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Samstag, 12. Juli 2025

Dr Hilarius unter Menschen

Damals mit der großen Buba

Und natürlich waren die Omas gegen rechts da. Toll!

Es ist nichts dazwischengekommen, und so bin ich heute im relativ normalen Outfit mit buntem Hemd und großer Regenbogenflagge zum CSD getingelt. Start diesmal nicht am Asmus-Bremer-Platz, sondern am Bahnhofsvorplatz. Der hat auch einen Namen, aber der fällt mir gerade nicht ein. 

Ursprünglich wollte ich die Flagge wieder am Besenstiel befestigen und dann als Fahne hochhalten - aber ich habe dank der Colitis noch nicht wieder die körperliche Kraft, so etwas eine längere Zeit zu tragen. Also habe ich die Flagge um meinen Gürtel gewunden, so dass jeder sehen konnte, wes Geistes Kind ich bin. 

Es war einiges los am Bahnhof, viele Menschen, und am Anfang der Parade trugen mehrere Menschen eine riesige Flagge vorweg. Ich bin direkt dahinter mitgegangen, falls mich heute in der Berichterstatung jemand entdecken will. Großartige Live-Musik hat den Marschrhythmus vorgegeben, und so sind wir dann für unsere Rechte Richtung Exerzierplatz gezogen, einmal drumrum und dann die Rathausstraße wieder runter. Ich habe gestaunt, wie viele Menschen dabei waren: Der Umzug hat gereicht, um den Exer einmal komplett zu umzingeln und noch mehr.

Erst als wir an der Holstenbrücke ankamen, merkte ich, dass mein Körper wieder Sperenzchen macht. Zwei Stunden Spaziergang sind momentan einfach noch zu lang, und deswegen habe ich mich dort ausgeklinkt - wohl wissend, dass ich schließlich auch noch den ganzen Heimweg nach Hassee zu Fuß würde bestreiten müssen, da keine Busse durchkamen.

Als ich hier ankam, war es wirklich kein schönes Gefühl mehr, aber dafür gibt es eine leichte Mahlzeit, das Klo und die richtigen Medikamente. Das war richtig toll heute, die Sonne kam eine lange Zeit heraus, dazu aber ein angenehm frischer Wind. Menschen, die aus ihren Wohnungen heraus gewunken haben, ein fünfjähriges Mädchen im Regenbogenkleid, das die Riesenflagge mit festgehalten hat, Gothics, Punks, Hundemasken, eine große Vielfalt, kein rechter Terror.

Und ich war seit Jahren mal wieder unter Menschen. Draußen unter vielen Menschen. Und ich hatte Spaß dabei. Das ist so ein tolles Gefühl, nachdem ich immer wieder Gründe gefunden hatte, nicht loszugehen, und mir der Antrieb fehlte. 

Zeit für eine Meditation, um das Ganze Revue passieren zu lassen. 

Dienstag, 8. Juli 2025

Ich bekomme einen Luxuskörper


Heute war mein zweiter Infusionstermin. Da kommt schon jetzt so langsam etwas wie eine Routine rein - auf die Liege, es piekst für den Zugang, Tropf wird aufgedreht, ich kann entspannt daliegen dank Anxiolytikum, neunzig Minuten später ist alles durchgelaufen, mit Kochsalzlösung nachspülen - warum eigentlich?

"Wir wollen ja nichts vom Wirkstoff verschwenden, und da befinden sich noch Reste in den Schläuchen", erklärt mir die Arzthelferin. Ich komme in's Grübeln und frage sie aus reiner Neugier, wieviel so eine Infusion eigentlich kostet, dieser kleine Plastikbeutel mit der Antikörpersuppe. Bei der Antwort geht es mir durch Mark und Bein - eine einzige Infusion kostet zwischen ein- und dreitausend Euro! 

Natürlich fängt mein Gehirn dann sofort mit dem Rechnen an: In der richtigen Einstellung werde ich alle acht Wochen eine Infusion bekommen. Damit laufen im Jahr etwa 18.000 Euro in meinen Körper - jetzt weiß ich, wofür ich die Krankenkassenbeitrage gezahlt habe, und ich bin heilfroh über unser System der gesetzlichen Krankenversicherung. In den USA würde ich das nämlich selbst zu zahlen haben müssen - seit Obama und dem Medicaid-Programm zwar nicht mehr, aber derzeit kommt ein Trumpel und hat ein Gesetz erlassen, dass über vierzehn Millionen Amerikaner aus diesem Programm kickt, um mit dem freiwerdenden Geld Steuererlasse für die reichsten Bürger garantieren zu können.

Ich bin so froh, dass ich jetzt gerade nicht in den Vereinigten Staaten leben muss...

Mittwoch, 27. März 2024

Das Gras ist angekommen

Damals in den Kronshagener Bergen....

Nun sind wir also endlich so weit, die Cannabis-Freigabe ist unterzeichnet. Wobei, so weit sind wir auch wieder nicht, denn jetzt steht eine Menge Bürokratie an. Strafen aus der Vergangenheit müssen überprüft werden. Cannabisclubs müssen gegründet bzw. zertifiziert werden. Es wird noch eine ganze Weile dauern, bis ich einfach losgehen und mir einen Joint besorgen kann.

Nicht, dass ich das unbedingt tun würde: Ich schreibe es hier immer wieder, die Wirkung von THC sagt mir nicht besonders zu. Außerdem bin ich kein Raucher; wenn, dann würde ich einen Vaporizer nutzen, denke ich. Oder eine Glasbong, kurz und fast schmerzlos. Was ich aber tun werde: Ich werde mir, wenn ich meine anderen Angelegenheiten im Griff habe, einen kleinen Vorrat an Gras hier zulegen. Als Notfallmedikation für was auch immer eintreten mag. Gibt mir dann ein Gefühl von Sicherheit. Ich muss es nur irgendwo vergraben oder so, ich mag den Geruch absolut nicht. Vielleicht kommt es, wie all' meine Notfallmedikamente, in den Keller.

Ich bin ja gespannt, ob sich jetzt die ganze Panikmache der CDU und der CSU bewahrheitet. Ob jetzt hunderttausende Menschen in die Abhängigkeit rutschen, der Straßenverkehr viel gefährlicher wird als vorher, die Drogenkriminalität noch mehr zunimmt. Bin wirklich gespannt - Modellversuche anderer Länder zeigen das Gegenteil. 

Allerdings frage ich mich auch, wie sich die neue gesetzliche Regelung auf unsere SchülerInnen auswirken wird, und da mache ich mir tatsächlich etwas Sorgen. Für sie wird es leichter werden, an das Gras zu kommen, und die Entwicklung des Gehirns kann tatsächlich beeinträchtigt werden, von der schulischen Performance mal ganz zu schweigen. Und allen Jugendlichen einen verantwortungsbewussten Umgang mit Gras zuzutrauen wäre doch extrem naiv. Ich war auch mal jung und weiß, was Grenzüberschreitungen bedeuten, und das Gefühl von Unsterblichkeit.

