Quelle: http://www.joblo.com/images_arrownews/suspiria-2017.jpg |
Kann nur schlechter werden, das war mein erster Gedanke, als ich gelesen hatte, dass nun endlich ein Remake von Dario Argentos Horrorfilm Suspiria (1977) in die Kinos kommen soll.
Ich frage mich immer, wozu man Remakes macht. Bei Videospielen taucht es ab und an auf, dass die Macher eines Spiels die Kritiken der Spieler ernst nehmen und eine Neuauflage herausbringen, bei der die Kritikpunkte ausgebessert worden sind. Kann ich verstehen, finde ich gut. Aber bei Filmen?
Mir fallen spontan zwei Fälle ein, in denen der Film gelitten hat, nämlich Gus Van Sants Neuverfilmung von Psycho (1998) und Jan De Bonts Neuauflage von The Haunting (1963), unter dem Titel Das Geisterschloss (1999). Da muss man sich die Frage stellen, warum ein Film, der im Original so gut war, überhaupt neu verfilmt werden muss. Dann kommen Totschlagargumente - "An die Generation Internet anpassen", "für die heutige Jugend zugänglich machen" - als müssten Neuauflagen per se schon einmal einige Niveaus tiefer angesiedelt werden.
Wollen wir doch mal schauen, an welchen Stellen Suspiria denn etwas frischen Wind vertragen könnte. Die Story ist relativ schnell erzählt, die Ballettschülerin Suzy Bannion beginnt einen Kurs in der berühmten Freiburger Tanz-Akademie (inklusive Internat; das Remake spielt im Berlin der Siebziger), allerdings merkt sie sehr schnell, dass dort nicht alles mit rechten Dingen zugeht.
Das merkt man als Zuschauer ebenfalls in jeder Szene - Argento hat ein Auge für Details und präsentiert uns bereits in der ersten Szene, Suzys Ankunft am Flughafen, surreale Perspektiven: Ob das Remake auch die intensive Ausleuchtung der alltäglichsten Orte mit den Farben Rot, Grün und Blau vornimmt? Ob es auch ein Closeup der Automatiktür am Eingang zur Wartehalle unheimlich und bedrohlich wirken lassen kann? Ich bin sicherlich nicht der Einzige, der so gespannt und kritisch auf die Neuverfilmung zugeht. Die Taxifahrt zur Tanzakademie dürfte eine der Szenen darstellen, an denen der Film gemessen wird: Wie wird das Wetter? Wird es im Tunnel regnen? Wie viele Lichteffekte werden verwendet, wie wird der Soundtrack? Wie creepy wird der Taxifahrer?
Und spätestens jetzt überlege ich, wie das Remake besetzt wird. Dario Argento und Daria Nicolodi hatten in ihrem Original ganz klare Vorstellungen: Die Tanzschülerinnen sollten so jung wie möglich sein, idealerweise noch Kinder (deswegen war Jessica Harper mit ihren großen Augen als Suzy ein Volltreffer, und deswegen hat man damals alle Türklinken im Schulgebäude möglichst hoch angebracht - um die Schülerinnen kleiner wirken zu lassen). Die beiden leitenden Tanzlehrerinnen, Madame Blanc und Miss Tanner, sollten direkt einschüchternd und unheimlich wirken. Die Leiterin der Tanzakademie sollte "die älteste Frau [sein], die man sich vorstellen kann".
Suspiria wirkt auf der sinnlichen Ebene. Es ist ein visueller und akustischer Albtraum; natürlich wird das Casting des Remakes einer gründlichen Prüfung unterzogen, wobei es eben nicht so sehr um schauspielerisches Talent geht, sondern um die Wirkung, die die Charaktere auf den Zuschauer haben.
Ich werde ganz bestimmt nicht Alida Valli in der Rolle der damaligen Miss Tanner vergessen - der Beiname Butch From Hell trifft es eigentlich ganz gut. Sie ist streng, streng gekleidet, dosiert ihre Mimik sehr sparsam - und wenn sie einmal lächelt, dann bekommt man als Zuschauer direkt Angst, weil man merkt, dass etwas nicht stimmt. Im Remake erhält die deutsche Schauspielerin Angela Winkler die Rolle, und ich glaube, das könnte passen.
