Samstag, 16. November 2024

Durch - und verlängert!


Eine weitere Woche, an deren Ende ich auch am Ende bin. Ich könnte auf die Entzündungen im Mund- und Rachenraum verzichten, meine Zunge kribbelt und schmerzt, wenn ich Nahrung mit festerer Textur zu mir nehme, ich kann die Aromen nicht mehr normal schmecken, und das Warten auf die Remissionsphase nervt. Dazu kommen dann spontan zwischendurch irgendwelche Gelenkentzündungen, die schnell kommen und relativ schnell gehen können, aber doch dafür sorgen können, dass ich ein paar Stunden nicht laufen kann. Alles interessantes Neuland für mich, aber nun ist mal gut.

Dazu kommt der herausfordernde Job in der Schule - ich gehe in die Klasse, ein Drittel der Kiddies fehlt, jemand kommt angelaufen und sagt mir "Klaus ist abgehauen", und ich muss erstmal realisieren, warum überhaupt so wenige da sind; dazu kommt von links "Bekommen wir unsere Arbeit zurück?" und von rechts "Sollen die Klassenleiter losgehen, um Klaus zu holen?" und von vorne links "Ich habe Bauchschmerzen, darf ich nach Hause gehen?" und von vorne rechts "Haben sie ihre Haare jetzt rot gefärbt?" - alles gleichzeitig. Ernsthaft - ist so passiert. Der Autist (ich) steuert in einem Mordstempo auf den Meltdown zu, und dann kommt zum Glück meine Zweitsteckung und wir versuchen, das Chaos zu zweit in den Griff zu bekommen.

Solche Situationen sind an Perspektivschulen nicht selten, und es erfordert einem viel Kraft ab, ruhig zu bleiben und alles zu regeln. Ich sehe das im Unterricht anderer KollegInnen, die schon länger hier arbeiten, und beneide sie unglaublich - und versuche mir aus ihrem Unterrichtsverhalten Tipps für mich herauszuholen.

Denn so chaotisch und auslaugend das klingen mag - und auch definitiv ist, zumindest für mich - so sehr ist das genau die Arbeit, die ich leisten möchte. Ich möchte diese Kinder und Jugendlichen unterstützen, die oftmals keine Kindheit und Jugend genießen konnten, weil sie zum Beispiel auf der Flucht waren. Aus ihren Häusern gebombt in einem Alter, in dem sie das alles noch gar nicht verstehen konnten. Denen zuhause die Bezugspersonen fehlen, zum Beispiel weil auf der Flucht umgekommen oder in der Heimat verblieben, hoffend auf bessere Zeiten. Der übrige Elternteil - möglicherweise überfordert mit den vielen Kindern, das sind zerrüttete Verhältnisse, die ich mir nichtmal ansatzweise vorstellen kann. Deswegen verurteile ich nie diese Kiddies, wenn sie mal wieder Mist gebaut haben. Ich versuche ihnen so viel Mitgefühl und liebende Güte (Buddhismus) zukommen zu lassen, wie ich kann. Dabei ist mir manchmal der Autismus im Weg, und ich bin so sehr auf die Unterstützung der KollegInnen angewiesen...

...aber es funktioniert so langsam! Der Job belastet mich nicht nur, er ist in den meditativen Nachgängen so ungemein bereichernd, erweitert meinen Horizont für das, was andere Menschen auf dieser Welt durchmachen. Ich möchte unbedingt weiterarbeiten, auch wenn ich aufgrund meiner Fächerkombination möglicherweise nie eine Planstelle an dieser Schule bekommen werde.

Und immerhin in dieser Hinsicht sieht es positiv aus: Mein Verlängerungsvertrag ist angekommen und jetzt unterschrieben! Ich kann in vollem Umfang bis Ende des Halbjahres weiterarbeiten. Was dann kommt, sehen wir dann. 

Jetzt ist endlich eine Blockade im Gehirn gelöst und ich kann mich auf die Suche nach einer gastroenterologischen Diagnose machen. Montag geht es los.

Daumen drücken!

post scriptum: Und Euch wünsche ich wie immer, dass Ihr Eure Arbeit ebenso bereichernd erleben könnt wie ich, und dass Ihr sie durchhaltet. Dass Ihr an diesem Wochenende etwas Energie tanken könnt. Ich denke, ich werde heute mal wieder eine "Tonglen"-Meditation praktizieren, Euren Stress in mich aufnehmen und etwas Entspannung "ausatmen" - Ihr wisst ja vielleicht aus dem damaligen Blogeintrag, wie das gemeint ist.

Freitag, 8. November 2024

Langsam reicht's.


vorweg: Liebe Eltern, wir klären morgen alles bei Skype!

an alle Anderen: Es geht hier um meine Gesundheit. Wer das nicht lesen möchte, soll das einfach nicht machen.

Der letzte Gang auf die Waage und der aktuelle Entzündungsschub sind die Tropfen, die das Fass zum Überlaufen bringen. Ich brauche dringend eine vernünftige CED-Diagnose, damit ich endlich die richtigen Medikamente gegen die Entzündungen bekommen kann. In einer Schubphase können sie den Körper fies beeinträchtigen oder so wie heute fast ausschalten. Die ersten Tage der Woche waren nur Mund und Rachen entzündet, das ist zwar unangenehm, weil ich nichts Festes essen kann, aber heute ist das komplette rechte Bein dran: Ich kann nicht auftreten, ich muss das Kniegelenk still halten, ich kann nicht gehen.

Und das kann so nicht mehr weitergehen, also suche ich mir Hilfe in der nächsten Woche, um endlich an einen Termin bei'm Gastroenterologen zu kommen. Nein, den habe ich noch nicht. Ja, ich weiß, wie sehr man sich als Autist dabei im Weg stehen kann. Die Sannitanic weiß das auch, mit Blick auf die Diagnose der Behinderung.

Bleibt für heute erstmal nur Sitzen/Liegen und irgendwas zu essen finden, damit ich nicht noch klappriger werde. Am Anfang des Studiums war es irgendwie "cool", so dünn zu sein. Jetzt sticht bei mir hinten die Wirbelsäule und vorne der Brustkorb heraus - Haut und Knochen, wie man so sagt - und das ist nicht mehr cool, sondern ein Warnsignal.

Dann sehe ich einen TV-Bericht über CEDs, sehe so viele Parallelen zu mir und erfahre dann, dass eine Patientin es geschafft hat, mittels der Medikamente ihre Remissionsphase auf fast ein Jahr auszudehnen - das war wie ein rotes Signal "Warum hast du noch nichts gemacht? Es könnte so viel einfacher sein!"

Right. Das geht los. Erstmal wieder gehen können.

Dienstag, 5. November 2024

Das Ende einer Wahl


Ich kann es einfach nicht verstehen. Heute endet die Wahl zum Präsidenten der USA - und die Umfragen sind extrem nah beieinander, und das erschreckt mich angesichts der Wahl zwischen der ersten Frau für das Amt, die anpacken möchte, und einem Soziopathen, der Nazirhetorik verwendet und das Land gegen alles abriegeln will. Dass seine "Reden" oftmals zusammenhanglos sind, scheint niemanden im Publikum zu stören - Hauptsache, er ist rechts genug.

Ich frage mich, ob solche Zustände auch bei uns in Deutschland möglich wären, und natürlich sind sie das. Man muss nur schauen, wie sehr die extrem rechten und linken Parteien an Stimmen gewonnen haben, und wenn man dann sieht, dass es gemeinsame Schnittmengen zwischen der AfD und dem BSW gibt, bekomme ich einen Bammel vor unserer nächsten Wahl im nächsten Jahr.

Jetzt hoffe ich erstmal nicht nur, dass Kamala Harris die erste Asian-American Präsidentin der USA wird. Ich hoffe, dass die Wahl ohne Unruhen, Proteste und Gewalt ausgeht. Trump hat die Samen dafür früh gesät, indem er immer wieder behauptet hat, dass die Wahl nur dann fair ist, wenn er gewinnt. Ansonsten ist es Wahlbetrug, und es könnte zu einem Protest wie dem Kapitolsturm kommen. Hoffen wir einfach mal, dass niemand stirbt. 

Ein Präsident Trump würde ein globales Desaster bedeuten...

Freitag, 25. Oktober 2024

Widerspruch - mal wieder


Ich habe nicht viel Glück mit behördlichen Angelegenheiten. Mein Antrag auf Schwerbehinderung war abgelehnt worden, ebenso der Widerspruch mit zwei psychiatrischen Gutachten - und nun ist auch mein Bürgergeldantrag abgelehnt worden, denn es bestünde für mich kein Bedarf. Der Grund: Meine Eltern haben mir im August ein Darlehen gegeben, damit ich die Miete, Stadtwerke etc. bezahlen kann. 

Das Jobcenter hat das als reguläres Einkommen gewertet und abgelehnt. Ich hätte wohl erst dann Anspruch, wenn sich die Mahnungen zuhause stapeln, und wenn ich mir nicht mal mehr Suppengemüse leisten kann.

Und wie nervig: Das bedeutet, dass ich im August nicht krankenversichert war; ganz toll mit den vielen Besuchen bei'm Augenarzt und den Medikamenten. Also muss ich auch hier mal wieder Widerspruch einlegen, das kann ich gerade wunderbar gebrauchen - ein weiterer Kontakt mit dem Bürokratiergehege. Mal schauen, wie lange es diesmal dauert, bis ich eine Antwort bekomme...

Freitag, 18. Oktober 2024

Viele gute Nachrichten


Wir sind in den Ferien angekommen. Ist das nicht toll? Erst recht nach dem letzten Beitrag, der klargemacht hat, dass ich komplett durch bin - ferienreif. Total voll mit Eindrücken und total kaputt. Dass die Stunden heute in der fünften Klasse richtig Spaß gemacht haben, rundet den Übergang in die Ferien wunderbar ab.

Dabei war das alles gar nicht so sicher: Am Mittwoch hätte ich eigentlich bei'm Psychiater sein sollen, aber weil mal wieder alles spontan anders gekommen ist als geplant, ist mein Tag zusammengebrochen und ich fast auch. Ich hätte nämlich vom Arzt mein neues Rezept für die Medikamente bekommen sollen, und ich war darauf angewiesen, denn der Donnerstag sollte ein langer Tag mit sehr vielen Menschen und zahllosen Eindrücken werden - da kann es helfen, eine halbe Tablette zu nehmen, damit ich nicht irgendwann komplett dichtmache.

Und weil das also nicht geklappt hat, ist genau das Gegenteil eingetreten, eine ordentliche Panikattacke. Wie soll ich an das Rezept kommen? Wie soll ich den Donnerstag gut überstehen?? Ich war unglaublich erleichtert, nachdem per Mailwechsel sich ein Weg finden ließ, die Medis noch am Abend zu bekommen. Ich war so unglaublich erleichtert, und damit war der Donnerstag kein großes Problem mehr.

Und die nächste gute Nachricht: So wie es aussieht, kann mein Vertrag nach den Ferien bis zum Ende des Halbjahres verlängert werden. Vielleicht mit weniger Stunden - das werden wir sehen. Aber ich bin unglaublich glücklich, denn ich habe mich in diese Schule verliebt und so langsam gewöhnen die Kids sich endlich an diesen komischen Lehrer. Schon wieder ein Lehrerwechsel wäre für sie die absolute Hölle. Also bitte Daumen drücken, dass die Verlängerung so durchgzogen werden kann, wie geplant; ich freue mich über jede weitere Woche an unserer Schule.

Und die (vorerst) letzte gute Nachricht: Die große Buba kommt! Pünktlich zu den Ferien reist sie nach Kiel, und wir haben uns lange nicht gesehen - ich hätte es zwischendurch nervlich nicht geschafft, die neue Schule war zuviel für mich. Es wird wieder Zeit zum Reden, Spielen und Pomsen (jeder möge sich selbst denken, was damit gemeint ist).

Kommt gut in die Ferien, Ihr Lieben!

Freitag, 11. Oktober 2024

Ferienreif!


Leute, ich bin sowas von reif für die Ferien! Und das war alles so absehbar, es ist genau gekommen, wie befürchtet: Mitten in der Diagnosephase (Crohn?) nach über einem Jahr Arbeitslosigkeit an eine neue Schule zu kommen, das bringt den Autisten vollkommen aus seiner Taktung. Wieder neue KollegInnen, die mir sagen möchten, wie ich meinen Unterricht zu machen habe - ja, diesmal mit "Du musst..."-Anweisungen und nicht "Ich würde..."-Vorschlägen - wieder ein Haufen neuer SchülerInnen, die sich erstmal an das Prinzip Dr Hilarius gewöhnen müssen und anfangs am Rad drehen, das alles mit dem Verstärkungsfaktor Perspektivschule

Zweitsteckung zu sein gibt einem viele interessante Einblicke in den Unterricht der anderen Lehrkräfte. Und dann merkt man natürlich auch, wenn jemand nicht so unterrichtet, wie es eigentlich nach dem Schulkonzept gedacht ist, und das kann ich dann in meinem Kopf wieder nicht vereinbaren. Wir unterrichten nach der Neuen Autorität, was ich zu einem großen Teil nachvollziehen kann, da ich aus der Humanistischen Pädagogik komme.

Dann aber tönt es von mehreren Seiten: Du musst strenger sein, du musst die gleich einnorden, sonst tanzen die dir irgendwann auf der Nase rum, da musst du mit Strafen arbeiten, Unterrichtsklima Furcht, das kann es doch nicht sein. Und ich kann noch nicht einmal garantieren, dass das Hilarius-Prinzip diesmal aufgeht, denn mein Vertrag läuft nur bis zum elften Dezember, ich kann mich also womöglich nicht einmal richtig etablieren. Keine Zeit, meine Art des Unterrichts vielleicht wertzuschätzen lernen.

Das alles, kombiniert mit der Gesundheit, sorgt dafür, dass ich die ersten Ferientage geistig tot sein werde. Es ist alles viel zu viel, volle Stelle kombiniert mit mehreren Ärzten, daran muss ich mich erst gewöhnen.

Ich weiß, ich bin an unserer Schule nicht die einzige Lehrkraft, die reif für die Ferien ist. Wie sieht es bei Euch aus?

Sonntag, 6. Oktober 2024

Die Hochzeit meines Bruders


vorweg: Ich bin mir sehr sicher, dass er das lesen wird. Dass sie das lesen werden; und ich möchte nur vorweg den Ratschlag geben, das mit einem Augenzwinkern zu lesen. Denn unter'm Strich habt Ihr mich heute sehr, sehr glücklich gemacht.

Lieber Bruder, liebe Schwägerin!

Vor ein paar Wochen habe ich Mama gefragt, ob es wohl okay ist, wenn ich eine kleine, witzige Rede zu Eurer Hochzeit schreibe. Im Studium habe ich es geliebt, Beiträge für die Bühne zu schreiben und aufzuführen, und das war so eine tolle Gelegenheit - gerade weil es sich ein wenig so angefühlt hat, als käme die Hochzeit aus dem Nichts. Unsere Eltern hatten sich bereits damit abgefunden, dass unsere Familienlinie hier endet, und dass sie nie Großeltern werden würden, und dann kam eines nach dem anderen, ziemlich zügig. Reichlich Futter für ein paar unterhaltsame Worte.

Und dann kam nichts. Keine Inspiration, keine Muse, stattdessen Corona, die Arbeit an einer neuen, herausfordernden Schule und chronische Krankheit. Ist doch nicht wahr... aber ich hatte tatsächlich ein paar Tage vor Eurer Trauung die bittere Erkenntnis an unsere Eltern getextet, dass ich wohl nichts beisteuern könnte. Aber dann ist da ja noch Mama, die bei solchen Anlässen ihren Mund nicht halten kann - zum Glück!

Immerhin wollte ich aber dabei sein an diesem Tag, für Euch vielleicht der glücklichste seit Langem. Und dabei gab es Vieles, was im Kopf dieses Autisten im Weg gestanden hat. Mit so vielen Menschen einen ganzen Tag verbringen... normalerweise habe ich Medikamente, die das leichter machen, aber die sind zur Zeit nicht mehr da. Dazu meine unberechenbare gesundheitliche Situation... und dann kam auch noch die Schule dazu, denn unsere Schule hat sich keinen Brückentag gegönnt, im Gegenteil, Crosslauf für unsere SchülerInnen war angesagt, und Lernentwicklungsgespräche für die Eltern. Und ich war als Aufsicht eingeteilt, genau zum Zeitpunkt der Trauung, wie ungünstig. Viele Gründe also, abzusagen. Nix da. Ich wollte meinen Bruder unbedingt einmal in dieser Situation erleben, echte Verliebtheit für Publikum, wie geht er damit um, und ich wollte endlich meine Schwägerin und meine Nichte kennenlernen.

Zum Glück ließ sich die Aufsicht tauschen, und so war ich früh in der Kälte an der Schule, danach rasant nach Hause. Dabei in den falschen Bus eingestiegen, abgelenkt durch ein Schülergespräch, halbe Stunde Umweg, Anschlussbus verpasst, Stresslevel steigend. Als ich dann in den Bus zum Rathaus eingestiegen bin, war ich einigermaßen aufgewühlt, aber ich wollte das Ereignis auf keinen Fall verpassen.

Also gehe ich auf das Standesamt zu, und sehe sofort den roten Hut. Mamas Markenzeichen. Zum Glück, möchte ich meinen, denn es standen hier und da verteilt drei verschiedene Hochzeitsgesellschaften vor dem Amt - Wochenende, mittags, what do you expect. Eine Gesellschaft komplett in rote Shirts gewandet, und ich hatte ein wenig Angst bekommen, ob ich einen Dresscode verpasst hätte, aber wie gesagt, da war dann der rote Hut und nach und nach ist die Familie eingetrudelt, Onkels, Tanten, und natürlich auch die andere Familienhälfte, die ich nun zum ersten Mal sehen konnte.

Und Dein Trauzeuge - am Gesicht sofort wiedererkannt, aber ich habe gestaunt, wie viele graue Haare er bekommen hat, dabei wirkte es wie gestern, dass ich ihm noch an der Uni über den Weg gelaufen bin. Na, dann muss doch irgendwo auch der Bräutigam sein, aber ich hätte ihn nicht bemerkt, wenn unser Bruder mich nicht auf ihn hingewiesen hätte. Und da war er, und innerhalb von Sekunden wurde zuerst das Outfit gescannt.

Diese Schuhe.

Die gehen ja gar nicht, war mein erster Gedanke - dabei lag das Outfit voll im Trend, eine Kombination aus sandfarben, weiß und hellblau, ein schönes maritimes Motto. Allerdings wirkten die Schuhe wie ein rebellischer Kontrapunkt zur konservativen Fliege und Einsteckblume. Sind das Sportschuhe? Ganz in weiß? Fehlt eigentlich nur noch ein Nike-Logo, aber das war nicht dabei. Der Fairness halber muss ich hier aber auch erwähnen, dass ich mich innerhalb der nächsten Stunde mit den Schuhen anfreunden konnte, denn irgendwie haben sie ja zu Dir gepasst, laid-back, lockerer, entspannter, eigentlich genau richtig, könnte man sagen.

Und dann die Braut in einem absolut grandiosen Zweiteiler, eine weiße Spitzenbluse und ein cremefarbener, langer Rock, ein Hauch von bauchfrei, wunderbar passend zur gebräunten Haut und dem Sonnenschein gestern - der Hammer. Und dann erst habe ich realisiert, dass ich Dich, liebe Schwägerin, bisher noch nie gesehen hatte. Und dann Euch beide strahlend, Arm in Arm zu sehen, das hat mir ein Lächeln auf's Gesicht gebracht, fast schon krampfhaft, aber ganz ehrlich und authentisch. Ich habe selbst nicht so ganz verstanden, warum ich mich gerade so sehr freue.

Dieses Grinsen blieb auch, während die Standesbeamtin den Namen Eurer Tochter falsch genannt hat, und danach den Namen der Braut, zwei kleine fauxpas, die dem Ganzen allerdings Authentizität gegeben haben, das war erfrischend. Zu dem Grinsen haben sich dann doch tatsächlich zwei kleine Tränchen in den Augen eingefunden, und da sage nochmal jemand, Autisten seien emotionslos. Aber bevor ich zu gefühlsduselig werden konnte, kam ein Highlight der ganzen Zeremonie: Das Ja-Wort, das Du, lieber Bruder, so säuselig zur ihr hingehaucht hast, dass wir uns ein Kichern kaum verkneifen konnten. Ist halt schon etwas Besonderes, den Bruder, den man seit über vierzig Jahren kennt, so liebesduselig zu erleben. Es war grandios!

Ebenso grandios wie der Fotomoment danach vor dem Standesamt, bei dem wir alle quasi Spalier standen; bevor ich das realisiert hatte, hat man uns ein Bambusstöckchen mit Glöckchen und Geschenkband in weiß und rosé in die Hand gedrückt, so dass wir Euch bei'm Hinaustreten aus dem Gebäude wie ein Team aus Cheerleadern empfangen konnten. Und wie wunderbar Du dich dann über Deine Gattin gebeugt hast, um sie zu küssen, das hatte etwas Filmisches - natürlich auch hier nicht ohne das familientypische Lästern, denn Ihr habt es geschafft, das genau im Schatten einer der schlanken Säulen des Gebäudes zu machen. Um Euch herum die Sonne, doch Ihr steht im Dunklen.

