Dienstag, 12. Juli 2016

Hochbegabte Ästhetik


Vorweg: Das hier muss nichts mit Hochbegabung zu tun haben. Ich habe es allerdings in erster Linie bei mir selbst und in Gesprächen mit Hochbegabten festgestellt - dass eine bestimmte "Konfiguration" meiner Umwelt beruhigend auf mich wirkt. Das können Kleinigkeiten sein; so muss die Lautstärke meiner Anlage stets auf einer durch zwei teilbaren Stufe sein. Latstärke sieben geht nicht, dann werde ich unruhig. Das Bewusstsein allein reicht da schon aus. Einer meiner Schüler hatte eine ähnliche Wahrnehmung, bei ihm allerdings musste die Lautstärke durch fünf teilbar sein. Das kann unpraktisch sein, wenn die Anlage eine großschrittige Lautstärkeregelung hat.

Wie komme ich jetzt überhaupt darauf? Zur Zeit spiele ich mit großartiger Unterstützung mal wieder Tomb Raider, das Original in der Anniversary-Neuauflage. Das waren noch Zeiten: Mehr Titten, weniger Gerede, mehr erforschen, weniger Menschen, mehr Tiere und Monster, weniger Spielerlenkung, mehr coole Sprüche, weniger leicht, mehr aufgespritzte Lippen. Einfach großartig, ich genieße es in vollem Umfang, alte Ruinen, Höhlen und Tempel zu erforschen, auch mal ohne zu wisen, wo der nächste Schritt mich hinführt. So einwandfrei das PS3-Reboot der Reihe dagegen umgesetzt sein mag, so atemlos zieht es den Spieler durch seine Umgebungen - das Denken wird einem fast komplett abgenommen. Deswegen gefällt mir Anniversary mindestens genau so gut.

Gestern haben wir den letzten Abschnitt der Ruinen in Ägypten erforscht, das Heiligtum des Scion. Und ich habe es unglaublich genossen, weil es von der Architektur her stimmig war und dank seiner Symmetrie einfach wunderschön und entspannend. Da macht es auch nichts, wenn ich Lara in dem einen oder anderen Schacht hundertmal das Genick gebrochen habe (umherfliegende Beine inklusive) oder wenn Mampf-Wände die Frau mit der schmalen Taille gierig zerkloppt haben. Das alles hat mich überhaupt nicht gestört - weil der Ort so "ausgewogen" war.

Im Wesentlichen besteht das Heiligtum aus einer Sphinx, die sich in einer gewaltigen Höhle befindet. Nach links und rechts führen Treppen, die genau an den gleichen Stellen unterbrochen sind. Jeweils ein Hebel befindet sich am Ende dieser Treppen. An jedem der Beine der Sphinx muss man einen Schlüssel einsetzen, damit sich die Tür - natürlich genau in der Mitte - öffnet. Wie herrlich! Ich könnte einfach nur in aller Ruhe unten stehen und mir dieses Bauwerk anschauen.


Links und rechts dieses Raumes befinden sich jeweils schachtähnliche Hallen - mit dem gleichen Rätsel, nur eben spiegelverkehrt. Es geht um Lichtreflektion, natürlich wieder in perfekter Symmetrie. Und wenn man schließlich in jeder dieser Hallen einen Schlüssel gefunden und in die Sphinx eingesetzt hat, dann geht es noch tiefer in das Heiligtum - eine riesige Halle, mit Wasser gefüllt, die von einem thronenden Anubis und Osiris beherrscht wird. Zwei gewaltige Statuen in genau gleicher Positionierung, am Grund des Sees genau zwischen ihnen ein Schalter. Wie herrlich!

Der aufmerksame Leser wird nun sagen: Moment mal, Herr Doktor! Links Anubis und rechts Osiris? Hat dich das denn nicht etwas verunsichert?

"Gut aufgepasst!" anworte ich dann. Und beim Überlegen, warum ich trotzdem ausgeglichen war, fällt mir ein, dass die Statuen sich nur durch ihren Kopf voneinander unterschieden haben. Und die Köpfe habe ich nicht so oft gesehen, weil ich meistens am Grund des Sees in Aktion war.

Ich liebe die Symmetrie. Sie beruhigt mich. Sie kann mir bei Panikattacken helfen. Manchmal ist sie sogar notwendig, weil ich sonst gestresst werde - wie z.B. bei der Lautstärkeregelung. Und ich bin damit nicht allein. Ich weiß nicht, ob das ein Hochbegabten-Ding ist - oder ob das z.B. auch HSPs (Hochsensible Persönlichkeit) so geht.

Jedenfalls ist das auch ein Grund, warum ich in der Ausgestaltung meiner Wohnung so oft wie möglich Achsen- oder besser noch Punktsymmetrie zum Einsatz kommen lasse. Lang lebe das Design!

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