Dienstag, 31. Oktober 2017

Kann nur schlechter werden?

Quelle: http://www.joblo.com/images_arrownews/suspiria-2017.jpg

Kann nur schlechter werden, das war mein erster Gedanke, als ich gelesen hatte, dass nun endlich ein Remake von Dario Argentos Horrorfilm Suspiria (1977) in die Kinos kommen soll.

Ich frage mich immer, wozu man Remakes macht. Bei Videospielen taucht es ab und an auf, dass die Macher eines Spiels die Kritiken der Spieler ernst nehmen und eine Neuauflage herausbringen, bei der die Kritikpunkte ausgebessert worden sind. Kann ich verstehen, finde ich gut. Aber bei Filmen?

Mir fallen spontan zwei Fälle ein, in denen der Film gelitten hat, nämlich Gus Van Sants Neuverfilmung von Psycho (1998) und Jan De Bonts Neuauflage von The Haunting (1963), unter dem Titel Das Geisterschloss (1999). Da muss man sich die Frage stellen, warum ein Film, der im Original so gut war, überhaupt neu verfilmt werden muss. Dann kommen Totschlagargumente - "An die Generation Internet anpassen", "für die heutige Jugend zugänglich machen" - als müssten Neuauflagen per se schon einmal einige Niveaus tiefer angesiedelt werden.

Wollen wir doch mal schauen, an welchen Stellen Suspiria denn etwas frischen Wind vertragen könnte. Die Story ist relativ schnell erzählt, die Ballettschülerin Suzy Bannion beginnt einen Kurs in der berühmten Freiburger Tanz-Akademie (inklusive Internat; das Remake spielt im Berlin der Siebziger), allerdings merkt sie sehr schnell, dass dort nicht alles mit rechten Dingen zugeht.

Das merkt man als Zuschauer ebenfalls in jeder Szene - Argento hat ein Auge für Details und präsentiert uns bereits in der ersten Szene, Suzys Ankunft am Flughafen, surreale Perspektiven: Ob das Remake auch die intensive Ausleuchtung der alltäglichsten Orte mit den Farben Rot, Grün und Blau vornimmt? Ob es auch ein Closeup der Automatiktür am Eingang zur Wartehalle unheimlich und bedrohlich wirken lassen kann? Ich bin sicherlich nicht der Einzige, der so gespannt und kritisch auf die Neuverfilmung zugeht. Die Taxifahrt zur Tanzakademie dürfte eine der Szenen darstellen, an denen der Film gemessen wird: Wie wird das Wetter? Wird es im Tunnel regnen? Wie viele Lichteffekte werden verwendet, wie wird der Soundtrack? Wie creepy wird der Taxifahrer?

Und spätestens jetzt überlege ich, wie das Remake besetzt wird. Dario Argento und Daria Nicolodi hatten in ihrem Original ganz klare Vorstellungen: Die Tanzschülerinnen sollten so jung wie möglich sein, idealerweise noch Kinder (deswegen war Jessica Harper mit ihren großen Augen als Suzy ein Volltreffer, und deswegen hat man damals alle Türklinken im Schulgebäude möglichst hoch angebracht - um die Schülerinnen kleiner wirken zu lassen). Die beiden leitenden Tanzlehrerinnen, Madame Blanc und Miss Tanner, sollten direkt einschüchternd und unheimlich wirken. Die Leiterin der Tanzakademie sollte "die älteste Frau [sein], die man sich vorstellen kann".

Suspiria wirkt auf der sinnlichen Ebene. Es ist ein visueller und akustischer Albtraum; natürlich wird das Casting des Remakes einer gründlichen Prüfung unterzogen, wobei es eben nicht so sehr um schauspielerisches Talent geht, sondern um die Wirkung, die die Charaktere auf den Zuschauer haben.

Ich werde ganz bestimmt nicht Alida Valli in der Rolle der damaligen Miss Tanner vergessen - der Beiname Butch From Hell trifft es eigentlich ganz gut. Sie ist streng, streng gekleidet, dosiert ihre Mimik sehr sparsam - und wenn sie einmal lächelt, dann bekommt man als Zuschauer direkt Angst, weil man merkt, dass etwas nicht stimmt. Im Remake erhält die deutsche Schauspielerin Angela Winkler die Rolle, und ich glaube, das könnte passen.

Miss Tanner 2017 (Angela Winkler) und 1977 (Alida Valli)


Noch mehr allerdings bin ich vom Casting der Madame Blanc beeindruckt. Im Original die letzte Filmrolle für Joan Bennett, spielte sie eine fürsorgliche, wenngleich sinistre Tanzlehrerin, eine Stufe menschlicher als Miss Tanner. Für das Remake, lese ich, wurde Tilda Swinton gecastet (ganz oben im Bild ganz rechts) - wow, ich kann es gar nicht genau beschreiben, aber wenn man Argentos Vorstellungen für die Tanzlehrerinnen im Kopf hat, passt Swinton einfach unglaublich gut in die Rolle. Hoffen wir mal, dass sie sie mit derselben unheilvollen Aura füllt wie Bennett damals. Oh, gerade gesehen, ein Foto vom Suspiria-Set; ja, das ist Swinton, nein, ich kann das Bild nicht erklären ^^

Tilda Swinton als Madame Blanc - unkonventionell, wie man es erwartet...

Und dann hätten wir natürlich die Schülerinnen. Mein Augenmerk wandert auf drei, die für den Film absolut unentbehrlich sind. Vielleicht zuerst Pat - auch wenn sie innerhalb der ersten zwanzig Minuten eindrucksvoll ermordet wird: Dieser Mord ist so umfangreich ausgestattet, so sehr in die Länge gezogen und so detailverliebt gefilmt, dass Suspiria schnell auf dem Index gelandet ist. Da kann das Blut noch so sehr nach Wandfarbe aussehen. Dabei ist dieser (Doppel-)Mord ein kleines Kunstwerk und ich bin sehr gespannt, wie Chloe Grace Moretz, im modernen Horror kein unbekanntes Gesicht mehr (Carrie anyone?) dahingemeuchelt wird: Gibt es die Escher-Tapete in ihrem Schlafzimmer? Wird ihr Gesicht in Zeitlupe durch das Fenster gedrückt? Um nicht zu spoilern, wer den Film noch nicht kennt: Es passiert noch ein bisschen mehr, bevor sie dann endlich tot durch das Deckenlicht im Foyer kracht, und selbst die Blutflecken zeigten im Original Hexenmotive - ob das auch wieder alles beachtet wird? An diesem surrealen Mord wird der Film gemessen werden, und deswegen hat Moretz hier durchaus eine zentrale Rolle.

Chloe Grace Moretz (links) übernimmt die Rolle der Pat Hingle, rechts gespielt und gestorben von Eva Axén.

Wen ich mir im Remake gut vorstellen kann, ist Mia Goth in der Rolle der Sara. Sie hat diese kindliche, naive Ausstrahlung - eigentlich genau so, wie Argento sich das damals gedacht hat. Gleichzeitig spielt ihre Figur eine wichtige Rolle, da sie den sinistren Spuren in der Tanzschule hartnäckig nachgeht (und letztlich den Preis zahlen muss). Bleibt also zuletzt nur noch die Frage nach der Hauptdarstellerin. Sie schlüpft in die Rolle der Suzy Bannion, die das magische Geheimnis der Lehrerinnen enthüllt und sich schließlich der Hexenmutter, Mater Suspiriorum, stellen muss. Jessica Harper hat damals genau die richtigen Töne getroffen zwischen Naivität und Hartnäckigkeit, zwischen kindlichem Liebreiz und Zigaretten (und es bleibt ewig die Spekulation, ob sie vielleicht weit mehr war als nur eine weitere Tanzschülerin; ein paar Szenen des Originals regen zur Diskussion an). Hinzu kamen ihre großen Manga-Augen... ich bin gespannt, ob Dakota Johnson (mittig auf dem obersten Bild) diesen hohen Ansprüchen gerecht werden kann. Ich versuche, aufgeschlossen zu bleiben.

Dakota Johnson am Set von Suspiria - rote Haare, ein Kleid, das "Siebziger!" schreit - langsam werde ich ungeduldig...

Fragt sich nur noch, wie es mit der Oberhexe, Mater Suspiriorum, aussieht. Im Original uralt, lese ich jetzt, dass im Remake Malgosia Bela diese Rolle übernehmen soll. Eine hübsche Frau mit einer düsteren Aura, vielleicht angelehnt an die jugendlichen matres der beiden anderen Teile der Trilogie (mit Inferno und La Terza Madre). Damit habe ich nicht gerechnet und ich spare mir meinen Kommentar, bis ich den Film gesehen habe. Zur Erinnerung: Argento wollte für diese Rolle die älteste Frau bekommen, die für die Kamera zur Verfügung stand.

Kurz gesagt: Ich bin wirklich gespannt. Und diesmal ist es auch keine leere Ankündigung - seit Mitte März 2017 ist der Film im Kasten und befindet sich nun in der post-production. Ich kann nicht verstehen, warum jemand diesen Film, im Original ein echtes Kunstwerk (wenn man es zu würdigen weiß), neu auflegen will. Vielleicht habe ich in ein paar Monaten eine Antwort darauf. Argento selbst ist nicht begeistert von der Idee eines Remakes und bringt es in einem Interview auf den Punkt:

"Why are you opposed to it?
Well, the film has a specific mood. Either you do it exactly the same way — in which case, it’s not a remake, it’s a copy, which is pointless — or, you change things and make another movie. In that case, why call it “Suspiria”? (...)"

post scriptum: Jetzt habe ich richtig Lust bekommen, mir heute die Fortsetzung anzuschauen, "Inferno" von 1980. Auf einmal habe ich wieder ein echtes Interesse, mir "gute" Filme anzuschauen, das werde ich mal ausnutzen.

Montag, 30. Oktober 2017

Gedanken über Geld

Ich habe im Portemonnaie noch immer meine drei Dollarnoten aus Kings Island, 2011 - um mich daran zu erinnern, dass ich wiederkommen werde.

Es geht um ein Gefühl. Für dieses Gefühl ist es vollkommen irrelevant, ob man mit Millionen hantiert oder ein Durchschnittseinkommen besitzt - ich meine das Gefühl von Sicherheit.

Mir ist bewusst, dass mein Arbeitslosengeld I (ALGI)  höher ist als das, was manche Menschen regulär verdienen. Es reicht für die Wohnung, das, was man gemeinhin Unterhalt nennt. Ich bräuchte mir also keine Sorgen zu machen. Als ich damals realisiert hatte, dass wieder die Arbeitslosigkeit auf mich zukommt, hat die Sannitanic das Beste getan, was in dem Moment möglich war - nämlich mich beruhigt und darauf aufmerksam gemacht, dass ich immerhin zwölf Monate lang finanziell abgesichert bin.

