Sonntag, 8. Oktober 2017

Die Verantwortung


Es geht um Gefühle. Genauer gesagt, um das Entstehen von Gefühlen und einer damit verbundenen Verantwortung.

Schauplatz der Handlung ist das schwule Netzwerk Gayromeo (und vielleicht auch die Weltraumbasis hier, aber dazu später mehr). Ach nee, mittlerweile heißt es PlanetRomeo, etwas neutraler. Klingt unsinnig? Keinesfalls: Die Community erstreckt sich über den ganzen Erdball, und auch in Länder, in denen Homosexualität ein Verbrechen ist. Da ist es gut, wenn man die Seite z.B. bei der Arbeit geöffnet hat, dass möglichst wenig darauf hindeutet, dass es um Schwule geht. Das kann den Job kosten. Oder die Freiheit. Im schlimmsten Fall das Leben. Ich benutze den Spitznamen der Community, Die Blauen Seiten. Wer das Grundprinzip noch nicht kennt - ich habe schon einmal darüber berichtet.

Ab und an kommt es vor, dass man Gleichgesinnte findet, zum Beispiel Männer mit dem gleichen Fetisch. Und so fängt man an, sich zu schreiben und mehr - wobei das "mehr" hier in Richtung Telefonsex (t6) oder Camsex (c6) geht. Oft ist ein Treffen nicht möglich, denn - je spezieller der Fetisch, umso schwieriger wird es, einen Partner dafür zu finden. Wenn man ihn gefunden hat, wohnt er oft hunderte Kilometer entfernt; deswegen verlässt man sich dann auf Telefon oder Webcam.

Ich habe also auch jemanden gefunden, der meine Neigungen teilt, und wir schreiben uns jetzt schon eine Weile und haben Spaß dabei. Nur leider wird es schwierig, wenn der Andere durchblicken lässt, dass bei ihm Gefühle für mich aufkommen. Ich hätte es am liebsten auf der sexuellen Ebene belassen. Aber, das weiß ja vermutlich jeder von uns, die Liebe richtet sich nicht nach Entfernung.

Heute habe ich ihm geschrieben, dass er sich nicht zu sehr hineinsteigern soll, weil mein Herz einem anderen Mann gehört. Das ist harsch, und vielleicht habe ich ihn damit auch zum Weinen gebracht. Aber es ist eben so. Vielleicht antwortet er mir jetzt nicht mehr. Vielleicht schreibe ich ihm, dass wir doch immerhin weiter texten können. Vielleicht wird er wütend und enttäuscht darauf nicht eingehen - who knows? Aber was hätte ich machen sollen?

Hätte ich ihm weiterhin immer genau das sagen sollen, was er hören wollte? Hätte ich ihm diese Fantasie nicht zerstören sollen? Sondern, im Gegenteil, mehren und mehren? Obwohl ich weiß, dass es nichts wird? Trotzdem einfach den netten Kontakt genießen, während der Andere sich immer stärker in mich verliebt?

Ich bin der Meinung, dass ich das nicht hätte tun sollen. Für mich ist es quasi eine Verantwortung, die Grenze zu ziehen, bevor es auf seiner Seite noch schlimmer wird. Das ist dann halt einmal unangenehm, aber wenigstens weiß er, was in meinem Kopf vor sich geht. Klar, seine Gefühle werden dadurch nicht geringer, aber ich denke, dass die Fronten damit geklärt sind.

Okay, von PlanetRomeo auf zur Weltraumbasis: Der "Hätte...?"-Absatz beschreibt nämlich genau das, was Er gemacht hat. Anfangs waren wir Kumpels, dann habe ich mich in ihn verliebt. Und als die Katze aus dem Sack war, wurde es kein Stück besser, denn Er tat nichts, um mich auf Abstand zu halten. Er hat alles gemacht, was ich wollte, Er hat mir alles gesagt, was ich hören wollte. Immer in dem Bewusstsein "Naja, Dr Hilarius weiß ja, dass ich nicht seine Zielgruppe bin." Und fertig. Auf diese Weise hatte Er ein gutes Gewissen. An den Konsequenzen haben wir bis heute zu knabbern und es wird noch ein ganzes Stück weiter gehen. Er hat das nie böse gemeint, Er hat nie mit mir gespielt - Er war einfach nur sehr naiv.

Manchmal geht mir der Gedanke durch den Kopf, ob es nicht vielleicht besser gewesen wäre, wenn Er sich mir gegenüber so verhalten hätte wie ich auf PlanetRomeo. Es wäre quasi seine Verantwortung gewesen, gleich zu Beginn klipp und klar zu sagen "Nein, das wird nichts, und vielleicht sollten wir auch nicht mehr so viel zusammen machen".

Keine Sorge, ich verzehre mich nicht nach ihm, es ist nicht so, dass ich nur noch an ihn denke und dass ich alles für ihn tun würde. Das war einmal, mittlerweile sehe ich da etwas klarer. Ich komme wunderbar ohne ihn zurecht - aber ich möchte ihn nach wie vor in meinem Leben haben, und darauf warte ich. Auch Jahre, wenn es sein muss (es muss sein).

Ein schöner Spruch zu dieser Thematik:

"Treibe nie ein unaufrichtiges Spiel mit einem Herzen, das Dich aufrichtig und treu liebt. Es kommen Zeiten, in denen Du dich vor Schmerzen nach so einem Herzen sehnst."

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen