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Mittwoch, 5. März 2025

Einmal mehr oder weniger... (unheilbar krank)


"Having Trump for president is like having nonstop diarrhea: It's exhausting and there's shit everywhere."

Diesen Spruch habe ich heute gelesen und er hat mich dazu gebracht, endlich den aktuellen Beitrag fertigzustellen - auch weil mir die Decke auf den Kopf fällt und mein Daumen verpflastert ist. Das war der ursprüngliche Beginn des Beitrags:

Seit gut einer Woche habe ich eine Diagnose: Ich habe eine sehr schwere Form von morbus Crohn entwickelt. Wer wissen will, was das ist, möge sich im Internet informieren, die Details sind ein bisschen unappetitlich. Jedenfalls hat die Krankheit zum Beispiel dafür gesorgt, dass ich das letzte Mal vor zwei Jahren eine Nacht durchgeschlafen habe. Crohn ist unheilbar, und ich könnte hier jetzt total betroffen sitzen und mein Leben beklagen.

Oder ich mache es wie heute in der Schule, als ein Kollege mich gefragt hat, wie es mir geht (als Phrase gemeint), und eine ehrliche Antwort bekommen hat: mit einem Lächeln und blöden Sprüchen garniert. Denn... auf eine Krankheit mehr oder weniger kommt es mir nicht mehr an. Ich bin seit meiner Geburt geistig behindert und habe ebenfalls seit meiner Geburt Neurodermitis, eine weitere unheilbare Krankheit.

Im Gegenteil, ein ganz kleines bisschen bin ich sogar zufrieden: Vielleicht reicht dieser dritte Punkt in der Einschränkung meiner Lebensqualität ja endlich aus, um den GdB 50 zu bekommen. Autismus und Neurodermitis haben nicht gereicht, dafür gab es insgesamt 30.

Was mich auch ein bisschen beruhigt: Man kann auf Crohn eingestellt werden. Es steht noch der histologische Befund aus, und dann kann ein Therapieplan entwickelt werden. Um Immunsuppressiva werde ich nicht herumkommen, aber auch hier denke ich einfach, dass ich mir nur eine größere Tablettenbox zulegen muss. Bitte wieder in Regenbogenfarben!

Nun ist es etwas später, meine Diagnose ist aktualisiert worden zu colitis ulcerosa - die ein Altphilologe natürlich als "ulkerosa" ausspricht - aber kaum jemand sonst, gruselig, die Folgen des Mittellatein.

Ein bisschen was hat sich seither getan - der Laborbericht hat nun statt Crohn die colitis ergeben, aber immerhin hat damit nun auch die Therapie des akuten Schubs beginnen können - und jetzt kommt wieder der verpflasterte Daumen in's Spiel; dass nur ein Fingernagel unter einem Pflaster ist, ist schon eher ungewöhnlich, denn sie sind alle eingebrochen, gerissen, gesplittert. 

Das kann etwas nervig sein, aber auch richtig schmerzhaft, besonders, wenn sich Stofffasern im Nagelriss verhaken und dann versuchen, ihn aus dem Nagelbett zu reißen. Das tut richtig übel weh, und ich kann leider nicht so schnell hinterherschneiden und -feilen, als dass ich rissfreie Nägel hätte. Das lässt sich auf den Eisenmangel zurückführen, der bei den chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen nicht ungewöhnlich ist.

Derzeit muss ich also eine ganze Menge Tabletten nehmen - ein Kortikoid gegen den akuten Entzündungsschub, ein Eisen- und Vitamin D-Präparat, Tropfen bei Schmerzen (denn bei einer CED geht nicht mehr viel verschreibungsfrei außer Paracetamol), und die Nächte bleiben kurz wie bisher, mein Vebrauch an Klopapier ist gigantisch.

Hinzu kommt jetzt das stufenweise Ausschleichen des Kortisons, und mein Körper fühlt sich ununterbrochen matschig an. Kann also nur noch besser werden, und ich gehe davon aus, dass ich den Blog jetzt auch wieder etwas mehr auf dem Laufenden halten werde. Waren einfach zu viele Arztsachen in der letzten Zeit, so viele, dass für Schule kaum noch Platz ist; mein Vertrag läuft noch bis zu den Osterferien. Bis dahin werde ich dann nicht mehr krankgeschrieben sein, das sind nur noch ein paar Tage, aber wie wird es dann weitergehen, jetzt, wo unsere Landesregierung einen Riesenhaufen Planstellen an den Schulen zur Haushaltskonsolidierung zusammenstreicht?

Keep your fingers crossed - at least we don't have any Trump!

Dienstag, 24. Dezember 2024

Dr Hilarius und der Silberstreif


So, nun wird es Zeit, weiterzuschreiben. Dieser Blog ist weder tot noch in Vergessenheit geraten, aber der Blogger geht gerade durch eine schwierige Phase. Zu viele Ärzte, zu viele Symptome, die mich beeinträchtigen, zuviel Papierkram, der in der Wohnung herumliegt, zu oft der Gedanke, einfach mal alles niederbrennen und neu anfangen zu wollen.

Und man soll sich ja nach außen bloß nichts anmerken lassen, so haben wir es mit fünf dicken Ausrufungszeichen im Referendariat gelernt. Und als ich mich dann daran gehalten habe, sagte meine Schulleiterin in's Gesicht, ich sei unglaubwürdig und man könne mich ja nicht ernstnehmen. Immerhin ist es gut zu wissen, dass Frau K nicht mehr Schulleiterin jener Schule ist, und damals konnte ich mir eine gewissen Genugtuung nicht verkneifen, als die SchülerInnenzahlen unter ihrer Führung um fast die Hälfte zurückgegangen sind. Das war noch am Anfang des Buddhismus; heute tut mir die Frau einfach nur noch leid, so sie noch lebt.

Ich lebe noch und habe jetzt für Anfang Januar einen wichtigen Untersuchungstermin bekommen. Fast schon ein Hauch von Tonglen, dem "Nehmen und Geben": Man hat mir den Termin gegeben, Tabletten zur Beruhigung, das Gefühl, keine Belastung zu sein, und man hat mir genommen - nämlich die Angst vor der Untersuchung, die Angst vor der Klinik, das Gefühl, allein mit den Problemen da zu sitzen. Denn was können meine Eltern schon machen? Es zerreißt meiner Mutter das Herz, dass sie sehen  - bzw. hören und lesen - muss, wie ich hier hin vegetiere mit gut noch siebzig Kilogramm Körpergewicht auf zwei Meter Körpergröße, Schwächeanfällen, die drei Etagen nach oben schaffe ich nur noch mit einer kurzen Sitzpause.

Sie muss das alles miterleben, aus der Ferne der Westküste, aber selbst wenn sie in Kiel wohnte - sie ist keine Ärztin. Sie kann keine Siagnose erstellen, sie kann keine Medikamente verschreiben. Ihre Erährungstipps decken sich nicht mit dem, was man bei einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung zu sich nehmen soll. Sie kann nichts tun, auch wenn sie noch so gern würde, und das muss für eine Mutter die Hölle sein.

Und Weihnachten? Mit viel Fingerspitzengefühl fragt Mama nach, ob ich denn nach den Feiertagen rüberkommen möchte, da sind meine beiden Brüder da, einer inklusive Familie, das wäre doch eigentlich ein schöner Anlass. Anlass wozu? Über meine Krankheiten zu reden? Über die drohende Arbeitslosigkeit und die nächste Runde abgelehntes Bürgergeld? Muss nicht sein. Ein Glas Wasser nach dem anderen zu trinken, während die Anderen das Essen genießen, das meine Ma liebevoll gekocht hat - von dem ich aber nicht weiß, ob ich es vertrage. Also haben wir auch hier eine andere Abmachung getroffen; wir warten, bis ich endlich meine Diagnose habe. Dann finden wir heraus, welches Essen ich mit relativ wenigen Problemen essen kann, und dann holen wir das Ganze einfach später nach.

Und so ist heute also der vierundzwanzigste Dezember, und für mich ist der Tag wie jeder Andere. Okay, zugegegeben, ich gönne mir hier und da etwas mehr, aber ansonsten vergeht die Zeit wie sonst auch. Es ist sogar noch eine Maschine Wäsche unterwegs, und wer weiß, wie sich Nachmittag und Abend entwickeln, vielleicht kommt die große Buba noch auf eine Stippvisite herein.

Sie wird jedenfalls in etwa zwei Wochen eine sehr wichtige Rolle spielen, aber das ist Stoff für einen anderen Beitrag, der mir sehr viel bedeutet.

Habt ein schönes Weihnachtsfest, so Ihr es denn feiert, oder habt einfach einen schönen Tag mit den Dingen und Menschen, die Euch wohlfühlen lassen.

Samstag, 16. November 2024

Durch - und verlängert!


Eine weitere Woche, an deren Ende ich auch am Ende bin. Ich könnte auf die Entzündungen im Mund- und Rachenraum verzichten, meine Zunge kribbelt und schmerzt, wenn ich Nahrung mit festerer Textur zu mir nehme, ich kann die Aromen nicht mehr normal schmecken, und das Warten auf die Remissionsphase nervt. Dazu kommen dann spontan zwischendurch irgendwelche Gelenkentzündungen, die schnell kommen und relativ schnell gehen können, aber doch dafür sorgen können, dass ich ein paar Stunden nicht laufen kann. Alles interessantes Neuland für mich, aber nun ist mal gut.

Dazu kommt der herausfordernde Job in der Schule - ich gehe in die Klasse, ein Drittel der Kiddies fehlt, jemand kommt angelaufen und sagt mir "Klaus ist abgehauen", und ich muss erstmal realisieren, warum überhaupt so wenige da sind; dazu kommt von links "Bekommen wir unsere Arbeit zurück?" und von rechts "Sollen die Klassenleiter losgehen, um Klaus zu holen?" und von vorne links "Ich habe Bauchschmerzen, darf ich nach Hause gehen?" und von vorne rechts "Haben sie ihre Haare jetzt rot gefärbt?" - alles gleichzeitig. Ernsthaft - ist so passiert. Der Autist (ich) steuert in einem Mordstempo auf den Meltdown zu, und dann kommt zum Glück meine Zweitsteckung und wir versuchen, das Chaos zu zweit in den Griff zu bekommen.

Solche Situationen sind an Perspektivschulen nicht selten, und es erfordert einem viel Kraft ab, ruhig zu bleiben und alles zu regeln. Ich sehe das im Unterricht anderer KollegInnen, die schon länger hier arbeiten, und beneide sie unglaublich - und versuche mir aus ihrem Unterrichtsverhalten Tipps für mich herauszuholen.

Denn so chaotisch und auslaugend das klingen mag - und auch definitiv ist, zumindest für mich - so sehr ist das genau die Arbeit, die ich leisten möchte. Ich möchte diese Kinder und Jugendlichen unterstützen, die oftmals keine Kindheit und Jugend genießen konnten, weil sie zum Beispiel auf der Flucht waren. Aus ihren Häusern gebombt in einem Alter, in dem sie das alles noch gar nicht verstehen konnten. Denen zuhause die Bezugspersonen fehlen, zum Beispiel weil auf der Flucht umgekommen oder in der Heimat verblieben, hoffend auf bessere Zeiten. Der übrige Elternteil - möglicherweise überfordert mit den vielen Kindern, das sind zerrüttete Verhältnisse, die ich mir nichtmal ansatzweise vorstellen kann. Deswegen verurteile ich nie diese Kiddies, wenn sie mal wieder Mist gebaut haben. Ich versuche ihnen so viel Mitgefühl und liebende Güte (Buddhismus) zukommen zu lassen, wie ich kann. Dabei ist mir manchmal der Autismus im Weg, und ich bin so sehr auf die Unterstützung der KollegInnen angewiesen...

...aber es funktioniert so langsam! Der Job belastet mich nicht nur, er ist in den meditativen Nachgängen so ungemein bereichernd, erweitert meinen Horizont für das, was andere Menschen auf dieser Welt durchmachen. Ich möchte unbedingt weiterarbeiten, auch wenn ich aufgrund meiner Fächerkombination möglicherweise nie eine Planstelle an dieser Schule bekommen werde.