Was mich zum Tenor bringt, der sich durch die Rede der Standesbeamtin und unserer Mutter gezogen hat, und an dem ja auch etwas dran ist: Zu einer Ehe gehören auch Schattenmomente. Man mag von stürmischen Zeiten oder von Gewitterphasen sprechen - es ist klar, dass es zwischen Euch in den kommenden Jahren immer auch mal krachen wird, weil Ihr unterschiedlicher Meinung zu einer Sache seid. Das ist auch gut so: Wie eine politische Opposition ist das Eure Möglichkeit, gegenseitig den Horizont zu erweitern und nicht in den gewohnten Bahnen zu erstarren. Jedes Gewitter hat etwas Reinigendes, hieß es später in der Rede, und die Rednerin - Mama - weiß, wovon sie da gesprochen hat.

Natürlich hat es auch zwischen unseren Eltern gekracht. Auch wenn sie versucht haben, das vor uns Kindern "geheim" zu halten, hat das nicht immer geklappt, und ich erinnere mich an Momente, in denen ich ängstlich im Bett gelegen habe und mich gefragt habe, ob Mama und Papa sich jetzt trennen. Schreierei, Tränen, das alles gehört gerade im Leben eines Autisten dazu (Meltdown, anyone?) - und trotzdem sind unsere Eltern jetzt seit über fünfzig Jahren verheiratet und werden irgendwann, nicht zu bald, auch noch zusammen in's Grab fallen.

Ich wünsche Euch beiden, dass Euer Band ebenso all' diesen Unwägbarkeiten standhalten wird. Das sage ich nicht ganz uneigennützig - ich werde nie das leckere Essen auf der Silberhochzeit unserer Eltern vergessen, also bis dahin müsst Ihr bitte auf jeden Fall kommen, damit ich mir noch einmal hemmungslos den Wanst vollschlagen kann und danach mit Haus-Natron wimmernd auf dem Bett liegen muss, weil ich mich überfressen habe.

Macht das, Ihr Lieben. Macht aus dieser Zeit eine der schönsten Eures Lebens! Nehmt Eure Tochter mit durch dieses aufregende, nicht immer einfache Abenteuer, und wer weiß, vielleicht gesellt sich irgendwann ja noch ein kleiner Steppke dazu. 

Ich hoffe, Ihr habt Euer Hochzeitswochenende in vollen Zügen genossen. Ich bin früher gegangen, Ihr wisst warum, aber traurig werden konnte ich darüber aus zwei Gründen nicht:

1) Diese Trauung, die ich miterleben durfte, hat mich wahnsinnig glücklich gemacht, eine Art Rausch, der bis zum heutigen Sonntag angehalten hat - jetzt wird es langsam Zeit für die Alltagwerdung - und der jeden wehmütigen Gedanken verdrängt hat.

2) Es war einfach zu absurd, wie ich danach durch die Stadt nach Haus gegangen bin, zwei Meter groß, schwarz lackierte Fingernägel und gänzlich schwarzes Outfit, mit zwei der weiß-rosé-farbenen Cheerleaderglöckchen in den Händen. Wenn mich irgendjemand darauf angesprochen hätte, hätte ich ohne Zögern mit einem Strahlen geantwortet, dass ich von der Hochzeit meines Bruders komme und es mir vollkommen egal ist, was andere Menschen denken mögen; in diesem Moment war mir nur wichtig zu wissen, dass Ihr beide glücklich seid.

Bleibt auch weiterhin glücklich, geht durch diesen Leistungskurs in Sachen Teamfähigkeit und habt viele schöne Stunden als Familie. Auch wenn ich manchmal in der Versenkung verschwunden erscheine: Ich bin immer hier, ich erlebe das mit, und freue mich auch weiterhin für Euch und fiebere mit Eurem Leben mit.

Danke, und alles, alles Liebe für Euch!

Euer Tobi

Mittwoch, 25. September 2024

Sechs Stunden Brennpunkt


"Bei der Klasse, da musst du aufpassen, das könnte etwas schwieriger werden - wir helfen da auch gern weiter. Da sitzt nämlich ein Leistungsverweigerer drin."

Heute kann ich über die Sorge nur noch schmunzeln, aber damals, in meinem nullten Semester - und an jener Schule - war das schon etwas ganz Besonderes und ein großes Hindernis für manche KollegInnen. Mittlerweile bin ich ein paar Schularten weiter, und einen Leistungsverweigerer je Klasse zu haben, das ist schon ein Luxus. "Ich kann kein Englisch" wird gern als Rechtfertigung genommen, es gar nicht erst zu versuchen. Oder es kommt ein einfaches "Nö, mache ich nicht" zurück. Da wird man als Lehrkraft auf die Probe gestellt - und dabei sind wir noch nicht einmal in der Kategorie Unterrichtsstörungen angekommen.

Sowas lässt sich aushalten - im Gegenteil, für Manchen ist das sogar eine Herausforderung, an der man wachsen kann und der man sich gern stellt. Das hat allerdings auch seinen Preis, und für mich gilt: Sechs eigenverantwortliche Stunden an einer Perspektivschule sind genug für einen Tag. Ich bin danach physisch völlig ausgelaugt, und ich realisiere das erst, wenn ich zuhause ankomme und den Rest des Tages zombiefiziert verbringe. Ich schaffe nichts mehr, es geht nur noch um Selbsterhaltung - und dann kommt der nächste Tag.

Ich liebe diesen Job - aber unter der Woche bin ich für Außenstehende quasi nonexistent. Meine Freunde wissen das und ich danke ihnen für die Geduld. Ich weiß auch, dass das nicht nur Menschen auf dem Spektrum so gehen kann - auch hochsensible Menschen werden stark ausgelaugt und brauchen viel Zeit, um die Eindrücke eines Tages zu verarbeiten. 

Ich wünsche Euch, dass Ihr diese Zeit findet, damit Ihr euren Job auch noch lange lieben könnt :-)

Freitag, 20. September 2024

Ich kann Dich glatt durchschauen!


Heute ist der zehnte positive Testtag, allerdings mit einer kleinen Variation: Der Teststrich ist nur noch ganz dünn zu sehen. Ob das damit zusammenhängt, dass das Virus mich langsam in Ruhe lässt? Ich würde es mir ja wünschen, aus mehr Gründen als nur den Schluckbeschwerden.

Montag geht es endlich zurück in die Schule, und nachdem ich fast zwei Wochen ausgefallen bin, habe ich etwas Angst, dass ich mich wieder wie ein Fremder fühlen werde, und ich habe ein richtig schlechtes Gewissen meiner Zweitbesetzung gegenüber. Und dann kommen wir möglicherweise gerade wieder in den Schulrhythmus, und dann sind auch schon Herbstferien. Den ersten Leistungsnachweis sollte man gern vorher abgehakt haben - dann werde ich mich mal darauf berufen, dass alles mit einer Bearbeitungszeit von einundzwanzig Minuten oder länger als Klassenarbeit gilt. Ich hoffe mal, dass wir genug Stoff dafür zusammenbekommen.

Das ändert nichts daran, dass ich mich heute noch ziemlich krank fühle, die Nase läuft ununterbrochen, und nach einer Stunde bin ich schon wieder reif für's Bett.

In jedem Fall wünsche ich Euch, die Ihr auch gerade von Corona betroffen seid, eine schnelle Genesung oder zumindest einen milden Krankheitsverlauf!

Sonntag, 15. September 2024

Immer das Positive sehen

Das werden wir so schnell nicht wieder los...

Ich weiß noch, wie darüber gewitzt wurde, auf dem Kennenlerntreffen, wie die neuen Lehrkräfte sich im Bazillenherd Schule direkt eine Krankheit einfangen würden, und dass deswegen der Vertretungsplan großen Schwankungen unterliegen kann.

Dass ich selbst Corona bekommen würde, damit hatte nich nicht gerechet. Die ersten zwei Tage dachte ich nur, es sei Fieber, aber meine Hauarztpraxis hat mir empfohlen, sicherheitshalber einen oder zwei Schnelltests zu machen, und siehe da: Positiver Teststreifen auf mittlerweile sechs Tests, flachgelegt bis Mitte nächster Woche, und dann kann ich mich hoffentlich freitesten.

Interessantes Ding mit den Symptomen: Das Fieber war schnell wieder weg, aber die Halsschmerzen sind enorm und ich muss morgens erstmal eine Kanne Tee trinken, bevor ich irgendwas Festes schlucken kann, ohne dass es mir im Hals steckenbleibt. Ansonsten Kopfschmerzen, Schwäche in den Armen, und die meiste Zeit liege ich auf der Couch und warte auf Besserung.

Toi toi toi, dass es niemanden von Euch erwischt!

Samstag, 7. September 2024

Die erste Schulwoche


Meine Waschmaschine kommt kaum hinterher - wobei das Hauptproblem darin liegt, dass die Wäsche nicht schnell genug trocknet, um die nächste Ladung aufzuhängen. So ist es eben, wenn unter der Woche die Sachen liegen bleiben. Und das wiederum passiert, gerade bei sensiblen Menschen, wenn sie an einer turbulenten Perspektivschule arbeiten, und das auch noch in Vollzeit.

Aber so voll der Stundenplan auch sein mag, so erfüllend ist die Arbeit mit Schülerinnen und Schülern in schwierigen Situationen. Es ist physisch auslaugend, nach jedem sechsstündigen Schultag falle ich zuhause um und brauche Regeneration und Meditation - es fühlt sich an wie damals in St.Peter-Ording. Wenn man sich dann zwischendurch auch noch den Fuß verknackst und in kleinen Schrittchen über den Schulhof humpelt, dann ist das doppelt anstrengend - aber alles auf dem Weg der Besserung.

Nun ist es also wieder soweit, das gegenseitige Beschnuppern mit dem neuen Kollegium und der neuen SchülerInnenschaft. Jede neue Lehrkraft bekommt einen Partner an die Seite gestellt, wie ein Mentor, das ist eine nette Idee - und weil wir als Perspektivschule gefördert werden, sind in den I-Klassen (bei uns 75% der Jahrgänge) fast alle Stunden im Plan doppelt und einige sogar dreifach besetzt. Das entlastet mich als Lehrkraft ungemein, dazu kommt der I-Klassenteiler von zwanzig und ich habe eine Mannschaft an Kiddies da, die ich bändigen kann. Ich wünschte, ich könnte immer so arbeiten.

Ich kann gar nicht verstehen, dass es Schulen gibt, die keine Perspektivschule sein wollen, denn "das schade ja dem Image der Schule"...

Aber natürlich steht dann an jedem Wochenende der Blick in's Internet an - gibt es irgendwo eine neue passende Planstelle? Das Dilemma, wenn man nicht das Richtige studiert hat. 

Schon der erste Tag in der neuen Atmosphäre hat gut getan:

Montag

Jetzt ist es wieder so weit, nach dreizehn Monaten Regungslosigkeit. Mit einem aufgestockten Stundenplan in der Hand, war es heute Zeit für eine Art Einstimmungstreffen der neuen Lehrkräfte und Schulleitung. 

