Sonntag, 22. Oktober 2017

Dazugehören

Was uns verbindet? Die Farbe Schwarz...

Vorweg: Die Idee zu diesem Beitrag kam bereits vorgestern, diese ersten Zeilen habe ich gestern geschrieben, dennoch musste die Veröffentlichung bis heute warten, denn das hier beschriebene Gefühl konnte ich erst in der letzten Nacht wieder erleben und wollte die Eindrücke möglichst unverfälscht wiedergeben.

Manche Menschen kommen auf diese Welt und haben, soweit sie sich erinnern können, nie ein Gefühl von Zugehörigkeit erfahren. Schon als Kinder haben sie sich in ihrer Familie irgendwie fremd gefühlt. Vielleicht, weil ihre Eltern ihnen das Gefühl gegeben haben, in der Familie nicht willkommen zu sein, oder vielleicht, weil sie tatsächlich anders waren und das nicht so einfach akzeptiert werden konnte. Ein Gefühl von wir konnte nicht entstehen, stattdessen haben sie sich an den Topos von ich und die anderen gewöhnt.

Wer Glück hatte, konnte in der Schule einen Freundeskreis finden. Eine peer group, in der man willkommen war und die einen genauso nahm, wie man war - vielleicht, weil die anderen selbst etwas spezieller waren. Manch' einer hatte da allerdings Pech, wurde gemobbt und ausgegrenzt, und das, obwohl er so sehr versuchte, sich anzupassen und dazuzugehören.

Für diese Menschen, die jahrelang auf der Suche nach der eigenen Identität sind - und nach Menschen, bei denen sie OK sind - na super, Bewusstseinsstrom, diesen Satz habe ich in der letzte Nacht angefangen und jetzt weiß ich nicht mehr, wie ich weiterschreiben wollte.

Wenn ich Schüler bemerke, denen es so geht, die das Gefühl haben, immer außen vor zu sein, versuche ich ihnen einen Gedanken an's Herz zu legen: Irgendwann werden auch sie Menschen finden, die ihnen das Gefühl von Zugehörigkeit vermitteln. Und ich erzähle dann aus meinem eigenen Leben. Und dass ich mehr als zwanzig Jahre auf dieses Gefühl habe warten müssen - bis ich schließlich im Lateinstudium angekommen war und dort zwar nach wie vor ein Freak war, aber damals studierten fast nur Freaks dieses Fach, das war noch vor den neuen Studiengängen und dem Latein-Boom. Da fand ich Menschen, die auch alle ein bisschen verrückt waren. Auch dort habe ich mir zwar Zeit gelassen, mich mit Kommilitonen anzufreunden, aber ich hatte nicht mehr das Gefühl ausgegrenzt zu sein.

Und mein zweites Erlebnis von "dazugehören" folgte ein paar Jahre später, als ich zum ersten Mal auf eine Party der Schwarzen Szene mitgenommen wurde. Dort habe ich mich sofort wohlgefühlt, und das Gefühl hält bis heute an. Letzte Nacht war es wieder soweit, und ich wollte die Party abwarten, um sicherzustellen, dass es dieses Gefühl noch immer gibt. Und auch wenn immer wieder einige "Normalos" sich auf die Lost Souls verirren, so trägt doch der Großteil schwarze Outfits, Metall, Nieten, Ketten, Schmuck, schwere Boots, düsteres Makeup, und tanzt sich die Seele aus dem Leib, ohne sich darum zu scheren, was Andere wohl denken könnten. Denn auf dieser Party ist man unter sich, da muss man sich nicht groß verstellen.

Kennzeichnende Szene aus der vergangenen Nacht: Ich verlasse die Trauma, in der gleichzeitig auch die Depeche Mode-Night stattgefunden hatte, und gehe draußen über den Parkplatz. Ich gehe an zwei jungen "normalen" Frauen vorbei, die sich über das Publikum unterhalten, und ich bin gerade mal zwei Schritte an ihnen vorbei, da haut die Eine die Andere an: "Guck mal, so musst du zu dieser Party gehen, guck dir mal den Typen mit dem ganzen Metall dort an, jetzt guck doch mal!" Wie subtil. Ich habe es genossen. Auf dieser Party sind sie diejenigen, die sich nicht dazugehörig fühlen. 

Aber ich bezweifle, dass sie das ernsthaft stört. Denn manche Menschen haben eben das Gefühl, überall Teil der Gruppe zu sein, und sie verbiegen und brechen sich, um mitmachen zu können. Oder manche, naja, die kommen einfach überall gut an, die werden gleich in die Clique aufgenommen. Über diese Menschen werde ich nicht extra einen Artikel schreiben. Denn dann müsste ich wieder unweigerlich an ihn denken - der Er überall dabei sein will, überall im Mittelpunkt stehen will und sich sonstwie verstellt, damit nur niemand etwas "Komisches" über ihn denkt.

Klar habe ich ihn damals auch gefragt, ob Er mal mitkommen will auf die Lost Souls. Mehrfach sogar; Er hat zwar nie direkt abgelehnt (denn dazu müsste Er "Nein" sagen können), aber irgendwann habe ich (endlich) realisiert, dass Er dort nicht sein möchte. Und natürlich habe ich mir immer wieder gedacht "Woher willst du wissen, dass das nichts für dich ist?" - aber lass mal, DocH, Du kannst niemanden dazu zwingen, so wird keiner der Beteiligten glücklich. Und wer in erster Linie auf Parties geht, um sich volllaufen zu lassen, der findet tatsächlich bessere Events als die Schwarze Szene.

Für mich ist das aber genau das Umfeld, in dem ich mich hin und wieder austoben möchte. Hier höre ich Musik, die ich kenne, auch gestern wieder: Combichrist, VNV Nation, Covenant, ASP, Oomph!, Shock Therapy, Noisuf-X uvm... - und hier sehe ich Menschen wieder, die ich kenne: die Jackettfrau, das Spetsnazmädchen, Cybergoths, Electroheads, und sie alle sehen so gut aus und es fühlt sich so toll an, im Rhythmus mit ihnen zu tanzen.

In einem Monat geht es wieder los! Und bis dahin genieße ich es wieder, ganz für mich zu sein.

post scriptum: Jedesmal wieder der Moment, in dem man sich in den Augen herumreibt und einem dann einfällt, dass man ja Kajal und Lidschatten drauf hatte und nun die Augen brennen, weil man alles reingerieben hat, und man realisiert, dass man drei Schichten Nagellack draufhat - Schutzlack als Grundierung, dann schwarz und dann einen unsichtbaren UV-aktiven Lack drüber... und ich muss meine Boots dringend mal wieder putzen und pflegen. Ich habe das alles schleifen lassen. Und den Tag heute im Zombiemodus rumbringen, viel Schlaf gab es nicht und das graue Wetter draußen trägt nicht gerade zur Energetisierung bei...

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