Und immerhin in dieser Hinsicht sieht es positiv aus: Mein Verlängerungsvertrag ist angekommen und jetzt unterschrieben! Ich kann in vollem Umfang bis Ende des Halbjahres weiterarbeiten. Was dann kommt, sehen wir dann. 

Jetzt ist endlich eine Blockade im Gehirn gelöst und ich kann mich auf die Suche nach einer gastroenterologischen Diagnose machen. Montag geht es los.

Daumen drücken!

post scriptum: Und Euch wünsche ich wie immer, dass Ihr Eure Arbeit ebenso bereichernd erleben könnt wie ich, und dass Ihr sie durchhaltet. Dass Ihr an diesem Wochenende etwas Energie tanken könnt. Ich denke, ich werde heute mal wieder eine "Tonglen"-Meditation praktizieren, Euren Stress in mich aufnehmen und etwas Entspannung "ausatmen" - Ihr wisst ja vielleicht aus dem damaligen Blogeintrag, wie das gemeint ist.

Freitag, 8. November 2024

Langsam reicht's.


vorweg: Liebe Eltern, wir klären morgen alles bei Skype!

an alle Anderen: Es geht hier um meine Gesundheit. Wer das nicht lesen möchte, soll das einfach nicht machen.

Der letzte Gang auf die Waage und der aktuelle Entzündungsschub sind die Tropfen, die das Fass zum Überlaufen bringen. Ich brauche dringend eine vernünftige CED-Diagnose, damit ich endlich die richtigen Medikamente gegen die Entzündungen bekommen kann. In einer Schubphase können sie den Körper fies beeinträchtigen oder so wie heute fast ausschalten. Die ersten Tage der Woche waren nur Mund und Rachen entzündet, das ist zwar unangenehm, weil ich nichts Festes essen kann, aber heute ist das komplette rechte Bein dran: Ich kann nicht auftreten, ich muss das Kniegelenk still halten, ich kann nicht gehen.

Und das kann so nicht mehr weitergehen, also suche ich mir Hilfe in der nächsten Woche, um endlich an einen Termin bei'm Gastroenterologen zu kommen. Nein, den habe ich noch nicht. Ja, ich weiß, wie sehr man sich als Autist dabei im Weg stehen kann. Die Sannitanic weiß das auch, mit Blick auf die Diagnose der Behinderung.

Bleibt für heute erstmal nur Sitzen/Liegen und irgendwas zu essen finden, damit ich nicht noch klappriger werde. Am Anfang des Studiums war es irgendwie "cool", so dünn zu sein. Jetzt sticht bei mir hinten die Wirbelsäule und vorne der Brustkorb heraus - Haut und Knochen, wie man so sagt - und das ist nicht mehr cool, sondern ein Warnsignal.

Dann sehe ich einen TV-Bericht über CEDs, sehe so viele Parallelen zu mir und erfahre dann, dass eine Patientin es geschafft hat, mittels der Medikamente ihre Remissionsphase auf fast ein Jahr auszudehnen - das war wie ein rotes Signal "Warum hast du noch nichts gemacht? Es könnte so viel einfacher sein!"

Right. Das geht los. Erstmal wieder gehen können.

Montag, 25. März 2024

Besuch bei'm Psychiater und das Stigma


Freitag

Ich nehme so gut wie nie Filmempfehlungen von anderen Menschen an - und davon bekomme ich als Lehrer reichlich von meinen SchülerInnen, wenn ich ihnen erzähle, dass ich gute Filme liebe. Die meisten Jugendlichen haben in dem Alter noch kein Gespür dafür, was ein "guter" Film ist, weil ihnen die Vergleichswerte fehlen. Also empfehlen sie mir, was sie selbst toll finden. Und das höre ich mir dann höflich an, setze es aber nicht um.

Anders ist es, wenn die große Buba mir einen Film empfiehlt, denn ich glaube, sie gibt sich sehr viel Mühe, mich als Autisten wirklich zu verstehen, und auch zu verstehen, was mir echte Freude bereitet - dafür liebe ich sie, denn das ist ein hartes Stück Arbeit, was auch immer wieder Enttäuschungen mit sich bringt. Und selbst bei der großen Buba brauche ich manchmal sehr lange, bis ich einem Filmtipp auch wirklich nachgehe.

Dass jemand mir einen Film vorschlägt und ich direkt bei'm Nachhausekommen das Teil auf Netflix suche, finde und mir direkt anschaue, sowas gab es bis heute nie. Aber... vielleicht sollte ich am Anfang anfangen, am Beginn eines sehr erleuchtenden, aufregenden Tages, der in mir eine tiefe Zufriedenheit und Dankbarkeit hervorgerufen hat.

Definitiv nicht Zufriedenheit mit der Deutschen Bahn. Denn ich hatte heute um halb zehn morgens meinen Termin bei'm Psychiater, und ich bin auf den ÖPNV angewiesen, und das Deutschlandticket als Chipkarte works like a charm. Also gehe ich heute um viertel nach acht zu Gleis fünf, auf dem der Regionalexpress nach Pinneberg bereit steht.

Ist ja seltsam. Niemand sitzt drin, oder... doch, da hinten sitzt auch jemand. Aber warum stehen noch so viele Menschen auf dem Bahnsteig? Ich könnte natürlich einfach jemanden fragen, aber ich bin Autist und vermeide es, fremde Menschen anzusprechen. Also gehe ich noch einmal zur Tür, schaue draußen auf die Anzeigetafel - aber alles sollte eigenlich stimmen, und so suche ich mir einen Sitzplatz im Untergeschoss in Fahrtrichtung, links am Fenster natürlich. Ich hole meine Logikrätsel heraus und vertreibe mir die Zeit, bis ich sehe, dass die Menschen sich draußen in Bewegung setzen. Sie alle gehen zurück zum Eingang des Hauptbahnhofs, okay, what the ...? Ich bekomme Angst. Werde ich hier jetzt gleich auf ein Abstellgleis gefahren und komme nicht mehr aus dem Zug? Panisch renne ich zur Tür, zwar mit Rucksack, aber meinen schönen Regenschirm von Samsonite hat jetzt die DB. Und ja, ich weiß, es gibt da ein Fundbüro, aber das sind fremde Menschen, also kaufe ich mir lieber einen neuen. Von der gleichen Art natürlich.

Immerhin lande ich jetzt auf dem richtigen Bahnsteig, wo angezeigt wird, dass sich die Abfahrt um eine Viertelstunde verzögert. So what, ich habe einen kleinen Zeitpuffer, bevor ich im Krankenhaus sein muss. Und dann fängt auch endlich alles an, richtig zu funktionieren. Ich esse einen Schokoriegel - Zucker als Entzündungsförderer eigentlich nicht so gut, aber ich brauche etwas Energie für den Tag, die große Buba sagt Edhergighie.

Ich habe mich sehr auf diesen Termin gefreut, denn der letzte ist drei Monate her. Es hat einfach terminlich nicht besser gepasst; und während ich einmal bei einem monatlichen Besuch schon dachte, dass es eigentlich kaum Neues zu berichten gibt, waren drei Monate dann doch zuviel, vor allem, weil sich in meiner beruflichen, gesundheitlichen und familiären Situation viel getan hat in dieser Zeit, und nichts davon wirklich zum Positiven. Vielleicht sind anderthalb bis zwei Monate derzeit eine gute Frequenz für uns. Ich habe das aus verschiedenen Psychologieserien gelernt, dass man das je nach Bedarf umstellen kann und sollte, immer im Sinne des Patienten, und ich muss einfach mal konstatieren: Ohne den Rückhalt meines Psychiaters wäre ich in dieser Welt, an diesem Punkt angekommen, vollkommen aufgeschmissen. Meine lieben Eltern würden so gern helfen, aber ich brauche fachliche und rechtliche Hilfe, das heißt, es müssen Fachleute ran.

Ich möchte wirklich jedem, der ein starkes Gefühl davon hat, er könne auf dem Autismusspektrum sein, empfehlen, einen Platz bei einem guten, spezialisierten Psychiater zu bekommen. Auch wenn es eigentlich gerade nicht nötig scheint - irgendwann werden Probleme kommen, aus unterschiedlichsten Gründen (zum Beispiel, weil die Eltern sterben), und dann ist man hilflos und allein gelassen. Ihr nehmt es mir nicht übel, wenn ich mir im Kopf gerade ein paar wenige KandidatInnen vorstellen kann, denen das vielleicht helfen könnte. 

Bringt den Mut auf, sucht Euch einen Diagnoseplatz! Möglichst jetzt, denn die Vorlaufzeit ist unglaublich lang. Bei mir hat es - wenn mich die Erinnerung nicht trügt - anderthalb Jahre gedauert bis zum ersten Termin. Die PsychiaterInnen sind einfach komplett überlastet, und dabei können sie im Leben eines autistischen Menschen so viel Gutes bewirken, und das auch schon komplett ohne Medikamente, indem sie einen geschützten Raum zum Reden bieten. 

Bitte geht diesen Schritt. Auch wenn der Gedanke nagt "Nö, betrifft mich ja nicht unbedingt, brauche ich gerade eigentlich nicht wirklich" - die Fachliteratur bestätigt: Irgendwann im Leben werden wir AutistInnen Hilfe brauchen, und wenn wir noch so sehr high-functioning (a.k.a. Asperger) sind.

Aber zurück zum heutigen Besuch, und ich merke gerade, ich muss den Artikel morgen weiterschreiben, denn es war ein sehr langer Tag und ich habe das alles immer noch nicht verarbeitet. Keine Sorge, das mit den Filmen kommt noch, ich schreibe morgen weiter!

(...)

Let's go. Natürlich werde ich hier nicht vom konkreten Inhalt des Gesprächs schreiben, sondern etwas abstrahieren und mich vor allem darauf konzentrieren, was das bei mir ausgelöst hat. Könnte auch für meinen Psychiater interessant sein, vielleicht liest er das jetzt gerade. Falls ja, hier nochmal: DANKE für Freitag!

Natürlich hat es gut getan, nochmal die Rückschläge aus dem Januar und Februar Revue passieren zu lassen, die Ablehnung des Schwerbehindertenstatus und das Verbot, eine Vertretung an einer Schule zu übernehmen (ich habe bis heute keinerlei Entschuldigung aus dem Ministerium bekommen). Es hat mir nämlich wieder etwas Mut gemacht zu wissen, dass ich eigentlich nichts falsch gemacht habe, sondern dass das Problem im System liegt.

Ebenso hat es sich gut angefühlt, über Themen zu sprechen, zu denen ich einen Bezug habe, und so sind wir zwischendurch auch wieder bei'm Thema Filme angekommen, genauer Filme über Autismus. Es gibt so viele Filme, die Autismus darstellen wollen - vielleicht nicht als Thema, aber in einem ihrer Charaktere - und sich dabei auf Klischees berufen, die mit der Breite des Spektrums überhaupt nichts zu tun haben, oder sie stellen Autismus als etwas Drolliges dar, über das man lachen kann. Davon gibt es eine ganze Menge. Seltener sind authentische Darstellungen von Autismus-Spektrums-Störungen. 

Eine dieser authentischen Behandlungen findet man im Film The Reason I Jump, der auf dem gleichnamigen Buch des nicht-sprechenden autistischen Jugendlichen Naoki Higashida basiert. Im Film werden die Leben verschiedener Familien rund um die Welt beleuchtet, in den USA, Afrika, Indien, Australien, um zu zeigen, dass es die mutistischen AutistInnen überall gibt, und dass sie überall dieselbe Zurückweisung von neurotypischen Menschen erfahren. Es kommen auch ihre Eltern zu Wort, die sehr eindringlich erzählen, wie sie unter den Anfeindungen ihrer Kinder zu leiden hatten und immer noch haben. Der Film bringt durch seine subjektive Kamera das Erleben eines Menschen auf dem Spektrum sehr eindrucksvoll rüber und ist gleichzeitig ein Plädoyer für die Akzeptanz und Inklusion von Menschen mit Behinderung.