Ich muss zugeben, ich hatte etwas Angst im Gepäck, als ich morgens im Bus zur Schule gesessen habe. Nagende Zweifel, würde ich nach so langer Pause wieder in die Arbeit reinkommen, kann ich gleich mit so vielen neuen KollegInnen und Räumen und SchülerInnen starten?

Am Ende des Treffens habe ich mich dort richtig wohl gefühlt, willkommen und gut aufgehoben. Auf dem Weg zur Bushaltestelle bin ich dann noch mit drei Schülern in's Gespräch gekommen, Mittelstufe, sehr sympathisch, die auch recht zügig zur Frage gekommen sind, ob ich Frauen oder Männer mag. "Beides", habe ich ihnen dann erklärt, weil ich mich nicht unnötig festlegen will, und damit war das geklärt. 

Die Jungs haben mich dann noch darüber aufgeklärt, was es mit der Modemarke Balenciaga auf sich hat, weil sie dachten, meine Schuhe (New Rock Boots) seien vielleicht von denen. Und einer von ihnen hatte ein Oberteil von Dior. Kleine Nachwuchs-Talahons ;-)

Und so bin ich hier kaputt zwischen Wäschestapeln und Post und arbeite alles Liegengebliebene nach und nach ab, und vielleicht kann ich mich morgen endlich von meinem Bart trennen. Der ist entstanden, weil ich zum Rasieren zu schlecht sehen konnte. Die Entzündung der Augen geht immer weiter zurück und ich kann wieder besser sehen, man könnte fast sagen, es geht in jeder Hinsicht gut voran.

Ich hoffe, dass Eure erste Schulwoche mehr war als nur "zurück in den alten Trott". Ich wünsche Euch, dass Ihr von Euren Kiddies genau so viel zurückbekommt, wie Ihr investiert, und auch wenn es manchmal wie ein Kampf gegen Windmühlen wirkt und man sich fühlt, als käme man kaum voran: Die Kleinen wissen diese Anstrengungen zu schätzen, wenn man erstmal einen Zugang zu ihnen gefunden hat.

Habt viel Spaß, und es ist nicht mehr lang bis zu den Herbstferien ;-)

Dienstag, 20. August 2024

Bei'm Augenarzt


 Vorweg: Dieser Beitrag wird Fehler enthalten, weil ich ihn nicht korrekturllesen kann. Dennoch poste ich ihn, das sorgt für etwas Authentizität.

Angefangen hat es vor sechs Wochen, dass mein Sichtfeld etwas eingeschränkt wurded: Ihr kennt diese Schwebeteilchen, die mouches volantes, die fast immer und überall zu sehen sind und nur selten irritieren. Die Zahl dieser Teilchen hat sich bei mir allerdings erhöht unbd es sind schwarze Partikel dazugekommen, die das Blickfeld stören.

Der Autist geht natürlich nicht sofort zum Augenarzt, denn soo schlimm ist es ja im Moment nicht, und der nächste Termin bei'm Gastroenterologen und ?Psychiater ist wichtiger. Seit zwei Wochen wird mein Sichtfeld allerdings immer weiter beeinflusst, mehr Partikel, unscharfes Sehen, Lichtblitze, und ausgerechnet dann sehe ich im TV einen Bericht zu Netzhautablösungen - die dort erwähnten Symptome stimmen mit meinen überein, und es wird erwähnt, dass das ein Notfall ist und man so schnell wie möglich zu einem Augenarzt gehen sollte, um das zu klären.

Flashforward heute, der Erreichbarkeit wegen bin ich in die Praxis an der Gablenzbrücke gegangen. Drei Stunden, aber nicht reine Wartezeit. Messung der Sehstärke, des Innendrucks, ich höre Zahlen und Namen, die mir nichts sagen, mehrfach bekomme ich Tropfen, die die Pupillen erweitern sollen. An einer Stelle klinkt sich mein Gehirn direkt wieder ein: - Iritis, eine Entzü+ndung der Regenbogenhaut, aber das ist nur der Anfang an Fachbegriffen, die fallen. 

Im Laufe der Stunden kristallisiert sich heraus, dass es sich um unter anderem um einen entzündlichen Prozess handelt. Plan sind diversen Augentropfen und -salbe, morgen geht es als Notfall in die Augenklinik des UKSH, um eine zweite Meinung einzuholen. Als Notfall, damit die Leute dort wissen, dass hier tatsächlich etwas untersucht werden muss.

Es geht mir psychisch deutlich besser, weil Einiges an Wissen hinzugekommen ist. Jetzt hoffen wir erstmal, dass die medikamentöse Therapie anschlägt, damit ich mit wieder verbessertem Sehvermögen die Formulare für das Bürdergeld und meinen Arbeitsvertrag ausfüllen kann.

Ich halte Euch auf dem Laufenden!

Mittwoch, 7. August 2024

Bin ich noch versichert?


Morgen könnte es interessant werden, aber die Wahrscheinlickeit ist außerordentlich niedrig. Ich habe ein Schreiben aus dem Jobcenter bekommen, dass morgen vormittag eine Dame anruft, und sie hat alles genau markiert, was wie wo drankommt, dass es ein 45-minütiges Gespräch wird und ich nichts weiter vorbereiten muss als meine Kunden- und Sozialversicherungsnummer.

Das beruhigt einen Autisten ungemein! Ich habe zwar immer noch Angst vor einem Telefonat mit einer unbekannten Person, bei der ich nicht genau weiß, was ich sagen soll, aber ich nehme heute Abend eine Tablette vom Psychiater, die verhindert das Zerdenken bei'm Einschlafen und lässt mich da morgen ganz entspannt herangehen.

Eigentlich brennt mir auch nur eine Frage unter den Fingernägeln: Kann ich jetzt ganz spontan zu einem Augenarzt gehen wegen meiner beginnenden Hornhautablösung? Bin ich versichert? Ich lasse mir das von ihr vorwärts und rückwärts erklären, ich bin geistig behindert, ich kann das nicht.

Ich muss zugeben, viel war heute nicht mit Nachdenken und gedanklich vorbereiten in einer 30°C heißen Wohnung, da ging es nur um's Überleben, Trinken, und im Ventilator sitzen. Mal schauen, was der Wetterbericht sagt, und das Telefon; vielleicht kann ich ja direkt nach dem Anruf eine Arztsache anleiern, das wäre immerhin ein Teilerfolg! ;-)

Und jetzt gleich auf der Couch in die Breite rollen...

Dienstag, 6. August 2024

Sojamilchkaffee


Ich weiß noch sehr gut, wie ich mich über Menschen amüsiert hatte, die statt normaler Milch lieber Hafermilch oder Ähnliches in den Kaffee haben wollten. "Hauptsache vegan", dachte ich immer, und ich kann bis heute nicht nachvollziehen, warum man unbedingt vegan würde leben wollen.

Immerhin bin ich freiwillig einen Schritt weiter gekommen und habe gemerkt, dass es ein paar vegane Produkte gibt, die sehr lecker schmecken. Den zweiten Schritt bin ich dann gezwungenermaßen gegangen - ich vertrage nicht mehr so viele Lebensmittel, Laktose (und Laktase leider auch nicht), stark gewürzte Speisen, meine Zunge ist zu einem Geigerzähler geworden, der sofort brennt, wenn irgendwas zu geschmacksintensiv ist.

Und trotzdem möchte ich gern etwas Erfrischendes zwischendurch trinken, was mal nicht Leitungswasser ist, und bei einer Großzahl aller Smoothies ist mir der Säureanteil zu hoch. Dann kam ein Angebot im Supermarkt dazwischen, und nun darf ich zugeben, dass ich Haferdrink Vanille und Sojadrink Vanille liebe, und dass die pure Hafermilch eiskalt erfrischend ist. Es gibt zwar immer noch Sorten, in denen durch die Getreidefermentation Zucker enthalten ist, aber das ist so wenig, dass mein Körper darauf nicht negativ reagiert. Die Vanilledrinks enthalten weniger Zucker als herkömmliche Vanillemilch und schmecken sehr cremig - paradiesisch. Und abends ein Stück eisgekühlte Melone.

Es zeigt sich mal wieder: Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann.

Mittwoch, 31. Juli 2024

Mein Arbeitsvertrag ist da!


Endlich mal ein ordentliches Erfolgserlebnis, ein dicker Briefumschlag ist angekommen mit vier Vertragsausfertigungen und den Vordrucken für Sozialversicherung bla bla, Ihr kennt das vielleicht. 

Das ist gefühlt eine große Sache, denn seit dem Desaster Anfang des Jahres haben meine Mutter und ich bis zuletzt befürchtet, man würde mich wieder nicht für die Stelle zulassen.

Jetzt kann ich alles ausfüllen, zurücksenden, und damit habe ich endlich wieder einen Fuß in der Tür.

Glücklich!

Donnerstag, 25. Juli 2024

Wie Joe Biden im Arbeitsamt

Gefühlt wie ein Gespenst

Heute war mein vorerst letzter Termin im Arbeitsamt. Quasi ein organisatorisches Gespräch, bevor ich in ein paar Tagen an's Jobcenter übergeben werde. Mein Sachbearbeiter will heute Abend die Korken knallen lassen, dass ich doch noch eine Vertretung gefunden habe, auch mit verzögertem Start und trotz sehr kurzer Befristung. Das hat mir geholfen, wieder etwas mehr das Positive darin zu sehen, wenn ich alles wieder ein wenig zu schwarz male.

Vielleicht hilft mir das auch morgen, wenn ich nach gefühlten Ewigkeiten meinen Psychiater wiedersehe. Ich merke, dass eine Pause von mehr als einem Monat doch belastend sein kann, denn mit ihm kann ich anders reden als mit anderen Menschen, und das ist immer mal wieder nötig.

Ich hatte mich allerdings auch auf den Termin heute gefreut, bin viel zu früh aufgestanden, um auf jeden Fall wach zu sein, wenn es losgeht, und war auch wieder zwanzig Minuten zu früh da. Zum Glück kann man dort auf unbequemen Bänken sitzen und auf einen See schauen.

Das Gespräch war dann auch einigermaßen schnell rum, und ich bin einigermaßen schnell aufgestanden, um zu gehen. Einigermaßen zu schnell. Ich hatte gerade einen schönen Satz zur Verabschiedung angefangen, da merke ich, wie mir das Blut aus dem Kopf nach unten sackt, halte mich am Türrahmen fest, rede langsamer, bleibe irgendwann komplett stumm, bis er fragt, ob mit mir alles in Ordnung ist. Das dauert zum Glück nur einige Sekunden, bis ich ihm von meinem niedrigen Blutdruck erzählen kann.

