Sonntag, 27. August 2017

Sie ist weg (+Treppen)

Das war mal, das war Zweitausendacht in den Kronshagener Bergen. Wir müssen voran blicken - es ist nicht unsere erste Abstandsphase und wir überleben es auch diesmal, denn es geht schließlich immer irgendwie weiter...

Sie ist weg - WEG! ...und ich bin wieder allein, allein...

Meine Generation dürfte sich noch gut an diese Worte der Fantastischen Vier erinnern, die Fantas haben das Gefühl des Verlassenwerdens beschrieben, allerdings auch mit einem selbstkritischen Kommentar über Egozentrik. Klingt wie mein Leben, denn jetzt ist sie weg: Gerade eben in's Auto gestiegen, mit all' ihren Möbeln, Taschen, Bildern, Kissen, Erinnerungen. Und sie hinterlässt während dieser Minuten eine große Lücke in mir, und das ist kein Wunder, denn sie war Die große Buba, oder je nach Standpunkt "die komische dicke Frau da", wenn man keine Ahnung hatte.

Und warum sitze ich jetzt überhaupt am Computer und schreibe diese Zeilen. Eigentlich sollte ich im Auto sitzen, auf dem Weg in diese neue, fremde Stadt, die mir meine Pomsa geklaut hat, und Kisten und Möbel schleppen (schweppedäh). Und ich war ja auch heute morgen pünktlich um halb zehn bei ihr, und mit der Hilfe von ein paar Freunden haben wir dann den Umzugswagen beladen. Das ging sogar relativ einfach, die große Buba hat das ganz gut geplant. Ich war allerdings ehrlich überrascht, wie schwer eine schmale Toploader-Waschmaschine sein kann; meine ganz normale, breite kam mir irgendwie leichter vor.

Aber irgendwann habe ich gemerkt, dass mein Kreislauf nicht so gut mitmacht, wie ich das gern hätte, und das hat auch seine Gründe. Ich habe in den letzten Tagen mal wieder zu wenig gegessen (passiert eben in schwierigen Situationen), und das rächt sich heute. Und somit habe ich mich nach dem Einladen des Wagens davongestohlen und sitze jetzt hier und finde zwischendurch immer mal die geistige Freiheit, diesem Beitrag einen neuen Absatz hinzuzufügen.

Die beiden Träsch-Trüllers, die dicke Frau und die Schwuchtel, kennen sich jetzt seit elf Jahren, und sie behauptet immer noch ihr Märchen vom "Das war sofort klar, dass der schwul ist", mit Leuchtschrift und so, aber soll sie mal, dafür ist sie für mich immer noch Corinna Beilhardt. Wir sind in unserer Freundschaft große Schritte aufeinander zu gegangen, und das war auch nötig. Es hat gedauert, bis wir gemerkt haben, dass wir manche Dinge am Anderen einfach nehmen müssen, wie sie sind, und dass das Umdenken und die Akzeptanz in unserem eigenen Kopf anfangen muss. Und seitdem müssen wir uns einander gegenüber nicht mehr verstellen, keine Notlügen, all sowas, was man "unter Freunden" gern mal macht. Brauchen wir nicht, und das erleichtert ungemein.

Jetzt ist sie nicht mehr einmal über die Straße rüber. Jetzt gibt es erstmal nicht mehr dieses "Du gibst laut, wenn ich rüberkommen soll", kein Monsterplätten, kein Rebecca-sterben-lassen, kein Tetris, während der Hochbegabte rumnerded. So kann man sich das alles einreden, wenn man im Drama Queen-Modus bleiben möchte. Muss anfangs auch mal sein - aber letztlich ist sie nichtmal eine Stunde Zugfahrt entfernt, und wir werden schon bald wieder Monster töten und die Welt retten und uns vor alten Klingelopas vor Angst an die Wand scheißen. Schmeißen. Ich weiß nicht mehr, was ich sagen wollte, aber Grammatik war uns sowieso nie wichtig. Sie versteht Wörter wie "deidäh" und "ni wi wi a a a". Und sie hat Arbeit, also soll sie gefälligst froh sein ;-)

Aber das ist zunächst gar nicht so leicht, wenn man realisiert, dass man eine Menge Leute hinter sich zurücklässt, gerade wenn man ein sehr sozialer Mensch ist. Dann kann man sich in diesen Abschiedsschmerz richtig hineinsteigern, das hatte ich neulich hier beschrieben. Und dann ist es gut, wenn man sich ablenken lassen kann, und als Lehrerin sollte es ihr an Arbeit und Ablenkung eigentlich nicht mangeln.

Und was hat das Ganze nun mit Treppen zu tun? Nun ja, ich erzähle gern, dass ich keine Höhenangst habe, wohl aber Angst vor dem Fallen, und das intensiviert sich, wenn ich mit einer Kiste im Arm eine Treppe hinuntergehe und nicht genau die Stufen sehen kann. Ich habe Schuhgröße neunundvierzig, und wenn die Treppenstufen dann klein und schmal sind, habe ich Angst, dass ich danebentrete, abrutsche, mit dem Fuß nicht ganz auf der Stufe lande oder was noch alles so möglich ist, und dass ich dann in der Konsequenz stürze. Mir ist das heute wieder ganz nah in Erinnerung gerufen worden. Ich möchte in meinem nächsten Leben also gern etwas weniger intelligent und ein Stück kleiner sein (wenn ich Ansprüche stellen darf).

So, nun versuche ich mich an den "Zustand ohne große Buba" zu gewöhnen. Und ich kann mir glücklicherweise in Erinnerung rufen, dass ich zu meiner Zeit in Husum selbst über eine Stunde von ihr entfernt gewohnt habe, wir haben uns nur etwa einmal im Halbjahr gesehen, ansonsten blieb nur das Internet, und dort habe ich mich auch ziemlich einsam gefühlt, und warum genau wollte ich das jetzt nochmal als Trost hier schreiben???

Um mich daran zu erinnern, dass wir auch jene Zeit überlebt haben, und dass auch jene Zeit absehbar war und man nicht für den Rest seines Lebens an einem Ort bleiben muss, bzw. sollte, an dem es einem nicht gefällt.

Auch Du nicht, meine große-Buba-dicke-Tuba-Träsch-Transe-Pomsa-Tittenplatz-Kopfabdreh-Gabybarbie!


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