Der fünfundzwanzigste Dezember, Drei Uhr Neun morgens. Mein Kopf ist immer noch völlig überfordert von vielen Gedanken, aber immerhin den tab mit dem neuen Blogeintrag möchte ich schonmal öffnen und mir kurz notieren, was da alles hineingehört. Und jetzt: Schlaf (irgendwie).
Zwölf Uhr Zweiunddreißig. Ein bisschen geschlafen und ich bin immer noch vollkommen in den Gedankenzügen drin, also versuche ich jetzt mal, diesen Beitrag zurechtzuklöppeln. Wie der Titel schon andeutet, geht es um den Heiligabend bei meiner Familie, und der war diesmal anders und doch irgendwie wieder business as usual. Am frühen Nachmittag hat mein Bruder mich abgeholt - in seinem neuen Beemer, und irgendwie fühlt es sich ja schon cool an, in so einem Auto zu fahren. So ruhig und entspannt und losgelöst von dem ganzen Verkehrsstress da draußen. Das war großartig - und während der Fahrt Neuigkeiten austauschen und schonmal mental darauf vorbereiten, was und zuhause erwartet.
Erwartet hat uns eigentlich nichts Ungewohntes. Es war das erste Weihnachtsfest ohne meine Oma, das heißt, der Faktor "Kirche" tauchte überhaupt nicht mehr auf, und das hat es alles etwas pragmatischer gestaltet. Fand ich ganz schön. Es war sehr lecker, und ich habe meinem Bruder endlich das Fachbuch zum Asperger-Syndrom gegeben, was schon seit über einem Jahr hier in meiner Wohnung lag und genau darauf wartete. Ist nie einfach, den "richtigen" Moment zu finden, auch für neurotypische Menschen. Und Aspis stehen sich dabei noch mehr selbst im Weg. Aber ich habe es ihm gegeben, habe zwei, drei Sätze dazu gesagt, und ich fühle mich jetzt extrem erleichtert und habe das ganz leichte, fast unbewusste Gefühl, meinem Bruder etwas geholfen zu haben. Das bedeutet mir viel und hat die Heimfahrt, ebenfalls gestern, fast etwas surreal wirken lassen.
Und dann hatte ich mir quasi als "intellektuelles Dessert" einen Brief aufgehoben, der am Tag zuvor in meine Wohnung geflattert war. Absenderin war eine meiner Schülerinnen, und das war ein tolles Erlebnis, diesen Brief zu öffnen.
Vorgeschichte: Infolge der Erkrankung hatte ich meine Schüler gebeten, mir englische Briefe zu schicken, und da kamen einige sehr spezielle und ganz tolle Briefe bei mir an. Eine Briefkombo einer Dreiergruppe hat mich ganz besonders fasziniert - ein Autist und zwei vermutlich hochbegabte Schüler haben zusammengearbeitet und mir sehr unübliche Post geschickt. Also habe ich mir gedacht, dass ich mir einen kleinen Spaß gönne: Ich habe ihnen einen Brief in der Geheimschrift (siehe unten) in die Schule geschickt, ohne jegliche Lösungstipps, einfach nur mit der Anmerkung "Figure it out"! - "Findet es heraus!"
Ich habe das gemacht, weil ich mir mit der Hochbegabung zumindest bei einer von ihnen so sicher war, dass ich sie testen wollte. Mein Gedankengang: "Sie ist hochbegabt. Dieser Brief wird sie nicht loslassen, bis sie ihn entschlüsselt hat. Das ist ein Rätsel und es wird sie faszinieren. Sie wird es entschlüsseln - und dann wird sie mir, quasi als Bestätigung, einen Brief zurückschicken, und zwar genau in dieser ihr bis dato unbekannten Geheimschrift, um mir zu zeigen, dass sie sie geknackt hat."
Diesen Brief habe ich ihnen (verschlüsselt) geschickt:
Hi B & E & F!
I am writing to you because your letters were special. This is because you three are special students and your brains remind me of myself.
If it is okay with you, I would like to talk with you sometime. Don't feel forced to do that; it's just that this might result in a very interesting conversation.
I don't know how long I have to stay home. I really miss you guys and the whole course and I want to continue with our game "Life is Strange"!
Well... who of you cracked the code? Send me a letter in this secret language so I know that you solved it. In the meantwime I'll continue watching "The X-Files" and playing "Metroid Dread".
Hope to hear from you soon!
Ich liebe es, wenn ein Plan sich haargenau so abspielt, wie ich ihn mir in meinem Kopf zurechtgelegt habe. Wenn sich einzelne Dinge einfach bestätigen. Und so habe ich ihren Brief aufgerissen und folgenden Brief in Geheimschrift darin gefunden:
Hier die Übersetzung (Rechtschreibung und Grammatik bereinigt):
Moin Mister Hilarius,
we finally decoded your letter. We took a little longer than we should UWU (don't Autist). We're sorry for letting you wait a decade.
Remember to breathe and don't eat yellow snow, and for God's sake, stay away from the brown snow.
You're a sick Earthling, but now you're an ill one, too. [Ich liebe dieses Wortspiel!]
We really hope to see you in person again soon!
XOXO the hoomanoid creatures E and B
ps: It was we E the one and only, who did the decoding.
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Dreizehn Uhr Neun. Was für ein wunderbarer Tag und Abend und Nacht.
post scriptum: Sienzehn Uhr Fünfundzwanzig. Und dann auch noch eine neue Episode "The Expanse" - zuviel. Telefon raus, abschalten, geistige Quarantäne. Das ist der Moment, wo unserer Aspi-Schüler in Tränen ausbricht und wir ihm einen abgeschotteten Raum geben müssen, in dem er sich sammeln kann. I'm getting the hang of this.
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