Es ist allerdings ein meilenweiter Unterschied, ob ich tausenddreihundert Euro als ALGI oder Gehalt bekomme; auf dem Kontoauszug sieht das gleich aus, aber ohne Arbeit habe ich das Gefühl, dass ich wieder jeden Cent doppelt umdrehen muss. Ich kaufe meine Kochzutaten mit dem Kontostand im Kopf ein. Ich kaufe mir eine Herbstjacke und denke mir, dass das schon wieder purer Luxus ist.

Ich hätte nie gedacht, wie wichtig finanzielle Sicherheit ist, welche Auswirkungen es auf das Leben haben kann, wenn diese Sicherheit eben nicht da ist. Geld. Bedeutet mir irgendwie nichts. Ist Mittel zum Zweck. Ich brauche nicht immer mehr und mehr Geld, ich strebe nicht nach Reichtum. Ich möchte nur einfach mein Leben leben können, ohne dass mir das Geld im Weg steht.

Und deswegen bin ich mit der Situation nicht zufrieden, obwohl ich finanziell erstmal abgesichert bin.

post scriptum: Im englischen Sprachgebrauch gibt es einen schönen Spruch, mit dem man sich merken kann, ob die Uhren vor- oder zurückgestellt werden müssen: "Spring forward, fall back."

paulo post scriptum:  Dieser Artikel hat überhaupt keinen roten Faden. Aber wenn ich von einem Gefühl schreibe, das ich scheiße finde, dann habe ich keine Lust, mir Mühe zu geben.

Sonntag, 29. Oktober 2017

Rachegedanken

Ein bisschen Brimborium hat damals im Studium immerhin für ein bisschen Ruhe im Kopf gesorgt ^^

Im aktuellen Videospiel gab es heute eine recht dramatische Szene, in der eine Nebenfigur, deren Bruder getötet wird, von Rachegelüsten verzehrt wird und schließlich den Verstand verliert. Schnell kann man dabei fragen, ob die Darstellung nicht etwas übertrieben ist. Hab' ich aber nicht; ich habe mich selbst gefragt, wie meine Erfahrungen mit dem Wunsch nach Rache sind.

Ich weiß nicht, wie die buddhistische Sicht zu diesem Thema ist - bzw. doch, mittlerweile weiß ich es ja. Und mittlerweile kann ich die Rachegedanken in den Meditationen in Luft auflösen, weil ich nun immer versuche, die andere Seite zu verstehen. Die Seite, die mich verletzt hat, die mich wütend gemacht hat (und ja, die gibt es auch heute noch); Mitgefühl ist eines der Entwicklungs"ziele" des Zen-Buddhismus.

Und das ist wirklich nicht leicht, denn ich muss so viel Wut runterschlucken, so viele Tränen aushalten, bevor ich endlich ehrlich die andere Seite zu verstehen beginnen kann. Aber es hilft: Dank dieses Mitgefühls verstehe ich mittlerweile, warum Er so tickt. Das löst natürlich nicht die Probleme selbst. Aber es sorgt dafür, dass ich diese Probleme wirklich lösen will, und das ohne Hinterhalte, Intrigen oder Waffen.

Ohne, dass jemand zu Schaden kommt.

Samstag, 28. Oktober 2017

Verantwortung übernehmen

Büro = Verantwortung...?

Ich habe in meiner Kindheit und Jugend nie ernsthaft für irgendwas Verantwortung übernommen, manchmal nicht einmal für mich selbst. Ich wollte das auch nie; wann immer sich die "Gefahr" abzeichnete, dass ich Verantwortung für eine Gruppe oder ein Projekt übernehmen sollte, zum Beispiel in der Schule, habe ich versucht, mich irgendwie davor zu drücken. Und das war nicht immer aus Faulheit, auch wenn das für Außenstehende die angenehmste Erklärung war.

Ich hatte Angst, wie so oft, Angst davor etwas falsch zu machen und den "Sieg" unserer Gruppe zu versauen. Minderwertigkeitskomplexe. Denn, wenn ich ein Spiel nicht gewinne, wenn ich eine Aufgabe nicht schnell genug erledige, dann macht mir das nichts aus, solange nur ich selbst die Konsequenzen ertragen muss. Wenn aber andere Menschen ebenfalls unter meiner eventuellen Niederlage zu leiden hätten, das war für mich der absolute Alptraum.

Ich wollte nie, dass sie enttäuscht von mir sind. Ich habe in meiner Jugend immer wieder zu spüren bekommen, dass ich anders bin, nur leider hat sich das nie positiv angefühlt. Eher wie "Ich bin anders, und deswegen kann ich meine Aufgaben nicht zufriedenstellend erledigen".

Diese Angst, Andere enttäuschen zu können... kennt vermutlich jeder, der diesen Beitrag liest. Und auch, wer den Beitrag nicht liest; aus Erfahrung weiß ich, dass Er auch noch teilweise panische Angst davor hat, seine Mitmenschen zu enttäuschen, in der Konsequenz zu verlieren und allein zu sein. Ich muss zugeben... als wir noch normalen Kontakt miteinander hatten, hat mir oft das Verständnis für seine Angst gefehlt - "Ach, Dr Hilarius, das kennst du ja nicht mehr, du bist ja sooo viel weiter..." - und es braucht tatsächlich Intro- und Retrospektive wie an dieser Stelle, damit ich mich erinnere, dass ich diese Angst auch hatte. Habe? Ich wünschte nur, ich könnte ihm diese Angst irgendwie nehmen. Ich wünschte, Er wäre wieder bei mir.

Aus dem Grund - keine Verantwortung für irgendwas außer meinen eigenen Erfolg übernehmen zu wollen - habe ich mich im Studium sehr wohlgefühlt. Ich habe mir meine Kurse zusammengestellt, musste nur äußerst selten irgendwelche Gruppenarbeiten erledigen. Lernte so gut wie nie mit Kommilitonen für Klausuren. Hielt mich aus allem heraus, was nichts mit mir direkt zu tun hatte.

Das ging für etwa drei Semester gut. Dann meinten ein paar ältere Lateinstudenten, ich solle bei den Saturnalien mitmachen. Und dann fragte plötzlich jemand, ob ich nicht Hiwi werden wollte, ein bisschen Geld verdienen und - jep - Verantwortung übernehmen. Ich habe das Argument mit der Verantwortung ausgeklammert und einfach die monatliche Abrechnung gesehen. So wirklich ernst mit der Verantwortung wurde es, als ein Kommilitone im Examen mich überfiel mit: "Hey Doc, wir haben jetzt seit ein paar Semestern versucht, eine Fachschaft für Latein und Griechisch genehmigt zu bekommen; wir haben erst jetzt die Zusage bekommen, jetzt sind wir fast mit dem Studium durch. Würdest du das mit jemandem zusammen machen?"

Wäre da nur ich allein gewesen, hätte ich sofort abgelehnt. Aber ich hatte ein paar total verrückte Freunde gefunden - richtige Freunde, zum ersten Mal im Leben, und ich fragte sie, ob wir das vielleicht zusammen wuppen könnten. Wir bekommen dafür kein Geld, wahrscheinlich noch nichtmal ein Dankeschön von irgendjemandem. Aber wir konnten jüngeren Studenten helfen. Und das taten wir dann.

Indem ich also zum ersten Mal in meinem Leben anderen Studenten geholfen habe, sie beraten habe, habe ich also Verantwortung übernommen. Und es ist nicht so, dass meine Angst vor dem Enttäuschen plötzlich weg war: Ich hatte immer noch Angst, dass ich ihnen Unsinn erzähle, dass sie meinetwegen in ihrem Studium nicht richtig vorankommen. Die Tatsache, dass wir mehrere Mitglieder in der Fachschaft Klassische Philologie waren, hat aber Mut gemacht. Und ich dachte mir, okay, solange das nicht mehr wird, schaffe ich das.

Und irgendwann wurde es dann mehr - als Ingo Kolar damals mit einem Tablett Donuts im Hiwibüro auftauchte. "Ich wollte nur mal reinschauen und Donuts mitbringen" - immerhin hat er mit seinem Hintergedanken nicht lange hinterm Deich gehalten, das war pure Strategie: Ob ich mich für die "Fachschaftsliste HSG" (FaLi) für die nächste Wahl des Studierendenparlaments (StuPa) aufstellen lassen würde.

Ich hab ihm dann genau die gleiche Inkompetenzarie heruntergebetet, und er hat versucht, mich zu beruhigen: "Keine Angst, die Wahrscheinlichkeit, dass du tatsächlich ins StuPa kommst, ist gering, wir haben so viele Kandidaten auf der Liste... dein Name könnte uns aber ein paar zusätzliche Stimmen einbringen, denn dich kennen ja einige durch die Arbeit im Institut." - "Naja okay meinetwegen, wenn ich sowieso nicht damit rechnen muss,  reinzukommen..." - "Und wenn, dann kannst du deinen Platz ja auch einfach an den nächsten Listenkandidaten abgeben, das ist gar kein Problem!" - "Na gut, wenn ich keine Verantwortung übernehmen muss... dann setz' mich auf die Wahlliste!"

Big mistake. Or was it?

Denn irgendwie kannten mich letztlich doch so viele Studierende, dass es für einen der einundzwanzig Sitze im StuPa gereicht hat. Und plötzlich war von "Abgeben" keine Rede mehr: "Ach komm, das wird bestimmt ganz interessant, und du kannst da gar nicht viel falsch machen." Aha... "Wir wollen versuchen, in jeden der drei Ausschüsse mindestens einen FaLi-Menschen zu schicken. Im Hochschulausschuss, da musst du nie was machen, die treffen sich nur bei Bedarf, vielleicht einmal im Jahr." Aha...

...und dann stand die konstituierende Sitzung an und es ging an die Wahl der drei Ausschüsse. Wir hatten abgesprochen, dass M mich für den Hochschulausschuss vorschlägt, klasse, da kann ich als Muse Incompetentia nicht allzu viel kaputtmachen. Doch zuerst sollte der Haushaltsausschuss gewählt werden (HHA), und fröhlich und ohne Zögern rief M in die Runde: "Ich schlage Dr Hilarius vor!"

Method acting. Einfach weiterlächeln, he he... he... Erdetudichaufundverschlingmich! Spontan fiel mir Ingo wieder ein: "Der einzige Ausschuss, der tatsächlich einiges zu tun hat, ist der Haushaltsausschuss. Der bestimmt über die Verwendung der Gelder der Studierenden, Finanzanträge und so, der muss sich dazu einmal monatlich treffen." ...and the rest is history.

