein wichtig: Wir müssen unsere SchülerInnen zum Reden bringen! Das kann man einfach nicht leugnen, nicht einmal ich, der seinen SchülerInnen anfangs gern lange Unterrichtsvorträge gehalten hat.
Zehn Jahre später verstehe ich dieses Keine-W-Fragen-"Dogma". Und ich stehe voll dahinter. Und genau genommen geht es mir in diesem Beitrag gar nicht um die W-Fragen - siehe Titel.
Es geht mir um meine halsstarrige Haltung, gegen alles Dogmatische, alles Vorgeschriebene, erstmal zu rebellieren und mich zu weigern, etwas allgemein Anerkanntes anzunehmen. Das blockiert ungemein, das setzt Scheuklappen auf. Mir war zwar immer bewusst, dass ich das mache, aber ich bin nie auf die Idee gekommen, dass das etwas Schlechtes sein könnte. Das kam erst mit der Praxis des Buddhismus:
Lojong-Losung Nr.30: "Sei kein Prinzipienreiter."
post scriptum an Solveig: Danke für Deine Begeisterung! ;-)
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