Also, liebe KollegInnen: Starten wir in die Ferien mit dem Vorhaben, unsere Schulkiddies im Blick zu behalten. Ob sie kiffen, was das mit ihnen anstellt, ob die Situation sich in irgendeiner Art und Weise ändert - all' das. 

Bleiben wir achtsam!

Dienstag, 5. März 2024

Demokratie, letzter Akt


In den USA erodiert die Demokratie - langsam, aber sicher. Die Werte kippen, hier ein schönes Beispiel:

Donald Trump muss sich vier Anklagen mit insgesamt einundneunzig Anklagepunkten stellen. Deswegen ist er in mittlerweile mehreren Bundesstaaten vom Wahlzettel gestrichen worden, denn laut Verfassung darf niemand für das Amt des Präsidenten kandidieren, der vorbestraft ist: Trump hat Wahlmanipulation begangen, nachweisbar, und dafür ist er (unter Anderem) angeklagt.

Natürlich hat Trump da Widerspruch eingelegt - seine Argumentation: Als Präsident müsse man vollkommene Immunität genießen können, ansonsten sei man handlungsunfähig. Um das etwas drastischer zu formulieren: Wenn Trump als Präsident entscheidet, das Seal Team 6 loszuschicken, um seine politischen Gegner zu ermorden, kann er nicht strafrechtlich dafür belangt werden, wenn er nicht mehr Präsident ist. In a nutshell: Trump fordert, dass er ohne Konsequenzen tun und lassen können möchte, was er will.

Natürlich ist das vollkommener Unsinn, und der Appeals Court hat den Widerspruch abgewiesen, mit einer ausführlichen Begründung. Und natürlich bleibt Trump hartnäckig - und nach einem Court of Appeals gelangt der Fall in nächsthöherer Instanz vor den amerikanischen Supreme Court (SCOTUS). Das amerikanische Pendant zu unserem Bundesverfassungsgericht

Gesunder Menschenverstand erwartet, dass SCOTUS den Fall überhaupt nicht annimmt. Nicht nur ist die Forderung irrsinnig, es gibt bereits eine seitenlange Begründung, warum das vor Gericht abgeschmettert wurde.

Aber mit gesundem Menschenverstand hat amerikanische Politik nicht mehr viel zu tun: SCOTUS hat den Fall tatsächlich angenommen und Termine für Anhörungen in den April gesetzt. Was für ein Schwachsinn! Natürlich werden sie nach den Anhörungen Trumps Forderungen ablehnen, aber Trump hat jetzt genau das erreicht, was er will: Verzögerung.

Seine Prozesse können durch diese rechtlichen Fragen so weit verzögert werden, dass er vor der nächsten Präsidentenwahl nicht verurteilt wird. Und wenn er dann erstmal wieder Präsident ist, dann wird er sich selbst die Schuld erlassen. Er gibt sich selbst ein presidential pardon, und damit sind all' seine Verbrechen nichtig.

Es ist so widerlich mitanzusehen, wie SCOTUS jetzt den Parteilinien folgt und Trump seinen Aufschub gewährt. Das höchste amerikanische Gericht, das keinesfalls parteilich sein soll, ist seit der Erhebung dreier republikanischer Richter in's Amt durch Trump seiner Legitimität beraubt worden.

Es ist der letzte Akt für die Demokratie in den USA, bevor sie die Bühne verlässt.

post scriptum: Ich werde nicht gern politisch, aber vielleicht sollten uns diese Entwicklungen ein Mahnmal sein, denn der Rechtsruck in Deutschland ist nicht totzuschweigen. Er findet sich in kleinsten Äußerungen wieder: "Ich setze mich im Café immer an den Zweiertisch am Rand, damit mir die Ausländer nicht zu nah auf den Buckel rutschen." - "Was soll ich mit so einem glitzernden Kunststoffgürtel anfangen? Die Türken, die mögen sowas ja."

Es beginnt mit der Sprache.

Mittwoch, 14. Februar 2024

Widerspruch: Zurückgewiesen (Tag -190)


"Der Widerspruch wird wahrscheinlich zurückgewiesen. Und wissen sie, was sie dann machen? Sie setzen sich sechs Monate Schamfrist, und dann stellen sie einen Änderungsantrag, in dem sie die Einschränkung ihrer Teilhabe an der Gesellschaft darlegen. Darum geht es nämlich bei'm Grad der Behinderung.

Nehmen wir einmal an, ihre Behinderung bewirkt, dass sie die Hand nicht mehr stillhalten können. Sie können argumentieren, dass ihre Dienstfähigkeit eingeschränkt wird, weil sie nicht mehr an der Tafel schreiben können. Das interessiert aber nicht. Der Umstand, dass sie auf einer Party ein Glas mit einem Getränk deswegen nicht mehr halten können, und dass sie deshalb auf keine Parties mehr gehen, weil sie sich schämen, sie könnten unabsichtlich jemandem ihr Getränk über das Outfit schütten, das ist eingeschränkte Teilhabe an der Gesellschaft. Darum geht's bei'm Grad der Behinderung."

Mir geht es richtig gut, denn so oder so ähnlich klingt das Gespräch mit Martin Zacharias im Ministerium nach. Deswegen hat es mich auch überhaupt nicht überrascht oder gar betrübt, als heute die Absage vom Landesamt für soziale Dienste hereingeflattert ist. Im Gegenteil, sie bestätigt Zacharias' Aussage, und damit verstehe ich endlich den GdB und was es bedeutet, einen höheren Grad der Behinderung zu haben. Jetzt weiß ich, wie ich argumentieren muss, jetzt weiß ich, wie die ärztlichen Befundberichte aussehen müssen, damit sie Relevanz für eine Neueinstufung haben.

Das ist großartig! Also setze ich mir jetzt diese sechsmonatige Frist - daher Tag minus hundertneunzig im Titel - und dann werde ich mich mit Hausarzt, Psychiater und Gastroenterologen zusammensetzen und eine Änderung beantragen. Das Thema ist also vorerst abgehakt, und das erleichtert ungemein! Rein rechtlich bin ich eh' auf der sicheren Seite, weil ich gleichgestellt bin, es geht ja nur noch darum, den vollen Nachteilsausgleich zu bekommen. 

Damit habe ich den Kopf jetzt wieder etwas freier für anstehende Arzttermine und das Aufräumen. Ja, Vertretungsstelle wäre jetzt natürlich noch besser, aber bis zum Sommer kann mich das ALG I zur Not tragen, und ich vertraue darauf, dass dann meine berufliche Zukunft gesichert sein wird.

Ist also nur scheinbar wiedersprüchlich, wenn ich mich über diese Absage freue und eine Menge Energie daraus mitnehme.

Dienstag, 6. Februar 2024

Tag 189 - Tränen im Ministerium


Ich wiederhole meine Feststellung von gestern - mir kommen Tränen in die Augen, wenn jemand ernsthaft Verständnis für meine Situation zeigt. Wenn es jemand aus dem Ministerium ist, der sagt, er sei fassungslos, wie man über die Jahre - und vor allem in der aktuellen Angelegenheit in Neumünster - mit mir umgegangen sei, dann muss ich zur Seite schauen, sonst geht die Plärrerei erst richtig los.