Auf dem Weg nach Hause musste ich immer wieder an die Szenen aus Joe Bidens Debatte erinnern, in der er ganz genauso mitten im Satz den Faden verloren hat, gestottert hat und schließlich ruhig war. Vielleicht sollte ich mich auch aus dem Wahlkampf zurückziehen ^^

Freitag, 19. Juli 2024

Im Jobcenter (Saure Pommes)


Heute war es dann also so weit, der Antrag auf das Bürgergeld, und angesichts der derzeitigen Berichterstattung habe ich mich fast wie ein Verbrecher gefühlt (es geht ja momentan um Verschärfungen und neue Sanktionen für Bürgergeldempfänger, die keine Jobs antreten). Der Wecker klingelt früh, und diesmal nicht unter Wasser.

Die Sachen stehen bereit, aber ich denke mir, ich rufe sicherheitshalber vorher einmal kurz dort an, nicht, dass ich gleich vor verschlossenen Türen stehe. War eine gute Idee: Am Telefon erfahre ich, dass seit Corona keine Termine mehr vergeben werden, um gemeinsam den Bürgergeldantrag zu erarbeiten. Der Gang wäre komplett umsonst gewesen. 

Immerhin haben wir am Telefon sichergestellt, dass mein Arbeitsamt-Konto voll funktionsfähig ist, damit kann ich über jobcenter.digital den Antrag online stellen. Außerdem wird die Antragstellung bereits am Telefon aufgenommen, jetzt muss ich mich nur noch durchklicken, und wenn zwischendurch Fragen aufkommen zu Punkt Drei oder Fünf Punkt Vier, dann kann ich einfach wieder anrufen und nachfragen.

Das macht mir Mut, denn der Antrag auf das ALG war online echt einfach - und wie sich herausstellt, ist es auch der Antrag auf das Bürgergeld. Ich bin leider erst zur Hälfte durch, denn ich musste dreiundvierzig Seiten Kontoauszüge einscannen, alle Arbeitsverträge der letzten fünf Jahre, Mietvertrag, Nebenkostenabrechnungen - und die nächsten vier Punkte kommen erst noch. Ist also tatsächlich so: Das Nervigste am Antrag sind die vielen Belege, die eingereicht werden müssen. Zum Glück habe ich noch saure Pommes da, die ein Lächeln auf das Gesicht zaubern können.

Der Rest muss jetzt allerdings noch bis Sonntagabend warten, weil auf den Internetseiten bis dahin Wartungsarbeiten stattfinden. Aber der Anfang ist geschafft, und ich musste noch nicht einmal vor die Tür gehen, sondern konnte in der Wohnung backen.

Darauf ein Stück eisgekühlte Wassermelone!

Donnerstag, 18. Juli 2024

Verschlafen und unter Wasser

Müde?

So, heute war es dann nach einer Verzögerung so weit: Wecker auf sieben Uhr gestellt, Zeit für das Jobcenter bei Rewe ganz in der Nähe, der Rucksack schon sorgfältig vorbereitet mit... naja, eigentlich nur meinem Klemmbrett zum Schreiben und dem letzten Schreiben aus dem Arbeitsamt, auf dem meine Kundennummer, Ansprechpartner und so weiter stehen, für den Fall, dass das alles relevant sein sollte. Ich weiß ja nicht, wie verzahnt Arbeitsamt und Jobcenter sind.

Und dann wird es Zeit zum Aufstehen. Um elf Uhr vierundzwanzig. Und das Amt hat nur bis mittags geöffnet. Ich hyperventiliere, wo ist mein Wecker, fuchtele mit meinem Arm neben meinem Kopf herum und einen Moment später werfe ich einen Eimer um und setze meinen Boden unter Wasser.

Kurzer Rückblick: Letzte Woche hatte ich hin und wieder mit Übelkeit zu kämpfen. Falsch gegessen - und vielleicht kennt der eine oder die andere von Euch das: Wenn ich weiß, dass mir übel werden könnte, dann habe ich immer einen Eimer mit etwas Wasser und ein Handtuch in meiner Reichweite, das erleichtert ungemein. Übelkeit ist da seit Anfang der Woche nicht mehr - aber der Eimer ist noch da, denn ich lasse Dinge oft stehen, seitdem ich mein Leben nicht mehr in den Griff bekomme. Also stand der Eimer noch immer am Kopfende meines Bettes - und mein Wecker nahe der Bettkante.

Ich kann mich nicht erinnern, aber reime es mir so zusammen, dass ich in der Nacht irgendwie den Wecker vom Bett geschoben habe. Jedenfalls lag der heute - definitiv kaputt - im Eimer, nachdem das Wasser ausgelaufen war. Fein, ein neuer Versuch morgen, ich habe ja zum Glück noch zwei Wecker. Und normalerweise, gelernt von meiner Mutter, stelle ich mir auch immer mindestens zwei Wecker, falls einer nicht funktioniert.

Vielleicht lehrt mich die Geschichte ja, das in Zukunft wieder zu tun, und Sachen wegzuräumen, wenn ich sie nicht mehr brauche. Die Flut ließ sich zum Glück schnell mit Handtüchern beseitigen, auch wenn ich - Zufall - unten im Haus dann mit einer weiteren Flut aus den Wasserleitungen im Flur begrüßt wurde. Darum wird sich der Vonovia-Notdienst kümmern, wenn er denn kommt. 

Hope springs eternal...

Samstag, 13. Juli 2024

Frischerabatt

Das Blickfeld erweitern...

vorweg: Der letzte Beitrag über die Unart des Ministeriums, Lehrkräfte wieder nur ab dem ersten Schultag einzustellen, hat doppelt so viele Klicks bekommen wie üblich. Scheint ein echtes Aufregerthema zu sein, und ich habe dazu auch noch einen weiteren Beitrag in Arbeit, mit einer Nachricht aus dem Ministerium mit dem Tenor "Es tut mir sehr leid, aber es ist eben so." - kommt noch.

Es geht um... Empathie? Darum, an Andere zu denken? Nicht nur bei sich selbst zu sein? Globales Bewusstsein? Schauen wir mal; es beginnt jedenfalls wieder ganz alltäglich.

Heute soll es Pizza geben, also brauche ich wieder etwas mageres Hackfleisch. Der Blick bei Rewe in die Kühltheke zeigt mir ein paar abgepackte Portionen mit einem großen Aufkleber Frischerabatt - 30% günstiger wegen MHD. Kennen wir - Sachen werden günstiger rausgehauen, weil sie sonst schlecht würden, und gerade bei Frischwaren wie Hackfleisch ist das wichtig - das muss heute verarbeitet werden.

Wenn ich zwischen den Päckchen solche Aufkleber finde, greife ich immer direkt danach, cool, ein Drittel günstiger, das ist doch klasse. Es ist mit ein bisschen Aufwand verbunden: Ich gehe mittlerweile - wenn verfügbar - nur noch an die SB-Kassen (meine anfängliche Unsicherheit - manifestiert in den Schnellkasse-Geschichten - ist mittlerweile komplett verflogen), da kann ich in meinem eigenen Tempo scannen und einpacken und fühle mich nicht durch andere Menschen gestresst.

Es ist gar nicht so einfach, dort diesen Rabatt zu bekommen - man muss den neu aufgeklebten Barcode verwenden, dabei gleichzeitig alle anderen normalen Barcodes auf der Verpackung abdecken, sonst wird der normale Preis berechnet. Das ist manchmal gar nicht so einfach, und so scanne ich mit beiden Händen ganz vorsichtig den Aufkleber. Angezeigt wird mir auf der Kasse der normale Preis - what the? Erst auf dem ausgedruckten Bon am Ende wird mir angezeigt, dass die dreißig Prozent tatsächlich abgezogen wurden.

Auf dem Heimweg komme ich in's Nachdenken. Freue ich mich eigentlich nur über das Schnäppchen? Oder warum greife ich immer zu den MHD-Produkten, wenn verfügbar? Und dann wird mir bewusst, was eigentlich passieren würde, wenn weder ich noch jemand Anderes das Hackfleisch kauft - es wird weggeworfen. Das ruft mir wieder in's Bewusstsein, dass wir in einer Wohlstandsgesellschaft leben, in der wir es uns leisten können, Essen wegzuwerfen, manchmal mit einer erstaunlichen nonchalance.

Vor ein paar Tagen habe ich den Film Captain Phillips gesehen. Tom Hanks spielt in dem biopic den (realen) Kapitän, dessen Schiff 2009 von somalischen Piraten entführt wurde. Der Film beginnt mit Darstellungen der Somalis, die unterhalb der Armutsgrenze leben, abgemagert, mit zerschlissener Kleidung, die sich darum reißen, für den Unterhalt ihrer Familie ein Verbrechen zu begehen, im Namen von Clanchefs. 

Grausige Realität. Und wir werfen Hackfleisch weg.

post scriptum: "Captain Phillips" ist (noch) auf Netflix verfügbar, sehr spannend.

Dienstag, 9. Juli 2024

Zweifelhaft


Ich habe fast zwei Stunden damit verbracht, zu weinen. Nun kann ich das Ganze zu Papier bringen.

Es ist mir eiskalt den Rücken runtergelaufen, als ich die Schulleitung mit einigen Zetteln in der Hand sitzen gesehen habe, und als da der Satz kam "Wir haben so ein paar Fragen für alle Bewerber vorbeitet..." hätte ich fast direkt aufgegeben. Allerdings weiß ich bis jetzt nicht, was das für Fragen waren, denn er hat die Zettel für sich behalten, sämtliche Antworten haben sich organisch aus einem angenehmen, motivierenden Gespräch über Schule, Perspektiven und mehr ergeben.

Auch war das hier keine Erschießungsrunde, sondern die Schulleitung und die Schwerbehindertenvertretung, die sich während des Gesprächs intensiv für meine Rechte eingesetzt hat - das hatte ich so noch nicht erlebt. Ich bin nach diesem (leicht überzogenen) Gespräch aus der Schule in die Sonne getreten und hatte eine kleine Träne der Erleichterung in den Augen.

Zwei Stunden später kam der Anruf, und seitdem muss ich mir Mühe geben, meine Hände still zu halten und die Tränen laufen ununterbrochen.

Das Gute: Ich habe die Stelle.

Das Entsetzliche: Das Ministerium kehrt zur Regelung zurück, dass angestellte Lehrkräfte nur noch für Arbeitstage bezahlt werden. Mein Vertrag wird also nicht ab Schuljahresbeginn - 01.08. - laufen, sondern erst ab dem 01.09.; die Information hat mir komplett den Boden unter den Füßen weggezogen, weil ich davor so erleichtert war, dass ich kein Bürgergeld beantragen muss.

Das ist jetzt Essig. Für einen Monat und zwei Tage muss ich mich durch das Bürokratiergehege kämpfen, muss meine Eltern um noch mehr Unterstützung anhauen, und natürlich wird der August auch nicht auf den Anspruch für ein zukünftiges Arbeitslosengeld I angerechnet.

Für mich ist heute nichts mehr angesagt. Wie kann es sein, dass dieses schiefe Schulsystem dafür sorgt, dass ich Heulkrämpfe bekomme, als ich erfahre, dass ich eine Stelle bekommen habe?