Mein Psychiater hat sich den Titel notiert, und mir im Gegenzug ebenfalls einen Film genannt, der das Thema Autismus zwar nicht in den Mittelpunkt stellt, dessen Hauptfigur aber eindeutig als Autist codiert ist. Der norwegische Film Elling, damals oskarnominiert als bester ausländischer Film, zeigt die Situation zweier neurodiverser Freunde, die durch das norwegische Gesundheitssystem irgendwie in die Gesellschaft integriert werden (bei uns würden sie eher allein gelassen, um selbst klarzukommen), nachdem Ellings Mutter verstorben ist und er nicht mehr auf ihre Hilfe und Führung bauen kann.

Diese Situation ist leider nur allzu realistisch: Was ist, wenn Deine Eltern sich um Dich ein Leben lang gekümmert haben und Du plötzlich als autistischer Mensch auf Dich allein gestellt bist? Meine Eltern werden nicht ewig leben und ich habe einen Bruder, der noch weiter zurück liegt auf dem Weg, auf sich allein gestellt zu sein, als ich. Irgendwie müssen wir es schaffen, dass er nicht irgendwann plötzlich wie Elling vor dem Nichts steht und komplett verkümmert, wenn es keine Unterstützung mehr von Mama und Papa gibt.

So habe ich mir also Elling notiert. Wie schon oben erwähnt: Normalerweise nehme ich keine Filmtips von anderen Menschen an. Aber zum einen ist mein Psychiater auf AutistInnen spezialisiert und kennt sich wirklich gut aus, und zum anderen trifft der Film leider gerade einen Nerv. So bin ich also nach unserem Termin nach Hause gefahren und habe den Film direkt auf Netflix gefunden und angeschaut, und war ziemlich begeistert.

Da wird mir bewusst, dass ich in der Linkliste links noch keinen Reiter mit der Designation Autismus im Film habe, das sollte ich bald mal ändern, um dort die Namen von Filmen einzustellen, in denen diverse Formen der Autismus-Spektrums-Störung authentisch und nicht klischeehaft dargestellt werden. Das könnte zur Aufklärung beitragen, und vielleicht glauben es mir die Leute ja irgendwann, dass ich geistig behindert bin, ohne mich erstmal zu gaslighten.

Das war ein toller Besuch bei'm Psychiater, in jeder Hinsicht, und drei Monate ohne waren definitiv zu viel. Ich wünsche jedem Menschen auf dem Spektrum so einen Ansprechpartner. Und zum Schluss noch ein Aspekt aus schulischer Seite (betrifft aber auch die Gesellschaft allgemein):

Ich finde es sehr bedauerlich, dass die Psychiatrie bei uns so stigmatisiert ist. Viele trauen sich nicht zuzugeben, dass sie regelmäßig zum Psychiater gehen - und wenn sie es tun, dann kommt die Häme aus dem Hinterhalt. An einer Schule meinte eine Kollegin zu mir: "Und das da vorne ist Frau XY, aber mit der solltest du lieber nicht reden, die nimmt Antidepressiva, das ist eine ganz arme Person." - und ja, das war der exakte Wortlaut; auch wenn es schon über zehn Jahre her ist, habe ich das nie vergessen. Es ist beschämend, wie Lehrkräfte hinter dem Rücken ihrer KollegInnen über ihre Mitmenschen reden. Kaum eine Schule ist frei davon; ich war bisher an sieben, und nur an der Nordseeschule in St.Peter-Ording war es anders - kein Wunder, dass sie zur Perspektivschule erklärt wurde, denn da ziehen alle Lehrkräfte zusammen an einem Strang, um SchülerInnen in schwierigsten Situationen eine Lebensperspektive aufzuzeigen. Ein völlig anderer spirit als an den meisten Gymnasien. 

Und ja, die "ganz arme Person" war an einem Gymnasium - aber hier kein Schulart-Bashing, denn es geht um den Segen, den ein geistig behinderter oder psychisch kranker Mensch erfahren kann, wenn er von der Psychiatrie betreut wird. In den Köpfen so vieler Menschen herrscht der Gedanke, dass es etwas Negatives ist, bzw. dass ein Mensch etwas Schlechtes getan haben muss, um eines Psychiaters zu bedürfen. Dass er ein schlechter Mensch sei. Es wird von oben herab über Menschen in psychiatrischer Betreuung gesprochen, auf eine Weise, die für Betroffene extrem schmerzlich sein kann. Ich weiß, wovon ich rede, denn es gibt garantiert einige ehemalige KollegInnen an verschiedenen Schulen, die das hier zu Gesicht bekommen und sich darüber aufregen, dass ich hier oversharing betreibe. Face facts: Es ist so, und es ist an fast jeder Schule so. Ich hoffe, niemand von Euch glaubt, in einem harmonischen Kollegium zu arbeiten - es sei denn, es ist tatsächlich harmonisch - zum Beispiel an kleineren Schulen, Grundschulen, Förderzentren oder Perspektivschulen.

Menschen können es einfach nicht lassen, schlecht über andere Menschen zu reden.

Elling ist auf Netflix verfügbar.

Weitere authentische Filme auf dem Spektrum: The Reason I Jump, The Imitation Game, The Speed Cubers, BenX, The Queen's Gambit - die Liste wird bald links auftauchen und noch mehr Titel beinhalten ;-)

Samstag, 3. Juni 2023

Wieder einen Schritt weiter im Bürokratiergehege


Es ist nur ein kleiner Schritt, aber ich sollte ihn hier festhalten, damit meine liebe Susifee mich wieder zu Recht anschimpfen darf, dass sie die News nur durch meinen Blog und nicht durch mich selbst erfahren hat: Es kommt Bewegung in meinen Antrag auf Feststellung einer Schwerbehinderung.

Und dabei stellt sich heraus, dass die Schuld für die elfmonatige Verspätung nur zu einem Teil bei'm Landesamt für soziale Dienste in Neumünster liegt. Im Gegenteil, dort hat man schon im letzten August eine Anfrage an meine Hausarztpraxis gestellt und um Befundunterlagen zu meinem atopischen Ekzem äi käi äi Neurodermitis gebeten. Einmal im August, dann noch zweimal im September, jedesmal ohne Reaktion der Praxis. 

Zum Verständnis: Das Vorliegen einer Neurodermitis kann einen Grad der Behinderung (GdB) von bis zu 30% geben und auf andere Diagnosen aufgerechnet werden, das hängt vom individuellen Fall und der Schwere der Erkrankung ab. Wenn es mir damit richtig schlecht erginge, könnte ich insgesamt einen GdB von achtzig Prozent bekommen (tut es derzeit aber nicht, also würde das wahrscheinlich eh' hinten überfallen) - eine Autismus-Spektrums-Störung gibt mindestens 50%, und ab jenem Wert gilt man laut Gesetz als schwerbehindert mit bestimmten Rechten und Nachteilsausgleichen.

Natürlich habe ich also beide Faktoren in meinem Antrag angegeben, und natürlich hat das Landesamt versucht, zu beiden Aussagen Befunde einzuholen. Es hätte vielleicht geholfen, wenn man mir mitgeteilt hätte, dass meine Hausarztpraxis nicht reagiert, dann wüsste ich wenigstens, wie der Stand der Dinge ist - denn ein Autist fragt von sich aus nicht unbedingt nach, zumal es in der Antrags-Eingangsbestätigung heißt 

"....sodass wir Sie bitten, von zwischenzeitlichen Nachfragen abzusehen. Sollten unerwartete Schwierigkeiten auftreten (z.B. dass befragte Ärzte trotz Erinnerung nicht antworten) oder wir weitere Angaben von Ihnen benötigen, werden wir Sie hierüber umgehend informieren."

Ich habe das wörtlich genommen und fühle mich in hindsight als behinderter Mensch ein wenig verarscht.

Streichen wir das "ein wenig". Zehn Monate lang hat mein Hausarzt nicht reagiert und es ist nichts passiert, und ich bin eine behinderte Person, die offensichtlich nicht in der Lage ist, diese Angelegenheit allein zu händeln. Zum Glück praktiziere ich Lojong, sonst würde mir der Kragen jetzt bereits dreiundzwanzig Mal geplatzt sein. Vierundzwanzig ist besser, weil das eine gerade Zahl ist.

Es tut mir tatsächlich ein wenig im Herzen weh, wenn ich hier und da SchülerInnen mit ähnlichen Verhaltensweisen sehe und ich mir denken muss, dass sie vielleicht mit ähnlichen Komplikationen im Leben konfrontiert sein werden. Sorry, aber barrierefrei ist Deutschland noch lange nicht, da reichen nicht ein paar Fahrstühle an U-Bahn-Stationen und abgesenkte Bordsteine. 

Immerhin war die Dame am Telefon nett und hat mir bestätigt, dass mein Fall schnellstmöglich in die Prüfung geht. Wieder einen Schritt weiter im Bürokratiergehege.

Donnerstag, 20. April 2023

Der Befund


"F84.5"

Gestern habe ich es doch tatsächlich geschafft, mich in Neumünster zu verlaufen, dabei geht es vom Bahnhof zum Krankenhaus immer nur geradeaus. An einer Stelle muss man ein wenig nach links abbiegen - und ich habe gar nicht mitbekommen, wie ich ein wenig nach rechts abgebogen bin. So bin ich immer weiter gewandert, konnte das Krankenhaus nicht finden und habe panisch auf die Uhr geschaut, weil mein Termin bei'm Psychiater immer näher gerückt war. Irgendwann konnte ich mich dann mal dazu durchringen, Passanten nach dem Weg zu fragen. Sehr nette Leute, wenn auch nicht immer mit eindeutigen Aussagen, was mir zu spät aufgefallen ist. War es nun die "übernächste große Kreuzung" oder die "übernächste, große Kreuzung"?

Und dann war ich drei Minuten vor meinem Termin am Krankenhaus, aus einer ganz anderen Richtung als sonst, und habe den Haupteingang nicht mehr wiedererkannt, vor allem nicht mit dem großen roten Schild an der Eingangstür, das den Zutritt verbietet. Innen war es nicht gerade einfacher, dank Umleitungen für einen sowieso schon komplexen Weg durch die Eingeweide des KKH. Irgendwann hat es dann alles geklappt, und während einer kleinen Wartezeit konnte ich wieder zu Atem und außer Schweiß kommen. 

Unter anderem haben wir dieses Mal über das fürchterliche Gutachten aus Lübeck gesprochen, dieses fehlerreiche, unschlüssige, widersprüchliche Gutachten. Interessant, dass nicht nur ich versuche, die andere Seite zu verstehen - er hat auch überlegt, was die Kollegin wohl zu diesem Gutachten bzw. ihrer Schlussfolgerung gebracht haben könnte, dass bei mir eine ASS mit Sicherheit ausgeschlossen werden könne.

Wir haben darüber gesprochen, was nun die nächsten Schritte sind, und ich habe nachgefragt, ob das Landesamt für soziale Dienste inzwischen einmal bei ihm nachgefragt hat - für ein Gutachten. Nichts. Das finde ich dann doch ein bisschen seltsam. Ich habe dort den Antrag auf Anerkennung einer Schwerbehinderung eingereicht, und es hieß, dass man von Nachfragen bitte absehen soll und dass die durchschnittliche Bearbeitungszeit vier Monate betrage. Mittlerweile ist es zehn Monate später und ich habe nichts gehört. Ich sollte dort einmal anrufen...

...zumal nun mein erster fachärztlicher Befund vorliegt! Damit habe ich die Diagnose schwarz auf weiß, und es hat nur vier Jahre gedauert. Darauf bezieht sich die Zahl zu Beginn des Beitrags - F84.5 ist die ICD-10-Bezeichnung für die Autismus-Spektrums-Störung. Ich bin Autist, fein, endlich. Jetzt muss ich nur noch offiziell behindert werden - der Kontakt mit dem Sozialamt könnte das bei jedem Menschen bewirken...