Jedenfalls ist mein Fall jetzt im Ministerium bekannt und ich habe einen Ansprechpartner - vorher hat sich niemand dort weiter um mich gekümmert und tatsächlich gedacht, ich würde mich auf keine Planstellen bewerben - der Eindruck ist entstanden, weil ich mich in den dreieinhalb Jahren an der Toni nicht an anderen Schulen beworben habe. Auch das haben wir heute aufgeklärt, und ich habe jetzt starke Unterstützung, so positiv, und dabei auch so unterhaltsam.

Nächstes Mal, wenn ich im Ministerium bin, werde ich mit dem Paternoster fahren - heute war es faszinierend genug, als man mir erklärt hat, wie die Türen im Ministerialgebäude funktionieren, und dass man sie bloß nicht anfassen darf.

Die Details des Gesprächs (zum Beispiel der Satz "Da ist echt alles falsch gemacht worden!") bleiben im dortigen Sitzungsraum. Ich fühle mich aber jedenfalls unglaublich erleichtert. Und ermutigt, dem Landesamt für soziale Dienste auf's Dach zu steigen. 

Erstmal aber hauptsächlich glücklich, gehört worden zu sein.

Montag, 29. Januar 2024

Tag 181 - Vertretung gesucht?! WTF!?!


Ich gebe auf. Eben lese ich eine Mail aus dem Bildungsministerium, man habe sich mit dem Schulamt in Neumünster in Verbindung gesetzt und es gebe eine Schule, die Vertretungsbedarf in Englisch hat, und mit der möge ich mich doch bitte in Verbindung setzen und meine Bewerbung in's pbOn einstellen.

What.

The.

Actual.

FUCK???

Muss ich denen erklären, dass ich keine Vertretungen mehr übernehmen darf? Es ist, als ob das Ministerium systematisch versucht, mich in den Wahnsinn zu treiben! 

Mal schauen, was als Erklärung kommt.

Montag, 22. Januar 2024

Tag 174 - Irrsinn


"Die Regierung ist verpflichtet, schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen."

Dieser Satz - hier in verkürzter Form - steht in jeder Stellenausschreibung in Schleswig-Holstein, egal, ob es um eine befristete Vertretung oder eine unbefristete Planstelle geht.

Eine Schule in Neumünster sucht dringend eine Vertretungslehrkraft für ein halbes Jahr.

Ein schwerbehinderter (gleichgestellt), arbeitsloser Lehrer sucht händeringend Arbeit, bekommt Druck von der Agentur für Arbeit.

Das Ministerium verbietet, diese Lehrkraft einzustellen, aus willkürlichen Gründen.

Ich habe vielleicht einen IQ von Hundertdreiunddreißig, aber das verstehe ich nicht.

Überhaupt nicht.

Ich bin gespannt auf die Reaktion vom Schulrat.

Donnerstag, 11. Januar 2024

Tag 163 - Ein nagendes Gefühl


So, und nun noch einmal in Ruhe. Und vorwärts. Freitag geht's wieder nach Neumünster, in die neue Schule, diesmal mit dem Kielius, denn die GDL hat zum Streik aufgerufen. Herrliche Situation für einen Buddhisten, denn nichts ist entspannender, als das anzunehmen, was kommt (sagt der Dalai Lama).

Ich hatte zwei Schulen im Blick, jene in Neumünster und die Gutenbergschule in Kiel. Letztere wäre für mich besonders interessant gewesen, denn es handelt sich um ein FöZ Lernen, und es hätte mich gereizt, mal diesen für mich neuen Schultyp kennenzulernen. SchülerInnen mit Förderstatus I habe ich bereits an verschiedenen Schulen unterrichtet, dort aber jeweils im Inklusionskonzept. Es wäre spannend gewesen, ausschließlich und "richtig" mit Förderlehrkräften zusammenzuarbeiten. Den Horizont erweitern, und nicht in der routinierten Pädagogik erstarren.

Und das kam mir auch deswegen sehr nahe, weil ich eigentlich auf die Stellenausschreibung in Neumünster nicht so ganz passe, und damit kommen wir zum Kern des heutigen Beitrags - ein Gefühl, das ich am Freitag hoffentlich werde ausräumen können. Es hat mich sowieso etwas gewundert, denn die Stelle ist ordentlich ausgeschrieben. Bisher bin ich immer direkt von den Schulen angeschrieben worden, die eine Vertretung brauchten. Das war ungewöhnlich, eine förmliche Bewerbung für eine Vertretung aufzusetzen (hängt mit der WoSt-Zahl zusammen).

Und dann standen solche Passagen in der Stellenausschreibung, die mich verunsichert haben - dass jemand für den DaZ-Bereich gesucht wird, und die gewünschten Zweitfächer, naja, wie üblich: Latein ist eigentlich Ausschlusskriterium. Das braucht jetzt niemand mehr. Also bin ich mit dem Mindset hingefahren, dass es einen Versuch wert ist, aber ich eigentlich nicht geeignet bin. Aber ich darf das Angebot nicht ausschlagen, sonst tanzt mir die Agentur für Arbeit auf der Nase herum. Ab nach Neumünster!

...und dann realisiere ich auf dem Fußweg zur Schule, dass ich an einem ganz langen grauen Gebäude vorbeigehe, das ganze sechs Hausnummern für sich beansprucht: das Landesamt für soziale Dienste. Genau an dieses Gebäude habe ich meinen Antrag auf Anerkennung einer Schwerbehinderung geschickt. Genau aus diesem Gebäude kam ein Jahr lang keinerlei Rückmeldung zu diesem Antrag. Ich warte seit genau hundertdreiundsechzig Tagen auf einen Entscheid zu meinem Widerspruch (ich habe GdB 30 [rechtlich aber mit Schwerbehinderten gleichgestellt], sei aber, wie mein Psychiater mir bestätigt, definitiv als GdB 50 einzustufen). Ich komme nicht umhin, ein wenig zu grummeln, als ich das Gebäude passiere.

Tja, und dann der Besuch in der Schule. Erstmal versuche ich die beiden Haupteingänge, nur um herauszufinden, dass sie verschlossen sind. Now what?? Weil ich noch zehn Minuten Zeit habe, beschließe ich, einmal um den Block zu gehen, um zu sehen, ob die Schule noch andere Eingänge hat. Emotion: Panik, dass ich es nicht zum Gespräch schaffe, weil ich nicht weiß, wie ich in die Schule kommen soll.

Nach dem Rundgang schaffe ich es dann endlich, auf den Schulhof zu gehen und eine Schülerin zu fragen, wie ich zum Sekretariat komme. Aber typisch Autist: Immer erstmal selbst versuchen, bevor man um Hilfe bittet, und auch das kostet dann große Überwindung. 

