Dienstag, 24. Oktober 2017

Der beste Beruf der Welt


"Herzlichen Glückwunsch, sie haben sich für den anspruchsvollsten Beruf der Welt entschieden. Noch können sie das nicht schaffen, aber wenn sie mit diesem Teil der Ausbildung fertig sind, mit dem Referendariat, dann werden sie genauso gut sein wie wir."

Und ich bin arrogant und überheblich? Diese Worte stammen aus dem Mund des Leiters des IQSH, das in Schleswig-Holstein die Lehrerausbildung verwaltet, im Jahr 2012, wenn ich das recht erinnere. Dr Thomas Riecke-Baulecke. Wer solche Worte vor weit über hundert Nulltsemestern in den Mund nimmt, wartet nur darauf, zitiert zu werden. Und wer bisher aufmerksam mitgelesen hat, der sieht, dass R-B nicht vom besten, sondern vom anspruchsvollsten Beruf gesprochen hat - aber mit derart stolzgeschwellter Brust, dass man recht schnell merkte: Er findet sich schon ganz geil. Also, den Lehrberuf.

Und nun tun wir dem armen R-B mal nicht Unrecht; er ist nicht der Einzige mit dieser Diktion. Mit wunderbarer Regelmäßigkeit hören wir in Talkshows und lesen wir in einschlägigen Zeitschriften von Lehrkräften, die festhalten, was sie eigentlich für Arbeiten zu erfüllen haben: Sozialarbeiter, Pädagogen, Fachvermittler, Psychologen, Mediatoren, Familienhelfer - und vieles mehr. Und da ist ja auch ein bisschen was dran, wenn es nur nicht suggerieren würde, dass all' diese Lehrkräfte diese Aufgaben auch beherrschen. Tut mir nicht leid, aber ich habe in den letzten fünf Jahren ausreichend Lehrkräfte erlebt, die diesen Aufgaben eben nicht gewachsen waren. Und das ist ja auch in Ordnung, nobody is perfect, und ich ganz bestimmt erst recht nicht, sonst wäre ich nicht arbeitslos.

Ich möchte nur mal ein bisschen abkommen von der Denke, dass unser Beruf irgendwo ganz oben auf einer imaginären Rangliste anzusiedeln ist. Und möchte ein bisschen Respekt schaffen für: Ärzte, die meinen Finger wieder gerichtet haben; Klempner, dank denen ich wieder Wasser in meiner Wohnung habe; Techniker, dank denen ich überhaupt diese Gedanken in das Internet tragen kann; unterbezahlte Näherinnen in Indien, die mir meine Klamotten im Studium produziert haben; Bauarbeiter, die dafür sorgen, dass mir unter meinem Arsch nicht die Straße wegbricht; Kassiererinnen, die es ermöglichen, mein täglich Brot aus dem Regal in meine Küche zu befördern (na, registriert und analysiert schon jemand meine Verwendung der Geschlechter?); die Ladies unten bei Frau Kliewer im Laden, die mich von den nervigen Haaren befreien; Bauern, ohne die ich heute keinen Kaiserschmarrn würde backen können, für den ich Eier, Mehl und Milch benötige; ADAC-Engel, die mich nach einem Unfall auf dem Schulweg wieder in die Zivilisation befördern...

Ich kann diese Liste unendlich fortführen. Ich finde es ziemlich vermessen, Berufe in eine unsachliche Rangliste zu ordnen. Jeder einzelne dieser Berufe ist wichtig, und es mag sicherlich Unterschiede geben hinsichtlich der Frage, wie anspruchsvoll diese Berufe sind. Sich aber damit zu brüsten, gerade als Lehrer, der den Lehrberuf verlassen hat, um das IQSH zu leiten, kann ich nur schwer ertragen. Und so habe ich das IQSH hassen gelernt, bereits ein paar Tage, bevor ich überhaupt offiziell Referendar wurde.

Diese Abneigung hat dann auch dazu geführt, dass ich es abgelehnt habe, meine Hausarbeit im Institut auszustellen. Ich stelle sie gern jederzeit hier im Blog zur Verfügung, aber nicht unter der "Schirmherrschaft" des Ladens, der mich zu biegen und brechen versucht hat. Ich wollte auf keinen Fall, dass das IQSH sich diese Hausarbeit als Ergebnis ihrer Ausbildung auf die Kappe schreibt.

JEDER Beruf zählt.

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