Einen riesigen Schritt weiter, und sehr erleichtert.

Samstag, 11. März 2023

"Die mit den Tabletten."


"Wie geht es ihnen?"

Diese Frage hört man ja oft, von FreundInnen, KollegInnen, oft als Phrase, die gar nicht ernsthaft beantwortet werden soll, sondern einfach als Form der Höflichkeit gestellt wird. Wie das How do you do? im Englischen: Man lächelt und sagt nichts weiter, oder stellt maximal die gleiche Frage zurück. Man antwortet nicht ernsthaft auf die Frage. Als ich die Frage gestern gehört habe, musste ich überlegen: Wie ging es mir an diesem Tag mit meinem nächsten psychiatrischen Gespräch?

Freitag morgen, der Wecker soll um elf Uhr klingeln, damit mein Zeitplan rund ablaufen kann: Meine Sachen packen, die Anamnese- und Erstgespräch-Fragebögen ausfüllen, das "ertragreiche" Gutachten vom ZiP in Lübeck kopieren (ertragreich insofern, als dass es mich zur Weißglut gebracht hat und ich infolge dessen ein Jahr lang die ganze Fachliteratur zum Asperger-Syndrom gewälzt habe und dadurch letztlich den Mut aufbringen konnte, einen zweiten Diagnoseversuch zu starten). Den genauen Zugfahrplan heraussuchen, um meinen Termin um vierzehn Uhr zu erreichen, nochmals die Innenstadtkarte von Neumünster ausdrucken, mit dem Weg vom Bahnhof zum Krankenhaus markiert. Das richtige Outfit heraussuchen, Logiktrainer einpacken, Uhren und los. 

Allerdings bin um um halb zehn bereits gut erholt aufgewacht, habe überlegt, ob ich mich wieder hinlegen soll, um die Zeit bis zum Weckerklingeln zu überbrücken - eine reale Option für den Aspi, denn das war schließlich der Plan - aber bin dann einfach trotzdem aufgestanden. Wach werden, Nachrichten lesen, nochmal alle Fragebögen und das ZiP-Gutachten sichten und auf geht's. Gerade das Gutachten hat mich wieder ein wenig wütend gemacht, oder traurig oder verwirrt, weil es so gar nicht meinen Lebensalltag widerspiegelt.

Whatever, es ist kurz nach zwölf, um halb eins muss ich raus, um meinen Plan einzuhalten, der Zug fährt kurz nach eins vom Hauptbahnhof. Schlüssel in der Hosentasche, check, Rucksack gepackt, check, Portemonnaie, check, fünf vor halb, ab nach draußen. Schnell noch die Wohnung abschließen, zumindet bei längeren Aufenthalten außerhalb der Wohnung denke ich daran. Maaaaan, warum klemmt jetzt der Schlüssel, mach hinn... WTF?!!! Das ist nicht mein Ernst!

Ich erkenne den Achterbahnanhänger am Schlüsselbund, den ich von der Sannitanic bekommen habe, Shambhala im spanischen PortAventura, und den Anhänger Schlüssel des Erfolgs. Das ist mein Schulschlüssel, kein Wunder, dass der nicht passt, ich muss in der Eile auf die falsche Hosentasche geklopft haben, wandere mit der Hand zur anderen Hosentasche - aber da ist nur ein Lippenpflegestift.

Echt jetzt? Ich habe mich nach sieben Jahren zum ersten Mal aus meiner Wohnung ausgesperrt? Sämtliche Gedankenzüge entgleisen:

Scheiße, ich bin im Zeitplan, soll ich jetzt bei Vonovia anrufen, aber wie, ich habe ja kein Handy dabei, soll ich bei meinem Nachbarn klingeln, ob ich von dort aus anrufen kann? Aber dann bekomme ich meinen Zug nicht mehr, der in... achtundzwanzig Minuten fahren soll. Wie komme ich in meine Wohnung zurück? Verpasse ich jetzt gerade den Bus zum Bahnhof? Warte... du hast den Zweitschlüssel für die Wohnung bei den Eltern der großen Buba deponiert. Jetzt hinrennen? Wie lange dauert das, hin und dann zum Bahnhof weiter? Soll ich das jetzt machen oder lieber nach dem Arzttermin? Ich habe keine Ahnung, wie lange der dauern wird! Was, wenn nachher keine da ist? Wo soll ich mich aufhalten, bis sie zurückkomme? Und - die Hausschlüssel sind vor einer ganzen Weile mal ausgetauscht worden, hatte ich ihnen überhaupt den aktuellen Schlüssel gegeben? 

Shit, Stillstand nützt gerade gar nichts, ich kann im Moment nichts an der Lage ändern, also renne ich die Treppen runter, stehe unten an der Ampel, Zeiger auf fünfunddreißig, noch siebenundzwanzig Minuten Zeit, Mist, und ich muss ja auch noch die Zugfahrkarte besorgen. Scheiß drauf, ich renne jetzt zum Buba-Haus und versuche es zumindest einmal. Gesagt, getan, auf dem Weg renne ich fast ein paar SchülerInnen um, die auf ihrem Heimweg sind, und stehe dann vor der Haustür. Ohklott, war ich hier überhaupt schon einmal allein? Ich habe noch nie den Zweitschlüssel gebraucht, was sage ich, wer öffnet die Tür, öffnet überhaupt jemand? Erkennen sie mich wieder? Whatever, klingeln.

Und ein paar Momente später sehe ich einen Schatten hinter der Haustür. Ohklott, es könnte klappen, achtunddreißig, noch vierundzwanzig Minuten. Ich strahle die große Buba-Mama an und rattere die Situation im Stakkato herunter, und drei Minuten später verlasse ich mit meinem Ersatzschlüsselbund - an dem tatsächlich die neuen SchlüsselInnen (so würde Aristophanes es gemäß seiner Wolken bezeichnet haben) befestigt sind - renne zum Bus, und jetzt machen wir es kurz, sitze um drei Minuten nach zwei Uhr im Zug nach Neumünster. Wir rollen los, und ich kann endlich durchatmen, der Schock ist verarbeitet und ich bin gerade einfach nur dankbar. Das ist eine der Lojong-Losungen: Übe Dich darin, allen höchst dankbar zu sein.

Ich finde es bemerkenswert, wie wenig ich die passage of time bemerke, wenn ich mit meinem Psychiater spreche. Als ich wieder draußen war und auf dem Weg zum Bahnhof, zeigte mir eine Uhr an der Straße sechzehn Uhr fünfundvierzig an. Über zweieinhalb Stunden? Wo ist die Zeit hin? Was haben wir gemacht?

Einen Plan. Genaueres unterliegt der doctor-patient confidentiality, aber ich bin mit einem Plan im Kopf nach Hause gefahren, und das beruhigt - nicht ohne mir vorher den Arsch am Bahnhof abzufrieren, weil ich den Zug nach Kiel gerade verpasst hatte und der nächste bereits mit fünfzehn Minuten Verspätung angekündigt wurde.

Und nun ist es Samstag, und ich bewege diesen Plan noch immer in meinem Kopf, in all' seinen Variationen. Irgendwann berichte ich davon. Nicht jetzt, ich brauche selbst erstmal Zeit, mich auf was Neues einzustellen.

Kurz gesagt: Ich bin gespannt.

post scriptum: Ach ja, wie kam es zum Titel des Beitrags? Während unseres Gesprächs musste ich an eine Szene aus dem Studium denken, als ich eine Kommilitonin gefragt hatte, was der Unterschied zwischen einem Psychologen und einem Psychiater sei. Psychologen sind die, die reden, und Psychiater sind die mit den Tabletten. Klischee, aber mit einem Korn Wahrheit.

paulo post scriptum: Liebe Eltern, ich rufe morgen an, ich brauche noch Zeit zum Denken.

Sonntag, 1. Januar 2023

Herr Homann geht zum Psychiater


Mittwoch, der 28.12.2022, 21:45 Uhr

Donnerstag, der 29.12.2022, 00:59 Uhr

Nein, das brauchte noch etwas länger, bevor es auf's "Papier" kann. Das wird ein fortlaufender Beitrag, den ich über diese Woche verteilt sammele und dann an Neujahr veröffentliche. In der Zwischenzeit werde ich vielleicht noch einen Beitrag parallel herausbringen, damit sich niemand Sorgen macht. Gerade Eltern sind gut darin.

Gestern - whoops, vorgestern habe ich eine Mail von meinem Psychiater in NMS bekommen, der angefragt hat, ob ich zu einem spontanen ausführlicheren ersten Gespräch bereit wäre - wenn es mir denn nicht zu spontan ist - morgen. Am Freitag, dem Dreißigsten, vormittags um elf Uhr im Friedrich-Ebert-Krankenhaus in Neumünster. Noch zweimal schlafen. Das ist so aufregend, dass ich befürchte, die große Buba dürfte am Dreißigsten zu kurz kommen, denn was auch immer wir in diesem ersten direkten Gespräch erörtern, wird mir eine Weile zu denken geben, und dann ist ein Meditationstag angesagt. Passend zum Jahreswechsel.

Ich schaue mir jetzt noch eine Folge der neuen zweiten Staffel von Alice in Borderland (2021) an, um den Kopf freizubekommen; parallel habe ich heute zum ersten Mal Kiyoshi Kurosawas Cure (1997) gesehen, einen psychologischen meditativen Thriller, der unter die Haut kriecht und nachwirkt, weil er unter anderem mit dem Thema Vergessen und Erinnern, mit Amnesie zu tun hat.

Und das wiederum betrifft mich persönlich, denn ich realisiere - wie ein kalter Guss über meinen Rücken - dass meine Mutter immer mehr Dinge vergisst. Dazu vielleicht einen Beitrag morgen, mir schwebt da etwas vor. Ansonsten gehört der morgige Tag dem Wäschewaschen, Haarefärben, Fingernägellackieren, Unterlagensammeln und Reiseplanungen für Freitag. Aber davor erstmal ausschlafen, und wiederum davor erstmal in's Bett. 

Und zu diesem Zeitpunkt weiß nur die große Buba, was für mich am Freitag ansteht. Und warum das so ist, dazu schreibe ich morgen in diesem Beitrag etwas. (oder auch nicht)

10:16 Uhr

Vier Stunden Schlaf müssen erstmal gereicht haben. Ich habe eben ein weiteres Mal zwei Fragebögen für die Autismusdiagnostik ausgedruckt und werde da gleich mal schnell durchkreuzen und anstreichen. Natürlich wandern diese beiden Tests in digitaler Form auf meine Festplatte, denn sie sind sehr hilfreich für meine persönlichen Einschätzungen in der schulischen Arbeit. 

Als ich diese (und zwei weitere) Bögen vor knapp vier Jahren im Lübecker ZiP ausfüllen durfte, war ich sehr positiv aufgeregt, weil nun endlich was in Bewegung kam; dementsprechend war meine Stimmung auf das Gutachten hin im Eimer, weil sich alles so nutz- und ausweglos angefühlt hat. Jetzt weiß ich, dass die Situation eine andere ist, denn ich kenne meinen derzeitigen behandelnden Arzt seit mehreren Monaten zumindest digital, aus Mails und zwei Telefonaten, und ich weiß, dass er mich ernst nimmt und die wichtigen Informationen nicht einfach unter den Teppich kehren wird.

Der Plan für heute ist etwas chaotisch, deswegen gibt es zum Wachwerden entspannende Musik von Ott. Das hilft dabei, runterzufahren und den Überblick zu behalten, und meine Checkliste für den Tag hatte ich ja bereits vor dem Schlafengehen aufgeschrieben. Ich sollte direkt loslegen, damit ich heute Abend für die große Buba verfügbar bin, ein bisschen Ablenkung könnte ganz gut sein - vorausgesetzt, ich habe einen exakten Zeit- und Lageplan für morgen.