Und so sollte ich nun Verantwortung für einen Teil der Semesterbeiträge übernehmen? Der totale Horror, ich hatte wirklich Angst, alles falsch zu machen. Aber zum Glück waren ja auch noch andere Stupisten im HHA - und irgendwie klappte es. Irgendwie habe ich mich auf einmal ein bisschen wichtiger gefühlt. Und das wurde intensiver, als ich in meinem zweiten und dritten Jahr StuPa plötzlich HHA-Vorsitzender wurde - was übrigens nichts mit Qualifikation zu tun hat: Der Vorsitzende übernimmt die ganze Schreibarbeit, ich glaube, da sind viele froh, wenn sie es nicht machen müssen. Naja, und ich hatte ja auch Unterstützung, wer war denn da noch... Flori Pietsch, Alex Schmuck (fand ich süß - hoffentlich liest er das nicht ^^), warum kann ich mich nicht an die restlichen Mitglieder erinnern? Manu, Manu, irgendwas mit Manu - naja, wer so egozentrisch ist wie der Doc, der bekommt eh' nichts um sich herum mit.

Ich glaube, man wächst mit seinen Aufgaben - aber dann kam das Ref und damit als Dauerkanonade ein "schlecht, falsch, ungeeignet, nicht durchdacht"-Refrain, der letztlich dazu geführt hat, dass ich wieder am Anfang stehe: Ich möchte keine Verantwortung übernehmen für irgendwas, das nicht direkt mit mir zu tun hat. Damit im schlimmsten Fall nur ich darunter zu leiden habe.

Das heißt... eine Ausnahme gibt es mittlerweile doch. Einen Menschen gibt es, für den ich Verantwortung übernehmen würde. Ich habe irgendwann einmal gehört, dass das einer der Kernbestandteile einer "Beziehung" ist - Verantwortung füreinander zu übernehmen. Ihr dürft mich gern davon überzeugen, dass ich das falsch in Erinnerung habe; ich habe in den vergangenen Jahren immer wieder behauptet, dass ich nicht auf der Suche nach einer festen Beziehung bin, und das behaupte ich auch heute noch. Aber manchmal frage ich mich, wenn Er dazu bereit wäre, wie ich dann denken würde. Für den Moment ist mir das zu hypothetisch. Aber immerhin: Der Gedanke war mal da.

So, Schluss für heute. Als letzter Zusatz sei noch erwähnt, dass auch einer der Gründe, warum ich zur Zeit kein Kind adoptieren würde, darin besteht, dass ich es mir nicht zutraue, diese Verantwortung zu übernehmen. Ich bewundere alle, die dieser Tage und Jahre Eltern werden.

Donnerstag, 26. Oktober 2017

Hausbeben

...breaking apart...

E.A.Poes The Fall of the House of Usher - modern und in Hassee. Hoffen wir mal, dass es nicht bis zur Katastrophe am Ende der Geschichte kommt. Aber von Anfang an, denn: Zukunft braucht Herkunft.

Als ich zum ersten Mal die Keller dieses Hauses erforscht hatte, war ich erstaunt, wie lang die Gänge des Gewölbes sind. Ich wohne direkt an einer vielbefahrenen Kreuzung, und mein Orientierungssinn hatte mir angedeutet, dass ein Teil der Straße unterkellert sein muss. Das ist wahrscheinlich Unsinn. Aber es fühlt sich tatsächlich so an, nicht nur optisch.

Die große Buba war neulich zu Besuch, wir saßen in aller Ruhe auf der Psycho-Couch, als plötzlich ein Beben durch die Wohnung ging. Ein, zwei, drei spürbare Stöße, quasi ein kleines Hausbeben. Ich kenne das schon zur Genüge, ich erlebe das mit hübscher Regelmäßigkeit; DGB aber hat das zum ersten Mal bewusst wahrgenommen und war, vollkommen zu Recht, etwas erschrocken.

Ich habe ihr dann erklärt, dass das immer passiert, wenn die großen LKWs die Kreuzung passieren. Meine ehemalige Nachbarin hat mich aufgeklärt, dass es am schlimmsten bei den riesigen Kränen ist: Man denkt, dass das Haus kurz vor dem Einsturz steht. Ob das was mit einer möglichen Unterkellerung der Straße zu tun hat, kann ich nicht sagen - wobei, das würden die Gewölbe doch niemals überstehen, oder? Selbst in meiner Wohnung direkt unter dem Dach sind mir schon bei der ersten Wohnungsbesichtigung die Spuren aufgefallen, die das Hausbeben hinterlässt, und nun kommen wir zum literarischen Einstieg zurück.

Die Risse in den Wänden erinnern mich nämlich unweigerlich an den Riss, der durch das Herrenhaus in Poes Geschichte führt und an dem das Haus schließlich zerbricht und dem Erdboden gleich gemacht wird. Und ich frage mich, wann es wohl hier soweit sein wird. Ich hoffe natürlich gar nicht, denn mit dieser Wohnung habe ich mich richtig angefreundet.

post scriptum: Ich schaue gerade wieder Dario Argentos "Suspiria" - die Bluray von '84 Entertainment ist fantastisch! Gestochen scharfes Bild, die Farben (ein eigener Charakter in diesem Film) leuchten noch mehr, und die 5.1-Tonspur zieht mich richtiggehend hinein in den Film. Kein Vergleich zu der DVD, die ich bisher hatte und auf deren Grundlage ich meine erste Suspiria-Rezension geschrieben habe. Es ist, als würde ich einen ganz anderen Film schauen. Ein echtes Kunstwerk!

Dienstag, 24. Oktober 2017

Der beste Beruf der Welt


"Herzlichen Glückwunsch, sie haben sich für den anspruchsvollsten Beruf der Welt entschieden. Noch können sie das nicht schaffen, aber wenn sie mit diesem Teil der Ausbildung fertig sind, mit dem Referendariat, dann werden sie genauso gut sein wie wir."

Und ich bin arrogant und überheblich? Diese Worte stammen aus dem Mund des Leiters des IQSH, das in Schleswig-Holstein die Lehrerausbildung verwaltet, im Jahr 2012, wenn ich das recht erinnere. Dr Thomas Riecke-Baulecke. Wer solche Worte vor weit über hundert Nulltsemestern in den Mund nimmt, wartet nur darauf, zitiert zu werden. Und wer bisher aufmerksam mitgelesen hat, der sieht, dass R-B nicht vom besten, sondern vom anspruchsvollsten Beruf gesprochen hat - aber mit derart stolzgeschwellter Brust, dass man recht schnell merkte: Er findet sich schon ganz geil. Also, den Lehrberuf.

Und nun tun wir dem armen R-B mal nicht Unrecht; er ist nicht der Einzige mit dieser Diktion. Mit wunderbarer Regelmäßigkeit hören wir in Talkshows und lesen wir in einschlägigen Zeitschriften von Lehrkräften, die festhalten, was sie eigentlich für Arbeiten zu erfüllen haben: Sozialarbeiter, Pädagogen, Fachvermittler, Psychologen, Mediatoren, Familienhelfer - und vieles mehr. Und da ist ja auch ein bisschen was dran, wenn es nur nicht suggerieren würde, dass all' diese Lehrkräfte diese Aufgaben auch beherrschen. Tut mir nicht leid, aber ich habe in den letzten fünf Jahren ausreichend Lehrkräfte erlebt, die diesen Aufgaben eben nicht gewachsen waren. Und das ist ja auch in Ordnung, nobody is perfect, und ich ganz bestimmt erst recht nicht, sonst wäre ich nicht arbeitslos.

Ich möchte nur mal ein bisschen abkommen von der Denke, dass unser Beruf irgendwo ganz oben auf einer imaginären Rangliste anzusiedeln ist. Und möchte ein bisschen Respekt schaffen für: Ärzte, die meinen Finger wieder gerichtet haben; Klempner, dank denen ich wieder Wasser in meiner Wohnung habe; Techniker, dank denen ich überhaupt diese Gedanken in das Internet tragen kann; unterbezahlte Näherinnen in Indien, die mir meine Klamotten im Studium produziert haben; Bauarbeiter, die dafür sorgen, dass mir unter meinem Arsch nicht die Straße wegbricht; Kassiererinnen, die es ermöglichen, mein täglich Brot aus dem Regal in meine Küche zu befördern (na, registriert und analysiert schon jemand meine Verwendung der Geschlechter?); die Ladies unten bei Frau Kliewer im Laden, die mich von den nervigen Haaren befreien; Bauern, ohne die ich heute keinen Kaiserschmarrn würde backen können, für den ich Eier, Mehl und Milch benötige; ADAC-Engel, die mich nach einem Unfall auf dem Schulweg wieder in die Zivilisation befördern...

Ich kann diese Liste unendlich fortführen. Ich finde es ziemlich vermessen, Berufe in eine unsachliche Rangliste zu ordnen. Jeder einzelne dieser Berufe ist wichtig, und es mag sicherlich Unterschiede geben hinsichtlich der Frage, wie anspruchsvoll diese Berufe sind. Sich aber damit zu brüsten, gerade als Lehrer, der den Lehrberuf verlassen hat, um das IQSH zu leiten, kann ich nur schwer ertragen. Und so habe ich das IQSH hassen gelernt, bereits ein paar Tage, bevor ich überhaupt offiziell Referendar wurde.

Diese Abneigung hat dann auch dazu geführt, dass ich es abgelehnt habe, meine Hausarbeit im Institut auszustellen. Ich stelle sie gern jederzeit hier im Blog zur Verfügung, aber nicht unter der "Schirmherrschaft" des Ladens, der mich zu biegen und brechen versucht hat. Ich wollte auf keinen Fall, dass das IQSH sich diese Hausarbeit als Ergebnis ihrer Ausbildung auf die Kappe schreibt.

JEDER Beruf zählt.

Montag, 23. Oktober 2017

Cinerentula - Aschenputtel Latine versa

Random-Bild, Quelle: https://www.roalddahlfans.com/wp-content/uploads/revolatin7.jpg (müsste das nicht eigentlich mit Gerundivum gebildet werden?)

Dieses Werk hat seitens des Profs, der es in Auftrag gegeben hat, nie die verdiente (oder überhaupt irgendeine) Anerkennung bekommen. Viel Spaß beim Lesen - ich garantiere nicht dafür, dass man es mit Schülern behandeln kann - aber vielleicht könnte das ganz nett werden. Wir haben eine Ewigkeit gebraucht, um in Erfahrung zu bringen, was eigentlich ein "Puttel" ist...

