Lojong-Losung 13: "Übe dich darin, allen Menschen höchst dankbar zu sein."
Wenn wir am Tisch sitzen und zu Abend essen, und ich bitte jemanden, mir das Salz zu reichen, dann danke ich ihm danach. Ich fühle aber keine Dankbarkeit. In meinem Kopf ist das wie im Drehbuch eine Abfolge von Phrasen:
1 - Gibst du mir bitte das Salz?
2 - nimmt den Salzstreuer und reicht ihn rüber
3 - Vielen Dank.
Hunderttausendmal trainiert. So sehr auswendig gelernt, dass ich gar nicht mehr weiß, wie sich Dankbarkeit eigentlich anfühlt. Es ist zur Routine geworden, eine höfliche Formulierung, und das war es dann auch. Genau darauf weist die Lojong-Losung hin - Dankbarkeit soll nicht nur als Worthülse ausgesprochen, sondern ernsthaft empfunden werden.
Mich hat heute jemand an die Hand genommen. Er ist psychologischer Coach und kennt Menschen, die in meiner Situation stecken. Er lächelt mich nicht an und sagt "Wenn du Hilfe brauchst, egal was, sag' einfach Bescheid!" - und darum geht es. Diesen nett gemeinten Satz habe ich in den letzten Wochen und Monaten häufiger zu hören bekommen. Aber woher weiß ich, wann ich Hilfe brauche? Die fleißigen Leser werden sich erinnern: Aspis merken es oft nicht, wenn sie Hilfe benötigen. Sie kommen nicht von selbst darauf, jemanden um Hilfe zu bitten. Sie sind eben geistig behindert, diese Formulierung sollte man nicht ganz aus dem Blick lassen. Und so sitzt der Aspi regungslos vor dem großen Berg und weiß nicht, was er machen soll.
Anders ist es heute gewesen - oder in den letzten Tagen - als sich endlich mal jemand entschlossen hat, auf mich zuzugehen und mich an die Hand zu nehmen, damit wir endlich die ganze Sache in's Rollen bringen können. Ich will hier gar nicht auf die Details eingehen - dass ich jetzt weiß, was meine ganz konkreten nächsten Arbeitsschritte sind, inklusive Namen und Adressen und Formularen. Das gibt es bei Interesse irgendwann. Ich überlege schon wieder, komplett dichtzumachen, weil sich Menschen an meiner Mitteilungsfreudigkeit stören. Die große Buba, das ist wie mit meinem Rumnerden bei Freizeitparks, Astrophysik, Medikamenten, Horrorfilmen und Videospielen - entweder, ich gehe voll darin auf oder ich rede überhaupt nicht mehr, um dich nicht zu belästigen (nota bene: Wir haben genau dieses Thema besprochen, und bei der großen Buba darf ich dann tatsächlich auch mal in den Nerdwahn verfallen *kiss kiss, hug hug*).
Ich habe mich lange nicht mehr so dankbar gefühlt wie heute - und das ist erst im Laufe des Nachmittags langsam hervorgebrochen, inklusive Tränen in den Augen. In der Schule, bei dem Termin war es nur ein hörbares Ausatmen. Aber - wie der Meditationstag nun mal so ist - es beginnt das Nachdenken, während ich an der Nintendo Switch sitze oder mir die letzte Staffel The Expanse anschaue. Ich merke, wie ich mit dem Kopf nicht mehr bei dem Geschehen auf dem Bildschirm bin, sondern nach und nach realisiere, dass ich endlich. Endlich. Endlich! einen konkreten Handlungsplan habe, den jemand für mich gemacht hat und mit mir in Ruhe durchgesprochen hat, inklusive aller Fragen, die in meinem Kopf herumgeschwirrt sind - weil ich es in dieser Sache nämlich allein nicht schaffe. Ich bin so erleichtert, und so dankbar, dass es an dieser Schule auch Menschen gibt, die mir aktiv helfen auf diesem Weg.
Es klingt vielleicht nicht so, aber es ist ein meilenweiter Unterschied zwischen "Wenn du Hilfe brauchst, sag' Bescheid!" und "So, ich helfe Dir jetzt!" - im ersten Fall sage ich "Danke".
Im zweiten bin ich dankbar.
ich schwanke so oft zwischen einem leicht hyperaktiven "Golden Retriever" aka "gib mir Input, come on, zeig mir was, komm schon Komm Schon, KOMM SCHON!" und dem depressiven Faultier "ich muss das alles grad verarbeiten, mmmmkay"
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