Dienstag, 17. August 2021

Odyssee durch Kiel


Normalerweise brauche ich zwanzig Minuten mit dem Auto von der Schule zurück zu mir nach Hause; heute waren es neunzig. Man gewöhnt sich mit der Zeit an Stau oder zumindest dichten Verkehr auf dem Ostring und dem Theodor-Heuss-Ring. Tritt nicht immer auf, aber es reicht schon eine kleine Baustelle am Überflieger oder Waldwiesenkreuz, um den Verkehr lahmzulegen. Heute war es auf dem Ostring ein liegengebliebener Müllwagen. Kein Problem, ich hab' Zeit, und danach war wieder alles frei. 

Dann allerdings der Theodor-Heuss-Ring. Ich schaffe es nicht, raufzufahren, weil es nur ruckelig vorangeht. Voran? Sorry, mein Fehler. Normalerweise geht es ruckelig voran. Heute hat sich die Autolawine überhaupt nicht bewegt. Nach ein paar Minuten ist mir das aufgefallen und ich habe etwas Unaspisches gemacht - vor dem Einlenken auf den THR blinke ich rechts, die Straße ist frei. Gedanke: Ich werde auf dem THR momentan überhaupt nicht vorankommen, Unfall oder so, ich muss einen anderen Weg finden. Kann ja nicht so schwer sein - und ich fahre rechts runter, weg von der Blechlawine. 

In den nächsten Stau, nach nur zweihundert Metern. Und dann werde ich unruhig: Hier auch Stau - aber immerhin geht es langsam voran. Aber wo bin ich? Ich bin noch nie auf dieser Straße entlang gefahren, und die ist an der nächsten Ampel vierspurig! Panik - sozusagen in Zeitlupe. Es dauert wirklich einige Momente, bis ich realisiere: Dadurch, dass es nur langsam voran geht, kann ich nachdenken, wohin ich fahren muss. Ich suche nach Schildern, einige Pfeile deuten zum "Zentrum". Da muss ich hin. 

Hier abbiegen, dort abbiegen, inmitten tausender Autos, und natürlich gehe ich meine sich nun verschiebende Tagesplanung im Kopf durch, denn ich kann ja nicht aufhören zu denken. Dann plötzlich! Ein Pfeil in Richtung Agentur für Arbeit, yesssss, ich bin irgendwo in der Nähe der Gablenzbrücke, einfach da rauf und dann endlich in Richtung Hamburger Chaussee äi käi äi Heimat. Und dann sehe ich die Gablenzbrücke - über mir. Mist, das wird nichts, wo fahre ich denn jetzt eigentlich hin? Ich sehe links von mir in der Ferne den Bahnhof und für einen Moment erstarre ich - bin ich wieder auf dem Ostufer? Ganz falsch, ohklott, was nun? Doch dann sehe ich rechts von mir die Hörn, atme auf, ich bin direkt am Hauptbahnhof und kann auf das Sophienblatt fahren, toll, einfach an der Ampel nach links, dann bin ich in Richtung Käseschlonz-Klospülingen unterwegs. 

Wäre ich. Wenn ich denn links abbiegen dürfte, aber das dürfen an dieser Ampel nur die Busse. Also biege ich nach rechts ab, total verwirrt, weil ich im Augenwinkel sehe, wie ein Mercedes da nun doch links abbiegt? What the... und dann entwirrt sich alles.

Endlich realisiere ich, dass ich am Ziegelteich bin, und diese Straße kenne ich endlich wieder, mittlerweile seit fast achtzehn Jahren. Jetzt kann ich Richtung Wilhelmplatz fahren und bin erleichtert. Der Rest klappt (fast) reibungslos.

Dieses Gefühl, nach einer Irrfahrt endlich einen Ort zu finden, den man wiedererkennt, ist unbeschreiblich schön. So schön, dass ich es mir nicht durch eine Wiederholung verderben möchte - ne danke, dann lieber auf dem THR stehen und im Geiste die Fibonacci-Reihe durchgehen.

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