17:42 Uhr

Jetzt kommt das Paralleldenken - an diesem Beitrag arbeiten und heute einen anderen veröffentlichen. Ich freue mich auf die große Buba nachher, ich habe heute den Cambridge Autism Quotient (AQ)-Fragebogen ausgefüllt für den Arzt morgen, und ebenfalls den Emotional Quotient (EQ). Letzteren will ich mit der großen Buba nachher mal ausprobieren; ich erwarte, dass unsere Ergebnisse doch recht deutlich auseinander gehen werden. Wie spannend. Und wenn sie heute nacht wieder weggerollt ist, folgt der Schlachtplan für morgen.

Alles zu seiner Zeit.

Freitag, der 30.12.2022, 08:44 Uhr

Gestern hat alles geklappt. Die große Buba war da, das hat gut getan zur Ablenkung. Im Blog habe ich einen Artikel zur wahrgenommenen Kürzung der Aufmerksamkeitsspanne bei heutigen SchülerInnen gepostet. Danach hatte ich mir bei Google Maps meinen

18:30 Uhr 

Tastatur hat ausgesetzt, warum auch immer. Ohklott, ich bin Aspi. Meditation, laaaaaaange Meditation, und dann schreibe ich. Im Moment absoluter Informations-Overload (auch wegen einer Nachricht aus dem Leben der großen Buba).

Samstag, der 31.12.2022, 01:50 Uhr

Okay, ich merke, den genauen Ablauf des Tages werde ich erst nach dem Schlafen aufschreiben. Aber ich möchte dieses Gefühl hier festhalten. In der Badewanne kamen die Tränen in Strömen, aus Glück und Erleichterung. Dass ich tatsächlich so als Mensch OK bin, wie ich bin. Dass ich geistig behindert bin, und dass ich damit ein paar Rechte habe. Dass ich einen Arzt für die ambulante Behandlung habe, der sich wirklich um mich kümmert, und dass ich damit bessere Chancen habe, an der Toni zu bleiben. Und diese Erleichterung, dass alles, was ich in den letzten drei Jahren recherchiert und theoretisiert habe - dass das alles tatsächlich zutrifft. 

Ich bin auf'm Spektrum.

Mh, da kommen die Tränen schon wieder, das muss erstmal verarbeitet werden. Endlich ist diese Unsicherheit weg! Auf einmal gehen alle Türen in meinem Kopf wieder auf - längerfristige Projekte an der Schule planen, die Wohnung aufzuarbeiten. Und mich bei einigen Menschen melden, die ich ratlos zurückgelassen habe, wie zum Beispiel Prof.' Jutta Zimmermann, bei der ich meine grauenhaft schlechte mündliche Examensprüfung in Englisch abgelegt habe - ich habe jetzt endlich Erklärungen parat. Und zu Prof. Jan Radicke, der für mich tatsächlich sowas wie ein universitärer Ziehvater geworden ist und der mich damals besser verstanden hat, als ich selbst. Zu Dr. Jens-Peter Becker, mit ihm über seine Kindheit sprechen (denn ich wette, sein Gehirn ist wie meines konfiguriert). Zu Bernd Keilholz, meinem Lateinmentor im Referendariat, der mich schneller durchschaut hatte als ich mich selbst, und mit dem ich tolle Gespräche führen durfte. Ihnen zumindest eine Art Erklärung zukommen lassen, oder vielmehr meinen tief empfundenen Dank für das Vertrauen, das sie alle in mich gesetzt hatten, auch wenn ich teilweise extrem angeeckt habe.

Und dann irgendwann zu meinem Bruder, in einem Versuch, ihm zu helfen.

04:49 Uhr

Äh ja. Und damit habe ich eben nochmal vier Stunden Achterbahnvideos auf Youtube angeschaut. So wie früher im Studium. Ich kann kaum begreifen, dass dieses eine, erste Gespräch so viel im Kopf lösen kann. Beziehungsweise, dass ein Autist unter Stress so stark blockieren kann... Ab in's Bett, morgen steht viel an!

18:04 Uhr

Die große Buba ist gegangen und ich mache meine Meditationsvorbereitungen. Dazu kommt nun endlich der Bericht über den gestrigen Tag, den Besuch bei meinem Psychiater:

Ich hatte morgens nach dem Weckerklingeln tatsächlich noch überlegt, eine Ausrede zu finden, um abzubrechen. Dass die Züge nicht fahren würden, oder einfach ehrlich sein, dass ich mich nicht traue an einen unbekannten Ort mit einem Menschen, von dem ich nur die Stimme kenne. Aber es ist wie wenn ich Zahnschmerzen habe; irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem ich sage: Es reicht. Keine weiteren Verzögerungen mehr.

Zumal Google Maps mir mit dem Routenplaner angezeigt hat, dass das Friedrich-Ebert-Krankenhaus extrem einfach vom Bahnhof aus zu finden ist und man nur eine Viertelstunde Fußmarsch vor sich hat. Aus dem Bahnhof heraus geht es quasi nur geradeaus und man ist da. Mein Psychiater hat mir geschrieben, dass es etwas umständlich sein kann, sich im FEK zu orientieren. Ich bin also seinem Rat gefolgt und mir hat eine sehr nette Dame an der Rezeption genau gesagt, wo es lang geht. Tatsächlich sehr verwinkelt, und wenn man im Eingangsgebäude im zweiten Stock ist, kommt man bei'm hinteren PIA-Gebäude (die große Buba sagt "Gebaude", denn sie hat gute Uhren, nur im Moment gerade nicht) automatisch im ersten Stock an. 

Ich stehe an der Eingangstür zur PIA (Psychiatrische Instituts-Ambulanz) und es geht direkt los mit einem grandiosen Glas Asperger pur: Die Glastür ist geschlossen, es klebt ein großes Schild drauf: "STOP! Bitte Türöffner benutzen." Ich suche nach dem Knopf, ah, da links neben der Tür ist er ja. Ich drücke drauf und es passiert... nichts. Und ich bleibe stehen. Eine Minute. Zwei Minuten. Drei, vier. In der Zwischenzeit laufen zwei Schwestern an mir vorbei, von links nach rechts, rechts nach links, ich stehe. Fünf Minuten später drücke ich nochmal auf den Knopf, etwas länger. Nichts. Ich frage mich, was die Erklärung dafür sein kann. Ah, vielleicht ist das eine Klingel, ich sehe ja da hinten schon die Infotheke, an der sicherlich eine Frau sitzt, die dann die Tür öffnet. Ist bei meinem Hausarzt und Zahnarzt auch so. Aber warum reagiert denn keiner? Ah, sicherlich

Sonntag, der 01.01.2023, 14:29 Uhr

Oh mann... die Nacht nach dem Arztbesuch war so kurz, dass ich ein ordentliches Schlafdefizit aufgebaut habe, und gestern bin ich dann fix in's Bett gefallen. Wo war ich?

Genau, keiner reagiert auf die Türklingel. Bestimmt hat die Person am Infotresen hinten gerade ein längeres Telefonat, da sollte ich nicht stören, also warte ich weiter und mache nichts und stehe da wie bestellt und nicht abgeholt. Nach acht Minuten kommt eine junge Assistentin aus der PIA durch die Glastür und geht an mir vorbei, super, ich nutze die Gelegenheit, um hineinzugleiten und gehe zur Anmeldung. 

Später stellt sich heraus, dass der Türöffner kaputt ist und ich einfach die Klinke hätte nutzen können, um die Tür zu öffnen. Aber - auf dem Schild steht STOP! und deswegen habe ich da gestanden und nichts gemacht. Mehr Autist geht nicht - und das war eine Anekdote, die meinem Arzt dann bei der ersten Einschätzung vermutlich deutlich geholfen hat.

Jetzt kommt der Punkt, an dem ich mir einmal gönne, nicht alles im Blog zu schreiben. Der Inhalt des Gesprächs gehört zur doctor-patient-confidentiality und geht Euch nichts an. Es gibt tatsächlich Facetten an mir, die ich für mich behalte, auch wenn für manche Leser dieses Blogs ein anderer Eindruck entstanden sein mag. Schauen wir also nur auf die wesentlichen Punkte dieses Gesprächs, das gut zweieinhalb Stunden gedauert hat, mir aber gerade mal wie dreißig Minuten vorkam, hochkonzentriert, voll in the zone.

Was mir aufgefallen ist: Einen großen Teil des Gesprächs hat er geredet, und oft musste ich einfach nur erleichtert nicken, aber es gab dann auch Phasen, in denen ich selbst aus meinem Leben losgelegt hatte - ohne irgendwelche Geheimnisse. Ich habe mir gesagt, dass mein Psychiater ein Mensch sein sollte, dem ich Vertrauen kann, und wir haben über alles geredet, was mir früher vielleicht auch unangenehm hätte sein können.

Was mich so besonders erleichtert hat: Im Englischen gibt es den Ausdruck "I see you" - wenn man jemanden genau als den Menschen erkennt, der er wirklich ist. Das kommt nicht oft im Leben vor, und ich hätte ihm zwischendurch attestieren können "You see me", und deswegen habe ich mich so ernst genommen und geborgen und sicher in seinem Büro gefühlt. Ich habe ihm mein Ego-Buch dagelassen, und die Fragebögen, die ich ausgefüllt hatte, er hat mir einen nächsten Termin Ende Februar gegeben und dann zwei Dinge gesagt, die ich in dem Moment erstmal nur zur Kenntnis genommen habe, und die dann intensiv nachwirken sollten:

"Bevor ich sie gehen lassen, kann ich ihnen jetzt schon sagen - also eigentlich soll man das nicht, aber - ich kann ihnen jetzt schon sagen, dass das ein ziemlich eindeutiger Fall ist."

und zum Schluss:

"Eine wichtige Frage habe ich noch: Brauchen sie irgend etwas? Brauchen sie Hilfe für irgendwas? Vielleicht eine Krankschreibung wegen des Termins bei ihrem Zahnarzt? Sie wissen, dass ich sie für so etwas krankschreiben lassen kann? Oder brauchen sie vielleicht ein Medikament, um nachts besser schlafen zu können?"

Und dann ist jene Geschichte in meinem Kopf einfach herausgeklötert und ich habe ihm erzählt, wie sehr mir ein bestimmtes Medikament einmal geholfen hat. Gefunden, und so habe ich die Klinik danach verlassen.

Mit einem Gefühl von Leichtigkeit. Freude. Glück. Das hat eine Weile gedauert, und es dauert immer noch an, das zu realisieren. Ich bin den ganzen Rückweg zum Bahnhof strahlend durch NMS gegangen, habe in acht Apotheken auf dem Weg versucht, die Tabletten zu bekommen, waren nirgendwo vorrätig, also habe ich sie mir dann in Kiel bestellt und gestern vormittag abgeholt. Nun sind sie da. Und ich bin Autist.

17:25 Uhr

Und ich bin OK, so wie ich bin.

post scriptum: Und vielleicht versteht man nun, warum ich abends in der Badewanne angefangen habe, wie ein Schlosshund zu heulen. Ich bin gerade unendlich glücklich.

Nächster Termin ist Ende Februar, ich habe Hausaufgaben bis dahin, es kann losgehen.



Freitag, 23. September 2022

Rückschlag


Soeben habe ich mit meinem Psychiater telefoniert. Endlich. Ernüchternd: Die psychiatrische Fachklinik, deren Chefarzt er ist, soll Ende diesen Jahres geschlossen werden, wie seinem Team Ende August mitgeteilt wurde. Es wird keine Relevanz dafür gesehen - ein ziemlicher Schlag in's Gesicht, wenn man die über einhundertsiebzig teilweise akut psychotischen Patienten auf der Warteliste bedenkt.

Willkommen in unserem Gesundheitssystem. "Frag' doch mal bei Dr.Hild in Kiel nach, die ist darauf spezialisiert, die hat auch gerade erst einen meiner Klienten diagnostiziert." ist ein lieb gemeinter Ratschlag, den ich in der Schule bekommen kann, aber Dr.Hild sagt sehr deutlich: "Aufgrund vieler Anfragen kann ich zur Zeit keine Autismus-Diagnostik anbieten." So wie Brit Wilczek. So wie jeder auf Autismusdiagnostik spezialisierte Arzt in diesem Land.