Cinerentula
übersetzt von Yasemin Demir, Sandra Ertel, Tobias Homann und Catrin Riegel

Fuit vir dives, cuius uxor aegrotavit. Cum se brevi tempore morituram esse sentiret, filiam ad lectum suum vocavit et “Cara puella” inquit, “in pietate et in virtute mane, ut deus tibi semper faveat. A caelo te aspicam.” Sic effata mortua est. In dies filia pia ad sepulcrum matris venit et flevit. Anno intermisso pater alteram in matrimonium duxit.
Haec mulier duas filias in domum eius induxit, quae facie pulchrae et candidae sed corde nigrae et improbae fuerunt. Tum tempus triste puellae coepit. “Licetne” aiunt, “anseri nobiscum sedere? Ei, qui edere vult, panis merendus est. Exeat ancilla!” Tum vestimentum pulchrum dereperunt et ei pallam canam veterem induerunt et calceos ligneos dederunt.
Ecce regis filia gloriosa tam ornata!” His verbis exclamatis Cinerentulam in culinam duxerunt. Ab ortu ad occasum solis laborare et ante ortum surgere, aquam portare, ignes facere, coquere et lavare debuit. Ultro sorores eam quibuscumque maeroribus affecerunt et eam illuserunt et pisa lentesque in cinerem fuderunt, ut diligeret. Vesperi exhausta non in lectu, sed in cinere iuxta focum dormivit. Cum ob eam rem sordida esset, eam Cinerentulam appellaverunt.
Accidit, quod pater in mercatum ire voluit, cum privignas interrogavit, quid allaturus sit. Tum altera “Vestes pulchras”, “Gemmas et margaritas” altera respondit. “Sed tu, Cinerentula” ait, “quid tu habere vis?” “Pater, defringe primum surculum, quod in itinere tuo caput tangit.” Privignis vestes gemmasque emit et per corulum equitans pilleum a surculo attractum amisit. Tum surculum defregit et secum duxit.
Cum domum venit privignis desiderata dedit. Cinerentulae surculum coruli dedit. Gratias egit et ad tumulum matris iit et surculum posuit. Lacrimis terram perfudit. Surculus crevit et arbor pulchra facta est. Diem de die ter sub arborem iit, flevit, oravit et semper avis alba in arborem volavit et cum puella desiderium declaravit, avis deiecit, quod ea desideravit.
Evenit, ut rex tres dies festos pararet. Ad quos omnes pulchrae virgnies terrae invitatae sunt, ut filius regis uxorem deligeret. Sorores cum id audivissent, ut ibi pararent, gavisae sunt. Tum Cinerentulam vocaverunt, quae capillos suos pecteret et soleas purgaret et fibulas figeret, quia ad nuptias in arcem regis adire voluerunt. Cinerentula paruit et flevit, quia etiam ad saltationem adire voluit. Oravit novercam, ut sibi permitteret. “Cinerentula” inquit noverca, “num sordida cinere ad nuptias adire vis? Tibi nullae vestes soleaeque sunt. Num saltare vis?” Cum Cinerentula pergeret , noverca dixit: “Ecce lentes in cinerem dispersi. Si lentes intervallo duarum horarum legeris, adibis.” Puella in hortum iit et evocavit: “Columbulae, columbulae placidae, turturillae, omnes aves sub caelo, venite et me adiuvate legere – Bonae in ollulam, malae in gutturulam.”
Per fenestram culinae duae columbulae pervolaverunt, tum turtures, denique omnes aves sub caelo. Omnes circum cinerem circumsederunt. Bonas lentes in ollam legere coeperunt. Una hora intermissa operam finiverunt et evolaverunt. Tum puella ollam ad novercam attulit et gavisa est et se ad nuptias adire permissum iri putavit. Sed noverca dixit: “Minime, Cinerentula. Tibi nullae vestes sunt et tu saltare non potes.” Cum Cinerentula flevit, noverca “Si duas ollas” inquit, “spatio unae horae e cinere legere potueris, adibis.” Et Cinerentulam numquam perfecturam putavit.
Postquam duas ollas lentum in cinerem dispersit, Cinerentula omnes aves rursus evocavit, ut se adiuvarent. Paulo post operam finiverunt. Puella rursus ad novercam adiit. Sed noverca rursus dixit: “Nihil te adiuvabit. Non venies, quia nos pudet tuae speciei.” Denique cum sororibus abiit. Tum Cinerentula ad tumulum matris sub curulo iit et vocavit: “Arbuscula, quassa quate funde aurum et argentum.” Avis vestes et aureas et argenteas deiecit. Festinanter sibi vestes induit atque ad nuptias properavit.
Cinerentula tam pulchra fuit, ut nemo eam cognosceret, ne sorores quidem nec noverca. Filius regis totum vesperum cum ea saltavit. Cum domum ire vellet, filius regis id concedere noluit. Ergo fugientem secutus est. Cinerentula in columbarium saluit. Cum rex, qui eam in columbario esse scire vellet, id deleret, id vacuum esse vidit. Cinerentulam in cinere dormientem sordido vestimento indutam in culina invenerunt, quae antea cito e columbario domum fugisset.
Proximo vespere eadem acciderunt. Sed in hoc fugiens in hortum saluit et ascendit arborem. Tum rex arborem cecidit. Iterum Cinerentula sordido vestimento induta in culina fuit.
Tertio die avis ei vestem splendidissimam et soleas aureas dedit. In hoc filius regis gradus picandos curavit, ut Cinerentula, cum fugeret, soleam amitteret. Solea fuit venusta et aurea et parva. Ortu solis filius regis dixit: “Unam eam, cui heac solae est, in matrimonium ducere volo.”
Tum sorores gavisae sunt, quid eis pedes pulchri fuerunt. Soror maxima soleam aptare voluit, sed pollex aptus non fuit, quia solea minor fuit. Statim mater ei cultrum dedit, it ea pollicem abscindere posset. Sine pollice ad filium regis advenit et cum eo ad arcem equo avecta est. Cum ambo sepulcrum preaterirent, columbulae in curulo vocaverunt: “Turtura, turtura, sanguis est in solea. Minor est crepida, est domi sponsa vera.”
Tum filius regis sanguinem se e solea efundentem aspexit. Ergo falsam sponsam reddidit et soleam ab altera sorore aptatum iri dixit. Quae soleam aptare voluit, sed calx apta non fuit. Mater ei quoque cultrum dedit, ut calcem abscindere posset. Sine calce ad filium regis advenit et cum eo avecta est. Cum ambo sepulcrum praeterirent, columbulae in curulo vocaverunt: “Turtura, turtura, sanguis est in solea. Minor est crepida, est domu sponsa vera.”
Tum iterum filius regis sanguinem se e solea efundentem aspexit. Ergo falsam sponsam reddidit et rogavit: “Habesne aliam filiam?” Pater respondit: “Filiam sordidam tantum a mea prima uxore habeo. Ea numquam sponsa esse potest.” Sed filius regis eam videre voluit. Mter autem contradixit: “Sed ea est nimis sordida. Eam videri non licet.” Sed filius regis in sententia sua perseveravit, ut Cinerentula afferetur. Lavata ad filium regis advenit et accepit soleam auream a filio. Cum ea soleam aptaret, solea apta fuit. Statim filius regis cognovit Cinerentulam, quacum saltaret, et vocavit: “Ea sponsa vera est!” Mater et sorores aegre tulerunt. Tum filius regis Cinerentulam ad arcem duxit. Cum ambo sepulcrum praeterirent, columbulae in curulo vocaverunt: “Turtura, turtura, sanguis nullus in solea. Est apta crepida, domum it sponsa vera.”
Die nuptiarum etiam sorores falsae blanditiae causa venerunt. Poenae autem columbulae oculos sororum effoderunt. Sic caecae fuerunt ad ultimum diem, cum Cinerentula cum coniuge beate viveret ad ultimum diem.
Et, nisi mortui sunt, iam hodie vivunt.

FINIS

Sonntag, 22. Oktober 2017

Dazugehören

Was uns verbindet? Die Farbe Schwarz...

Vorweg: Die Idee zu diesem Beitrag kam bereits vorgestern, diese ersten Zeilen habe ich gestern geschrieben, dennoch musste die Veröffentlichung bis heute warten, denn das hier beschriebene Gefühl konnte ich erst in der letzten Nacht wieder erleben und wollte die Eindrücke möglichst unverfälscht wiedergeben.

Manche Menschen kommen auf diese Welt und haben, soweit sie sich erinnern können, nie ein Gefühl von Zugehörigkeit erfahren. Schon als Kinder haben sie sich in ihrer Familie irgendwie fremd gefühlt. Vielleicht, weil ihre Eltern ihnen das Gefühl gegeben haben, in der Familie nicht willkommen zu sein, oder vielleicht, weil sie tatsächlich anders waren und das nicht so einfach akzeptiert werden konnte. Ein Gefühl von wir konnte nicht entstehen, stattdessen haben sie sich an den Topos von ich und die anderen gewöhnt.

Wer Glück hatte, konnte in der Schule einen Freundeskreis finden. Eine peer group, in der man willkommen war und die einen genauso nahm, wie man war - vielleicht, weil die anderen selbst etwas spezieller waren. Manch' einer hatte da allerdings Pech, wurde gemobbt und ausgegrenzt, und das, obwohl er so sehr versuchte, sich anzupassen und dazuzugehören.

Für diese Menschen, die jahrelang auf der Suche nach der eigenen Identität sind - und nach Menschen, bei denen sie OK sind - na super, Bewusstseinsstrom, diesen Satz habe ich in der letzte Nacht angefangen und jetzt weiß ich nicht mehr, wie ich weiterschreiben wollte.

Wenn ich Schüler bemerke, denen es so geht, die das Gefühl haben, immer außen vor zu sein, versuche ich ihnen einen Gedanken an's Herz zu legen: Irgendwann werden auch sie Menschen finden, die ihnen das Gefühl von Zugehörigkeit vermitteln. Und ich erzähle dann aus meinem eigenen Leben. Und dass ich mehr als zwanzig Jahre auf dieses Gefühl habe warten müssen - bis ich schließlich im Lateinstudium angekommen war und dort zwar nach wie vor ein Freak war, aber damals studierten fast nur Freaks dieses Fach, das war noch vor den neuen Studiengängen und dem Latein-Boom. Da fand ich Menschen, die auch alle ein bisschen verrückt waren. Auch dort habe ich mir zwar Zeit gelassen, mich mit Kommilitonen anzufreunden, aber ich hatte nicht mehr das Gefühl ausgegrenzt zu sein.

