Mittwoch, 18. September 2019

Besuch bei'm Psychiater


Ich bin wirklich stolz auf meinen Hausarzt, Dr.Andreas Britz in Kronshagen, zu dem ich seit sechzehn Jahren gehe. Ich weiß, ich habe dort oft lange Wartezeiten, aber das liegt daran, dass er sich wirklich Zeit für jeden Patienten nimmt und sehr gut zuhört. Langsam kommt Dr.Britz in die Jahre, und mir schwant, dass ich irgendwann einen neuen Hausarzt werde finden müssen - und davor habe ich ein bisschen Angst, denn es könnte ein unangenehmer Arztbesuch werden, wenn ich keinen guten Arzt finde.

Ich habe im letzten Jahr einmal über solch' ein Erlebnis geschrieben; damals ging es um meine sehr negative Erfahrung mit der Praxis Dr.Müller-Steinmann in Kiel am Alten Markt. Heute kann ich ein neues Kapitel hinzufügen, und ich brauche da auch keine anonymisierten Namen, denn ich möchte diese Erfahrung teilen - genau wie auch zahlreiche andere Patienten ihre negativen Erfahrungen mit Dr.Claudia Baisch (CB) in Kiel gemacht haben. Transaktionsanalytiker hätten gut zu tun mit unserem Patientengespräch, denn es war voller gekreuzter und verdeckter Transaktionen - kurz, voll von Kommunikationshürden, und von einem Gespräch auf Augenhöhe keine Spur.

Und dabei hatte ich doch vor Kurzem noch geschrieben, wie positiv gespannt ich auf diesen Termin war; ich hatte die ganzen negativen Rezensionen gelesen (es sind wirklich sehr viele), aber hatte mir gedacht, dass Dr.Baisch vielleicht auch hochbegabt ist und manche Menschen sie deswegen als empathielos, uninteressiert, herablassend, misstrauisch und gemein bezeichnen. Jetzt kommt mir der Verdacht, dass sie vielleicht einfach empathielos, uninteressiert, herablassend, misstrauisch und gemein ist. Aber ich fange vorn an. Ich versuche, den Arztbesuch so gut wie möglich aus dem Gedächtnis niederzuschreiben.

Ich hatte ja nur eine Hausnummer, irgendwo in der Holtenauer Straße, und bin dann am späten Nachmittag in den Bus gesprungen. Ich hatte zur Sicherheit meinen Psych-Ordner und mein EGO-Buch in den Rucksack eingepackt, falls sie fragen sollte, was für Probleme denn so in meinem Alltag bestehen. Und Jack Finneys The Body Snatchers war auch mit dabei, ich war kurz vor dem Schluss.

Während der Fahrt hatte ich noch überlegt, ob ich CB fragen soll, ob sie hochbegabt ist - als sie mir dann die Tür zu ihrer Praxis geöffnet hat, war mir klar, dass ich das nicht machen werde. Ich kann nicht genau festmachen, woran das lag, vielleicht dachte ich, sie wäre jünger, nicht Ende Fünfzig, Anfang Sechzig. Gehen wir direkt zum Gespräch über.

DrH: "(...) Ich habe bereits einen Termin im ZIP Lübeck Ende Januar..."
CB: "Gut!"
DrH: "...und ich brauche dafür eine Überweisung von einem Facharzt."
CB: "Wann ist ihr Termin?"
DrH: "Siebenundzwanzigster Januar Zwanzigzwanzig."
CB: "Wieso das denn, warum denn erst so spät?"

[KOPF Sollte sie nicht eigentlich wissen, dass es nicht leicht ist, Termine im Bereich Psychotherapie zu bekommen?]

DrH: "Früher war kein Termin zu bekommen."

Dann hat sie mich gefragt, was ich denn so für Probleme im Alltag habe. Ich habe das kleine Büchlein aus der Tasche geholt und den ersten Punkt aus dem Abschnitt "Probleme" - Essenvergessen - vorgelesen.

CB: "Stecken sie das Buch bitte wieder in die Tasche, ich möchte nicht, dass sie mir etwas vorlesen, sondern dass sie mir aus ihrem Leben erzählen."

[KOPF Okay, ähm, ein bisschen vor den Kopf gestoßen, aber ich kann das nachvollziehen, ich könnte mir ja alles Mögliche vorher schriftlich zurechtgelegt haben, was vielleicht nicht der Wahrheit entspricht, und die Ärztin möchte sicher eine authentische Beschreibung haben. Na gut.]

Also erzähle ich ihr von meinen Verhaltensauffälligkeiten während meiner Schulzeit, Probleme mit Autorität, Probleme, mich in ein soziales Gefüge einzuordnen usw., und ich erzähle ihr von dem ausschlaggebenden Ereignis, meiner Quasi-Kündigung am BBZ Plön. Ich erzähle ihr von den Problemen, die mit meinen Vorgesetzten auftauchen, während ich mit meinen Schülern generell gut klarkomme.

CB: "Was machen sie denn da?"
DrH: "Wie meinen sie das?"
CB: "Naja, welche Aufgabe übernehmen sie an der Schule?"
DrH: "Ach so, ich bin Lehrer."
CB: "Und sie haben zur Zeit also Probleme an der Schule, beschreiben sie die mal."
DrH: "Nein, wie gesagt, ich bin arbeitslos, weil meine Verhaltensauffälligkeiten dazu geführt haben, dass man meine Tätigkeit einer "unproblematischeren" Lehrkraft übertragen hat."

