Dienstag, 1. Oktober 2019

Autobahn-Sulli

1986 geschlossen, ich war drei Jahre alt, als wir auf der neuen Brücke daneben vorbeigefahren sind - Sulli anyone?

Autobahn-Sulli - was sich anhört wie das debile Gebrabbel eines nicht mehr ganz zurechnungsfähigen Sechsundneunzigjährigen auf dem Weg in die geschlossene Anstalt, ist in Wahrheit das unverständliche Gebrabbel eines noch nicht ganz zurechnungsfähigen Sechsjährigen auf der Autofahrt zum regulären Besuch bei'm Hautarzt.

Wer von Euch ebenfalls Neurodermitiker ist (und nicht war, denn die Erkrankung ist nicht heilbar) - und jetzt vielleicht überhaupt keine der Symptome mehr ertragen muss - kann sich womöglich noch gut an seine Kindheit erinnern, in der er vielleicht mit ebenso stark ausgeprägter Symptomatik zu kämpfen hatte wie ich: Pusteln, Flechte, Schuppen, Entzündungen, blutige Kratzer, Verkrustungen - für Eltern eine gewaltige Herausforderung, zumindest damals, wenn man auf dem Land lebte und ein guter Kinder-Facharzt seine Praxis eine Autostunde entfernt hatte.

Viele, lange, mühselige Autofahrten. Und jedesmal über den Nord-Ostsee-Kanal (NOK). Damals noch über die alte NOK-Hochbrücke bei... irgendwo bei Beldorf in der Nähe. Heute über das neue, ästhetisch doch deutlich langweiligere Bauwerk. Und das war nicht die einzige Brücke der A Dreiundzwanzig. Und aus irgendeinem Grund war ich ungaublich fasziniert von der Architektur dieser Brücken, besonders von den Bogenkonstruktionen. Genau wie bei Bahnfahrten: Tunnels und Brücken waren unglaublich spannend, auch wenn ich schon zum xten Mal durch diesen Tunnel oder über jene Brücke gefahren bin.

Ich war so fasziniert von dieser Brückenkonstruktion, dass mir dazu wohl das Wort "Autobahn-Sulli" eingefallen sein muss. Und nicht einfach nur als einmalige Wortkonstruktion eines Kindes, das zuviel redet; meine Mutter weiß bis heute, und erinnert mich auch bis heute daran, wie ich immer, wenn wir an einer bestimmten Brücke vorbeigekommen sind, "Autobahn-Sulli" gesagt habe.

Nun sind kreative Wortexperimente bei Kleinkindern nicht ungewöhnlich, aber meistens haben sie einen Bezug zur Realität - oder nicht? Eltern, fühlt Euch angesprochen, denn Ihr kennt diese Sachen wie "Nudel-Nam", und irgendwie kann man sich das ja auch erklären - denn "mjamjamjam" ist weit verbreitet. Allerdings kann ich mir bis heute nicht erklären, wie ich auf "Autobahn-Sulli" gekommen bin; der einzige Ansatz, der sich mir bietet: Ich habe schon früh viel gelesen, und es kann sein, dass ich das Wort "Säule" bereits irgendwo gelesen hatte, und wenn man an diesen Bogenkonstruktionen mit senkrechten Stützstreben vorbeifährt, könnten die tatsächlich wie Säulen ausgesehen haben.

Ich muss bei der Geschichte immer an das Konzept der Synästhesie denken - dass mehrere Sinne sich gegenseitig beeinflussen, dass man zum Beispiel Farben hören kann - ich hatte einmal darüber geschrieben (Ich hör' nur Bahnhof).

Haben Eure Kinder auch scheinbar unerklärliche Wortgebilde anzubieten, die sie mit einer solchen Beharrlichkeit immer wiederholen? ;-)

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