Und mein zweites Erlebnis von "dazugehören" folgte ein paar Jahre später, als ich zum ersten Mal auf eine Party der Schwarzen Szene mitgenommen wurde. Dort habe ich mich sofort wohlgefühlt, und das Gefühl hält bis heute an. Letzte Nacht war es wieder soweit, und ich wollte die Party abwarten, um sicherzustellen, dass es dieses Gefühl noch immer gibt. Und auch wenn immer wieder einige "Normalos" sich auf die Lost Souls verirren, so trägt doch der Großteil schwarze Outfits, Metall, Nieten, Ketten, Schmuck, schwere Boots, düsteres Makeup, und tanzt sich die Seele aus dem Leib, ohne sich darum zu scheren, was Andere wohl denken könnten. Denn auf dieser Party ist man unter sich, da muss man sich nicht groß verstellen.

Kennzeichnende Szene aus der vergangenen Nacht: Ich verlasse die Trauma, in der gleichzeitig auch die Depeche Mode-Night stattgefunden hatte, und gehe draußen über den Parkplatz. Ich gehe an zwei jungen "normalen" Frauen vorbei, die sich über das Publikum unterhalten, und ich bin gerade mal zwei Schritte an ihnen vorbei, da haut die Eine die Andere an: "Guck mal, so musst du zu dieser Party gehen, guck dir mal den Typen mit dem ganzen Metall dort an, jetzt guck doch mal!" Wie subtil. Ich habe es genossen. Auf dieser Party sind sie diejenigen, die sich nicht dazugehörig fühlen. 

Aber ich bezweifle, dass sie das ernsthaft stört. Denn manche Menschen haben eben das Gefühl, überall Teil der Gruppe zu sein, und sie verbiegen und brechen sich, um mitmachen zu können. Oder manche, naja, die kommen einfach überall gut an, die werden gleich in die Clique aufgenommen. Über diese Menschen werde ich nicht extra einen Artikel schreiben. Denn dann müsste ich wieder unweigerlich an ihn denken - der Er überall dabei sein will, überall im Mittelpunkt stehen will und sich sonstwie verstellt, damit nur niemand etwas "Komisches" über ihn denkt.

Klar habe ich ihn damals auch gefragt, ob Er mal mitkommen will auf die Lost Souls. Mehrfach sogar; Er hat zwar nie direkt abgelehnt (denn dazu müsste Er "Nein" sagen können), aber irgendwann habe ich (endlich) realisiert, dass Er dort nicht sein möchte. Und natürlich habe ich mir immer wieder gedacht "Woher willst du wissen, dass das nichts für dich ist?" - aber lass mal, DocH, Du kannst niemanden dazu zwingen, so wird keiner der Beteiligten glücklich. Und wer in erster Linie auf Parties geht, um sich volllaufen zu lassen, der findet tatsächlich bessere Events als die Schwarze Szene.

Für mich ist das aber genau das Umfeld, in dem ich mich hin und wieder austoben möchte. Hier höre ich Musik, die ich kenne, auch gestern wieder: Combichrist, VNV Nation, Covenant, ASP, Oomph!, Shock Therapy, Noisuf-X uvm... - und hier sehe ich Menschen wieder, die ich kenne: die Jackettfrau, das Spetsnazmädchen, Cybergoths, Electroheads, und sie alle sehen so gut aus und es fühlt sich so toll an, im Rhythmus mit ihnen zu tanzen.

In einem Monat geht es wieder los! Und bis dahin genieße ich es wieder, ganz für mich zu sein.

post scriptum: Jedesmal wieder der Moment, in dem man sich in den Augen herumreibt und einem dann einfällt, dass man ja Kajal und Lidschatten drauf hatte und nun die Augen brennen, weil man alles reingerieben hat, und man realisiert, dass man drei Schichten Nagellack draufhat - Schutzlack als Grundierung, dann schwarz und dann einen unsichtbaren UV-aktiven Lack drüber... und ich muss meine Boots dringend mal wieder putzen und pflegen. Ich habe das alles schleifen lassen. Und den Tag heute im Zombiemodus rumbringen, viel Schlaf gab es nicht und das graue Wetter draußen trägt nicht gerade zur Energetisierung bei...

Freitag, 20. Oktober 2017

B200 - Druckertod

Für eine Weile sind bei mir alle Lichter ausgegangen...

Das klingt wie ein Do It Yourself-Problem, oder wie eine Spezialattacke des Terminators. Oder wie eine besonders spaßige Freizeitbeschäftigung für alle, die einen Canon-Drucker besitzen und eine verrückte Buba haben, die die Herbstferien nutzen möchte, um sich die Operatorenlisten in den Fachanforderungen für Englisch vorbildlich durchzulesen, zu inhalieren und in Zukunft nur noch damit im Unterricht zu arbeiten, ha ha, ich lach' mich tot. Jedenfalls kommt die Buba hier vorbei, fragt ganz harmlos danach und das alte Frettchen hilft der fetten Schnecke natürlich gern - oder würde es, möchte ihr die Seiten mit den Operatorenlisten ausdrucken, doch der Drucker wechselt in einen Zustand von Arbeitsunwillen und das Display zeigt mir einen roten Kasten an: "Fehler B200 - Trennen Sie das Gerät vom Netz und setzen Sie sich mit dem Service-Center in Verbindung." - natürlich gehen bei mir Technik-N00b gleich alle Lichter aus. Ich sehe schon kolonnenweise Reparaturkosten über meinen Bildschirm fliegen, schiebe das aber alles erstmal beiseite und schicke der großen Buba die Datei rüber, damit sie sich das selbst ausdrucken kann, und dann verkloppen wir weiter Monster. Ach nein, jetzt löst sie Rätsel und fliegt dabei hin und wieder in die Luft, mal, wenn sie in eine Mine rennt und explodiert, mal, wenn sie in einen Fön reinrennt ("Ohhh, ich will da aber hochfliegen!"). Ich sage ja, sie ist verrückt.

Und ich, technikversiert, wie ich bin, gehe natürlich mit den Gedanken daran, die jeder Technik-N00b schon einmal hatte: "Ach, ich schalte jetzt alles aus und warte einfach mal ein, zwei Tage ab, und wenn ich das Gerät dann wieder einschalte, funktioniert alles wieder, wie es soll." Denn so funktioniert Technik ja. *Ironie aus*

Nun ist es also ein paar Tage später und ich würde mir gern einen Ortsplan von Elmschenhagen ausdrucken - denn es wollte doch schon jeder gern mal nach Elmschenhagen, so also auch Dr Hilarius. Bereitet alles mit Google Maps und Paint vor, wunderbar, schließt den Drucker an und wird begrüßt mit dem "Fehler B200", und es fällt alles wieder ein. Da war ja was. Okay, ich brauche Google und schaue mal. Ich muss gar nicht lange suchen. Ich muss nur "Canon MG5150" eingeben und fast automatisch wird das "fehler b200" ergänzt. Und die ersten Suchergebnisse klingen niederschmetternd: Canon Fehler B200 - Druckertod, und auf diversen Seiten wird erklärt, dass Canon-Geräte tonnenweise Fehlercodes haben, die man alle selbst auseinandertüfteln kann, nur beim B200 sollte man sich darauf einstellen, ein neues Gerät anzuschaffen. Druckerkopf verunreinigt, kann normalerweise nur per Reparatur wieder geregelt werden und die ist so unwirtschaftlich, dass man sich gleich ein neues Gerät zulegen sollte.

Na toll. Also ein weiterer Posten in meiner Liste von Dingen, die ich mir endlich mal neu zulegen muss: Ein Kleiderschrank (meiner fällt auseinander), ein Notebook (meines funktioniert nur noch, solange ich es keinen Millimeter bewege und weder Tastatur noch Touchpad benutze), ein Medienschrank (denn momentan liegen sämtliche Spiele, Filme und Ähnliches in der gesamten Wohnung verstreut), ein Schreibtisch (naja, der hier steht noch, aber sieht nach fünfzehn Jahren ziemlich ramponiert aus), ein Herd (wobei zwei von vier nutzbaren Kochplatten momentan noch ausreichen). Was mir alles wieder vor Augen führt: Dafür bräuchte ich einen Job. Und dafür wiederum wäre es förderlicher, wenn ich etwas mehr dem Mainstream entspräche und nicht so komisch wäre.

Nun gut, denke ich mir, wenn der Drucker also eh' schon schrottreif sein soll, dann kann ich auch noch versuchen, ihn selbst zu reparieren, schlimmer geht es ja nicht mehr, und es gibt auch B200-Suchergebnisse, die mir suggerieren, dass man das tatsächlich selbst beheben kann. Also verarsche ich den Drucker und lasse ihn gar nicht erst zum B200-Fehler kommen - ich öffne die Abdeckung, bevor ich ihn einschalte. So kommt das Teil gar nicht erst bis zur Fehlermeldung, sondern nur bis "Abdeckung geöffnet - bitte schließen". Ich nutze erstmal die Gelegenheit, um die leeren Druckerpatronen auszutauschen. Wer weiß, vielleicht ist es damit ja schon geregelt. Breche mir meinen Daumennagel zur Hälfte ab bei dem Versuch, den Verschlusskleber von einer der Patronen zu entfernen. Patronen drin, Klappe geschlossen, ratter ratter... ratter... ... B200, a.k.a. "am Arsch", das hat gar nichts gebracht. Dann finde ich eine Anleitung, die empfiehlt, das Gerät noch weiter zu veralbern: Klappe öffnen, einschalten, an den PC anschließen, vom PC-Menü aus eine Testseite drucken lassen. Hallo? Für so blöd kann Canon mich doch nicht halten, dass das so einfach zu beheben wäre. Ich probiere es natürlich trotzdem, ratter ratter... ratter... ...

...bssss... bssst bssst bssst... und das Teil spuckt nach und nach die Testseite aus. Ich fühle mich leicht verarscht. Schließe die Druckerabdeckung, warte auf das B200-Display - doch nichts. Ganz normale Benutzeroberfläche, alles wieder in Ordnung. WTF?!? Mir wird suggeriert, dass dieser Kasten schrottreif ist, dass er nur noch mit einer sauteuren Reparatur zu retten ist und ich solle mich schon mal mit einem Neukauf anfreunden, dabei muss man das System nur ein bisschen hintergehen?

Ich stelle fest, wie froh ich bin, dass es das Internet gibt, mit seinen unzähligen divergierenden Meinungen - irgendwo findet man immer, was man gerade sucht. Und sollte mein Drucker jetzt weiterhin ganz normal funktionieren, bin ich der modernen Technik erstmal sehr dankbar!

Donnerstag, 19. Oktober 2017

Der Teufel im Detail

Da fehlt doch irgendwas!