In der Schule war es dann toll. Herzlich. Ich habe mich im Gespräch willkommen gefühlt, natürlich erfordert ein offizielles Auswahlgespräch auch die offiziellen KollegInnen dafür, und so waren wir zu fünft in dem Raum. Natürlich sage ich hier nichts über das Gespräch - aber über meinen Gemütszustand. Ich war froh, dass das nette Menschen waren, aber mein Herz ist in die Hose gerutscht, als da die üblichen Standardfragen für Auswahlgespräche aufgeploppt sind. Meine Erfahrung: Ich kann den Leuten nicht das sagen, was sie hören wollen, das wird nichts. Viele Planstellen, viele Absagen, ich habe reichlich Expertise.

Und so bin ich danach erleichtert, aber verunsichert zurückgereist nach Kiel. Dann kam ein paar Stunden später die Zusage, dass man mir die Stelle anbieten könne, und ich war von den Socken. Ich habe eine lange Meditation gebraucht, um das zu verarbeiten, und in dieser Meditation ist dann ein nagender Zweifel aufgekommen: Hat man sich für mich entschieden, nur weil ich eine Behinderung habe? Es gibt folgenden Passus, der in geradezu jeder Ausschreibung vorhanden ist:

"Die Landesregierung ist gesetzlich verpflichtet, Schwerbehinderte zu beschäftigen."

Nehmen sie mich nur deswegen, und nicht, weil ich ein guter Kandidat war? Das beschäftigt mich wirklich, und lässt mich nicht los. Einzig der nachfolgende Satz bringt da etwas Hoffnung:

"Schwerbehinderte Bewerberinnen und Bewerber werden daher bei entsprechender Eignung bevorzugt."

Hoffentlich bin ich geeignet.

post scriptum: Kurze Science Fiction-Filme gehen immer. Bringen den Geist zum Nachdenken, und wenn es dann auch noch eine leichte Komödie ist, warum nicht? "Robot & Frank", mit John Langella und Susan Sarandon, James Marsden und Liv Tyler, handelt von einem Juwelendieb im Rentenalter, der langsam nicht mehr allein zuhause zurechtkommt. Der Film spielt "in the near future", und Frank bekommt einen Roboter als Helfer an die Seite gestellt. Wie der Helfer sich dan zu einem Komplizen in einem Juwelendiebstahl entwickelt, ist der Hauptbestandteil des Films. Quirky, ganz eigener Humor, nicht wirklich vorhersehbar und mit ernsthaften Gedanken über das Älterwerden und das Vergessen. Kann ich nur empfehlen; bei "Freevee" kostenlos verfügbar. ;-)

Freitag, 25. August 2023

Tag 25 - Beste Absage ever!


Fuck, wie gut ein Telefonat tun kann. Ich habe gestern und heute je eines hinter mich gebracht, und ich habe es selten gehabt, dasss ich nach einem Telefonat fröhlich klatschend durch die Wohnung gesprungen bin. The Reason I Jump. Nice!

Ich rufe eine unbekannte Schulleiterin an, aus eigenem Impuls heraus. Sie hat bei mir für eine Vertretung angefragt. Grund- und Regional- beziehungsweise Gemeinschaftsschule. Klein, ein- bis zweizügig, fünfundzwanzig Minuten mit dem Bus, inklusive Förderzentrum. Genau das richtige Umfeld für mich - wollte ich früher nicht wahrhaben, aber ich weiß jetzt als special needs person, wie wichtig das für mich ist.

Gesucht wurde eine Vertretung zunächst für ein halbes Jahr zwanzig Stunden, eventuell auf ein Jahr siebenundzwanzig aufstockbar. Ich bin jetzt seelentechnisch an einem Punkt angekommen, wo ich mich auf eine neue Schule einlassen kann, selbst wenn es nur für eine Vertretung ist. Geld muss dringend her, und zwar jetzt, denn die Arbeitsbescheinigung ist immer noch nicht eingereicht worden. Ich bekomme kein Geld, weil das DLZP seine Arbeit nicht richtg macht. Meine Sachbearbeiterin hat vorhin ihren guilt trip abbekommen, und wenn es drauf ankommt, kann ich das richtig gut. Ärgerlich nur, dass es manchmal eben darauf ankommen muss.

Dann habe ich überlegt, warum die Schulleiterin sich bei mir gemeldet hat. Nicht nur per Mail, sondern zusätzlich per Nachricht auf dem Anrufbeantworter, und mir deutlich gesagt hat, dass die Stelle vierundzwanzig Stunden für mich freigehalten wird. Das ist ein Luxus, der ist nicht normal. Solch' einen Aufwand hat damals nur die Nordseeschule in St.Peter-Ording für mich betrieben, weil sie mich behalten wollte. Um. Jeden. Preis. Also habe ich angerufen und gefragt, warum ich angefragt wurde, weil nämlich zu genau jener Vertretungs-Grundschule zwei FörderschulkollegInnen von mir an der Toni Verbindungen haben und es mich nicht überrascht hätte, wenn mein Name in Gesprächen dort gefallen wäre. Ist tatsächlich schonmal vorgekommen, es gibt nicht nur Schlechtes über mich zu berichten ;-)

Interessanterweise hat sich in unserem Telefonat aber herausgestellt, auch wenn das so explizit wohl nicht gesagt werden darf, dass das an meinem Gleichstellungsstatus mit Schwerbehinderten liegt. Tatsache - im pbOn, dem Schulbewerbungssystem, ist nämlich jetzt der Eintrag schwerbehindert freigeschaltet - und es zeigen sich erste Wirkungen.

Wir haben dann in einem tollen, offenen Gespräch mit weinenden und lächelnden Augen festgestellt, dass diese Stelle für mich nicht optimal geeignet ist. Der Impuls ging von mir aus, ich habe also quasi abgesagt. Genau das, worüber ich letztens hier geschrieben hatte - es wirkt! Es funktioniert! Und das gibt mir eine so unglaubliche Seelenruhe, dass ich jetzt endlich bereit bin, mein Leben anzugehen. Das Aufräumen. 

Das war eine der besten Absagen evar

post scriptum: Das andere Gespräch war ein Telefonat mit Mama vorhin über genau das (und mehr) - das hat mich klatschend in der Wohnung zurück gelassen. Diesen Tag lasse ich mir durch nichts wegnehmen!

Sonntag, 29. Januar 2023

Mal drüber nachdenken


In den USA ist Anfang Januar ein schwarzer Mann bei einer Polizeikontrolle in den USA verprügelt worden und dann drei Tage später an seinen Verletzungen gestorben. Soweit (leider) nichts Neues. Wobei doch, diesmal kann man auf den Bodycams und Überwachungskameras sehen, dass es überhaupt keinen probable cause für die Kontrolle gab - der Mann wurde ohne Anlass angehalten, zu Boden gebracht und verprügelt, ohne dass er sich gewehrt oder die Beamten irgendwie anderweitig provoziert hätte. Zu hören, dass er dann von den Polizisten an den Schultern hochgehoben und ihm mehrmals in's Gesicht getreten wurde, das löst etwas Unbehagen aus, vielleicht.