Ein zweifelhafter Erfolg. In was für einer Welt leben wir???

post scriptum: Darf gern geteilt werden. Das sollten alle jungen Lehrkräfte wissen, die sich nicht sicher sind, ob sie nach Hamburg ziehen sollten.

Montag, 8. Juli 2024

Die gute alte Aufregung


Morgen geht es zum Auswahlgespräch, und da ist sie wieder - die gute alte Aufregung am Abend davor. Die ganzen Unsicherheiten schwirren wieder durch den Kopf, ist das eine authentische Situation, was soll ich anziehen, welche Leute werden da sitzen, wird das ein richtiges Gespräch... all' das weiß ich nicht, und das sorgt für Unruhe (und zum Glück gibt es Mittel für genau diese Situation).

Ein paar Faktoren, die mir Mut machen: Die Stelle ist auf gut vier Monate befristet, es scheint sich um eine "ernsthafte" Suche nach einer Vertretung zu handeln, auch die Kommunikation mit der Schulleitung klang so. Auch könnte ich mir vorstellen, dass es weniger MitbewerberInnen gibt, weil es eine Gemeinschaftsschule ohne Oberstufe ist; ich habe den Eindruck, dass Gymnasien für viele junge Lehrkräfte als Prestigeobjekt gelten. "Einfacheres Unterrichten", das haben mir auch schon mehrere KollegInnen gesagt. Kommt eben darauf an, was man sucht: Letzter Faktor - die Schule ist Perspektivschule, Arbeit im Brennpunkt, genau das, was ich suche, und diesen Einsatz kann ich hoffentlich im Auswahlgespräch gut rüberbringen.

Ich hoffe, dass es diesmal klappt. Ich halte Euch auf dem Laufenden!

post scriptum: Liebe Eltern, ich melde mich, sobald es Neuigkeiten gibt.

Freitag, 5. Juli 2024

Land unter - nicht mehr!


Der Titel kann sich zum einen auf das Kieler Wetter heute beziehen, teilweise hat es geschüttet wie aus Kübeln. Und ich war ja so klug, meinen Regenschirm mal wieder irgendwo vergessen zu haben. Ich könnte mir einfach einen günstigen Schirm bei Rewe besorgen, aber nein, es muss ja der richtige sein, also mache ich das nicht. Nach mehreren Regentagen habe ich es dann doch endlich gemacht; mal schauen, wie lange es dauert, bis ich auch diesen Schirm irgendwo liegen lassen werde.

Land unter hat aber auch noch eine zweite Bedeutung.

Der Waschbeckenabfluss in der Küche ist verstopft. So weit, so gewöhnlich, und ich kippe etwas Drano hinein und lasse das Ganze über Nacht einwirken - auch wenn mir noch die Worte der Sannitanic in den Ohren klingen, die Umwelt zu schonen und einfach mal den Siphon zu reinigen. Alles, was Rohre auseinandernehmen einschließt, ist für mich ein rotes Tuch, denn ich sehe sofort meine Wohnung überschwemmt und die der Nachbarn unter mir gleich mit. Das kann ich nicht. 

Am Morgen ist die Lage unverändert und ich werde etwas unsicher. Auch Pumpen hilft nicht wirklich, denn dadurch wird das Dreckwasser über die Geschirrablage gespült. Ach ja, ich wollte ja die Spülmaschine einschalten. Wird gemacht. Dann nachdenken - Säure hilft nicht, Pumpe hilft nicht, vielleicht sollte ich mich dann doch einmal an den Siphon machen? Ich öffne den Unterschrank, um mir das Teil einmal anzuschauen. Dann der Schreck: Auch das Abwasser der Spülmaschine läuft über diese Leitung ab. Und weil es nicht ablaufen kann, steigt der Wasserpegel im Waschbecken am Ende jedes Spülgangs an.

Maschine auf Pause schalten. Wasser aus dem Becken abschöpfen und im Klo runterkippen. Und dann mal bei Youtube schauen, ob ich da jemanden finde, der zeigt, wie der Siphon abgebaut wird. Und ich werde tatsächlich fündig. Long story short: Der Abfluss ist wieder komplett frei. 

Das hätte ich auch wesentlich schneller haben können - aber dieser Autist denkt ja wieder, dass er alles allein schaffen muss.

Montag, 1. Juli 2024

Wieder an die Berufsschule?


Okay, Vertretungsanfragen kommen definitiv nicht nur freitags an. Wir nähern uns den Sommerferien, erfahrungsgemäß erhöht sich in dieser Phase die Dichte der Anfragen. 

Ich finde es immer wieder faszinierend, wenn eine Schule anfragt, die mir bei der letzten Bewerbung deutlich gemacht hat, dass ich nicht für diese Schule geeignet bin. Faszinierend nicht, weil ich mich frage, warum die Schule dann überhaupt ein zweites Mal anfragt; ich weiß langsam, wie das System funktioniert. Was mich fasziniert, sind die vielen Antwortmöglichkeiten, die mir dann durch den Kopf schießen. Meistens bleibt das aber zum Glück in der Phantasie, denn einige Varianten sind doch arg bissig.

Nun fragt also ein Kieler RBZ an. Vertretung für immerhin ein ganzes Jahr. Damals haben sie mich abgelehnt, weil ich kein passender Kandidat für sie sei. Und wie Recht sie damit hatten - auch wenn ich das damals noch nicht so wahrhaben wollte. Aber dann bekam ich damals tatsächlich eine Vertretungsstelle an einer Berufsschule. Ein Jahr lang eine ganz neue Erfahrung, und bis auf den Großteil des Unterrichts war es keine schöne Erfahrung. Ich trage eben nicht Anzug und Krawatte. Und wenn ich dann über mir einen autoritären Abteilungsleiter hätte, der von einem Autisten definitiv nicht auf seine Fehler hingewiesen werden möchte, dann wäre die Zeit eine echte Folter.

Ich fand es spannend, junge Erwachsene vor mir zu haben. Ich fand es auch interessant, Wirtschaftsenglisch zu unterrichten. Und eine eigene Abiturklausur entwerfen zu dürfen, die dann ordentlich durchgeführt wurde, das war richtig spannend.

Eine neue Erfahrung. Ein Erlebnis, das ich mir nicht durch allzu schnelle Wiederholung verderben möchte.

Freitag, 28. Juni 2024

Immer wieder freitags...


Zu Beginn möchte ich etwas Mitgefühl spenden an alle Menschen auf dem Spektrum und alle Hochsensiblen. Ihr wisst, wie es ist, wenn die Stimmung durch eine kleine Nachricht komplett in das Gegenteil verkehrt werden kann. Wie man sich ohnmächtig fühlt. Wie viel Zeit es braucht, so etwas zu verarbeiten. Ihr seid damit nicht allein!

Heute gab es eine Nachricht, die ein Stimmungshoch verursacht hat, und ich konnte nichts tun, um das zu verhindern. Das mag paradox klingen, wird aber vielleicht im Folgenden klar.

Wenn ich mich recht entsinne, kamen spontane Vertretungsanfragen von Schulen fast immer an einem Freitag an, mit Bitte um Rückmeldung bis zum Beginn der nächsten Woche. Und so hat auch heute wieder eine Schule angefragt - Grund- und Gemeinschaftsschule braucht für ein knappes halbes Jahr jemanden, der Englisch in der Sek I mit einundzwanzig Stunden unterrichtet, sowohl eigenverantwortlich als auch als Diff-Lehrkraft.

Und meine Stimmung ist in die Höhe geschossen. Das klingt wie für mich gemacht! Und auch wenn es nur bis in den Dezember befristet ist - es wäre Arbeit, und das an der "richtigen" Schulform. Natürlich habe ich Interesse signalisiert und hoffe auf eine Einladung zum Gespräch - und dann kam wieder der Dorn im Schuh. Die Erinnerung an mein letztes Erlebnis. Was, wenn es wieder nur pro forma ist? Und ich wünschte, ich würde mich nicht so sehr über das Angebot freuen, denn dann wäre der Sturz nicht so tief, wenn es nichts wird (auch wenn das Angebot diesmal etwas authentischer klingt).

Aber so isses nunmal. Ich bin gerade sehr aufgeregt. Bitte Daumen drücken!

Dienstag, 25. Juni 2024

Mit dem Ziel der Vergleichbarkeit?!


Dieses Lied ist schon oft gesungen worden. Weil es mich aber wieder ein paar Tage gedanklich blockiert hat, schreibe ich jetzt darüber, um mit der Sache abzuschließen.

Es geht um das Auswahlgespräch vor knapp einer Woche. Mir ist bewusst (aber immer erst hinterher), dass es eines von der Sorte war, wo die Schule schon jemanden für den Vertretungsbedarf hat, aber trotzdem pro forma die Auswahlgespräche durchführen muss. Ich kenne das, weil ich oft genug in der anderen Rolle war - man wollte mich behalten, und Schulen finden dann Wege, mögliche Kandidaten abzuwimmeln. 

Was mich aber gestört hat, war die Form des Gesprächs, und ein Satz, der immer wieder gefallen ist.

"Sie haben jetzt dreißig Minuten, sich zu diesen sechs Fragen zu äußern. Das machen wir mit allen Bewerbern so, für die bessere Vergleichbarkeit."

"Darf ich auch etwas sagen, was nichts mit den Fragen zu tun hat?" - "Nein, beziehen sie sich bitte nur auf die Fragen, für die Vergleichbarkeit."

"Wir [die Auswahlrunde aus Fachvorsitzenden, Gleichstellungsbeauftragter und Schulleitung] sagen in diesem Gespräch gar nichts. So können wir die Kandidaten besser vergleichen."

In der Theorie klingt es gut, dass jeder, der sich bewirbt, den gleichen Fragenkatalog abarbeiten soll. Wenn ich aber weiß - oder besser gesagt wüsste - dass ein Bewerber Autist ist, dann muss ich die Gesprächsform etwas anpassen, zwecks Chancengleichheit. Es ist ein kleiner, aber feiner Unterschied zwischen Vergleichbarkeit und Chancengleichheit. Ein Autist kann große Probleme haben mit Fragen wie "Wie würden sie in Latein den Übergang von der Spracherwerbsphase in die Lektürephase Schüler ansprechend gestalten?"

Das kann ich nicht beantworten. Dazu muss ich wissen, wer meine SchülerInnen sind, wie sie aussehen, was sie für Interessen haben. Mein Theory of Mind-Defizit sorgt dafür, dass ich diese Frage nicht beantworten kann. Wenn dann fünf von sechs Fragen so gestellt sind, hat der Autist keine Chance.

Das ist wie in der Geschichte Das Springseil. Die Geschichte ist vollkommen absurd, ganz klar - aber leider authentisch. In der Story soll eine Sportklasse eine Springseilprüfung ablegen, und für die Vergleichbarkeit bekommt jeder die gleiche Aufgabe und das gleiche Springseil. Blöd nur, dass eine Schülerin nur einen Arm hat und die geforderten Aufgaben nicht erfüllen kann.