Ich habe vor einiger Zeit mein Bad ein wenig umdekoriert; dafür mussten sechzig Teile eines Fliesenbildes einzeln auf die jeweiligen Fliesen geklebt werden. Genau genommen habe ich nur sechsundfünfzig angebracht. Die Fliesen, bei denen die Toilette in die Wand übergeht, habe ich ausgelassen. Warum? Ich müsste die richtig kompliziert zurechtschneiden, und ich wüsste auch gar nicht, wie ich mich auf den Boden legen müsste, um die Kleber passgenau anzubringen. Viel zu schwierig, viel zu umständlich, das schaffe ich nicht. Und das fällt doch eh' nicht auf, weil es nur kleine Teilflächen der Fliesen sind, die hätten beklebt werden müssen.

Und so habe ich gefeiert, dass das Bild endlich fertig war, und war stolz auf meine Arbeit - hatte ich hier berichtet. Aber - irgendwas war nicht in Ordnung. Jedesmal, wenn ich in das Badezimmer gekommen bin, habe ich eine Sekunde gestoppt. Ich kann das nicht einfach ausblenden, dieses unfertige Stück da unten. Jedesmal, wenn ich die Tür in's Badreich öffne, muss ich nach unten links schauen. Also habe ich, auch wenn es umständlich war, auch die letzten Teile des Bildes ausgemessen und aufgeklebt.
Jetzt passt es, jetzt kann ich wieder entspannt auf's Klo gehen ;)

Das ist gar nicht mal so eine Kleinigkeit, dieses HSP. Hochsensible Person bezeichnet den Umstand, dass ich eine gesteigerte Sinneswahrnehmung besitze, Geräusche höre, die andere nicht hören, und jede unstimmige Kleinigkeit im Blickfeld bemerke. Das kann ziemlich nervig sein - der Gang in's Bad als Beispiel, oder aber wenn man den Kaugeräuschen einer anderen Person beim Essen zuhören "darf". Die Sannitanic kann ein Lied davon singen...

Dieses Phänomen hat, wie auch die Hochbegabung, noch nicht die Anerkennung, die es benötigt. Da wird noch einiges an Aufklärungsarbeit geleistet werden müssen und wir sollten uns dessen auch als Lehrkraft bewusst sein: Es gibt Schüler, die unter ihrer gesteigerten Wahrnehmung ernsthaft zu leiden haben. Also nicht die Augen vor der Andersartigkeit verschließen!

Mittwoch, 18. Oktober 2017

Kinderkram

ohne Worte

Irgendwie habe ich auch schon in der Schulzeit sehr umständlich gedacht - dabei ist dieser Text herausgekommen, müsste so etwa vor fünfzehn Jahren gewesen sein (damals war noch alte Rechtschreibung, also noch etwas älter). Ich war ein sehr albernes Kind ;-)

Das chaostheoretische Kausalitätsprinzip
(und seine Anwendung)

Zunächst an einem einfachen Beispiel:

Wenn ein Pfau über ein Feld neben einer Landstraße stolziert, wird es etwas später regnen.

Denn: Wenn ein Autofahrer, der über eben diese Landstraße fährt, den Pfau erblickt, wird er fasziniert von dessen Schönheit nicht mehr auf die Straße achten, sondern den Wagen direkt in den Straßengraben fahren. Da seine Klamotten nun verdreckt sind, wird er sie zu Hause waschen und danach zum Trocknen draußen auf die Wäscheleine hängen. Weil es – und ich berufe mich hier auf Murphy´s Gesetze – nun immer gerade dann, wenn man die Wäsche raushängt, anfängt, zu regnen, ist die Theorie bestätigt.

Wenn ein Spiegel zerbricht, steht der Gemeinde neues Ackerland zur Verfügung.

Denn: Wenn dieser Spiegel erst zerbrochen ist, wird der abergläubische Mensch Selbstmord begehen, um den ihm drohenden sieben Jahren Pech zu entgehen. Da der Leichnam nun begraben werden muß, wenden sich die Hinterbliebenen an das nächstbeste Bestattungsinstitut. Weil dieses nun nicht das komfortabelste ist, haben sich in dem Sarg bereits Holzwürmer eingenistet. Nachdem der Tote dann begraben und der Sarg von den Würmern zerfressen worden ist, müssen sich diese auf die neue Umgebung, nämlich den Friedhofsboden umstellen. Dieser wird dann von den Würmern hervorragend aufgelockert. Wenn die Bauern dann sehen, was mit dem Boden passiert ist, säen sie sofort neues Saatgut aus und die Theorie ist bestätigt.

Wenn ein Lehrer eine besonders schwierige Aufgabe stellt, wird die Stadt verdursten.

Denn: Wenn diese besonders schwere Aufgabe gestellt wurde, muß der Klassenprimus an die Tafel, um sie zu lösen. Da der Klassenprimus im Allgemeinen unbeliebt bei seinen Klassenkameraden ist, stellt ihm einer auf seinem Weg nach vorne ein Bein. Wenn der Primus dann stolpert, verliert er seine ihm durch Vorurteile anvertraute Brille. Weil er sie ohne den richtigen Durchblick aber nicht wiederfindet, bleibt sie auf der Schultasche von einem Mitschüler liegen. Wenn nun die Sonne genau auf das Brillenglas und dann in des Mitschülers Tasche scheint, entzündet sie dort durch die Bündelung und Intensivierung der Strahlung zuerst ein Schulheft, welches dann die gesamte Schultasche in Brand steckt, was zunächst aber keiner merkt. Das Feuer greift über auf die Gardinen und schließlich auf das ganze Schulgebäude. Während die Schüler und Lehrer zunächst erschrocken den Brand von außen betrachten, frißt sich der Brand nach dem Prinzip Funke-im-Pulverfaß in Richtung Chemielabor fort und setzt schließlich die halbe Stadt in Flammen. Natürlich ist die Feuerwehr bereits verständigt und löscht das gewaltige Feuer, verbraucht dabei aber die gesamten Wasservorräte der Stadt. Wenn nun auch kein Trinkwasser mehr vorhanden ist, müssen die Einwohner verdursten und die Theorie ist bestätigt.

Wenn jemand früh aufsteht, wird die Weltbevölkerung vernichtet sein.

Denn: Wenn jemand früh aufsteht, bewahrheitet sich das Sprichwort „Morgenstund hat Gold im Mund“. Wenn dieser Mensch nun den Mund voller Goldstücke hat, wird er denken, er habe einen Sechser im Lotto. Da man aber nur einen Sechser im Lotto schafft, wenn Weihnachten und Ostern auf einen Tag fallen, geht uns ein Vierteljahr verloren. Da im Jahr durchschnittlich mindestens ein Mensch früh aufsteht, müssen wir also ein Viertel der bereits verstrichenen Jahre den unseren hinzufügen. Wir haben also das Jahr 15000002500 nach Christus. Da nun aber in diesem Jahr die Erde von der Sonne verschlungen sein wird, ist die Weltbevölkerung vernichtet und die Theorie bestätigt.

Wenn es regnet und die Sonne scheint, wird die Stadt überschwemmt.

Denn: Wenn es regnet und dabei tatsächlich die Sonne scheint, entsteht ein Regenbogen. Weil es nun heißt, daß am Ende eines Regenbogens ein Topf voll Gold liegt, wird mindestens ein Mensch loslaufen und diesen Topf suchen. Schließlich findet er ihn. Da aber jeder Topf voll Gold einem Kobold gehört, wird der Kobold hinter dem Finder herjagen, um seinen Topf zurückzubekommen. Weil dieses eine Fee bemerkt und die Feen gute Freunde der Menschen sind, beschützt sie ihn. Dieser rennt dann sofort zur Bildzeitung, in der am nächsten Tag die Schlagzeile erscheint: Fee gesichtet! Diese Nachricht liest dann eine Familie mit Kindern. Als das Kleinkind aus dem Munde seiner Eltern den Ausdruck „Zeitungsente“ hört, bastelt es eine Ente aus Papier und läßt sie im Spülbecken schwimmen. Das verstopft daraufhin und überschwemmt die Wohnung. Da aber ein Unglück selten allein kommt und es in der Stadt viele Familien mit Kindern gibt, ist die Stadt bald überflutet und die Theorie bestätigt.

Wenn jemandem langweilig ist, wird die medienbegeisterte Menschheit ersticken.

Denn: Wenn diesem Menschen langweilig ist, wird er einen Handstand machen und Fliegen fangen. Ganz gemäß der beliebten Redewendung. Es gibt ein weiteres Sprichwort, das da lautet: Verrückt ist der, der verrücktes tut. Da Im-Handstand-Fliegen-fangen nun weiß Gott nicht das Alltäglichste ist, ist dieser Mensch verrückt. Wenn dann seine Mitmenschen diese verrückte Person sehen, werden sie sich denken: Der hat nicht mehr alle Tassen im Schrank. Wenn er aber nicht den Schrank voller strahlender Tassen hat, dann klappt´s auch nicht mit dem Nachbarn. Also hat dieser Mensch kein Calgonit. In diesem Fall wäre die Werbung leider umsonst gewesen; sonst hätte sich die Person ja Calgonit gekauft. Wenn Werbung aber umsonst ist, ist der Sender, der sich ja von der Werbung finanziert, bald pleite. Dann wird es auch keine Nachrichten mehr geben. Es wird also niemand mehr auf dem neuesten Stand sein. Weil man aber zu einer solchen Person, die wir dann ja alle sind, sagt: Du lebst ja hinter dem Mond! Werden wir eine kleine Reise dorthin machen müssen, um den Ansprüchen gerecht zu werden. Da es aber hinter dem Mond keine Atmosphäre gibt, wird die Menschheit ersticken und die Theorie ist bestätigt.

Montag, 16. Oktober 2017

Polterabend

Röm pöm klirr

Am Samstag habe ich erlebt, dass so ein Polterabend ein Panoptikon an Emotionen erzeugen kann:

Neugier

Wie sieht das Haus des Brautpaares aus? Wo genau wohnen sie? Wie sieht überhaupt der Zukünftige aus? Hat die Braut sich in all' diesen Jahren verändert? Wer wird noch da sein? Gibt es Neuigkeiten bei meiner Mitfahrgelegenheit? Solche Fragen helfen mir, den Gedanken abzuschütteln, dass ich vielleicht nicht würde hinfahren wollen, weil da so viele unbekannte Menschen sind. Die Neugier ist in diesem Fall stärker. 

Freude

Ich habe mich tatsächlich darüber gefreut, dass ich nun endlich mal das Geschirr loswerden konnte, was nicht wirklich in meinen Haushalt gepasst hat. Irgendwann hatte ich auf schwarze Teller, Tassen usw. umgestellt, aber aus meiner Husumer Zeit hatte ich noch ein weißes Service von Aldi, weil das billig war (das schwarze war auch billig, von Ikea), und das hat nun seinen Dienst getan. Mit dem richtigen Timing kann ein Polterabend also außerordentlich praktisch sein.