Erinnerungen an George Floyd werden wach, und an Derek Chauvin, den hauptverantwortlichen Polizisten, der jetzt für eine lange Zeit wegen Mordes im Gefängnis sitzt, ebenso wie seine Kollegen für Beihilfe und unterlassene Hilfeleistung. Polizeigewalt gegen Schwarze ist nichts Neues in den Vereinigten Staaten. Es ist nicht auffällig, dass Schwarze häufiger ohne Anlass kontrolliert werden. Es ist nicht auffällig, dass mehr psychische Gewalt bei ihrer Vernehmung angewandt wird, und es ist auch nicht auffällig, dass letztlich viel schneller zum Mittel körperlicher Gewalt gegriffen wird als bei weißen "Opfern". Kein besonderer Fall eigentlich.

Eigentlich.

Was diesen Fall interessant macht ist, dass die fünf Beteiligten Polizisten allesamt ebenfalls schwarz sind. Kein einziger weißer Mann in ihrer Runde - und damit wird es etwas schwerer, diesen Fall zu bewerten. Eine Lesart, die sich schnell herauskristallisiert hat: Das amerikanische Polizeisystem zwinge auch afroamerikanische Beamte, sich zu "assimilieren" und ebenfalls gegenüber Schwarzen häufiger, leichter und mehr Verdächtigungen und Gewalt anzuwenden. Das Narrativ von der white supremacy könnte damit aufrecht erhalten werden.

Ich kann diesen Fall nicht bewerten, weil mir dazu die Nähe fehlt und jegliche politische und historische Kenntnis und Eignung. Ich finde den Fall grausig, wie jedesmal, wenn ich von ähnlich gelagerten Fällen lese. Dass nun aber Schwarze auf Schwarze losgehen - und nicht zu verstehen, ob sie es wollen oder müssen - das beunruhigt mich.

Und das wollte ich einfach teilen.

post scriptum: Ich habe jetzt die vier von der Polizei geteilten Videos des Einsatzes gesehen und sie sind nur schwer zu ertragen. Wie Nichols grundlos gestoppt wird, wie er zu Boden gebracht wird, getreten, geschlagen, mit dem Taser getroffen, weiter getreten, geschlagen, angeschrien, in's Gesicht getreten, wie die Polizisten danach lachen müssen über Aspekte des Einsatzes, und wie sie sich ein Narrativ zurechtlegen, das ihre Brutalität in dem Einsatz rechtfertigen soll - er habe eine Waffe gehabt, habe nach den Waffen der Polizisten gegriffen, habe Widerstand geleistet - alles Lügen.

Dafür ist mir in diesem Zusammenhang positiv aufgefallen, wie schnell die Polizeidirektion diesmal reagiert hat. Kein Schweigen, kein Vertuschen, kein gaslighting, sondern direkt die Veröffentlichung aller betreffenden Überwachungsvideos, direkt die Entlassung der Polizisten und ihre Anklage, unter anderem wegen Mordes zweiten Grades. Einer der ganz seltenen und willkommenen Fälle, in denen die Polizei einmal vernünftig reagiert und Menschen für ihre Handlungen zur Rechenschaft gezogen werden.

Natürlich verfolge ich diesen Fall auch in den nächsten Tagen, um zu sehen, wie das Strafmaß für diese fünf Männer ausfallen wird. Vielleicht nicht ganz so hart wie das für Derek Chauvin (den Mörder von George Floyd), aber hoffentlich angemessen im Verhältnis zur eingesetzten grundlosen Brutalität.

Es ist so typisch menschlich, dass wir denken, mit Gewalt könnten wir alles erreichen, wenn wir mit Worten nicht sofort Erfolg haben. Davon mache ich mich nicht frei - und wenn es nur das Herumschreien im Klassenraum ist. 

Es ist der alte Topos, dass die Menschheit sich selbst zugrunde richten wird. Let's go!

Freitag, 14. Oktober 2022

Die Grenzen der Redefreiheit

Kann nun nicht mehr ganz so sorglos herumschreien: Alex Jones

"Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!"

Ein beliebter Satz in der rechten Szene, auch bei den anti-wokeness-Verfechtern. In der Tat, in vielen Ländern der Welt darf man seine Meinung frei äußern, inklusive Lügen (das nennt sich dann Politik) und Beleidigungen. Hass, Hetze und üble Nachrede stellen dagegen die Grenzen der Redefreiheit dar. Und was ist, wenn man einfach nur harmlose Behauptungen aufstellt?

Alex Jones ist mit dieser Frage konfrontiert worden. Der amerikanische Radiomoderator haut mit seinem Programm InfoWars gern Verschwörungstheorien und allerlei Humbug raus. Dazu gehören auch Unterstellungen gegen die demokratischen Politiker - alles, was sein Publikum begeistert, zu dem neben einigen incels generell Menschen gehören, die auf irgendwas schimpfen wollen und sich von der Politik allein gelassen fühlen. Quasi ein amerikanisches AfD-Programm.

Jones verdient damit viel Geld, denn in seinem Onlineshop verkauft er unter anderem Kleidung und Nahrungsergänzungsmittel, und es ist nicht von der Hand zu weisen, dass er sich an eine uwah uwah-Bevölkerung richtet, tendenziell eher niedriges Bildungsniveau, blue collar workers, sozial Abgehängte, und dass er ihre Lage eiskalt ausnutzt.

Darf er das einfach? Seine Karriere auf Lügen aufbauen? Na klar, so lange es ein Publikum gibt, das bereit ist, dafür zu zahlen. Allerdings wurden ihm jüngst die Grenzen dessen aufgezeigt, was er behaupten darf.

Sandy Hook - einer der vielen Namen in der Reihe von Columbine, Stoneman Douglas und Hunderten mehr. Schulen, in denen ein Amokläufer Menschen erschossen hat. Diese Amokläufer sind durchgehend Männer - macht daraus, was Ihr wollt. Die Schicksale der Familien, die ein Kind verloren haben, sind sehr berührend; ich kann da nicht anders, als Mitleid zu empfinden (ja, sowas kann ein Aspi auf seine eigene Art).

Auftritt Alex Jones, der über zehn Jahre lang immer wieder behauptet hat, Sandy Hook sei eine false flag attack gewesen, eine Inszenierung mit Schauspielern, von der Regierung organisiert als Gehirnwäsche. Er hat das in seinen Sendungen auch sehr gründlich bearbeitet - dieser Mann zeigt zu wenig Emotionen, jener Mann zu viel, und außerdem habe man ja die angeblich ermordeten Menschen danach durch die Stadt gehen sehen. Alle haben sie gesehen! Das weiß doch jeder!

Verschwörungstheoretiker fahren darauf ab. Klicken auf InfoWars. Kaufen im Onlineshop ein. Machen Alex Jones reich. Für die tatsächlich Betroffenen dieser (natürlich) realen Katastrophen ist diese Masche ein Schlag in's Gesicht. Nicht nur, dass geleugnet wird, dass man einen Mitmenschen verloren hat; die Familien der Opfer werden bedroht und öffentlich lächerlich gemacht. 