Noch einmal: Gute Vergleichbarkeit und Chancengleichheit sind zwei verschiedene Dinge. Ich wünschte, mehr Schulen würden sich die Mühe machen, das umzusetzen.

post scriptum: Lily, ich antworte Dir! Brauchte nur etwas Zeit wegen der Blockade.

Donnerstag, 20. Juni 2024

Ein fremder Ort


Ein Auswahlgespräch, das eigentlich kein Gespräch war. Für einen Autisten sehr verwirrend, aber zu diesem Zeitpunkt weiß ich noch nicht, was mich erwartet und steige in die Buslinie Einundsechzig - wie praktisch, ohne Umsteigen komme ich von mir direkt zu der neuen Schule, an der ich im kommenden Jahr hoffentlich eine Vertretungsstelle haben werde.

Die Haare sind nicht gefärbt, die Fingernägel nicht lackiert. Ich möchte nicht schon wieder, dass der erste visuelle Eindruck meine Chancen vernichtet, und es dauert Wochen und Monate, um diesen Eindruck aus den Köpfen der Menschen zu bekommen. Weil Menschen nun mal so sind. Um die Zeit zu vertreiben, löse ich Rätsel und schaue auf meine Checkliste, ob mir noch irgendwelche Fragen einfallen, die ich im Gespräch stellen möchte, aber seien wir mal ehrlich, es geht um eine Vertretungsstelle im Umfang von dreizehn Stunden, ein Jahr und dann sehe ich die Schule nicht wieder. Was bleiben da wohl für Fragen? Ich nehme den Kuli zur Hand und notiere mir, ob ich vielleicht auch ein paar Stunden mehr machen kann, und ob mir jemand für die DaZ-Stunden eine kleine Einführung geben kann.

Wie anders ich das doch vor zehn Jahren gemacht hätte - da hätte ich zu diesem Zeitpunkt bereits die gesamte Schulhomepage inhaliert und viele kleine interessierte Nachfragen zum Schulprofil gestellt, hätte bewusst nicht angemerkt, dass kein Kollegiumsfoto verfügbar ist, hätte mir Punkte aus dem Schulprogramm zur Nachfrage herausgesucht... so hat man uns das für die Bewerbung auf Planstellen beigebracht. Fast zwei Hände voll Vertretungsstellen an unterschiedlichen Schulen haben die Realität auftreten lassen; die Schule sucht jemanden, hier ist jemand, der das machen würde, bringen wir die Formalitäten hinter uns.

Oder auch nicht.

Ich melde mich im Sekretariat an, bin dreizehn Minuten zu früh, gehe wieder in die Pausenhalle in eine Sitzecke und warte auf die Schulleitung. Sie kommt dann, begrüßt mich lächelnd und alles, was ab da passiert, katapultiert mich in eine Situation, die ich vor gut acht Jahren erlebt habe, und die der absolute Horror war, nur dass ich damals noch nicht wusste, warum, während ich es heute gut erklären kann.

Damals hat man mir auf dem Weg in's SL-Zimmer genauestens erklärt, was dort auf mich wartet, ein Tisch mit insgesamt fünf Personen, deren Funktionen, und dass man einen kleinen Fragebogen vorbereitet hat, den zum Zwecke der Vergleichbarkeit alle BewerberInnen bekommen. Ich stand also vor diesen Menschen, wollte ihnen gern die Hand schütteln, aber sie alle saßen bereits auf ihren Plätzen und niemand wollte mir die Hand geben, sondern hat einfach nur ein kurzes "Hallo" gelächelt.

Okay, ich war etwas verwirrt, denn ich war anders erzogen worden, aber nicht einmal die Schulleitung hat mir damals die Hand gegeben, und nein, das war noch weit vor dem Coronavirus. Jeder in der Runde hatte eine Tasse Kaffee, jeder hatte diesen Fragebogen vor sich liegen. Niemand hatte meinen Lebenslauf, niemand hatte meine Referenzen zur Hand. Die Schulleitung hatte es mir dann auch noch einmal sehr deutlich gesagt: "Also, Dr Hilarius, sie haben jetzt dreißig Minuten Zeit, um sich zu diesen sechs Fragen zu äußern, die wir für sie vorbereitet haben. Wir werden einfach nur zuhören. Lesen sie in Ruhe erstmal die Fragen durch und teilen sie sich dann ihre Zeit ein."

Diesmal schiebe ich allerdings noch etwas ein, was seit etwa einem Jahr zum Einsatz kommt: "Ich möchte vorher nur kurz darauf hinweisen, dass ich Autist bin und dass das Auswirkungen auf unser Gespräch haben..." - "Da müssen sie sich keine Sorgen machen, das hier wird kein Gespräch, die Zeit gehört ganz ihnen." Also wandern meine Gedanken direkt zurück zu den Fragen und zu dem Horror von damals.

Die Frage, bei der ich mich selbst kurz vorstellen soll, stellt kein großes Problem dar. Und welche Erfahrungen und Fähigkeiten ich für diese Stelle mitbringe? Ähm... ich habe schon immer Probleme gehabt, über meine Fähigkeiten zu sprechen. Knackig wurde es allerdings erst danach:

"Beschreiben Sie, wie man in Latein den Übergang von der Lehrbuchphase (Sek I) in die Lektürephase ansprechend gestalten kann."

Damals war vor mir einfach nur ein großes schwarzes Loch im Kopf. Heute weiß ich, dass ich eine Behinderung habe, die sich auf die Fähigkeiten im Bereich Theory of Mind auswirkt - ich kann mir keine Situationen vorstellen, die in diesem Moment nicht real sind. Und heute kommt noch dazu, dass ich in den vergangenen zehn Jahren keinerlei Latein unterrichtet habe (ausgenommen sechs Monate Gelehrtenschule). Lieber weiter zur nächsten Frage.

"Beschreiben Sie, wie Sie das Fach Latein auch außerunterrichtlich für SchülerInnen ansprechend und motivierend gestalten werden."

Genau das Gleiche, wieder ein schwarzes Loch. Ich kann mir mit Mühe und Not aus den Fingern saugen, wie ich das damals im Referendariat gemacht habe, mit den Caius- oder Quintus-Büchern und Texten, die aus unserem Lebensalltag stammen. Aber für neue Ideen muss ich wissen, was da für Menschen vor mir sitzen, damit ich weiß, wie ich mit ihnen arbeiten kann. Also wieder keine gescheite Antwort. Es kommt noch besser.

"Beschreiben Sie die beiden Themenkorridore im Fach Englisch."

Bitte was? Soll das jetzt eine Abfrage werden, ob ich den Lehrplan kenne? Ich habe in zwölf Jahren achtzehn Monate Oberstufe unterrichtet, weil niemand mich wegen der Kontinuität in der Sek II haben wollte. Zum Glück konnte ich da aus den Gesprächen mit der großen Buba etwas antworten, zum Beispieln, dass die Bezeichnung "Themenkorridore" ja nicht mehr ganz aktuell sei. 

"Beschreiben Sie, wie Sie das Thema identity in Ihrem Unterricht und in den beiden Pflichtklausuren behandeln lassen würden."

Schwarzes Loch. Es wäre alles etwas anders gewesen, wenn man mir vorher gesagt hätte, welche Lerngruppen im kommenden Jahr auf mich warten, dann hätte ich mich darauf vorbereitet und jetzt einen Plan vorlegen können, aber einen Autisten aus dem Nichts zu überfallen und die Antworten auf alle Fragen zu erwarten, das hat meiner Meinung nach nichts mehr mit Vergleichbarkeit zu tun.

Und so bin ich dann dreizehn Minuten früher fertig mit dem, was ich zu den Fragen sagen kann und möchte und frage, ob ich auch etwas über die Fragen hinaus Gehendes sagen darf? Nein, das bitte nicht, sonst sei ja die Vergleichbarkeit nicht mehr gegeben.

Diese Formalitäten. Dieses Alle-über-einen-Kamm-scheren. Das habe ich viele Jahre lang nicht mehr erlebt, und es hat gesessen wie ein Schlag in die Magengrube, und das ausgerechnet von einer Schulleitung, die ich noch von ganz früher kannte und in sehr positiver Erinnerung gehalten hatte. Ich war kurz davor, loszuheulen, und im Nachhinein hätte ich vorher ein Beruhigungsmittel nehmen sollen, aber ich habe nicht damit gerechnet, dass es so ein schlimmes "Gespräch" wird, bei dem ich vor fünf schweigenden Köpfen sitze und ein Referat über meinen kommenden Unterricht aus meinen Fingern saugen sollte.

Ich denke, es ist klar, dass das nichts wird. Und das ist vielleicht auch ganz gut so. Das Gymnasium ist für mich zu einem fremden Ort geworden. Ich komme mit dieser krampfhaften Distanz, der Kälte, dieser Verschlossenheit für Andersartigkeit nicht mehr klar. Ich stehe vor einem großen Dilemma, wenn ich bedenke, dass ich eine Arbeit an einem Gymnasium finden muss, weil Gemeinschaftsschulen mich nicht mehr brauchen, aber die Gymnasien so unwirtliche Orte für mich sind.

Es gab nur einen einzigen kleinen Lichtblick, ein silver lining ganz am Ende des Gesprächs, als einer der schweigenden Köpfe mich noch gefragt hat, wie viele Stunden ich denn zu übernehmen bereit wäre. Mich hat das völlig aus der Bahn geworden, denn die Anfrage der Schule lautete auf eine halbe Stelle. Was als Antwort darauf kam, kann ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht schreiben.

Jedenfalls war das mal wieder nichts und ich darf meinen Blick wieder auf den Bürgergeldantrag wenden, nachdem ich diesen gestrigen Horrortag verarbeitet habe. 

Also heute noch nicht.

Mittwoch, 12. Juni 2024

Auswahlgespräch


Nun ist es bald vielleicht soweit. Eigentlich sollte ich jetzt über dem Antrag auf das Bürgergeld schwitzen, aber das wird verschoben, denn wie es aussieht, habe ich nächste Woche ein Auswahlgespräch auf eine kleine Vertretungsstelle - immerhin für das gesamte nächste Schuljahr (so wie ich das verstanden habe). 

Ich bin unglaublich erleichtert, denn ich stehe jetzt sechs Wochen vor dem Nichts, und wenn man so nah in den Abgrund starrt, dann starrt er irgendwann zurück und lässt nicht mehr los. Ich bin auch aufgeregt, weil ich gar nicht mehr weiß, wie das geht, so am Gymnasium. Der Nagellack muss weg, ich muss mich einigermaßen vorzeigbar machen, erstmal ohne Gothic-Touch. 

Erleichtert, aufgeregt... und auch ängstlich, denn die letzten beiden Aussichten auf eine Vertretung haben sich beide in Luft aufgelöst und ich habe sehr große Angst, dass daraus ein Muster wird. Dass sich das alles wiederholen könnte, die Panikattacken, der Nervenzusammenbruch, das Aufschieben wichtiger Arzttermine und was noch so dazugehört.

