Nachtmahr |
Die Voreingenommenheit der Menschen kennt keine Grenzen (ich nehme mich selbst da gar nicht aus), und darunter kann man als Mitglied der Schwarzen Szene tatsächlich leiden. Man bekommt missbilligende Blicke, Passanten machen einen großen Bogen. Und ich verwette mein linkes Auge, dass von allen Absagen, die ich bisher nach Vorstellungsgesprächen bekommen habe, mindestens die Hälfte durch mein Erscheinungsbild entstanden ist.
"Warum ziehst du dich nicht für das Vorstellungsgespräch ganz normal an, dann würden die Schulleitungsrunden nicht so misstrauisch werden."
Die Frage ist vollkommen berechtigt, aber ich habe mittlerweile eine Antwort parat. In meinem aktuellen Schulleitergutachten steht "Zunächst erregt [Dr Hilarius] mit seinem ungewöhnlichen Äußeren Aufmerksamkeit und Interesse" - wenn ich dann im Mainstream-Outfit erscheine, wundert sich der Schulleiter, wenn er das Gutachten gelesen hat (das tun nicht alle). Und gerade dieses Outfit ist es ja, was mir den Zugang zu bestimmten Schülern erleichtert. Wenn ich aufgrund meines Äußeren eine Absage bekomme, ist es vielleicht auch besser so, wer weiß, ob ich an solch einer Schule glücklich werde.
Und es gibt ja auch den entgegengesetzten Fall. Dass ein Schulleiter mich anschaut und direkt denkt "Genau so einen brauchen wir!" Das ist mir zweimal passiert, zuerst in St.Peter-Ording und dann in Brachenfeld. Ich hoffe, dass ich irgendwann an eine aufgeschlossene Schule komme. Mein Erscheinungsbild sagt etwas über mich aus, das ist klar, aber leider haben die Gothic-Stereotypen in den Köpfen der Menschen nichts mit mir zu tun.
Es kann allerdings auch anders sein, und genau darum geht es mir heute. Ich freue mich schon auf die Lost Souls, eine Szene-Party, die in der Traum GmbH stattfindet; nächste Woche Samstag ist es wieder soweit. Und ich werde mich entscheiden müssen, in welchem Outfit ich hingehe. Ich habe diverse Stile der Szene durchprobiert - Emo, Cybergoth, EBM... und genau beim EBM (Electronic Body Music) kann es kritisch werden.
Die Outfits gehen manchmal in Richtung Soldaten, Wehrmacht, Uniform, Schnürstiefel, Crew-Cut (Haare kurzrasiert). Ich finde, das hat einen gewissen Reiz. Aber diese Outfits kokettieren mit nationalsozialistischem Flair. Natürlich gehe ich davon aus, dass die Tanzfläche nicht mit Neonazis gefüllt ist, ich lerne ja langsam, nicht mehr so oberflächlich zu sein. Ich frage mich nur - wie weit darf man damit gehen?
Nehmen wir And One als Beispiel. Die Gruppe tritt elegant auf, aber die Songtexte enthalten etwas schwer verdauliche Häppchen: "Sei stolz, Deutscher, sei stolz!", "Steine sind Steine, alle an die Wand!", "Sieger ficken keine Tunten" - natürlich sind das alles gezielte Provokationen, aber manchmal, finde ich, übertreibt die Gruppe es mit ihrer Deutschtümelei.
Oder, die visuelle Komponente, man macht es wie Nachtmahr. Thomas Rainer hat das Projekt in eine Art Wehrmacht-Stil gehüllt. Wie schon gesagt, ich finde, das hat einen gewissen Reiz. Aber manchmal fällt es mir schwer zu glauben, dass da nicht irgendwo rassistische, nationalistische Tendenzen verborgen sind.
All' das ändert aber nichts daran, dass ich die Musik mag und mich auf die nächste Party freue!
Man könnte fast das Peace-Symbol übersehen... |
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