In dieser Sache zumindest ist jetzt Schluss. Die Familien der Sandy Hook-Opfer haben Zivilklage erhoben, und Jones war im Gericht so dämlich, wie man nur sein kann; die Jury durfte live erleben, was für ein Mensch er ist. Das Urteil tut richtig weh: Jones muss insgesamt neunhundertfünfundsechzig Millionen Dollar Schadensersatz an die Familien zahlen. Ob ihm das wehtut? Ob ihn das nachdenken lässt?

Natürlich nicht. Er hat sich direkt in Videos über das Strafmaß lustig gemacht, die Familien hätten Pech, denn sein Unternehmen habe Insolvenz erklärt und wo soll dann das Geld herkommen?

Aber das Signal an die Öffentlichkeit ist wichtig: Redefreiheit hat ihre Grenzen.

Donnerstag, 6. Oktober 2022

Reichsbürgerquatsch mit Soße & PCR


Reichsbürgerquatsch mit Soße

Man hört ja immer mal wieder von diesen Menschen, die davon überzeugt sind, dass unsere Gesetze für sie nicht gelten. Reichsbürger sind ein echtes Ärgernis für Ämter und Polizei, weil sie denken, sie könnten sich alles rausnehmen, und manchmal frage ich mich, ob das nur eine Masche ist oder in Richtung psychische Erkrankung geht.

Ich dachte, das wäre etwas typisch Deutsches. Reich und so. Aber nix da, die Bewegung scheint auf Amerika zurückzugehen, wo sich diese Menschen sovereign citizens nennen, kurz sovcit. Es hat immer etwas von Fremdschämen, wenn man so einen Sovcit in Aktion erlebt. Auf der anderen Seite ist es auch unglaublich faszinierend zu beobachten, und deswegen verfolge ich derzeit den Prozess US v Darrell Brooks. Brooks hat vor ein paar Jahren in Waukesha sein Auto in eine Weihnachtsparade gesteuert, dabei sechs Menschen getötet und mehrere weitere verletzt.

Brooks versteht überhaupt nicht, wer ihn anklagt, und das nimmt er sich zur Verteidigung. Für einen Sovcit versteht es sich von selbst, dass er sich vor Gericht selbst verteidigt, und das Ganze wird im Internet übertragen. Es läuft mal wieder alles darauf hinaus: Ich liebe es, menschliches Verhalten zu beobachten. Die Sache ist außerordentlich unterhaltsam.

PCR

Und dann kam heute morgen erstmal ein Schreck. Netterweise lagen in unseren Fächern in der Schule wieder Corona-Testpakete, und ich teste momentan immer montags und donnerstags. Das kann ich mir gut merken, mo/do sind auch die Tage, an denen ich Elmex Gelee verwenden soll. Also habe ich heute einen der neuen Tests gemacht - positiv. Ich war ja sowieso schon etwas paranoid, weil die letzten drei Tests, die ich benutzt habe, und die mir "negativ" bestätigt hatten, lila verlaufene Linien hatten, das hatte ich vorher noch nie. 

Klar geht dann die Alarmglocke wieder an, Schule abgesagt und direkt zum Bootshafen für einen PCR-Test. Interessant: Als ich mich vor Monaten das erste Mal dort für einen Testtermin anmelden wollte, gab es kaum noch freie Termine - mittlerweile macht kaum noch jemand diese PCR-Tests, offensichtlich. Vielleicht liegt es daran, dass ich schon vor einer halben Stunde einen Anruf bekommen habe mit dem negativen Testergebnis. Aufatmen. 

Man wird... korrigiere, ich werde doch etwas paranoid, weil das Treppensteigen immer noch erstaunlich anstrengend ist, damit hatte ich sonst keine Probleme, insofern hätte ich mir gut vorstellen können, dass ich noch immer krank bin.

Was für eine letzte Schulwoche. Es ist chaotisch und es wird vermutlich nicht besser werden.

Mittwoch, 25. Mai 2022

And... again.

Symbolbild, Oxford hat nix damit zu tun

"He shot and killed, horrifically, incomprehensibly..." (Greg Abbott, Texas' Governor)

Ich würde ja schreiben "Es geht schon wieder los", aber passender wäre wohl "Es hört einfach nicht auf." - ein Achtzehnjähriger hat an der Robb Elementary School in Uvalde, Texas mindestens neunzehn SchülerInnen und zwei Erwachsene erschossen. Die Waffe hat er sich kurz zuvor gekauft, direkt nach seinem achtzehnten Geburtstag.

Jetzt wird es in den USA ablaufen, wie es immer abläuft in diesem Zweiparteienland mit seiner gun lobby: Die Demokraten werden laut nach strengeren Waffengesetzen schreien, die Republikaner werden zurückschreien, dass jetzt nicht der Zeitpunkt sei, um über gun control zu reden, jetzt müsse man erstmal trauern. Und es wird nichts passieren - da können Präsident Joe Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris noch so fassungslos sein und Beflaggung auf Halbmast für den Rest der Woche anordnen. Sie kommen nicht gegen die einflussreiche Waffenlobby an, in einem Land, das die Wörterbuchdefinition von trigger happy darstellt.

Das muss man sich mal vorstellen. Diese GrundschülerInnen haben überhaupt nichts verbrochen, und jemand kommt und erschießt sie nacheinander mit zwei assault rifles (Sturmgewehren). Und dann soll mir nochmal irgendjemand erzählen, die Szene in Gus Van Sants Elephant (2003) sei unrealistisch: An einem ganz normalen Schulvormittag, an dem jeder seinen Tätigkeiten in einer High School nachgeht, betreten zwei Schüler das Gebäude und erschießen systematisch Mitschüler und Lehrer. Emotionslose Darstellung, unsentimental, ohne Glamor, ohne Erklärung.

"incomprehensibly" sagt Greg Abbott - unverständlich, nicht nachvollziehbar sei diese Tat gewesen. Unverständlich? Unbegreiflich?? Was erwartet ihr denn, wenn in eurem Land jeder volljährige Einwohner Zugriff auf eine oder mehrere Waffen haben kann? 

You're fucking kidding me. 

This will never stop.

post scriptum: Hier gibt es eine knapp dreiminütige, sehr emotionale Rede von Steve Kerr, Basketballcoach, vor einem anstehenden Spiel, in der er sich über die Bedeutungslosigkeit der Schweigeminuten und die Machtlosigkeit angesichts des Senats aufbringt:

Hier geht's zum Video der Ansprache

Donnerstag, 23. September 2021

Ist so 'ne Sache mit der Wortwahl...

Wenn die Coronawut explodiert...

Neulich im Unterricht:

"Liebe Stefanie-Helmut, würdest du es bitte unterlassen, dem Detlef mit deinem Kugelschreiber die Augen auszustechen? Sonst muss ich dich noch einmal ermahnen." Daneben liegt Detlef mit blutigen Augen schreiend auf dem Boden.

Okay, das mag etwas übertrieben erscheinen. Aber es geht mir auch nur um den seltsamen Lehrer-Tonfall angesichts einer so drastischen Situation - und wer die Nachrichten verfolgt, ahnt, dass es um Armin Laschet geht.