Das Gespräch plätschert etwas weiter vor sich hin, bis schließlich:

CB: "Warum ist denn damals niemand mit ihnen zu einem Schulpychologen gegangen?"
DrH: "Das kann ich ihnen nicht beantworten, vielleicht hängt das damit zusammen, dass ich alle Aufgaben, die mir gestellt wurden, irgendwie bewältigen konnte. Meine Mutter hat gesagt: "Du hast das immer alles irgendwie geschafft." - und das kann mit einer möglichen Hochbegabung zusammenhängen."
CB: "Wie kommen sie darauf, dass sie hochbegabt sind?"

Und ich erzähle ihr die Anekdote von dem Modul über Besondere Lernausgangslagen im Referendariat, in dem es auch um HB ging und ich erschreckend viele Übereinstimmungen gefunden habe.

CB: "Haben sie denn mal einen Test gemacht?"
DrH: "Nein, nichts Offizielles, aber ich habe ein Abitur mit 1,5, ich habe im Stud..."
CB unterbricht: "Ach, ich habe neulich erst gelesen, dass das Abitur mittlerweile inflationär herausgegeben wird."

[KOPF WTF?! Gedankenzüge entgleisen, was ist denn das für eine Aussage? Will sie mir meine intellektuelle Begabung in Abrede stellen? Wie soll ich denn darauf reagieren??? Vielleicht sollte ich ihr klar machen, dass mein Abitur lange zurück liegt und damals von inflationär noch keine Rede war.]

DrH: "Wissen sie, wie alt ich bin?"
CB: "Ja klar." schaut auf ihren Bildschirm "Sechsunddreißig. Noch lange nicht so alt wie ich." und lacht

[KOPF WHAT??? Was passiert hier? Es fühlt sich an wie meine mündliche Examensprüfung in Englisch, die katastrophal gelaufen ist, es fühlt sich an, als redeten wir aneinander vorbei, als säße ich vor einem Erschießungskommando, als müsse diese Ärztin krampfhaft belegen, dass ich die Unwahrheit sage?]


DrH: "Naja, und auch im Studium habe ich Einser..."
CB winkt ab: "Ja, ist auch egal, was möchten sie denn nun erreichen?"

[KOPF WHAT?! Entschuldigen sie, dass ich versuche, mich zu erklären, was soll dieser Scheiß? Sorry, aber ab diesem Zeitpunkt ist für mich klar, dass es zwischen dieser Ärztin und mir keinerlei Vertrauensbasis gibt, und ich möchte hier nur noch weg und frage mich, warum ich hier überhaupt allein hingegangen bin, und habe Angst.]

DrH: "Ich möchte den Grund für meine Verhaltensauffälligkeiten herausfinden."
CB: "Warum?"
DrH: "Damit ich verstehe, wie es passieren konnte, dass ich meinen Job verloren habe. Ich möchte wissen, inwiefern ich anders bin."
CB: "Und dann?"
DrH: "Das verstehe ich nicht."
CB: "Naja, sie haben ja eine Reihe Probleme, und sie sollten mit einer Therapie da rangehen. Dafür müssen sie nicht bis Januar warten, das können sie auch schon vorher machen."
DrH schweigt.

Danach Formalitäten.


Fazit: Es war ein sehr unangenehmes Gespräch, von gemeinsamer Vertrauensbasis keine Spur - ich habe nicht das gesamte Gespräch wiedergegeben, sondern die Teile, die mich so verstört haben. Eine Erfahrung, die ich nicht durch allzu schnelle Wiederholung intensivieren möchte. Es kann doch nicht sein, dass ich die Praxis einer Psychiaterin verlasse mit Gedanken wie "Ich mache alles falsch." - "Ich bin nicht in Ordnung, wie ich bin." - "Ich bin unglaubwürdig." - "Ich habe Angst vor weiteren Arztbesuchen." - "Ich möchte das alles nur noch abbrechen." und ich stelle wieder einmal fest, dass ich nicht gut damit umgehen kann, wenn ich das Gefühl bekomme, man behandelt mich, als sei ich dumm und bilde mir eine besondere Begabung ein.

Das kann es doch nicht sein. Wie dem auch sei, Anfang November rufe ich dort nochmal an, lasse mir einen Termin für Januar geben, um eine quartalsgerechte Überweisung zu bekommen. Aber mit dieser Frau werde ich kein weiteres Wort mehr als nötig reden. Und ich habe wirklich Angst davor, was sie sich während unseres Gesprächs alles auf ihrem Computer notiert hat; ein Patient von ihr hat bei sanego einschlägige Erfahrungen geschildert hinsíchtlich eines Gutachtens, das ihn in einem unpassenden Licht dastehen lässt.

Ich muss Dr.Baisch fragen, ob ihre Notizen in irgendeiner Form dem ZIP in Lübeck zugehen, und wenn ja, dann kann ich nur hoffen, dass wir in Lübeck noch einmal bei Null anfangen können.

Absoluter Horror. Not OK.

post scriptum: Aber in Allem das Positive zu sehen versuchen: Mit "The Body Snatchers" bin ich jetztdurch und kann bald einen Artikel darüber schreiben.

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