Viel Drama, nur im eigenen Kopf. |
Heute gibt es ein neues Kapitel zum Buddhismus, wobei der regelmäßige Leser des Blogs die Lehre schon längst kennen wird.
Gehen wir einige Jahre zurück, fünfzehn Jahre etwa, ich war Student, ein frischgebackener Twen. Und ein Tag wie jeder andere, abends noch eben duschen, war ein langer Tag. Wie passend: Ich dusche eher abends, Conny eher morgens, perfektes WG-Timing. Unter der Dusche spüle ich auch immer gründlich meine Ohren aus, denn ich habe ja gelernt, nicht mit Q-Tips ranzugehen (die Teile haben im Ohr nichts zu suchen, außer vielleicht außen in der Ohrmuschel - sonst drückt man den Dreck nur noch tiefer in den Gehörgang).
Alles erledigt, Haare abrubbeln, Kopf schütteln, damit das Wasser wieder aus dem Ohr läuft. Kennt Ihr vielleicht: Mit Wasser im Ohr fühlt sich alles irgendwie dumpf an, man hört nur halb so gut und es ist, als ob jemand einen Finger in das Ohr drückt. Umso schöner, wenn das Wasser wieder rausläuft und alles normal wird. Aber nicht an jenem Abend, schütteln hat nichts genutzt, Kopfstand auch nicht, whatever, scheiß drauf, ich gehe in's Bett, bis morgen ist das getrocknet.
Und so wache ich am nächsten Morgen auf und höre nichts auf dem linken Ohr. Okay. Okay. Jetzt wird es langsam Zeit für Panik. Wenn das nur Wasser war, müsste das doch längst weg sein. Und der Gedankenzug fährt ab: Oh beidhe Khott, ich muss sterben. Ich werde mein Leben lang auf dem linken Ohr taub bleiben.
Nein, so schlimm habe ich natürlich nicht gedacht.
Doch. Habe ich. Dass diese Tragödienmusen aber auch aus Allem ein Drama machen müssen! Und so wurde ich panisch, was mache ich nur, Weltuntergang, so darf das nicht bleiben, ich muss was tun, ich weiß, in Heide gibt es einen othorhinolaryngologos (HNO-Arzt), also springe ich in die Bahn und fahre von Kiel nach Heide, denn in Kiel gibt es ja keine HNO-Ärzte. Drama. Aber alles geklärt, der Arzt steckt mir diverse Sachen in das linke Ohr, und einige Minuten später kann ich wieder hören und alles ist frei. Aufatmen.
Wenn man einmal ein verstopftes Ohr hat, dann realisiert man erst, wie toll es ist, problemlos hören zu können. Und erst dann wird man mal wieder dankbar für diese "Selbstverständlichkeit". Und ich muss wieder an die taubstumme Tochter aus A Quiet Place (2018) denken, für die das ein lebenslanger Zustand ist.
Das war also damals. Einige Jahre später hatte ich das Thema noch einmal, wieder das linke Ohr, wieder war ich panisch, denn das war an einem Wochenende, wo soll ich da einen Arzt herbekommen? Wer weiß, vielleicht verliere ich den Gehörsinn, wenn das nicht so schnell wie möglich erledigt wird? Na zum Glück kam der Montag, ich zum Arzt, diesmal in Kiel, und innerhalb weniger Minuten ist mein Gehörgang gesäubert. Aber ganz so einfach war dieser Arztbesuch dann doch nicht.
Nicht umsonst heißt es, dass man die Ohren mit lauwarmem Wasser spülen soll. Leider hat der Durchlauferhitzer der Praxis an dem Tag nicht funktioniert, und so wurde ich kalt durchgespült. Naja, wird schon nicht so schlimm sein, oder? Ist doch alles in Ordnung, denke ich mir - bis ich versuche, von dem Sitz aufzustehen. Plötzlich gerät die Praxis in's Wanken, und die Schwerkraft zieht mich nicht mehr nach unten, sondern seitlich in das Verbandsregal hinein. What the...?! Und dann fällt mir ein, dass im Innenohr ja der Gleichgewichtssinn sitzt (oder besser liegt, flüssig, quasi), und der ist durch das kalte Wasser einigermaßen betäubt worden. Die Sprechstundenhilfe hat dann versucht, mich auf den Sitz zurück zu bringen (schwer bei einem Zwei-Meter-Mann) - und außerdem war das ein Drehstuhl. Ich erspare Euch das Chaos.
Nun denn. Seit gestern ist es also wieder soweit, ich höre links nur die Hälfte, es ist Wochenende und ich komme erst am Montag zum Arzt. Ich versuche es mit Hausmittelchen, nützt alles nichts, und sitze leicht gereizt vor dem Fernseher - bis mir dann wieder der Dalai Lama einfällt. Nichts ist entspannender, als das anzunehmen, was kommt. Und mittlerweile realisiere ich wirklich, was dieser Satz bedeutet. Dieses verstopfte Ohr ist zur Zeit ein Teil von mir. Warum sollte ich mich darüber aufregen? Montag wird das geregelt, und ich schwebe doch nicht in Lebensgefahr. Die Situation wird akzeptiert. Ein breites Grinsen zieht sich über mein Gesicht und ich fühle mich absolut tiefenentspannt. Da ist wirklich Einiges dran, und dieser Satz hat mein Leben tatsächlich ein bisschen einfacher gemacht.
Nichts ist entspannender, als das anzunehmen, was kommt.
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