Something is effing wrong. Die manisch-depressive Achterbahn hat den nächsten Airtime-Hügel überquert und ist auf rauschender Talfahrt.

Für mich ist jetzt weiteres Warten angesagt, weil der Psychiater in Neumünster nicht loslassen will und versucht, mich über das Friedrich-Ebert-Krankenhaus irgendwie aufzunehmen, um zumindest auf ambulantem Weg eine Diagnose zu erstellen. Er meldet sich. Vielleicht Anfang nächsten Jahres.

Sorry, aber heute brauche ich definitiv keine weiteren menschlichen Kontakte.

post scriptum: Die große Buba des Nachts vielleicht ausgenommen.

Mittwoch, 13. Juli 2022

Einschreiben mit Rückschein


Ich fühl' mich schon richtig behindert!

Heute ist endlich der Antrag, ohklott, wie war noch der genaue Name? Irgendwas in Richtung Antrag auf das Feststellungsverfahren nach dem Schwerbehindertengesetz, oder so ähnlich. Für Behördenverhältnisse erstaunlich schlank, vier Seiten Papier, das schafft es kaum in die Ränke des Bürokratiergeheges. Egal, ich habe das allein ausgefüllt und bin ein bisschen stolz. An diesen Antrag bin ich allerdings nicht allein gekommen, dazu hatte ich Hilfe, danke Christian!

Natürlich muss ich angeben, weswegen ich mich denn überhaupt antragsberechtigt halte äi käi äi die gesundheitlichen Einschränkungen, derer wegen ich mich um Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) bemühe. Da kommt natürlich die Autismus-Spektrums-Störung hin, und als Autist hat man tatsächlich Anrecht auf einen GdB von mindestens fünfzig Prozent. Warten wir's mal ab; und dann kommt da auch das atopische Ekzem hin, besser bekannt als Neurodermitis. Denn darauf gibt es auch einen GdB, je nach Schwere bis zu vierzig Prozent, und wenn ich das alles richtig verstanden habe, werden die verschiedenen Werte aufgerechnet. Sollte ich am Ende einen GdB von mindestens fünfzig erreichen (müsste ja, Autist und so), dann gelte ich offiziell als schwerbehindert.

Es ist doch faszinierend, wie man fast vierzig Jahre seines Lebens schwerbehindert sein kann und das niemand irgendwie realisiert. Was das dann für meinen Lebensalltag bedeutet, darüber kann ich später noch nachdenken; Hauptsache ist, dass der Antrag abgeschickt ist, denn der Bescheid gilt später rückwirkend zum Datum des Eingangs, auch wenn zum Beispiel sämtliche Diagnoseunterlagen erst nachgereicht werden müssen - Mitte August wird es dort Neuigkeiten geben, vielleicht, also ist erstmal Abwarten angesagt, und Tee trinken, und das Beben überwehben, wenn die große Buba über diese Stadt hereinbricht oder -rollt. 

Das war das erste Mal, dass ich etwas als Einschreiben mit Rückschein versendet habe, wie aufregend. Aber ich will auf keinen Fall riskieren, dass der Antrag irgendwie verschlampt wird (deswegen habe ich ihn natürlich auch noch in Kopie hier zuhause), ich möchte einen konkreten Ansprechpartner im Sozialamt haben und einen konkreten Termin, wann der Antrag dort eingegangen ist. Dann habe zumindest ich nichts falsch gemacht, wenn's schiefgeht.

Es ist interessant, welche Rechte man als Schwerbehinderter in Anspruch nehmen kann - ich bin mal gespannt, was ich da zusammen mit meinem Psychiater rausschlagen kann, inklusive endlich einer Bromazepam-Verschreibung. Research Chemicals sind einfach zu unsicher.

Was für ein aufregender Tag! Eigentlich wollte ich heute nach dem Abschicken in den Hansa-Park fahren, aber das war zuviel für mich. Muss erstmal alles verarbeitet werden.

Montag, 27. Juni 2022

Stuhlkreis For Breakfast & Meltdown vor der Klasse


vorweg:

Freitag, 24.06.2022, 18:04 Uhr

Wie fange ich nur an? Wo? Kopf. Gegen Außenwelt abschirmen. Shutdown, nur ich, nur Musik, nur denken.

20:46 Uhr:

Sehr schönes period drama (siebzehntes Jahrhundert England, post-Cromwell, Thema Emanzipation der Frau) angeschaut, hat geholfen, den Kopf etwas runterzubringen ("Fanny Lye deliver'd", 2019). Bin aber immer noch prä-Meditation, Bad wartet, kaltes Wasser dürfte gegen den Neurodermitisschub helfen. Wird definitiv The Orb werden, gleich.

23:28 Uhr:

Ich muss zuerst ein paar Menschen von heute kurze Nachrichten schicken, Verhalten erklären, Rückmeldung zum Projekttag schicken blablabla. Der Blogeintrag muss warten (wobei der Insider natürlich weiß, dass der Eintrag parallel im Kopf bereits geschrieben wird).

Samstag, 25.06.2022, 12:57 Uhr:

Geschlafen bis jetzt trotz 30°C in der Wohnung die ganze Nacht über. War wohl nötig. Jetzt erstmal "Frühstück" und Google News. Ich sehe das schon kommen: Ich werde den eigentlichen Blogartikel, den Account vom Freitag inklusive meiner Zukunftsperspektive erst morgen tippen. Passt schon, in meinem Kopf schreibt er sich bereits voran, und die Hausarbeit für das zweite Staatsexamen habe ich auch am letzten Abend vor Abgabe runtergeschrieben. Erstmal richtig wachwerden, mit Otts Skylon als sanftem Begleiter - geht nichts über etwas Dub am Morgen. Mittag. Whatever.

13:45 Uhr:

Und dann fällt "Roe". Und dann gibt es mal wieder ein Attentat auf einen schwulen Club, diesmal in Oslo, zwei Tote. Alles weit weg von hier, aber das erschüttert mich. Einmal raus, in die Stadt gehen, ich brauche Luft, und lese Lois Duncans "Gallows Hill" weiter, um den Geist durchzulüften.

19:00 Uhr: 

Ich zerfließe, aber Therapie ist parat. Interessant, wie mein Gehirn einen Eintrag zur Massenhandtuchwäsche schreibt (ist in einer Dachgeschosswohnung nötig) und gleichzeitig weiter den wirklich wichtigen Beitrag im Hintergrund tippt. Es ist irre, was das menschliche Gehirn alles leisten kann!

23:11 Uhr: 

Und jetzt die Ankündigung, dass "Obergefell" kippen wird - damit wird die Ehe für alle in den USA wieder Geschichte. Grauslig. Einziger Lichtblick gerade die Erkenntnis, dass dieser ganze Tagebuchkram als Metaebene in einem vorweg: kursiv gesetzt wird und ich endlich den eigentlichen Beitrag beginnen kann.


Freitagmorgen. Um halb sechs klingelt der Wecker, ich habe nur vier Stunden geschlafen, aber eine Koffeintablette macht mich arbeitsfähig. Heute lese ich mal keine News direkt nach dem Aufstehen, sondern schaue, ob mein Tagesplan immer noch steht: Acht bis Dreizehn Uhr erster Projekttag Vielfalt im Film, Vierzehn Uhr Abschiedsfeier der MSA-Kids, dann schnell nach Hause: DrS, mein Psychiater in Neumünster hat mir ein Zeitfenster von Dreizehn bis Sechzehn Uhr angeboten für ein Telefonat. Ich habe Panik, und ich bin aufgeregt, und ich fürchte, dass ich nach den ganzen Schulsachen mich doch wieder um das Telefonat drücken werde.

Aber gerade deswegen hat er mir ja vorgestern noch eine zweite Nachricht geschickt, in der er meine Telefonangst anerkennt und mich ermutigt, es trotzdem zu tun, und ich könne gar nichts falsch machen, im Gegenteil, wenn, dann sei er es, der etwas falsch mache, wenn er nicht die richtige Hilfe und Auskunft gebe. Whatever, compartmentalizing, das kommt später. Jetzt den Bluray-Player einpacken, und die Filmtasche, alle sechsunddreißig Filme sind drin. Ach so... sollte ich den Ablauf des Projekttags vielleicht noch einmal aufschreiben? Ich mache es, zur Beruhigung, aber eigentlich habe ich alles im Kopf.

Wo ist nur die Schachtel mit den name tags and clips, ich wollte mir doch so ein schönes Namensschild zurechtbasteln, nachdem ich den Schülern das am Dienstag aufgegeben hatte. Scheiße. Ich kann sie nicht finden, und da hilft es auch nicht, die gleiche Suchroute in der Wohnung dreimal abzugehen. Vielleicht liegen sie im Auto. Zeit läuft weg, Aufbruch.

Projektgruppe ist vom Tag der Vorbesprechung ein wenig geschrumpft, aber sie sehen alle startbereit aus. Sollte eigentlich mit einem Stuhlkreis beginnen, aber sie haben sich schon anders hingesetzt, whatever. Zick zack, Vielfalt, Mind Map, machen wir mal eine Timeline an's Whiteboard, notieren bahnbrechende Filme in Sachen Technik. Beide Freaks-Filme geschaut, SchülerIn brauchten nicht lang, um zu bemerken, dass die "normalen" in den Filmen negativ wirken aufgrund ihrer Abneigung gegenüber den Andersartigen, passt. 

Dazwischen halbe Stunde Frühstückspause. Wie es nun mal ist, gehen die meisten zu Rewe, das ist eine Tradition an dieser Schule. Irgendwie werde ich das vermissen, SchülerInnen zu begegnen, die heimlich in der großen Pause in den Supermarkt wollen, obwohl sie noch in der Sek I sind, und sie zurückzupfeifen. Wir bleiben zu dritt im Raum, mein Autist aus Neun, ein weiterer Schüler und ich, und wir reden ein bisschen über Autismus und so ganz nebenbei finde ich heraus, dass auch der zweite Schüler im Raum Autist ist, und so nerden wir ein bisschen rum über die Vor- und Nachteile einer frühen Diagnose. Ja, es gibt Nachteile. Nicht jetzt, nicht hier. Viel wichtiger bleibt mir im Kopf hängen, dass ich nicht der Einzige im Raum bin, der in seiner Kindheit fasziniert der Waschmaschine zugeschaut hat. Rain Man. Das scheint echt ein Klassiker zu sein.

Ich könnte mit den beiden noch weiter über Autismus reden, das ist so wunderbar entspannt, endlich mal darf ich davon ausgehen, dass meine Gesprächspartner das meinen, was sie sagen, und muss da nicht viel grübeln. Echt erleichternd. Vielleicht sollten wir eine autistische Gesprächsrunde in der Schule einrichten.

Whatever, geht jedenfalls weiter im Programm, und dann muss ich ihnen nur noch die Filmtasche zeigen und dann können sie sich ihre Filme

"DU! JETZT! ZUM CHEF!"

Was macht die kleine Hummel hier? Ich kann nicht jetzt

"LOS! NICHT DENKEN!"

"Das ist scheiße, das ist richtig scheiße gerade", fahre ich sie vor der Gruppe an.

Gedankenzüge entgleisen, was mache ich hier, ich gehe mit der Hummel in den Verwaltungstrakt und sie erklärt mir auf dem Weg, dass er mich an der Schule behalten möchte. Dass ich bleiben kann. 

Ich bin absolut überfordert, weiß gar nicht, wie ich diese Info verarbeiten soll, die Hummel setzt mich auf die Wartebank vor'm Chefbüro. Ich werde reingerufen, und tatsächlich. Ich kann ein Jahr verlängert werden, ich kann das kaum begreifen und werde gefragt, ob ich wohl ein weiteres Jahr an der Schule bleiben möchte, äh, ja? Nur noch warten bis Montag, dann wissen wir, ob alle Ampeln grün sind, aber das wird klappen.