Solltet Ihr nicht ganz hinter'm Deich oder auf Pellworm leben, habt Ihr vielleicht vom Tankstellenmord am Wochenende gehört: Ein neunundvierzigjähriger Mann hat einem zwanzigjährigen Studenten hinter der Kasse in den Kopf geschossen. Keine spontane Aktion, sondern eine Hinrichtung, wie der Täter dann auch offen zugibt. Was ist passiert?

Der Tankstellenmitarbeiter hat versucht, die Maskenregelung in der Tankstellenfiliale durchzusetzen und wollte dem Kunden klarmachen, dass er ohne Maske den Laden nicht betreten darf. Kunde (sinngemäß): "Dann fahre ich eben weg, ohne zu bezahlen." Angestellter (sinngemäß): "Dann muss ich die Polizei rufen, ihr Auto ist auf dem Videoband gut zu erkennen."

Kunde bezahlt schimpfend, rauscht wütend ab, kommt eine halbe Stunde später wieder, erneut ohne Maske, geht zu dem Angestellten und erschießt ihn. "Weil ich endlich ein Zeichen gegen diese schwachsinnigen Corona-Maßnahmen setzen wollte."

Und mit einem Mal erscheint die Kugelschreibergeschichte vom Beginn nicht mehr ganz so übertrieben. Dieser Mord ist beispiellos (naja, nicht ganz, in Dithmarschen hat ein Autofahrer einen anderen erschossen, weil der vor ihm zu langsam gefahren ist). Angesichts so einer Aktion muss man als politische Person deutliche Worte finden - denke ich zumindest. Und was sagt Armin Laschet dazu?

Wörtlich: "Wir verurteilen diese Aggression und fordern jeden auf, das zu lassen!"

Das klingt wie der Papa bei einer kleinen Standpauke für den Sohnemann. Ne. Noch nicht einmal das. Ich habe das Gefühl, dass Laschet es noch nicht so ganz mit Kameraauftritten hat. Sei es nun das Lachen bei der Flutkatastrophe (klar, hätte auch mir passieren können, aber ich bin kein wichtiger Politiker) oder jetzt eben dieses "Bitte lasst das doch mit dem Töten."

Da hat sogar Mutti Raute bessere Worte gefunden, oder zumindest einen besseren Ghostwriter gehabt; Laschet hätte hier ruhig etwas drastischer in seiner Wortwahl sein dürfen. Wo bleibt ein

"SAG MAL, HACKT'S????"

post scriptum: Sorry, schon wieder Politik. Aber dieser Mord und vor allem das Eingeständnis des Mordmotivs danach haben mich völlig aus der Bahn geworfen. Complete disregard for human life - oder wie es in der Mordanklage heißen wird: "Mord aus niederen Beweggründen."

Sonntag, 19. September 2021

Düstere Zeiten für Menschenrechte

Ernüchternder Blick auf die Nachrichtenlage...

Zwei Nachrichten von heute, die mich leider wieder im lateinischen Sprichwort homo homini lupus bestätigen: In Russland findet die Wahl der Duma statt. Natürlich sprechen die Wahlveranstalter von fairen Wahlen. Natürlich räumen sie allen Parteien Chancen ein. 

Natürlich erwähnen sie nicht, dass im Vorfeld fast alle oppositionellen Parteien von der Wahl ausgeschlossen wurden. Natürlich erwähnen sie nicht, dass sie Nawalnys Wahl-App, um Menschen das Wählen (anderer Parteien) zu erleichtern, sofort blockiert haben. Natürlich beklagen sie derzeit heftige Wahlmanipulationsversuche seitens der USA, Deutschland und der Ukraine, unerwähnt bleiben die intensiven Wahleinmischungen in den Präsidentschaftswahlen der USA. Politik geht - mal wieder - nur darum, was man sagt und wie man es sagt. Und was man verschweigt. Im Wahlkampf geht es scheinbar nie um Taten - und schon gar nicht um Charakter. Dunkle Zeiten für die Pressefreiheit in Russland. Wundert mich dann nicht mehr, dass einer meiner russischstämmigen Schüler sagt, dass er auf keinen Fall eine Schülerreise nach Russland empfehlen würde.

Und in Afghanistan? Natürlich sagen die Taliban, dass von nun an alles besser würde. Natürlich garantieren sie die Einhaltung der Menschenrechte (solang sie denn der Scharia entsprechen). Natürlich räumen sie für Frauen das Recht auf Arbeit und Bildung ein.

Und was schreibt dann das Dekret zur Wiederöffnung von Schulen? Dass "Lehrer und männliche Schüler hingehen und teilnehmen sollten". Von Mädchen kein Wort - ein de facto-Verbot, das die Taliban natürlich umgehend dementieren. Und dass Frauen nur in niederen Berufen arbeiten dürfen, scheint also ihre Auffassung von Arbeitsrecht für Frauen zu sein. Es zeigt sich auch hier in den Taten der Taliban immer mehr, dass ihre Worte nichts als Schall und Rauch waren. Ernüchternd ist, dass ihnen doch noch so viele Menschen angesichts ihrer Ankündigungen vertraut haben, selbst als die Taliban Protestanten niedergeschossen haben.

Einen Hoffnungsschimmer stellt allerdings das kritische Hinterfragen vieler politischer global players dar. Nicht alle, und in jedem Land gibt es Gutgläubige, die sich hinter's Licht führen lassen (als Aspi ist man für so etwas prädestiniert). Dennoch gibt es immer eine gesellschaftliche Opposition, und vollkommen werden sich die Menschenrechte nicht über lange Zeit unterdrücken lassen - dazu ist das Freiheitsstreben des Menschen dann doch zu groß.

Aber es stehen ein paar düstere Jahre für die Menschenrechte weltweit bevor.

post scriptum: Ja, dazu gehören auch Länder wie der Südsudan, Brasilien, China, Nordkorea und viele weitere. Aber die standen - immerhin - heute mal nicht in den Nachrichten.

Dienstag, 20. April 2021

12 Angry Men

Derek Chauvin (mugshot)

Nein, es geht hier nicht um Sidney Lumets brillantes Gerichtsdrama Die zwölf Geschworenen (12 Angry Men, 1957), es geht um eine ganz reale Situation, die dem Inhalt aber sehr nahe kommen dürfte; gestern schrieb ich von der Pandemielage, die etwas zeige, was vor fünfzig Jahren noch ein Science Fiction-Film gewesen war. Seit gestern läuft Lumets Film in den USA als Realszenario ab: Die zwölf Geschworenen haben sich zur Beratung im Fall Derek Chauvin ([Mörder?] von George Floyd) zurückgezogen.

Diese zwölf bisher anonym gehaltenen Menschen sind ab sofort "kaserniert"; wie in Lumets Film sind sie nun eine von der Außenwelt fast hermetisch abgeriegelte kleine Gesellschaft, die versuchen wird, zu einem einstimmigen Urteil zu kommen. Wer den Film nicht kennt: Es geht um einen Jugendlichen, der einen Menschen mit einem Messer ermordet haben soll. Elf Geschworene sind sich sicher, dass es Mord war. Nur einer fordert durch sein Veto eine gründliche Diskussion ein, die dann Kernbestandteil des Films ist.