Jetzt versuche ich mich erstmal zu beruhigen; der Buddhismus ist wunderbar dazu geeignet, wenn man sich dazu die Zeit nehmen kann und will. 

Endlich wieder mit Jugendlichen arbeiten - das wäre schon was...

Samstag, 8. Juni 2024

Gruppentermin


Heute ist eine neue Einladung aus dem Arbeitsamt hereingeflattert. Es handelt sich dabei um einen Gruppentermin, einen Vortrag mit dem Titel "Alternativen nach dem Ende des Arbeitslosengeldbezuges". Eigentlich finde ich das gar nicht so schlecht, man wird also nicht ganz allein gelassen. Man trifft andere Menschen, denen es vielleicht ähnlich geht, und es werden ein paar neue Wege aufgezeigt - für Autisten sowieso immer ganz hilfreich, denn von allein sehen sie diese Wege oftmals nicht.

Ganz klar: Es ist immer noch deprimierend, überhaupt in dieser Situation zu sein, und es ist ziemlich bittere Ironie, dass ich für meine letzten Saturnalien einen Beitrag geschrieben hatte, der damit endet, dass der Absolvent nach seinem Staatsexamen arbeitslos wird, weil niemand einen Lateinlehrer haben will. 

Aber... so zu denken hilft nicht weiter. Das zieht nur noch weiter runter (auch wenn man meint, dass es nach unten irgendwann keinen Platz mehr geben sollte - irgendwie geht es immer). Kopf hoch, Termin notieren und schauen, was daraus wird. 

Doch vielleicht wird der Termin gar nicht mehr nötig sein...

Mittwoch, 5. Juni 2024

Der Papierkrieg naht


Über vierzig Planstellen mit Englisch sind derzeit im Land ausgeschrieben - etwa die Hälfte davon an Grundschulen. Keine einzige Planstelle mit Latein, allerdings muss man der Fairness halber erwähnen, dass in den letzten Monaten immerhin dreimal Latein ausgeschrieben wurde, zum Beispiel in Kombination mit Geschichte. Ansonsten nichts Neues aus dem Ministerium; es wird also Zeit, realistisch zu werden.

Und so bin ich dabei, mich seelisch auf die nächste Woche einzustellen. "Vier bis sechs Wochen vorher", das war die Auskunft, die ich im Arbeitsamt bekommen habe - vier bis sechs Wochen vor Beginn des Bürgergeldes sollte ich den Antrag stellen, denn da kommt Einiges auf mich zu, mit vielen Nachweisen, die erbracht werden müssen und so weiter. Also habe ich mir den Beginn der kommenden Woche gesetzt, als Startschuss.

Der Grund dafür ist einfach, damit ich vorher ein wenig Zeit habe, mich auf einen neuen Haushaltsplan einzustellen. Zeit, das Papierchaos in der Wohnung aufzuarbeiten. Zeit, noch einmal die letzten Tage auf eine passende Stellenausschreibung zu warten. Das ist alles gar nicht so leicht, wenn man sich die letzten Monate hat tragen lassen von der Aussage "Zu neunundneunzig Prozent haben sie im Sommer ihre Planstelle", in seliger Ignoranz der Realität. Das war zwar schön, aber irgendwann lässt sich die Last im Nacken eben nicht mehr ignorieren.

Ich bin sehr gespannt, wie das wird - ich halte Euch auf dem Laufenden. Und nein, mir geht es mit der Situation nicht gut, aber irgendwie müssen wir jetzt da durch.

post scriptum: Zum Anzeigebild oben - es gibt jetzt endlich den Veröffentlichungstermin für das Remake von "Silent Hill 2", auf das ich schon lange warte - dieses Jahr im Herbst, Anfang Oktober, genau die richtige Jahreszeit dafür. Allerdings muss es noch etwas länger warten, denn momentan kann ich mir das nicht leisten. Noch ein Grund, weiterhin zu hoffen, dass KollegInnen sich die Beine brechen oder werfen und damit für das nächste Schuljahr ausfallen, damit ich eine Vertretung übernehmen kann.

Montag, 3. Juni 2024

"Nakritze"


Kleine Anekdote aus der Jugend heute, und zwar eine, mit der ich nicht allein bin, wie ich mittlerweile weiß. Meine Studienleiterin in Englisch hat uns damals im Referendariat davon erzählt, wie sie als Kind bei den Eltern bei den Nachrichten mit einem Ohr hingehört hat und immer die feste Begrüßungsformel mitgesprochen hat: "Guten Abend, meine Damuntern!"

Da sie es nicht besser wusste und die korrekte Schreibweise nie eingeblendet wurde, war sie davon überzeugt, dass das Wort "Damuntern" heißt und nicht "Damen und Herren". So ähnlich ging es mir, wenn ich mit meiner Mutter in der Apotheke war und wir zum Beispiel etwas gegen Erkältung besorgt haben; manchmal durfte ich mir dann eine kleine Tüte Süßes aussuchen, und ich bin immer direkt zum schwarzen Gold gegangen, Lakritze in jeder erdenklichen Form. Mein Favorit sind bis heute die schwarzen und roten Knuspersalmis.

Ich mag Lakritze sehr, die Kombination aus würzig und süß, manchmal mit einem guten Schlag salzig, ist bis heute ein Genuss für mich. Jetzt liegen gerade Hexenheuler auf meinem Couchtisch. Wie die Überschrift schon verrät, dachte ich früher tatsächlich immer, dass es "Nakritz" heißt, und ich habe auch nie nachgefragt, sondern das jahrelang übernommen - bis ich dann mit der korrekten Schreibweise konfrontiert wurde und die widerwillig übernommen habe. Lecker!

Habt Ihr auch solche Wörter, die Ihr früher falsch verstanden und mit dem Fehler in Euren Sprachgebrauch übernommen habt?

Mittwoch, 29. Mai 2024

Freut Ihr euch, wenn es mir schlecht geht?!


"a a a a a a a a a a a a a a sa sa sa lkjybfdöghydfsoglöhjfdisg hhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh tot"

So klingt es, wenn die große Buba und ich auf der Couch sitzen und vor Lachen sterben. Das passiert manchmal synchron, manchmal aber auch nur einseitig - zum Beispiel, wenn wir Witze in einem Film sehen, die ein Autist anders auffasst als eine HSP. Es passiert auch bei Videospielen, und zwar dann, wenn ich gerade mal wieder in einen Abgrund gefallen bin und Lara Croft alle drei Beine gebrochen habe, oder wenn irgendwelche Monster mich plattmachen oder ich mit meiner Waffe mal wieder voll daneben haue - kurz gesagt, freut sie sich ganz oft, wenn es mir im Spiel mies ergeht. Nachtrag: Nein, sie freut sich nicht, sie lacht aber drüber, weil es eben auch witzig ist.

Ich kann das vollkommen nachvollziehen, und dahinter steckt auch keine Missgunst oder böser Wille - sie ist immerhin die große Buba und wir kleben aneinander - und außerdem merke ich das selbst, wenn sie gerade den Controller in der Hand hat und überfordert ist von der Vielzahl an Optionen, was sie als nächstes im Spiel machen soll. Wenn ich dann lache, ist es ganz oft einfach eine Erleichterung zu sehen, dass auch ein anderer Mensch dieselben Probleme bei dem Spiel haben kann wie ich. Deswegen ist es nur logisch, dass wir den Anderen anfeuern und applaudieren, wenn beispielsweise ein Boss besiegt wurde.

Das ist also Spaß - aber für mich immer wieder faszinierend zu beobachten, und ich werde auch nicht müde jedesmal festzustellen: "Du freust dich immer, wenn ich tot gehe!"

Und was hat das mit diesem Blog zu tun? 

Ich hatte schon früher immer mal wieder erwähnt, dass es faszinierend ist, die durchschnittlichen Klickzahlen von Beiträgen zu beobachten: Warum hat diesen Beitrag kaum jemand angeklickt? Warum hat jener doppelt so viele views wie sonst üblich? Dabei merke ich, dass clickbait leider immer wieder klappt - also eine Andeutung in der Überschrift, die neugierig macht, zum Beispiel, oder ein provokantes Bild über dem Beitrag. Auch hilft es sehr, wenn der Titel des Beitrags bereits deutlich macht, worum es gehen wird - auch wenn ich das immer versucht hatte zu vermeiden; ich wollte möglichst kreative Titel finden, auf deren Erklärung man nur über drei Ecken kommt. Ist zwar nett für mich, aber interessiert kaum jemanden.

Und dann ist es generell so, dass Beiträge viel häufiger aufgerufen werden, wenn sie mit meiner psychischen oder beruflichen Situation zu tun haben - das "Psychologiebild" kann manchmal schon Interesse hervorrufen, oder die "Lehrerbilder". Und ich komme nicht umhin festzustellen, dass Beiträge bei besonders negativen oder positiven Nachrichten häufiger gesehen werden - gerade die Hiobsbotschaften für mich werden oft geklickt. Job verloren, Nervenzusammenbruch, und wie ich mit solchen Situationen dann umgehe. Und auch hier bin ich mir sicher, dass keine Missgunst dahintersteckt, zumindest nicht immer. Ich erinnere mich an die Mail von JB, in der der ehemalige Schüler mir geschrieben hat, dass er gern in den Blog schaut, weil er dort sehen kann, dass auch andere Menschen oft mit dem Leben zu kämpfen haben und er damit nicht allein ist - das gibt ihm Mut. Es ist auch ein bisschen das Prinzip der Seifenopern - wir leiden einfach gern mit unseren "HeldInnen" mit, und freuen uns dann auch, wenn es mit ihnen irgendwann wieder bergauf geht. 

Ja, Beiträge werden häufiger angeschaut, wenn es mir schlecht im Leben ergeht - aber weil ich weiß, wer diesen Blog so alles liest, weiß ich auch, dass dahinter oft eine Menge Empathie steckt, und was ich manchmal als Rückmeldung auf solche Beiträge bekomme, wärmt mir das Herz. Zuspruch, "du bist nicht allein"-Erinnerungen, und ganz oft eben nicht nur Phrasendrescherei, sondern ernst gemeint, besonders wenn manche sich die Mühe machen und nicht nur ein like auf den Beitrag klatschen, sondern sich die Zeit nehmen, mir eine Nachricht zu schicken.

Seitdem ich arbeitslos bin und die Jobaussichten immer weiter zusammenschrumpfen, hat sich die Zahl der Klicks verdoppelt. Zum Glück ist es mir nicht wichtig, viele Aufrufe zu bekommen, sonst müsste ich allein schon deswegen darauf hoffen, dass es auch weiterhin keine passenden Stellenangebote für mich gibt.

Ich halte Euch auf dem Laufenden! Und... danke für Eure Anteilnahme!! :-)