Ich gehe mit einem Gefühl von frei zurück zu meinen Leuten, die letzte Stunde des Projekts erlebe ich wie in Trance, der Kopf längst nicht mehr bei Vielfalt im Film. Ende, raus auf den Schulhof, durchatmen. Es ist unglaublich heiß, und ich freue mich schon auf meinen Backofen äi käi äi Wohnung. Ich muss noch eine Stunde warten für die Abschiedsfeier, aber ich will meine Kids unbedingt mal in schick sehen. 

Und schick erscheinen sie. Wow, ich erkenne meine SchülerInnen kaum wieder! Ein Schüler mit wehenden Haaren und Sakko wie ein polnischer Pianist, eine Schülern mit Make Up, ondulierten Haaren und Kleinem Schwarzen sieht auf einmal total erwachsen aus, ich kann mich gar nicht satt sehen an diesen jungen Menschen, die plötzlich so etwas wie Seriosität zeigen. Ich genieße die Feier, die Vorträge und alle schwitzen, es sind gefühlt vierzig Grad in der Banane und der Blick wandert immer wieder zur Uhr, vierzehn Uhr dreißig, ich würde gern die Zeugnisübergabe sehen, aber ich muss aufbrechen.

Das Zeitfenster für das Telefonat mit DrS ist nämlich nicht unendlich groß. Ab nach Hause, fünfzehn Uhr. Ich habe einen Job. Bilder von der Verabschiedung. Alles kreist im Kopf und ich rufe leicht panisch DrS an, den ich vorher noch nie gehört habe und ich weiß gar nicht, wie dieses Gespräch werden wird und hoffe, er führt mich da gut durch.

Tut er. Wir sprechen knapp fünfzig Minuten, in denen mir bewusst wird, dass ich endlich ernst genommen werde. DrS lässt mich aus meinem EGO-Buch vorlesen, alles Mögliche an Verhaltensauffälligkeiten und er sagt, dass da schon einige sehr eindeutige Dinge dabei sind, und dass er mich gern als Patienten aufnehmen möchte. Ist allerdings nicht so leicht, ambulant ist er ausgebucht wie so viele andere auch, nicht wahr, Brit Wilczek, die mir in diesem Gespräch schon wieder über den Weg läuft. Was nützt mir eine ganz tolle Frau, wenn sie keine Zeit für mich hat. Aber DrS ist dran an der Sache und wird versuchen, einen Stationsplatz für mich zu bekommen. Das könnte alles etwas zeitaufwändig werden, könnte aber auch schon nach einer Woche abgeschlossen sein. Wir verabreden uns für Mitte August, dann kann er mir vielleicht sagen, ob eine freie Stelle aufgetaucht ist. 

Telefonat beendet. Noch mehr Leichtigkeit. Ich fange an zu heulen, vor Freude, weil plötzlich alles weitergeht. Ich kann ein weiteres Jahr an der Toni bleiben, und ich habe einen Psychiater in Neumünster, der nach einem Platz für mich sucht (passt gut, dass er Oberarzt einer Fachklinik dort ist), auch wenn ich Kieler bin und der Einzugsbereich eigentlich Neumünster ist. Die Projektwoche ist gestartet. 

Tausend Gedanken verschmelzen zu einer Art Sturm im Kopf, ich brauche eine gründliche Meditation. Soll ich darüber heute im Blog schreiben? Dafür reicht die Zeit nicht, das dürfte ein etwas längerer Eintrag werden. Aber worauf warten? Okay, ich fange definitiv heute an mit einem Blogeintrag darüber. Erstmal nur stream of consciousness. Wie fange ich nur an?

Freitag, 24.06.2022, 18:04 Uhr:

Wie fange ich nur an?

Donnerstag, 23. Juni 2022

Zuviel


...und dann kommt wieder alles auf einmal. Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen, aufgeregt, nervös und habe den Kopf voll mit tausenden Gedanken, die ich kaum sortieren kann. Morgen wird ein komplexer Tag - zuerst beginnt unsere Projektwoche, und ich bin so aufgeregt, weil ich nicht weiß, ob das so klappt, wie ich mir das vorstelle, und weil ich heute keine Klemmbretter gefunden habe. Eine Stunde nach Ende des Projekttags findet dann die Abschiedsfeier für die SchülerInnen mit dem Ersten und Mittleren Schulabschluss statt, wo ich unbedingt hin muss, denn das sind Kids, die ich begleitet habe und die mir sehr viel bedeuten (und das Kurstreffen in den Sommerferien bekommen wir schon irgendwie geschaukelt). Gleichzeitig liegt das Zeitfenster, in dem ich den Psychiater in Neumünster anrufen kann, also werde ich nach der Feier nach Hause fahren, per Kurzmeditation meinen Kopf zu sortieren versuchen und dann steht eben jenes Gespräch an. 

Alles viel zu viel für einen Tag; morgen wird sich die abendliche Meditation definitiv lohnen, ich plane zwei Stunden ein und gehe mal wieder auf The Orb's Adventures Beyond the Ultraworld (1991), das begleitet schön bei'm Abarbeiten. Ich melde mich mit Ergebnissen, aber bitte Geduld wahren!

Donnerstag, 16. Juni 2022

Mit dem falschen Bein aufgestanden


Gibt es da nicht diese Redewendung? Wenn an einem Tag fast nichts klappt? Mir geht da wieder der Passierschein A-38 durch den Kopf, und mein Telefonathorror hat sich mal wieder selbst bestätigt: Ich erreiche den Arzt nicht. Nicht unter der Nummer, die er mir gegeben hat, nicht unter der anderen Nummer, die ich heute erfahren habe. Da ist ernsthaft eine kleine Panikattacke an mir vorbeimarschiert und ich habe es nochmal per Mail versucht, diesmal von meiner Schuladresse aus, vielleicht landet die nicht im Spam. Und morgen früh versuche ich es noch einmal per Telefon, bevor ich mir dann ein paar mündliche Prüfungen anschaue.

Dann der Gedanke, dass ich heute nochmal gern die Pizza mit dem Käserand hätte. Nebenbei ist es interessant zu bemerken, wie sehr die Marken ihre Artikel auf Englisch trimmen - Stuffed Crust, Salted Caramel, Salt & Vinegar, die Liste kann man sehr lang weiterführen. Die deutsche Sprache könnte dabei ein bisschen verloren gehen, wobei "Pizza mit gestopftem Rand" nicht unbedingt marketingtauglich ist.

Also fahre ich in's rewe-Zenntruwah, die haben diese Pizza immer vorrätig. So gehe ich die gefühlten vier Kilometer Weg durch Süßes und Ungesundes und lande in der Tiefkühlecke, und finde... nichts. Alles leer. Stopfpizza leer. Fischstäbchen leer. Pfannengerichte leer. Finderfood leer. TK-Gerichte leer. Ich habe die Tiefkühlecke im Center noch nie so ratzekahl leer geräumt gesehen, und aus Neugier habe ich eine Angestellte gefragt, ob der Tiefkühllaster ausgeblieben ist - wird wohl so sein, erklärt sie mir, und dass es noch sehr viel mehr Lieferschwierigkeiten zu geben scheint. Mein Gehirn denkt frei-assoziativ gleich an den Ukraine-Krieg und macht dicht. 

Ab nach Hause. In Sicherheit. Mit der letzten Schachtel Fischstäbchen, die im Regal zu finden war. Manchmal könnte man sich einbilden, es gäbe so etwas wie schwarze Tage (an denen man mit dem falschen Bein aufgestanden ist).

Aber das ist natürlich Unsinn, versichern mir Buddha und gesunder Menschenverstand. ;-)


Freitag, 22. April 2022

Too Much (Good Hair Day)


Dr Hilarius: Gutartig! :D Ich kann ab morgen wieder in die Schule! Darauf muss ich jetzt nochmal in's Bett, ich habe nur vier Stunden geschlafen (...)

Die große Buba: Huch! Damit hab ich nicht gerechnet, das ist ja .... Huch

Dr Hilarius *sinngemäß*:  Ich verstehe Deine Antwort überhaupt nicht.

Da hätten wir mal wieder einen dieser Fälle, in denen ich nicht verstehe, was die große Buba mir mitteilen will. Netterweise hat sie es mir erklärt: Sie war überrascht, dass ich so freudig släsch gelassen mit der Nachricht des Arztes umgehe, dass alles in Ordnung ist - ich hatte nämlich aufgrund der Ähnlichkeit der Symptome damit gerechnet, dass ich wieder für einige Wochen ausfalle, und hatte auch fast schon im Geiste meinen Fernunterricht vorbereitet. Und eigentlich ist es für einen Aspi doch völlig überfordernd, wenn dann plötzlich alles anders kommt, und eigentlich braucht er dann doch erstmal Zeit für sich, um das zu verarbeiten.

Recht hat sie natürlich! Aber ich war gestern total glücklich, dass alles okay ist und ich heute wieder in die Schule gehen konnte und, wie das freitags bei mir ist, all' meine Schüler wieder sehen konnte. Die Überforderung kam heute. Und das noch vor dem Anruf bei'm Psychologen.

Ich habe meinen Schülern gesagt, dass ich mich riesig freue, sie wiederzusehen - weil das wirklich so ist. Ich habe mich einfach wunderbar dabei gefühlt, wieder vor ihnen stehen zu können. Ich will wirklich an diese Schule kommen. Und zumindest ein großer Teil der Schüler will das auch, egal, wie nervig ich bin. Und diese Erkenntnis hat mich heute nach der vierten Stunde überrollt, wie eine Flutwelle aus Emotion. In meinem Kopf der Gedanke "Ich muss an diese Schule kommen". 

So funktioniert das Aspi-Gehirn: Mir ist die Sachlage klar - wenn keine Stelle zur Verfügung steht, und keine freien Stunden, dann muss ich die Schule verlassen. Und trotzdem kann mein Gehirn nur auf dieser Einbahnstraße "Ich muss an diese Schule" denken. Dann tun solche Sätze weh wie "Du solltest dich seelisch drauf vorbereiten, dass du gehen musst" oder "Denk dran, dass es vielleicht nicht klappt" oder "Häng' dich doch jetzt nicht zu sehr rein". Denn all' das kann ein Aspi nicht. Umdenken. Neu planen. Whatever, ich schreibe mich hier gerade down the rabbit hole, aber es illuminiert, wie der Tag für mich gelaufen ist.

Und dann versteht man vielleicht auch (nicht), warum ich den Psychologen um einen Gesprächstermin in der nächsten Woche bitte.

Es ist einfach zu viel. Ich bin ein visueller Typ - allein das Aussehen einiger Schülerinnen und Schüler hat mich heute umgehauen. Ein Schüler, der sich die Haare länger wachsen lässt - und das sieht sogar cool aus! Schülerinnen, die zum ersten Mal mit Make-Up arbeiten. Ich möchte all' diese Jugendlichen unbedingt weiter auf ihrem Weg begleiten!

Nur ein Schultag. Nur drei Stunden. Aber alles zuviel. 


Meditation

Donnerstag, 21. April 2022

Gutartig


Und so ist es heute dann doch bei'm Urologen geblieben, Psychologie ist morgen dran, denn ich bin mit der guten Nachricht nach Hause gekommen, dass es sich bei den Symptomen um eine Wassereinlagerung handelt, die im Nachgang einer Entzündung auftreten kann, die aber gutartig ist und keiner Behandlung oder Vorsichtsmaßnahmen bedarf. 

Das ist ungemein erleichternd, und so weiß ich jetzt, dass ich ab morgen wieder ganz normal in die Schule gehen kann. Ich kann meinen Unterricht machen, ich kann meine Schüler durch die Abschlussprüfungen begleiten, ich kann mit meinen Neunern Lois Duncans Down a Dark Hall lesen, ich kann problemlos mein Projekt für die Projektwoche planen. Das alles konnte ich vorher nicht, und wenn ich die ganze Literatur richtig verstanden habe, ist diese Blockade auf die Behinderung im Bereich Theory of Mind zurückzuführen. Der Bereich, in dem laut Gutachten aus Lübeck bei mir alles in Ordnung ist. Morgen wird Neumünster angerufen, um zu schauen, ob es eine Möglichkeit der zweiten Meinung gibt.