Spaß

Ich habe mich beinah scheckig gelacht, als wir uns schadenfroh angeschaut haben, wie das Brautpaar versucht hat, die Scherben zusammenzufegen und in einen Müllsack zu befördern. Das ist ja der Sinn eines Polterabends: Symbolisch soll das Paar erleben, wie wichtig es ist, dass sie ab jetzt alles im Leben zusammen durchstehen werden. Und damit das nicht zu einfach wird, haben einige Gäste zwischendurch den mühsam aufgekehrten Scherbenhaufen wieder mit den Füßen über die ganze Terrasse verteilt. Oder, noch etwas gemeiner, in einem unachtsamen Moment den Sack mit den Scherben genommen und fröhlich wieder ausgeschüttet. Sollten ja schließlich etwas davon haben, die beiden. Das war sehr spaßig.

Trauer

Nur für einen Moment, aber ganz unerwartet, als ich während der Autofahrt erfahren habe, dass eine ehemalige Kommilitonin aus dem Lateinstudium vor ein paar Jahren verstorben ist. Das lässt einen darüber nachdenken, in welchem Lebensabschnitt man sich befindet: Um einen herum heiraten die Menschen, bekommen Kinder, bauen Häuser... und es sterben die ersten Menschen, völlig unerwartet und deswegen umso berührender.

Sehnsucht

Das erklärt sich wohl ziemlich leicht. Wie gesagt, um mich herum all' die Paare, die gerade erst geheiratet haben oder in den nächsten Wochen und Monaten heiraten werden, und natürlich der Blick auf unser Hochzeitspaar, die sich dieser Tage kirchlich das Ja-Wort geben werden. Das lässt mich meine eigene Situation überdenken. Und auch wenn ich immer noch der Meinung bin, dass ich für eine feste Beziehung derzeit nicht bereit bin, weil ich zu sehr meine Freiheiten und meine Unabhängigkeit genieße, denke ich hin und wieder nur spaßeshalber darüber nach, wie es wohl wäre, wenn Er wieder in meinem Leben wäre.

Nostalgie

Irgendwie ist es schön, mal wieder einen Teil der alten Lateingruppe aus dem Studium wiederzusehen. Das erinnert an die gute alte Zeit. An das schöne Gefühl, dass man nicht allein ist mit seinem Sprung in der Schüssel; die Lateinstudenten hatten damals alle irgendwie ein Rad ab. Und das hat uns zusammengeschweißt und durch eine anstrengende Zeit geholfen. Und die Sannitanic lästert jetzt wieder: "Anstrengend? Du hast doch überhaupt nichts dafür getan!" Und sie hat ja Recht. Aber trotzdem war es eine intensive Zeit und ich habe mit einem Lächeln daran zurückgedacht.

Frust

Eigentlich sollte ich mit einem positiven Gefühl abschließen. Eigentlich sollte ich nicht schon wieder damit anfangen. Aber eigentlich sollte ich jetzt auch einen Job haben und nur deshalb zuhause herumsitzen, weil ich Herbstferien habe. Es ist nun mal so: Meine Mitfahrgelegenheit - verbeamtet. Die Polterlady - verbeamtet. Weitere Gäste auf der Party - verbeamtet. Und ich habe derzeit nicht mal mehr einen befristeten Arbeitsvertrag. Was sollte das in mir auslösen, wenn nicht Frust? Aber er hält sich gering, langsam komme ich wieder mit der Arbeitslosigkeit klar. Immerhin muss ich nicht verhungern, immerhin haben wir ein funktionierendes soziales Netz in Deutschland.

Kurzum: Auch wenn ich ein bisschen Angst davor hatte, dass es mir vielleicht zu viele Menschen sein könnten, war es ein sehr schöner Polterabend, ich gönne es der Braut von ganzem Herzen.

Und wann polterst Du?

Donnerstag, 12. Oktober 2017

Buba-Revenge!

Oh ja, als Lehrer kann ich ein Lied davon singen...

Der Postbote weiß ja bereits, dass in dieser Wohnung ein Verrückter lebt. Das sieht er auch am psychedelisch beklebten Briefschlitz, durch den er heute eine Postkarte geschoben hat, die mich an Hugo Egon Balder und Hella von Sinnen hat denken lassen. Ich halte die beiden für ein grandioses Duo, das waren sie früher schon in der vollkommen durchgeknallten Show Alles Nichts Oder?!. Sie keifen sich gegenseitig an, das Publikum liebt sowas. Er bezeichnet sie als "fette Schnecke", sie ihn als "altes Frettchen". Das Traumpaar der Privatsender, titelte der Spiegel vor neun Jahren.

Ich komme einfach nicht umhin, gewisse Parallelen zu mir und der großen Buba festzustellen. Die große Buba ist albern, Dr Hilarius ist alt ("...ich war auch mal so...") und wir können uns wunderbar gegenseitig beleidigen, nur um im nächsten Moment vor Lachen zu sterben und uns dabei synchron auf die Oberschenkel zu hauen.

Ich habe vor einiger Zeit einen völlig schwachsinnigen Brief an die große Buba geschickt, einfach nur, um zu sehen, ob ihre neue Adresse "funktioniert". Und nun kam die Retourkutsche; der Briefträger dürfte den Kopf geschüttelt haben, als er diese völlig schwachsinnige Postkarte in meinen Briefschlitz warf - wobei, nein, wie oben erwähnt, weiß er ja, dass ich ein Verrückter bin. Also dürfte das für ihn völlig normal sein:

Das nenne ich randömpömpöm...

Ich liebe diese Karte! Und ich habe tatsächlich einige Momente gebraucht, bis ich aus diesen herumfliegenden einzelnen Buchstaben das Wort KIST-HÄH! herausgefunden habe. Zeigt sich also: Die große Buba kann auch wegziehen, an einem weit entfernten Ort unterrichten, das ändert nichts an unserer Freundschaft. Beziehung.

Fette Schnecke und altes Frettchen.
Und wir unterhalten schon wieder den ganzen Laden:

"Geh du mal vor, ich renn sonst in die Tür rein. Oh, Zigaretten!

Ich brauche Paprika…. Ne rote Zwiebel und Ka---OOoh, Angebote! Addegebot-häh! A a a a

Wie peinlich, ich kann mich hier nicht mehr blicken lassen. Ach, du meinst die Kiste da vorne! Kist-HÄH?!

Dhei-DHÄH!! Gedhau gedhau. Was gibt es denn… Kekse, Suppen und Schokolade. Was für eine Kombi!

Das ist egal, Hauptsache, es ist billig. Geh mal da weg, da will jemand an dir vorbei. Wir unterhalten schon wieder den ganzen… Joghurt! Den brauche ich, ich hab meinen Einkaufszettel vergessen, ach nein, ich hab kein Geld dabei.

Ich hab Geld mit. Ich brauche auch Jogurt. Und saure Sahne…. Wo ist die denn… Und wo bist du eigentlich? Ach da, huch, ich hab schon wieder mit mir selbst geredet!

Wow, hast Du die Schwulen da vorne gesehen? Ja der Typ, der mit dem Mädchen rumknutscht, alles nur pseudo, guck Dir mal seine Fußstellung an, wo bleibst du denn? Ich brauch dich zum bezahlen. Bezahwen! Verzieh dich, oder es kracht…

Du dumme Thöööööhwe! Ach wie süß! Und wie verstohlen er zu uns rüber schaut. Darf ich den haben? Ich adoptiere ihn und du machst ihn schwul!

Bitte was? Der kauft Hackfleisch? Lass mal, der ist wahrscheinlich doch hetero. Und hier, du brauchtest doch saure Sahne, Angebot, die läuft ab am… gestern. Morgen musst du eh nicht ins Seminar, da macht es nix, wenn du Magenkrämpfe hast.

Du KUH! Na dankeschön! Ich nehme lieber eine frische, ich will ja nicht heute kochen. Ich brauche Pizz-HAH! Ist was im Angebot?

Cool, mir wird gar nicht schwindelig, wenn ich stehen bleibe! Und die Schwuchtel hat grad zu uns rübergeschaut, ich wette, der will dazugehören! Kannst du nicht diese doofen Tussis mit deinen Titten erschlagen? Oh Pizza! OHHHH, ich brauch die… warte mal… die, na du weißt, die haben so eine… mann, wo… oh nö, haben die hier… doch… nein… oh, ich glaube es gerade…

Oh, ich liebe die Prosciutto! Aber ich darf die nicht so oft essen sonst habe ich sie irgendwann über. Oh, guck mal, die doofen Tussis gaffen uns an, vielleicht sollten wir mal die Jurassic Park Diva raushängen lassen. HALLOOOOAAAARGHL!

Hör auf, sonst denken die, wir reden über sie! Wie peinlich… ich geh mal eben vier Regale weiter, damit die nicht denken, wir gehören zusammen. Ich komm dann wieder zurück, du kannst ja bis dahin Pizza anschauen. Und vielleicht höre ich so, was die kleine Schwuppe so zu sagen hat.

Ja toll, lass mich alleine mit meiner Entscheidung. Deinetwegen kaufe ich wieder vier Pizzen statt einer. Aber warte es mal ab, an der Kasse stehst du auch wieder mit fünf Teilen mehr in der Hand als geplant – und ich bin gerne Schuld!

Das ist wie wenn man sich vornimmt, bei McD nur einen Salat zu essen: „Ja, ich hätte gern ein Salat mit Joghurtdressing und ein Mineralwasser bitte.“ – „Joghurtdressing haben wir nicht mehr.“ – „Gut, dann nehme ich fünf BigMac, drei große Pommes mit Majo, zweimal Cola, vier Juniortüten und zwei McFlurry mit Erdbeer.“ a a a a a a a

Gedhau gedhau. Oh, McD wäre auch mal wieder eine Idee. Einmal im Jahr habe ich da auch Lu- oh, da fällt mir ein: KÄSE!

KWÄÄÄHSE! Und überhaupt hast du eben deine thöäarcht-Chance verpasst, als ich gesagt habe „ich glaube es gerade…“, ich glaube, du wirst hetero!

Bitt-HÖÖÖÄÄÄÄH??? Wann hast du das gesagt? Da war ich bestimmt mit dem Kopf im Kühlfach!

Ja eben, als wir über die Pizza geredet haben und ich keinen klaren Satz rausgebracht hatte! Aber nein, du warst ja wieder abgelenkt, ich konzentriere mich wenigstens auf das Wesentliche, so wie bei Resident Evil." (...und es wird niemals aufhören...)

Mittwoch, 11. Oktober 2017

"Rechte" Ästhetik

Nachtmahr

Die Voreingenommenheit der Menschen kennt keine Grenzen (ich nehme mich selbst da gar nicht aus), und darunter kann man als Mitglied der Schwarzen Szene tatsächlich leiden. Man bekommt missbilligende Blicke, Passanten machen einen großen Bogen. Und ich verwette mein linkes Auge, dass von allen Absagen, die ich bisher nach Vorstellungsgesprächen bekommen habe, mindestens die Hälfte durch mein Erscheinungsbild entstanden ist.