Unsere heutige Jury könnte an einem Tag fertig werden, sie könnte aber auch Wochen brauchen. Ich habe mir schon öfters vorgestellt, wie es wohl wäre, Geschworener zu sein. Ich frage mich, ob da wirklich Menschen sitzen, die einfach nur schnell wieder nach Hause wollen. Ob da Menschen sitzen, die ihre persönliche Wut in ein Votum umsetzen. Ich bin gespannt, wann das Urteil gesprochen wird.

Und wie viele Andere auch bin ich ein bisschen besorgt, was in den USA passieren könnte, wenn das Urteil zu milde ausfällt oder Chauvin gar freigesprochen wird. Geschäfte verbarrikadieren aus Angst vor Gewaltausbrüchen bereits ihre Schaufenster. In den drohenden Unruhen könnten wieder Menschen zu Tode kommen, und Gewalt scheint so oft das einzige Mittel zu sein, was Menschen in ihrer Wut in den Sinn kommt. 

Wird alles sehr spannend...

Dienstag, 8. September 2020

Paragraph Fünfundzwanzig


Jeder Referendar hat hoffentlich spätestens zu seinem Examen von §25 SchulG gehört; ich erst danach. Ich wünschte, es gäbe dafür überhaupt keinen Bedarf, aber das ist unrealistisch. Und es wäre auch langweilig, oder nicht? Der Paragraph regelt Sanktionsmaßnahmen bei Konflikten mit oder zwischen Schülern, und daran muss man sich als Lehrkraft entlang hangeln, wenn Schüler sich einfach nicht an die Klassenregeln halten wollen. 

Ich bin kein Freund von Strafen - in meinem rosaroten Bild von Schule kann man alle Schüler mit Worten erreichen - was natürlich Unsinn ist, und es wird Zeit, dass ich mich davon endlich verabschiede. Acht Jahre lang bin ich ohne Strafen ausgekommen, aber irgendwann stößt man an seine Grenzen. Es gibt immer wieder Lerngruppen, in denen es eben nicht läuft. 

Und ich werfe mir dann schlechten Unterricht vor, denn sonst wären die Schüler alle begeistert dabei - und auch das ist Unsinn; ein Körnchen Wahrheit steckt insofern darin, als dass ich mein Unterrichtskonzept überdenken muss. Es ist viel zu einfach, zu sagen "Die Klasse ist scheiße, die brauchen harte Maßnahmen" - nicht immer kann man das auf "die Klasse" schieben, sondern manchmal sind es einfach die Unterrichtsmethoden, die für eine bestimmte Lerngruppe eben nicht geeignet sind. 

Ändert nichts an der Tatsache, dass ich mir so langsam eine Textvorlage für einen blauen Brief auf dem Rechner erstellen sollte. Oder hat jemand von Euch da etwas, was ich mir vielleicht bearbeiten kann?

addendum: Hier erweisen sich das Asperger-Syndrom und auch das Lojong-Training als problematisch, denn ich selbst habe überhaupt kein Problem damit, wenn sich Schüler in meinem Unterricht unterhalten. Oftmals bemerke ich den Konflikt erst, wenn Mitschüler sich beschweren, dass sie nichts verstehen können, und das ist eigentlich zu spät. Muss mal schauen, ob ich da etwas bei mir ändern kann.

Donnerstag, 23. Januar 2020

Einmal Verbrecher - immer Verbrecher?

vorher - nachher

In den letzten sieben Jahren habe ich mir immer wieder einen Spaß daraus gemacht, Schülern meinen Personalausweis zu zeigen - denn darauf ist ein biometrisches Bild von mir zu sehen. Damals brauchte ich das für meinen Reisepass, um in die USA fliegen zu können. Ich hasse diese biometrischen Bilder, auch wenn es der Sicherheit dient. Ich sehe darauf aus wie ein Schwerverbrecher auf einem klassischen mugshot.

Im vergangenen September ist mein Perso abgelaufen, und ich musste knapp vier Monate lang auf einen Termin im Amt warten. Und natürlich muss ich ein aktuelles Foto mitbringen, und ich könnte einfach zu einem Fotostudio gehen, das sind Profis, aber ich liebe Technik-Spielkram (Schnellkasse Revolution: Kontaktlos ist in Arbeit), also habe ich mich wieder in eine Fotofix-Box bgeben und versucht, diesmal nicht ganz so böse auszusehen. Wie gesagt, versucht. Ansatzweise lächelnd, mehr ist nicht erlaubt.

Ich freue mich schon auf die Verlängerung des Reisepasses.

post scriptum: Linnea, Deine Nachmieter sind jetzt auch hier ausgezogen, die Wohnung wird anscheinend renoviert, mal schauen, wer als nächstes kommt!

paulo post scriptum: Heute habe ich den neuen Science Fiction-Film "Ad Astra" (2019) gesehen - eine der wenigen subtilen, grandiosen schauspielerischen Leistungen von Brad Pitt, dazu aufregende Bilder aus unserem Sonnensystem und ein Fokus nicht auf Popcorneffekten, sondern eine sehr persönliche Geschichte. Definitely recommended!

Freitag, 17. Januar 2020

Die öffentliche Persona

Nicht für die Öffentlichkeit gedacht!(?)

Der Titel ist eine Anspielung auf einen Song aus meiner Rosenstolz-Phase, Die öffentliche Frau. "Dr Hilarius" ist öffentlich zugänglich, aber es wird eine kleine Änderung im Blogleben geben - die meisten von Euch werden davon nichts mitbekommen. Bisher habe ich die neuen Blogbeiträge bei Facebook immer "öffentlich" geteilt, das werde ich jetzt auf "Freunde" umstellen. Vielleicht kommen stalkende Schüler dann nicht ganz so schnell auf den Blog (doch, werden sie) und es gibt nicht ganz so schnell Gesprächsbedarf mit Schulleitungen. Denn auch wenn ich mir wirklich Mühe gebe, mich an alle rechtlichen Richtlinien zu halten, ist der Blog vielen Schulleitern ein Dorn im Auge. Und wenn es nur ist, weil ich potentiell interne Informationen herausgeben könnte. Da versucht man dann gern mal, mir einen Maulkorb aufzusetzen.

Am Blog selbst ändert das nichts. These Are Hilarius Times! wird auch weiterhin öffentlich zugänglich sein, es geht nur um die Verbreitung bei Facebook. Wenn Ihr dort mit mir verlinkt seid, seht Ihr auch weiterhin jeden neuen Beitrag, den ich poste; alle Anderen müssen - wenn sie es denn wollen - ein bookmark auf die Seite setzen und regelmäßig nachschauen.

Keine Ahnung, ob das was bringt, aber vielleicht stimmt es die Schulleitungen etwas ruhiger. ;-)