Das alles nimmt den Kopf heute in Anspruch, aber auf eine sehr positive, erleichterte Weise. Es kann weitergehen!

Mittwoch, 20. April 2022

Hier, da und dort


Wenn ich die Wahl habe zwischen Telefonat und Mailanfrage, entscheide ich mich gerade bei unbekannten Menschen immer für Zweiteres, und rufe erst an, wenn es nicht anders geht.

Interessant, dass alle (Nicht-ZiP-)Wege für Autismus nach Neumünster führen. Dort wäre zum Beispiel Brit Wilczek angesiedelt, die aber keine neuen Patienten aufnimmt, und dort finde ich meinen Psychiater, sowohl im Friedrich-Ebert-Krankenhaus als auch in der DRK-Klinik Hahnknüll. Das ist der Arzt, der mir vom Organisator der Selbsthilfegruppe empfohlen wurde - zumindest derzeit, da sich das wohl auch kurzfristig ändern kann.

Gleichzeitig habe ich bei'm Kieler Fenster angefragt - es ist interessant, dass ich diesen Namen seit über zehn Jahren kenne, und auch das Logo dazu, aber dass ich erst heute gesehen habe, dass diese Leute zuständig für psychologische Beratung in Kiel sind. Ich dachte immer, das hat was mit Zeitung zu tun. Talk about die Welt um sich herum nicht wahrnehmen. 

Anyway, einen Schritt weiter, jetzt mit Kühlpack auf die Couch. Morgen Urologe, Freitag dann wieder Psychologie. Und zwischendurch Schule erledigen - mein Schreibtisch und der mittlere Dachbalken sind wieder voller Notizzettel. Hier, da und dort.

post scriptum: Oh, ich habe Antwort von ihm bekommen. Neugier besiegt Ein-Arzt-pro-Tag, ich denke, ich werde morgen nach dem Urologen mal in Neumünster anrufen, denn dort könnte ich einen Schritt weiter kommen. Ach ja, da war ja noch Schule. Hyperfokus. Ich lerne ganz langsam wieder Jonglieren.

Donnerstag, 14. April 2022

Dörte Dancing


Es fühlt sich an, als würde die Wohnung aufatmen: Die Fenster können wieder den halben Tag offen stehen, ein leichter Wind zieht hindurch, es ist warm und die Sonne scheint (auch wenn ich sie meistens aus meiner Wohnung aussperre). Der Fußboden kommt nach und nach wieder zum Vorschein, ich kann ungehindert durch meine Wohnung gehen, die Dachbalken endlich wieder als monkey bars benutzen, barfuß alles im Blick haben. Weiter voran: Den Wecker auf vormittags zu stellen, macht enorm viel aus. 

Nach dem ersten Block Arbeit in der Wohnung kommt immer ein kleiner Block des Nachdenkens, und aus irgendeinem Grund musste ich heute wieder daran denken, wie fasziniert ich doch von Sprache bin, und wie sehr ich mich über manche Wortkonstrukte scheckig lachen kann. Damals in St.Peter-Ording hieß unsere Regionalschulsekretärin Dörte, und weil ich die Assonanz von Dörte und dirty so faszinierend fand (und immer noch finde), habe ich in meiner Abschiedsrede den Ausdruck "Dörte Dancing" als Anspielung auf den Film Dirty Dancing (1987) untergebracht. Ich fand das unglaublich witzig. Keiner hat auch nur gelächelt. Genau wie mit einem Paläographiesketch damals bei den Saturnalien; ich fand die Wortspielereien lustig - niemand sonst. Seltsamer Kopf.

Aber das ist gut so. All' diese Indizien können hilfreich sein auf der Suche nach einer Diagnose; morgen ist Feiertag, das ist nervig, aber es stehen ein paar Telefonate an, nützt nichts. Ich merke, dass mir die aufgeräumte Wohnung dabei hilft: Weniger Stress = Weniger Autismus-Symptomatik; so einfach das klingt, so wahr ist es für Aspis.

Mittwoch, 13. April 2022

Die Techno-Tuba

Damals waren wir noch Project Zero-jungfräulich...

"Ich glaube, das können wir auf meine Titte schreiben, oder?"

"What...?"

Es kommt nicht oft vor, dass die große Buba und ich uns nicht verstehen. Wir sind nach den Jahren mittlerweile aufeinander eingestimmt, haben unsere eigene Sprache, aber hin und wieder gibt es dann doch die Momente, in denen ich nicht weiß, was sie meint, und nachfragen muss. Es ging um Reizüberflutung (das war es doch, oder?); dieser Punkt sollte in ihren Kreis unseres Venn-Diagramms. Als HSP hat sie manchmal Probleme mit zu vielen unterschiedlichen Reizen, erst recht gleichzeitig auf unterschiedlichen Sinnen. Sie braucht zum Beispiel etwas Zeit, um etwas Gesehenes zu verarbeiten, und währenddessen geht etwas Gehörtes an ihr vorbei. Reizüberflutung.

Bei mir gehen auch Dinge vorbei, aber aus einem anderen Grund, nämlich der intensiven Fokussierung auf das, was mich gerade interessiert (Hyperfokus) - ich blende dann alles andere aus. Ich kann bei einem alten Videospiel in einer Szene Tränen vergießen, obwohl da nur Pixelmännchen hin und her gehen und der Sound noch sehr Neunziger ist. Das ist dann alles irrelevant für mich. Und so kann ich auch in einer Filmszene mich vollkommen auf das Wesentliche konzentrieren und nehme kleine Details am Rande oft nicht wahr, während die Buba das alles mit den Augen aufschlotzt.

Was für ein unnötig langes Ausholen zum heutigen Thema: Die fette Schnecke rüstet auf und schafft sich ihre eigene Videospielkonsole an. Dass ich das noch erleben darf! Bisher waren "richtige" Videospiele - also keine Handy-Apps und Ähnliches - für sie immer ein Erlebnis im dritten Stock und nirgendwo sonst. Und sie kann sich ja eigentlich richtig für diese Spiele begeistern, schwärmt ab und an von der Musik und lässt sich auf aufregende Reisen mitnehmen, und ich habe sie immer wieder genervt, warum sie denn nicht eine eigene Konsole nutze, denn dann könne sie auch zuhause in einer freien Minute mal spielen, ohne dass es immer in Kiel mit dem alten Frettchen sein muss.

Was für ein unsortierter Beitrag. Was hat die Reizüberflutung mit dem Buba-Upgrade zu tun? Sie lernt gerade kennen, welche Videospiele für sie geeignet sind und welche (noch?) nicht, weil sie zu intensiv sind. Zu überfordernd; und die neuen Spiele werden immer detaillierter, immer bombastischer, da sehnt man sich hin und wieder nach der Einfachheit (und ich freue mich schon drauf, wenn wir irgendwann mal Golden Sun spielen, oder Final Fantasy VI).

Jedenfalls bin ich stolz auf die große Buba, dass sie diesen Weg der technologischen Aufrüstung nach laaaaaaaaaaaa




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aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaahhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh



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hhhngem Zögern gegangen ist. Feidhe!

post scriptum: Und ja, die Dinge kommen hier langsam wirklich in Bewegung, die Wohnung wird tatsächlich schrittweise wieder bewohnbar, und in einem weiteren Seelenstriptease-Beitrag werde ich dann einmal zeigen, in welche Extreme Aspis gehen können. Stichwort: Wegen Corona finden die offenen Selbsthilfegruppetreffen momentan nur online statt - ich habe aber endlich eine Kontaktperson. Auch das geht voran. 

Freitag, 1. April 2022

Dankbarkeit


Lojong-Losung 13: "Übe dich darin, allen Menschen höchst dankbar zu sein."

Wenn wir am Tisch sitzen und zu Abend essen, und ich bitte jemanden, mir das Salz zu reichen, dann danke ich ihm danach. Ich fühle aber keine Dankbarkeit. In meinem Kopf ist das wie im Drehbuch eine Abfolge von Phrasen:

1 - Gibst du mir bitte das Salz?

2 - nimmt den Salzstreuer und reicht ihn rüber

3 - Vielen Dank.

Hunderttausendmal trainiert. So sehr auswendig gelernt, dass ich gar nicht mehr weiß, wie sich Dankbarkeit eigentlich anfühlt. Es ist zur Routine geworden, eine höfliche Formulierung, und das war es dann auch. Genau darauf weist die Lojong-Losung hin - Dankbarkeit soll nicht nur als Worthülse ausgesprochen, sondern ernsthaft empfunden werden.

Mich hat heute jemand an die Hand genommen. Er ist psychologischer Coach und kennt Menschen, die in meiner Situation stecken. Er lächelt mich nicht an und sagt "Wenn du Hilfe brauchst, egal was, sag' einfach Bescheid!" - und darum geht es. Diesen nett gemeinten Satz habe ich in den letzten Wochen und Monaten häufiger zu hören bekommen. Aber woher weiß ich, wann ich Hilfe brauche? Die fleißigen Leser werden sich erinnern: Aspis merken es oft nicht, wenn sie Hilfe benötigen. Sie kommen nicht von selbst darauf, jemanden um Hilfe zu bitten. Sie sind eben geistig behindert, diese Formulierung sollte man nicht ganz aus dem Blick lassen. Und so sitzt der Aspi regungslos vor dem großen Berg und weiß nicht, was er machen soll.

Anders ist es heute gewesen - oder in den letzten Tagen - als sich endlich mal jemand entschlossen hat, auf mich zuzugehen und mich an die Hand zu nehmen, damit wir endlich die ganze Sache in's Rollen bringen können. Ich will hier gar nicht auf die Details eingehen - dass ich jetzt weiß, was meine ganz konkreten nächsten Arbeitsschritte sind, inklusive Namen und Adressen und Formularen. Das gibt es bei Interesse irgendwann. Ich überlege schon wieder, komplett dichtzumachen, weil sich Menschen an meiner Mitteilungsfreudigkeit stören. Die große Buba, das ist wie mit meinem Rumnerden bei Freizeitparks, Astrophysik, Medikamenten, Horrorfilmen und Videospielen - entweder, ich gehe voll darin auf oder ich rede überhaupt nicht mehr, um dich nicht zu belästigen (nota bene: Wir haben genau dieses Thema besprochen, und bei der großen Buba darf ich dann tatsächlich auch mal in den Nerdwahn verfallen *kiss kiss, hug hug*).

Ich habe mich lange nicht mehr so dankbar gefühlt wie heute - und das ist erst im Laufe des Nachmittags langsam hervorgebrochen, inklusive Tränen in den Augen. In der Schule, bei dem Termin war es nur ein hörbares Ausatmen. Aber - wie der Meditationstag nun mal so ist - es beginnt das Nachdenken, während ich an der Nintendo Switch sitze oder mir die letzte Staffel The Expanse anschaue. Ich merke, wie ich mit dem Kopf nicht mehr bei dem Geschehen auf dem Bildschirm bin, sondern nach und nach realisiere, dass ich endlich. Endlich. Endlich! einen konkreten Handlungsplan habe, den jemand für mich gemacht hat und mit mir in Ruhe durchgesprochen hat, inklusive aller Fragen, die in meinem Kopf herumgeschwirrt sind - weil ich es in dieser Sache nämlich allein nicht schaffe. Ich bin so erleichtert, und so dankbar, dass es an dieser Schule auch Menschen gibt, die mir aktiv helfen auf diesem Weg. 

Es klingt vielleicht nicht so, aber es ist ein meilenweiter Unterschied zwischen "Wenn du Hilfe brauchst, sag' Bescheid!" und "So, ich helfe Dir jetzt!" - im ersten Fall sage ich "Danke".

Im zweiten bin ich dankbar.