Freitag, 20. September 2019

Auf die Straße!


Bushaltestelle Diesterwegstraße,

20 Menschen warten auf den Bus, der in 3 Minuten kommt... 

30 Menschen warten auf den Bus, der in 2 Minuten kommt...

50 Menschen warten auf den Bus, der in 4 (?) Minuten kommt...

70 Menschen versuchen, in 2 bereits überfüllte Busse einzusteigen.

Herzlich Willkommen auf dem Weg zur Fridays For Future-Demo!

In meinem Studium bin ich mehrfach auf die Straße gegangen für die Rechte meiner Kommilitonen - egal, ob es um Inklusionsfragen, Studiengebühren oder die Abschaffung der MedFak in Lübeck ging, und vollkommen egal, ob wir vierhundert oder achthundert Demonstranten waren, oder aber zwölftausend. Für mich war das nie eine Frage, erst recht nicht, seitdem Dr. Jens-Peter Becker damals in der Studienberatung am Englischen Seminar uns Erstis dazu aufgerufen hat, den Arsch hochzubekommen für unsere Rechte, und die oftmals armselige Beteiligung bei den Universitätswahlen hat die Notwendigkeit solcher Aufrufe unterstrichen.

Seit einigen Monaten gehen weltweit Menschen der Fridays For Future-Bewegung auf die Straße, mit Greta Thunberg als Gallionsfigur, quasi, seitdem sie mit ihrem Skolstrejk för Klimatet-Schild ihren Freitagsunterricht bestreikt hat. Heute war weltweit zur dritten großen Aktion aufgerufen worden, und ich habe lang genug zuhause herumgesessen. War einfach mal wieder Zeit, den Verkehr zu blockieren, und endlich mal den Menschen in die Augen zu schauen, deren Zukunft wir verbraten. Mal Position zu beziehen.

Was mich begeistert hat, war die Vielfalt der Demonstranten. Da geht vor mir ein fünfjähriges Mädchen vorbei, bitterböser Blick, und um ihren Hals hängt ein großes Schild "Kohleausstieg SOFORT!", und ich kann mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Links neben mir stehen zwei Rentner mit einem Schild "Opas & Omas For Future", und rechts radelt eine ältere Dame mit einem "Omas gegen rechts!"-Schild am Gepäckträger. Alle Altersstufen sind vertreten, alle sexuellen Orientierungen, diverse Behinderungen, unterschiedlichste Outfits, was mir zeigt, dass diese Sache dann doch etwas größer ist, als dass man die Demonstranten in Schubladen stecken könnte.

"Ne, ich gehe da nicht hin, das bewirkt doch eh' nix", diesen Satz habe ich schon damals im Studium regelmäßig gehört, wenn ich Kommilitonen zum Demonstrieren überrreden wollte. Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber ich gehe nicht auf eine Demo, um etwas zu ändern. Dafür sollte ich lieber mal meinen Lifestyle überarbeiten. Ich gehe hin, um sichtbar zu sein. Ich möchte zeigen, dass ich ein Mensch bin, der sich Sorgen um unseren Planeten macht. Ich möchte diese Sorgen nicht heimlich in mich reinfressen. Wir müssen zeigen, dass wir da sind - "Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Zukunft klaut!" - diesen Slogan hatten wir auch damals an der Uni und haben einfach statt Zukunft den Begriff Bildung verwendet. "Leistet Widerstand - gegen Kohle, Öl und Gas im Land!" - genau den Spruch hatten wir damals auch, in leicht abgewandelter Form. Sind halt Demoklassiker.

Aber... soooo laut waren wir heute gar nicht, und das hat mich tatsächlich etwas irritiert. In meinen letzten Demos war immer hier und da ein Truck, der die Meute mit Musik versorgte; heute waren noch nicht einmal Trillerpfeifen da, und falls doch, dann wesentlich leiser, als sie hätten sein sollen. Immerhin: Die Spitze des Umzugs bildeten etwa vierzig Fünftklässler, mit einem hübschen Transparent und einem Einpeitscher mit Flüstertüte, der die Kleinen zum lautstarken Demonstrieren ermunterte.

Trotzdem war es schön, wieder einmal Menschen in Autos den Weg zu versperren - wie passend - und ich hoffe, dass heute weltweit Millionen Menschen auf die Straße gegangen sind. Schauen wir gleich mal in die tagesschau.

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