Dienstag, 5. März 2024

Demokratie, letzter Akt


In den USA erodiert die Demokratie - langsam, aber sicher. Die Werte kippen, hier ein schönes Beispiel:

Donald Trump muss sich vier Anklagen mit insgesamt einundneunzig Anklagepunkten stellen. Deswegen ist er in mittlerweile mehreren Bundesstaaten vom Wahlzettel gestrichen worden, denn laut Verfassung darf niemand für das Amt des Präsidenten kandidieren, der vorbestraft ist: Trump hat Wahlmanipulation begangen, nachweisbar, und dafür ist er (unter Anderem) angeklagt.

Natürlich hat Trump da Widerspruch eingelegt - seine Argumentation: Als Präsident müsse man vollkommene Immunität genießen können, ansonsten sei man handlungsunfähig. Um das etwas drastischer zu formulieren: Wenn Trump als Präsident entscheidet, das Seal Team 6 loszuschicken, um seine politischen Gegner zu ermorden, kann er nicht strafrechtlich dafür belangt werden, wenn er nicht mehr Präsident ist. In a nutshell: Trump fordert, dass er ohne Konsequenzen tun und lassen können möchte, was er will.

Natürlich ist das vollkommener Unsinn, und der Appeals Court hat den Widerspruch abgewiesen, mit einer ausführlichen Begründung. Und natürlich bleibt Trump hartnäckig - und nach einem Court of Appeals gelangt der Fall in nächsthöherer Instanz vor den amerikanischen Supreme Court (SCOTUS). Das amerikanische Pendant zu unserem Bundesverfassungsgericht

Gesunder Menschenverstand erwartet, dass SCOTUS den Fall überhaupt nicht annimmt. Nicht nur ist die Forderung irrsinnig, es gibt bereits eine seitenlange Begründung, warum das vor Gericht abgeschmettert wurde.

Aber mit gesundem Menschenverstand hat amerikanische Politik nicht mehr viel zu tun: SCOTUS hat den Fall tatsächlich angenommen und Termine für Anhörungen in den April gesetzt. Was für ein Schwachsinn! Natürlich werden sie nach den Anhörungen Trumps Forderungen ablehnen, aber Trump hat jetzt genau das erreicht, was er will: Verzögerung.

Seine Prozesse können durch diese rechtlichen Fragen so weit verzögert werden, dass er vor der nächsten Präsidentenwahl nicht verurteilt wird. Und wenn er dann erstmal wieder Präsident ist, dann wird er sich selbst die Schuld erlassen. Er gibt sich selbst ein presidential pardon, und damit sind all' seine Verbrechen nichtig.

Es ist so widerlich mitanzusehen, wie SCOTUS jetzt den Parteilinien folgt und Trump seinen Aufschub gewährt. Das höchste amerikanische Gericht, das keinesfalls parteilich sein soll, ist seit der Erhebung dreier republikanischer Richter in's Amt durch Trump seiner Legitimität beraubt worden.

Es ist der letzte Akt für die Demokratie in den USA, bevor sie die Bühne verlässt.

post scriptum: Ich werde nicht gern politisch, aber vielleicht sollten uns diese Entwicklungen ein Mahnmal sein, denn der Rechtsruck in Deutschland ist nicht totzuschweigen. Er findet sich in kleinsten Äußerungen wieder: "Ich setze mich im Café immer an den Zweiertisch am Rand, damit mir die Ausländer nicht zu nah auf den Buckel rutschen." - "Was soll ich mit so einem glitzernden Kunststoffgürtel anfangen? Die Türken, die mögen sowas ja."

Es beginnt mit der Sprache.

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