Die Hochzeitsgesellschaft |
Ich bin mir nicht ganz sicher - kann es tatsächlich sein, dass ich diese Anekdote im Blog noch nicht erzählt habe? Falls ja, dann überspringt Ihr das einfach. Falls nein - nun, diese Geschichte zeigt, wie viel Unsinn man machen kann, wenn man jung ist. Ist vielleicht gerade nicht ganz unpassend, wenn man betrachtet, wie viele Jugendliche und junge Erwachsene momentan trotz der Corona-Pandemie es auf's Feiern anlegen - momentan ist die Berliner Hasenheide in den Medien, aber auch in Hamburg soll es Einschränkungen zum Alkoholausschank geben. Und was hat dieser Irre äi käi äi DrH damals im Studium gemacht? Er ist mit seinem damaligen Freund durchgebrannt - und hat seine "Hochzeitsgesellschaft" sitzengelassen.
Aber von Anfang an. Ich habe T vor fünfzehn Jahren kennengelernt. Wir waren damals im Kieler Birdcage für einen netten Abend. Mein Freund D (wir waren damals seit einigen Wochen im Guten getrennt) hatte mich dorthin geschleppt, er wollte sich mit seinem Ex treffen, der hatte seinen neuen Partner dabei, und irgendwie waren wir dann also eine Tuckenrunde, in der scheinbar jeder was mit jedem hatte, außer mir. Ja, so ist die Schwulenszene nun mal; auch wenn nicht alle so sind, so werden Partner doch gern und häufig weitergereicht. Man nimmt eben, was man bekommen kann, als Minderheit in der Bevölkerung, und außerdem habe ich den Eindruck, dass Schwule sexuell aufgeschlossener sind - wenn sie denn ihr closet erstmal aufgeschlossen haben.
Ich fand T damals sofort total süß. Er sah ziemlich jung aus, hatte ein richtig niedliches Gesicht und Lächeln und überhaupt, ich war sofort in ihn verschossen - aber das behielt ich natürlich für mich. Nach und nach fingen wir an, über die blauen Seiten zu chatten, und so kam eins zum anderen, beziehungsweise ich kam im Auto eines Nachts zu ihm nach Westerhever auf Eiderstedt, wo er seinen Zivildienst in einem Pflegeheim absolvierte. Einfach nur für einen Filmabend, selbstverständlich, ich war viel zu schüchtern, um nach etwas Anderem zu fragen. Wir haben Sommersturm geschaut, ausgerechnet.
Sorry, es wird auch ein bisschen romantisch und kitschig - durchhalten!
Das war zwar nicht im Sommer, aber es war trotzdem stürmisch. Das hat es drinnen umso gemütlicher gemacht, und es hat nach dem Ende des Films nicht mehr lange gedauert, bis wir zusammen auf's Bett gefallen sind und gekuschelt haben. Das war einer dieser Momente, die bestimmt einige von Euch kennen - endlich ist diese Barriere gefallen, ich weiß, dass ich den Anderen küssen darf, die Schüchternheit darf mal etwas in den Hintergrund rücken. In dieser Stimmung hat T mir erzählt, dass er sich bereits an diesem Abend im Birdcage vor einigen Monaten in mich verguckt hat. Das hat wohl auf Gegenseitigkeit beruht, das ist eine Grundlage für immerhin ein paar schöne Momente. Außerdem hat es irgendwie gepasst - ohne in die Details zu gehen, kann man sagen, dass T'n'T charakterlich und sexuell ganz gut zusammengepasst haben.
Wir waren außerdem beide gern albern und etwas kindlich. "Etwas??" mag sich jetzt vielleicht die Sannitanic fragen. Ja, genau wie bei der großen Buba habe ich auch bei T in den Kindheitsmodus gewechselt; man könnte fast sagen, ich hätte mich schwul verhalten. An solch' einem albernen Abend haben wir uns überlegt, dass wir doch einfach mal heiraten könnten. Nicht Standesamtiges, nichts Kirchliches, einfach nur eine kleine nette spielerische Geste. Das war natürlich nur ein Hirngespinst, aber an dem Abend haben wir uns das richtig detailliert ausgemalt - ein schönes Essen, eine richtige Predigt, alle in tollen Outfits, und natürlich würden wir dann auch durchbrennen und einfach mit dem Wagen von Kiel nach Dithmarschen fahren, an die Westküste, zu meinen Eltern, und dort die Hochzeitsnacht verbringen.
Diese Hirngespinste sind nach und nach so detailliert geworden, dass wir uns fragten, warum wir eigentlich noch überlegen. Dass das eine völlig schwachsinnige, irre, planlose, wilde Idee war - geschenkt. Wir sind Twens, wir wollen high life in Tüten, also warum nicht? Und so haben wir uns zusammengesetzt und einen Plan gebastelt. Rückblickend: Perfekt - Pläne, die dann eingehalten werden können, finde ich toll, das entspannt mich, und deswegen haben wir einen genauen Ablauf für das Event vorgesehen, das ich im Folgenden einfach Hochzeit nenne.