Miss Tanner 2017 (Angela Winkler) und 1977 (Alida Valli) |
Noch mehr allerdings bin ich vom Casting der Madame Blanc beeindruckt. Im Original die letzte Filmrolle für Joan Bennett, spielte sie eine fürsorgliche, wenngleich sinistre Tanzlehrerin, eine Stufe menschlicher als Miss Tanner. Für das Remake, lese ich, wurde Tilda Swinton gecastet (ganz oben im Bild ganz rechts) - wow, ich kann es gar nicht genau beschreiben, aber wenn man Argentos Vorstellungen für die Tanzlehrerinnen im Kopf hat, passt Swinton einfach unglaublich gut in die Rolle. Hoffen wir mal, dass sie sie mit derselben unheilvollen Aura füllt wie Bennett damals. Oh, gerade gesehen, ein Foto vom Suspiria-Set; ja, das ist Swinton, nein, ich kann das Bild nicht erklären ^^
Tilda Swinton als Madame Blanc - unkonventionell, wie man es erwartet... |
Und dann hätten wir natürlich die Schülerinnen. Mein Augenmerk wandert auf drei, die für den Film absolut unentbehrlich sind. Vielleicht zuerst Pat - auch wenn sie innerhalb der ersten zwanzig Minuten eindrucksvoll ermordet wird: Dieser Mord ist so umfangreich ausgestattet, so sehr in die Länge gezogen und so detailverliebt gefilmt, dass Suspiria schnell auf dem Index gelandet ist. Da kann das Blut noch so sehr nach Wandfarbe aussehen. Dabei ist dieser (Doppel-)Mord ein kleines Kunstwerk und ich bin sehr gespannt, wie Chloe Grace Moretz, im modernen Horror kein unbekanntes Gesicht mehr (Carrie anyone?) dahingemeuchelt wird: Gibt es die Escher-Tapete in ihrem Schlafzimmer? Wird ihr Gesicht in Zeitlupe durch das Fenster gedrückt? Um nicht zu spoilern, wer den Film noch nicht kennt: Es passiert noch ein bisschen mehr, bevor sie dann endlich tot durch das Deckenlicht im Foyer kracht, und selbst die Blutflecken zeigten im Original Hexenmotive - ob das auch wieder alles beachtet wird? An diesem surrealen Mord wird der Film gemessen werden, und deswegen hat Moretz hier durchaus eine zentrale Rolle.
Chloe Grace Moretz (links) übernimmt die Rolle der Pat Hingle, rechts gespielt und gestorben von Eva Axén. |
Wen ich mir im Remake gut vorstellen kann, ist Mia Goth in der Rolle der Sara. Sie hat diese kindliche, naive Ausstrahlung - eigentlich genau so, wie Argento sich das damals gedacht hat. Gleichzeitig spielt ihre Figur eine wichtige Rolle, da sie den sinistren Spuren in der Tanzschule hartnäckig nachgeht (und letztlich den Preis zahlen muss). Bleibt also zuletzt nur noch die Frage nach der Hauptdarstellerin. Sie schlüpft in die Rolle der Suzy Bannion, die das magische Geheimnis der Lehrerinnen enthüllt und sich schließlich der Hexenmutter, Mater Suspiriorum, stellen muss. Jessica Harper hat damals genau die richtigen Töne getroffen zwischen Naivität und Hartnäckigkeit, zwischen kindlichem Liebreiz und Zigaretten (und es bleibt ewig die Spekulation, ob sie vielleicht weit mehr war als nur eine weitere Tanzschülerin; ein paar Szenen des Originals regen zur Diskussion an). Hinzu kamen ihre großen Manga-Augen... ich bin gespannt, ob Dakota Johnson (mittig auf dem obersten Bild) diesen hohen Ansprüchen gerecht werden kann. Ich versuche, aufgeschlossen zu bleiben.
Dakota Johnson am Set von Suspiria - rote Haare, ein Kleid, das "Siebziger!" schreit - langsam werde ich ungeduldig... |
Fragt sich nur noch, wie es mit der Oberhexe, Mater Suspiriorum, aussieht. Im Original uralt, lese ich jetzt, dass im Remake Malgosia Bela diese Rolle übernehmen soll. Eine hübsche Frau mit einer düsteren Aura, vielleicht angelehnt an die jugendlichen matres der beiden anderen Teile der Trilogie (mit Inferno und La Terza Madre). Damit habe ich nicht gerechnet und ich spare mir meinen Kommentar, bis ich den Film gesehen habe. Zur Erinnerung: Argento wollte für diese Rolle die älteste Frau bekommen, die für die Kamera zur Verfügung stand.
Kurz gesagt: Ich bin wirklich gespannt. Und diesmal ist es auch keine leere Ankündigung - seit Mitte März 2017 ist der Film im Kasten und befindet sich nun in der post-production. Ich kann nicht verstehen, warum jemand diesen Film, im Original ein echtes Kunstwerk (wenn man es zu würdigen weiß), neu auflegen will. Vielleicht habe ich in ein paar Monaten eine Antwort darauf. Argento selbst ist nicht begeistert von der Idee eines Remakes und bringt es in einem Interview auf den Punkt:
"Why are you opposed to it?
Well, the film has a specific mood. Either you do it exactly the same way — in which case, it’s not a remake, it’s a copy, which is pointless — or, you change things and make another movie. In that case, why call it “Suspiria”? (...)"
post scriptum: Jetzt habe ich richtig Lust bekommen, mir heute die Fortsetzung anzuschauen, "Inferno" von 1980. Auf einmal habe ich wieder ein echtes Interesse, mir "gute" Filme anzuschauen, das werde ich mal ausnutzen.