"Warum ziehst du dich nicht für das Vorstellungsgespräch ganz normal an, dann würden die Schulleitungsrunden nicht so misstrauisch werden."

Die Frage ist vollkommen berechtigt, aber ich habe mittlerweile eine Antwort parat. In meinem aktuellen Schulleitergutachten steht "Zunächst erregt [Dr Hilarius] mit seinem ungewöhnlichen Äußeren Aufmerksamkeit und Interesse" - wenn ich dann im Mainstream-Outfit erscheine, wundert sich der Schulleiter, wenn er das Gutachten gelesen hat (das tun nicht alle). Und gerade dieses Outfit ist es ja, was mir den Zugang zu bestimmten Schülern erleichtert. Wenn ich aufgrund meines Äußeren eine Absage bekomme, ist es vielleicht auch besser so, wer weiß, ob ich an solch einer Schule glücklich werde.

Und es gibt ja auch den entgegengesetzten Fall. Dass ein Schulleiter mich anschaut und direkt denkt "Genau so einen brauchen wir!" Das ist mir zweimal passiert, zuerst in St.Peter-Ording und dann in Brachenfeld. Ich hoffe, dass ich irgendwann an eine aufgeschlossene Schule komme. Mein Erscheinungsbild sagt etwas über mich aus, das ist klar, aber leider haben die Gothic-Stereotypen in den Köpfen der Menschen nichts mit mir zu tun.

Es kann allerdings auch anders sein, und genau darum geht es mir heute. Ich freue mich schon auf die Lost Souls, eine Szene-Party, die in der Traum GmbH stattfindet; nächste Woche Samstag ist es wieder soweit. Und ich werde mich entscheiden müssen, in welchem Outfit ich hingehe. Ich habe diverse Stile der Szene durchprobiert - Emo, Cybergoth, EBM... und genau beim EBM (Electronic Body Music) kann es kritisch werden.

Die Outfits gehen manchmal in Richtung Soldaten, Wehrmacht, Uniform, Schnürstiefel, Crew-Cut (Haare kurzrasiert). Ich finde, das hat einen gewissen Reiz. Aber diese Outfits kokettieren mit nationalsozialistischem Flair. Natürlich gehe ich davon aus, dass die Tanzfläche nicht mit Neonazis gefüllt ist, ich lerne ja langsam, nicht mehr so oberflächlich zu sein. Ich frage mich nur - wie weit darf man damit gehen?

Nehmen wir And One als Beispiel. Die Gruppe tritt elegant auf, aber die Songtexte enthalten etwas schwer verdauliche Häppchen: "Sei stolz, Deutscher, sei stolz!", "Steine sind Steine, alle an die Wand!", "Sieger ficken keine Tunten" - natürlich sind das alles gezielte Provokationen, aber manchmal, finde ich, übertreibt die Gruppe es mit ihrer Deutschtümelei.

Oder, die visuelle Komponente, man macht es wie Nachtmahr. Thomas Rainer hat das Projekt in eine Art Wehrmacht-Stil gehüllt. Wie schon gesagt, ich finde, das hat einen gewissen Reiz. Aber manchmal fällt es mir schwer zu glauben, dass da nicht irgendwo rassistische, nationalistische Tendenzen verborgen sind.


All' das ändert aber nichts daran, dass ich die Musik mag und mich auf die nächste Party freue!

Man könnte fast das Peace-Symbol übersehen...

Montag, 9. Oktober 2017

Gefühle - Addendum


Heute nur ein Nachtrag zum Eintrag über Liebe und Verantwortung von gestern.

"Wie erkennt man den Unterschied zwischen wahrem Mitgefühl und Idiotenmitgefühl?

Idiotenmitgefühl heißt, daß wir es immer allen Leuten recht machen und ihnen alles geben wollen, was sie sich wünschen, auch wenn es nicht wirklich gut für sie ist. Sie sind immer nett, immer bemutternd, immer lächelnd. Aber Sie sagen nie: "Nein. Das ist nicht in Ordnung." Sie ziehen keine Grenzen, was aber genau das sein könnte, was nötig ist.
   Wenn jemand zum Beispiel sehr aggressiv ist und seiner Umwelt schadet, dann wäre es Idiotenmitgefühl, wenn man ihm gegenüber beschwichtigend und ausgesprochen freundlich wäre, statt nein zu sagen. So verhält man sich aus Furcht, die Person könne einen nicht mögen oder es könnte zu einer unangenehmen Konfrontation kommen. Es kann auch sein, dass wir einfach zu erschöpft sind, um uns zu behaupten. Wenn Ihr Kind gerade seine Hand auf den heißen Ofen legen will, dann würden Sie natürlich niemals sagen: "Gut so, Liebes. Mach nur weiter." Sie würden lautstark "Halt!" schreien. Solch echtes Mitgefühl mag in manchen Momenten grob erscheinen, aber Idiotenmitgefühl ist überhaupt kein Mitgefühl - es ist eher so etwas wie Bequemlichkeit."

(Chödrön, Pema: "TONGLEN. Der tibetische Weg, mit sich selbst und anderen Freundschaft zu schließen." Halifax 2001, 90f.)

(vielleicht liest Er dieses Zitat irgendwann einmal)

Sonntag, 8. Oktober 2017

Die Verantwortung


Es geht um Gefühle. Genauer gesagt, um das Entstehen von Gefühlen und einer damit verbundenen Verantwortung.

Schauplatz der Handlung ist das schwule Netzwerk Gayromeo (und vielleicht auch die Weltraumbasis hier, aber dazu später mehr). Ach nee, mittlerweile heißt es PlanetRomeo, etwas neutraler. Klingt unsinnig? Keinesfalls: Die Community erstreckt sich über den ganzen Erdball, und auch in Länder, in denen Homosexualität ein Verbrechen ist. Da ist es gut, wenn man die Seite z.B. bei der Arbeit geöffnet hat, dass möglichst wenig darauf hindeutet, dass es um Schwule geht. Das kann den Job kosten. Oder die Freiheit. Im schlimmsten Fall das Leben. Ich benutze den Spitznamen der Community, Die Blauen Seiten. Wer das Grundprinzip noch nicht kennt - ich habe schon einmal darüber berichtet.

Ab und an kommt es vor, dass man Gleichgesinnte findet, zum Beispiel Männer mit dem gleichen Fetisch. Und so fängt man an, sich zu schreiben und mehr - wobei das "mehr" hier in Richtung Telefonsex (t6) oder Camsex (c6) geht. Oft ist ein Treffen nicht möglich, denn - je spezieller der Fetisch, umso schwieriger wird es, einen Partner dafür zu finden. Wenn man ihn gefunden hat, wohnt er oft hunderte Kilometer entfernt; deswegen verlässt man sich dann auf Telefon oder Webcam.

Ich habe also auch jemanden gefunden, der meine Neigungen teilt, und wir schreiben uns jetzt schon eine Weile und haben Spaß dabei. Nur leider wird es schwierig, wenn der Andere durchblicken lässt, dass bei ihm Gefühle für mich aufkommen. Ich hätte es am liebsten auf der sexuellen Ebene belassen. Aber, das weiß ja vermutlich jeder von uns, die Liebe richtet sich nicht nach Entfernung.

Heute habe ich ihm geschrieben, dass er sich nicht zu sehr hineinsteigern soll, weil mein Herz einem anderen Mann gehört. Das ist harsch, und vielleicht habe ich ihn damit auch zum Weinen gebracht. Aber es ist eben so. Vielleicht antwortet er mir jetzt nicht mehr. Vielleicht schreibe ich ihm, dass wir doch immerhin weiter texten können. Vielleicht wird er wütend und enttäuscht darauf nicht eingehen - who knows? Aber was hätte ich machen sollen?

Hätte ich ihm weiterhin immer genau das sagen sollen, was er hören wollte? Hätte ich ihm diese Fantasie nicht zerstören sollen? Sondern, im Gegenteil, mehren und mehren? Obwohl ich weiß, dass es nichts wird? Trotzdem einfach den netten Kontakt genießen, während der Andere sich immer stärker in mich verliebt?

Ich bin der Meinung, dass ich das nicht hätte tun sollen. Für mich ist es quasi eine Verantwortung, die Grenze zu ziehen, bevor es auf seiner Seite noch schlimmer wird. Das ist dann halt einmal unangenehm, aber wenigstens weiß er, was in meinem Kopf vor sich geht. Klar, seine Gefühle werden dadurch nicht geringer, aber ich denke, dass die Fronten damit geklärt sind.

Okay, von PlanetRomeo auf zur Weltraumbasis: Der "Hätte...?"-Absatz beschreibt nämlich genau das, was Er gemacht hat. Anfangs waren wir Kumpels, dann habe ich mich in ihn verliebt. Und als die Katze aus dem Sack war, wurde es kein Stück besser, denn Er tat nichts, um mich auf Abstand zu halten. Er hat alles gemacht, was ich wollte, Er hat mir alles gesagt, was ich hören wollte. Immer in dem Bewusstsein "Naja, Dr Hilarius weiß ja, dass ich nicht seine Zielgruppe bin." Und fertig. Auf diese Weise hatte Er ein gutes Gewissen. An den Konsequenzen haben wir bis heute zu knabbern und es wird noch ein ganzes Stück weiter gehen. Er hat das nie böse gemeint, Er hat nie mit mir gespielt - Er war einfach nur sehr naiv.

Manchmal geht mir der Gedanke durch den Kopf, ob es nicht vielleicht besser gewesen wäre, wenn Er sich mir gegenüber so verhalten hätte wie ich auf PlanetRomeo. Es wäre quasi seine Verantwortung gewesen, gleich zu Beginn klipp und klar zu sagen "Nein, das wird nichts, und vielleicht sollten wir auch nicht mehr so viel zusammen machen".

Keine Sorge, ich verzehre mich nicht nach ihm, es ist nicht so, dass ich nur noch an ihn denke und dass ich alles für ihn tun würde. Das war einmal, mittlerweile sehe ich da etwas klarer. Ich komme wunderbar ohne ihn zurecht - aber ich möchte ihn nach wie vor in meinem Leben haben, und darauf warte ich. Auch Jahre, wenn es sein muss (es muss sein).

Ein schöner Spruch zu dieser Thematik:

"Treibe nie ein unaufrichtiges Spiel mit einem Herzen, das Dich aufrichtig und treu liebt. Es kommen Zeiten, in denen Du dich vor Schmerzen nach so einem Herzen sehnst."