Als Erstes würden wir uns bei Burger King treffen. Freunde des Bräutigams und des Bräutigams. Dort würden wir uns vollstopfen, und dort würden wir auch die Trauung durchführen lassen. Wer würde uns wohl die Ehre des Standesbeamten erweisen? Ich fand es großartig, dass YazzTazz sich bereiterklärt hat, die Hochzeit zu vollziehen, in einem wunderschönen Bollywood-Outfit, und die anderen Gäste bitte in Abendgarderobe. Das sollte problemlos ablaufen. Danach gehen wir dann die zweihundert Meter Richtung Kronshagener Berge, alle Gäste werden in mein Zimmer verfrachtet, und ich bereite in der Küche den Nachtisch zu. Das wäre meine Ausrede, um aus dem Zimmer zu verschwinden. Und T? Der würde sich einfach auf's Klo entschuldigen.
Und dann? Wie bekommen wir das hin, ihnen klarzumachen, dass wir durchbrennen würden - nicht, dass sie sich noch ernsthaft Sorgen machen, wenn wir plötzlich unauffindbar sind. Wie man es auch dreht und wendet - wir brauchten einen Komplizen. Einer der Gäste musste in den Plan eingeweiht sein, musste den genauen Ablauf kennen und zur Not die richtigen Schritte im Ablaufplan dirigieren. Es musste jemand sein, auf den ich mich absolut verlassen konnte, jemand, der den anderen Gästen eher unbekannt war, damit nichts rausrutschen konnte. Also fragte ich bei meiner besten Freundin A an, jene, in die ich damals in der Oberstufe verliebt war. A fand die Idee witzig und machte sich von Dithmarschen auf den Weg, um unsere Verbündete zu werden. Dann mussten wir nur noch einen "Abschiedsbrief" vorbereiten, Knabbersachen und Getränke bereitstellen, damit die zurückgelassenen Gäste sich trotzdem noch einen schönen Abend machen können.
Genau so haben wir das Event dann durchgezogen. Es hat alles geklappt wie am Schnürchen, YazzTazzs Rede war schön, das Essen war lecker, die Gesellschaft sehr nett, niemand hat Verdacht geschöpft. Ein irres Gefühl, wie der Puls schneller wird, wenn man realisiert, dass es nur noch ein paar Minuten sind, bis man die Wohnung verlässt. Aufregend! T war genau so aufgeregt, aber wir versuchten, uns nichts anmerken zu lassen. Als der Nachtisch fertig zubereitet war, gab ich A und T im Zimmer das verabredete Zeichen und begab mich auf die Flucht - T einen kleinen Moment später. Aufgeregt standen wir im Fahrstuhl nach unten, der Puls rast, hoffentlich merken sie noch nichts, wäre zu blöd, wenn sie uns doch noch abfangen. Aber trotz aller Aufregung musste ein romantischer Kuss im Fahrstuhl noch sein. Dann ab in den Wagen, die Taschen schon längst eingepackt, und raus aus Kiel, total verliebt.
Ein einziger Wehmutstropfen blieb - ich hätte zu gern miterlebt, wann die Anderen merken, dass etwas nicht stimmt, und wie sie darauf reagieren, und was sie aus dem Abend machen. Schon damals war ich intensiv daran interessiert, menschliches Verhalten zu beobachten, und das wäre echt toll gewesen. Leider hatte ich dazu keine Gelegenheit.
...würde ich sagen, wenn wir nicht auch das mit eingeplant hätten, und so hatte ich in meinem Bücherregal ein Diktiergerät versteckt und auf Aufnahme geschaltet. So habe ich am Sonntag Abend einen kompletten Tonmitschnitt des Abends vorgefunden, habe mir ein leckeres Essen zubereitet und dann genüsslich schmunzelnd angehört, was die anderen Gäste so erlebt haben. Ich habe diese Datei auch heute noch, und es ist immer wieder schön zu erleben, wie die Anderen sich zunächst irgendwann fragen, wo T'n'T so lange sind - Mutmaßung: T ist zu T auf die Toilette gegangen und sie machen dort herum. Lacher. Einige Minuten später wird es etwas ernster, einer macht sich auf die Suche, findet aber niemanden. Leider auch nicht den Abschiedsbrief, den wir nicht sehr subtil an die Eingangstür gehängt hatten. Zum Glück war A noch vor Ort, und hat unauffällig den Zettel gefunden und alle aufgeklärt, dass wir durchgebrannt sind. Zu schön, sich die Gesichter in dem Moment vorzustellen!
Nun hätte ich ja gedacht, dass sie dann einfach den Nachtisch essen und nach Hause gehen - aber Studenten feiern nun mal gern, und so haben sie sich den Nachtisch aufgeteilt und nette Musik angemacht - Zitat: "Gute Musik bei T zu finden - ein hoffnungsloses Unterfangen." und sind dann schließlich bei ABBA Gold gelandet; von da an haben sie sich noch einen schönen Abend gemacht, zwei Stunden lang nett unterhalten, amüsiert über unser Durchbrennen, und haben sich Pläne überlegt, wie sie sich "rächen" könnten, darunter das Bett auseinander bauen oder alle CDs in den Alben vertauschen. Großartig!
Unter'm Strich muss ich sagen - egal, wie dämlich die Idee auch gewesen sein mag, es war aufregend und wir hatten jede Menge Spaß. Eine Anekdote, an die ich mich vermutlich noch lange erinnern werde. Und unsere Eheringe haben wir noch heute ;-)